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Gator, der Söldner

Der steinerne Gott

»Du spielst falsch!«

In der von flackerndem Kerzenlicht nur spärlich erleuchteten Weinschenke Zum blauen Krug wurde es augenblicklich totenstill. Das Stimmengemurmel der wenigen Gäste erstarb und das Klirren von tönernen Bechern und Krügen setzte aus. Die meisten der Anwesenden starrten ungläubig auf den groß gewachsenen jungen Nordländer, der in abgerissenen Kleidern an dem Spieltisch in der Mitte der schäbigen Spelunke saß. Ein zerschlissenes Fellhemd verhüllte nur dürftig die knochigen Schultern, seine Füße steckten in einer abgetragenen Stoffhose und ausgetretenen Schnürstiefeln.

Ganz langsam lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück. Aus dunklen Augen starrte er sein Gegenüber herausfordernd an.

 

»Du verdammter Bastard!«, lallte jener des Falschspiels bezichtigte Mann mit schwerer Stimme.

»Sag das noch mal!« Es war ganz offensichtlich, dass der Kerl trotz der frühen Abendstunden schon total betrunken war. Sein verschwitztes, strähniges Haar klebte ihm wirr um den Schädel, er rülpste laut und klammerte sich mit der Linken an die Tischkante, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.

»Ich sagte, dass du falsch spielst. Schon seit einiger Zeit tauschst du immer wieder die Spielwürfel mit denen aus, die du in deinem Hemdärmel versteckt hast. Meinst du, ich bin blind oder für wie dumm hältst du mich eigentlich? Du gibst mir jetzt mein Geld zurück und wir beide vergessen die ganze Sache, einverstanden?«, sagte der Nordmann und verzog ärgerlich das Gesicht.

Der angesprochene Spieler lachte schrill.

Die Haltung des jungen Mannes erschien ihm nicht sonderlich gefährlich, und außerdem stärkte der reichlich genossene Wein sein Selbstbewusstsein kolossal. Einem aufmerksameren Beobachter jedoch wären der verkrüppelte linke Zeigefinger, die ausgezupften Augenbrauen oder die Schnalle des ledernen Waffengürtels an dem Jungen bestimmt aufgefallen.

Solche Zeichen wiesen ihren Träger als einen Angehörigen der Söldnerkaste aus, und diese Leute verstanden erfahrungsgemäß wenig Spaß, wenn es um ihr Hab und Gut ging.

Selbstherrlich unterschätzte der Betrunkene den jungen Mann.

Wut blitzte in seinen vom Alkohol geröteten Augen auf, dann fuhr seine Rechte mit einer raschen Bewegung unter das verdreckte Hemd und kam mit einem Krummdolch wieder zum Vorschein.

»Du elender Lügner, dafür schneide ich dir die Kehle durch!«

Stahl blinkte im düsteren Kerzenlicht der Spelunke auf und die tödliche Waffe zischte auf den jungen Mann zu. Der groß gewachsene Söldner ließ sich mit seinem Stuhl nach hinten fallen. Zu einem zweiten Dolchstoß kam der betrunkene Spieler nicht mehr. Noch im Fallen riss der Mann aus dem Norden mit einer einzigen, fließenden Bewegung sein Schwert aus dem Leder seines Waffengurts. Indessen der Falschspieler torkelnd den Tisch umrundete, war der junge Söldner bereits wieder auf den Beinen.

Die Waffe in der Hand des Nordmannes beschrieb einen engen Halbkreis, dann bohrte sich die Spitze seines Schwertes tief in die linke Schulter des Spielers. Der Mann blieb abrupt stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand gelaufen. Sein Gesicht wurde aschfahl.

Nachdem der Söldner sein Schwert mit einem kurzen Ruck aus dem Körper des Spielers gezogen hatte, taumelte dieser zur Seite und brach mit einem lang gezogenen Schrei zusammen. Sein Dolch polterte auf die ausgetretenen Fußbodenbretter. Aus der tiefen Wunde an seiner Schulter sickerte dunkles Blut.

Die meisten der Gäste verschwanden in wilder Flucht durch die Türen und Fenster des Gasthofes. Offensichtlich wollte hier niemand mit dem Geschehen in Verbindung gebracht werden.

»Das hättest du auch einfacher haben können«, sagte der junge Mann leise und schüttelte seinen Kopf. Verärgert sammelte er sein Geld vom Boden auf, indessen sich unter dem

Körper des verletzten Falschspielers langsam ein hässlicher, dunkler Blutfleck auf dem Fußboden bildete.

»Ich denke, wir beide sollten uns einmal ernsthaft miteinander unterhalten!«

Instinktiv zuckte die Schwerthand des jungen Söldners erneut nach vorn, während sich langsam die Umrisse einer massigen Gestalt aus dem hintersten, dunkelsten Winkel der Schenke schälten.

Der unwahrscheinlich fette Körper jenes unbekannten Sprechers steckte in einem weit geschnittenen, mausgrauen Gewand, dem es augenscheinlich kaum gelang, die gewaltigen Speckmassen seines Trägers gänzlich zu bedecken.

»Mein Name ist Kobbaar«, sagte der Dicke. »Ich gehöre der Gilde der freien Händler an, kaufe und verkaufe Waren aller Art. Ich handle mit seltenen Gewürzen aus der Ostmark, wertvollen Pelzen aus Eislanden ebenso wie kostbaren Stoffen aus Levandurien. Man kann bei mir sogar frisches Obst aus Goa oder erlesene Weine aus dem Ruland bekommen.«

Ein falsches Grinsen lag auf seinem Gesicht, als er dem Jungen mit einem bis zum Rand gefüllten Weinpokal zuprostete.

»Ab und zu habe ich aber auch ein paar junge knusprige Hühner aus dem Südland im Angebot, wenn du verstehst, was ich meine«, fügte er schmierig hinzu.

»Ich bin Gator, der Söldner«, erwiderte der junge Mann knapp. »Was willst du?«

Ohne Umschweife kam Kobbaar sofort zur Sache. »Auf einen Schwertträger wie dich warte ich hier schon seit Tagen!«

»Tatsächlich?«

Das zur Schau getragene, vermeintlich freundliche Grinsen im Antlitz des Händlers verschwand urplötzlich und machte seinem wahren Gesicht Platz. Vor Gator stand nun ein eiskalter, profitgieriger Kaufmann.

»Ich bin hier, um dir ein Geschäft vorzuschlagen.«

»Ich bin im Moment aber nicht an solchen Dingen interessiert«, erwiderte der Söldner.

»Da bin ich aber ganz anderer Meinung«, entgegnete der fette Händler vielsagend.

»Oder kannst du es dir tatsächlich leisten, die Aussicht auf den Besitz eines ganzen Beutels voller Edelsteine so einfach auszuschlagen? Ich glaube nicht, wenn ich mir deine Kleider und deine Ausrüstung so ansehe. Sei ehrlich: Wann hast du das letzte Mal eine anständige Mahlzeit zu dir genommen?«

Gator wusste, dass der Händler mit seinen Worten nur all zu recht hatte, dennoch fiel seine Antwort barsch aus. »Erzähle hier keine Märchengeschichten. Beutel voller Edelsteine liegen in diesem Land nicht so einfach auf der Straße.«

Statt einer Antwort lächelte Kobbaar, seine fleischigen Hände verschwanden für einen Moment in dem mausgrauen Stoff seines Gewandes. Er warf Gator unvermittelt ein rotes, blinkendes Etwas zu.

Ein Edelstein, durchzuckte nach einem raschen Blick jäh die Erkenntnis den Nordmann. Als er die Kostbarkeit blitzschnell wie der Falke seine Beute noch in der Luft erwischte, grinste ihn der fette Händler bereits wieder in seiner unverschämten Art erwartungsvoll an.

Gator öffnete die Rechte und traute seinen Augen nicht. In seinem Handteller lag ein funkelnder, fast Hühnerei großer blutroter Rubin, der ihn herausfordernd anzufunkeln schien.

»Ist das da etwa auch ein Märchen? Ich denke, wir beide sollten uns nun wirklich einmal ernsthaft miteinander unterhalten.« Dabei huschten Kobbaars Augen nervös durch den Gastraum der düsteren Schenke.

»Aber nicht hier. In diesem Wirtshaus haben selbst die Wände noch Ohren. Los, komm mit nach draußen.«

»Und das da?« Gator deutet auf den inzwischen bewusstlos gewordenen Falschspieler, den umgestürzten Tisch und seinen zerbrochenen Weinkrug.

Kobbaar winkte ab. »Das erledigt sich ganz von alleine. Dem Falschspieler ist sowieso nicht mehr zu helfen, dazu hast du zu gut getroffen. Außerdem ist sich hier jeder selbst der Nächste. In diesem jämmerlichen Kaff gibt es noch keinerlei Gesetz, und die nächsten Soldaten des Königs sind erst mehrere Tagesritte von hier entfernt stationiert. Aber jetzt zu uns beiden, los komm endlich mit, bevor ich es mir doch noch anders überlege und meinen Entschluss bereue.«

Dabei legte er seine fleischige, wabbelige Hand besitzergreifend um Gators Unterarm und zerrte den jungen Söldner ungeduldig zum Ausgang.


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