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Arkham Horror

»… es wurde viel Aufhebens von den Gräueln, dem Wahnsinn und der Hexerei gemacht, die man der alten Stadt in Massachusetts nachsagt, die heute wie damals mein Wohnsitz ist. (…) Es mag sein, dass Jahrhunderte dunklen Grübelns das zerbröckelnde, von unheimlichem Raunen erfüllte Arkham für solche Schatten besonders anfällig werden ließen – obwohl selbst dies zweifelhaft scheint im Lichte jener anderen Fälle, die ich später untersuchen sollte. (…) Was kam, kam von woanders – woher, das wage ich auch jetzt noch nicht geradeheraus zu sagen.«

Nathaniel W. Peaslee (H. P. Lovecraft, Der Schatten aus der Zeit)

Tja, der gute Nathaniel ahnte wohl nur, woher die Schrecken kommen – jeder an einem spannenden Spieleabend Interessierte kann es jetzt definitiv selber herausfinden. Der Heidelberger Spieleverlag legt mit Arkham Horror ein lange Jahre vom Markt verschwundenes Horror-Brettspiel endlich auch in deutscher Sprache auf, und jeder an derartiger Thematik interessierte Spielefreund sollte einen genaueren Blick unbedingt riskieren.

Spieltisch

Arkham Horror erschien erstmals 1987 im fernen Amerika, trotz damals langsam auch in deutschsprachigen Landen aufwallendem Interesse an komplexeren Brettspielen jenseits der Monopoly & Risiko-Grenze fand es jedoch nie einen Weg zu einem deutschen Verlag. Auch in den US verschwand es wieder vom Markt, um nun nach etlichen Jahren und steigenden Sammlerpreisen unter den Fittichen des für derartige Reanimierungen mittlerweile bekannten Teams von Fantasy Flight Games zu neuem, unheiligen Leben erweckt zu werden. Unter Federführung von Kevin Wilson (u.a. DOOM & DESCENT -Brettspiel) wurden die Regeln überarbeitet und insbesondere dem Spielbrett eine radikale Frischzellenkur verpasst.

Auslage

Aber um was geht es in diesem Arkham Horror denn nun eigentlich? Arkham ist eine (fiktive) Stadt im Osten der USA, genauer noch: in Massachusetts. Die Stadt ist eine Erfindung von

Howard Phillips Lovecraft, einem der großen Väter der modernen Horrorliteratur.

Mit seinen Erzählungen um das Wirken urzeitlicher, alles andere als menschenfreundlichen Gottheiten der Schöpfer des nach einem der Hauptbösewichter benannten Cthulhu-Mythos, begründete er ein beliebtes Sub-Genre, das von vielen Epigonen, u.a. Henry Kuttner, Robert E. Howard, Stephen King und Wolfgang E. Hohlbein bis in die literarische Gegenwart getragen wurde. Zu Lebzeiten ein kaum beachteter »Schund-Autor«, findet sich »HPL«, wie ihn seine Verehrer auch gerne betiteln, mit seinem, am Umfang gemessen, eher als schmal zu bezeichnendes Werk heute in der American National Library neben anderen Giganten der amerikanischen Literatur wieder.

Wer schon mal eine Story von H. P. Lovecraft gelesen hat, kann sich vielleicht auch ansatzweise ausmalen, mit welchen Problemen sich die Teilnehmer einer Runde Arkham-Horror bald konfrontiert sehen: unausweichliche Schrecken und galoppierender Wahnsinn! Denn, wie jeder Kenner des lovecraftschen Kosmos schon ahnt: Es gibt mit Sicherheit ein Irrenhaus in Arkham!

Es gibt auch ein Krankenhaus, für eher körperliche Verletzungen, aber halt: bevor hier Irrtümer aufkommen – die Spieler müssen keinesfalls intime Kenner der einschlägigen Literatur sein, um ihren Spaß mit diesem Spiel zu haben. Es genügt eigentlich nur ein wenig Freude an genüsslichem Grusel – denn mit Rosen wird hier nicht geworfen!

Dafür darf gemeinsam gespielt werden – gegen das Spiel. Arkham-Horror ist ein kooperatives Erlebnis, hier spielen alle zusammen, und das hoffentlich gut! Es gibt nur wenige gelungene Spiele dieses Genres, und AH, wie ich es ab jetzt mal betiteln möchte, gehört unbedingt dazu. Ähnlich ausgefeilt sind eigentlich nur Schatten über Camelot (Days Of Wonder) und Herr der Ringe (Kosmos), und schon hier scheiden sich unter Spielefreaks wohl die Geister …

In AH jedenfalls übernimmt jeder Spieler die Rolle eines Ermittlers. Auf der Spur eines sich zunächst schleichend, dann immer schneller ausbreitenden Unheils versuchen die Spieler, die Stadt vor der Übernahme durch außerirdische Schrecken zu bewahren. Dabei ist die Auswahl an spielbaren Charakteren mit 16  Ermittlern breit gefächert, vom eher introvertierten Professor über den waghalsigen Privatdetektiv hin zur glaubensfesten Nonne und dem gut bewaffneten Berufs-Ganoven findet sich wohl für jeden Spielertyp ein passendes Alter-Ego. Und das ist auch gut so, denn entgegen der eigentlichen Spielregel sollte zumindest während der ersten Spiele vom zufälligen Ziehen der Charakterkarten abgesehen werden. Bis die recht umfangreichen Spielmechanismen vollkommen durchschaut sind, kann es nämlich durchaus 2-3 Spiele dauern, und da bleibt für ein zufällig zusammengestelltes Team nur mit viel Glück ein wenig Licht am Horizont!

Die verschiedenen Charaktere unterscheiden sich zunächst einmal durch zwei grundlegende Attribute: die geistige Gesundheit und die körperliche Ausdauer – diese stellen die Widerstandkraft der jeweiligen Figur im mentalen und körperlichen Bereich dar. Weiter verfeinert werden die Akteure durch die paarweise angelegten Fähigkeiten Geschwindigkeit/Schleichen, Kampf/Wille und Wissen/Glück, die in ihrer Wertigkeit allesamt gegenläufig sind – wer schnell sein will, kann eben nicht gleichzeitig schleichen. Zu Spielbeginn erhält jeder Charakter noch einen festgelegten Besitz in Form von Geld und Gegenständen oder Zaubermitteln, zudem wird zufällig der Große Alte gezogen, der im jeweiligen Spiel zum Hauptgegner der Spieler wird.

SC-Karte

Arkham Horror manifestiert sich in einer geradezu üppig zu nennenden Pracht. Schon für das Spielbrett braucht es einen großen(!) Tisch, für die Unmengen an Spielkarten  (44 einfache und 39 besondere Gegenstände, 40 Zauber, 20 Fertigkeiten, 11 Verbündete, 35 Sonderkarten, 63 Standort-, 67 Mythos- und 49 Torkarten) empfiehlt sich zudem ein Servierwägelchen oder ähnliches, um neben dem zentralen Spielfeld auch noch Platz für Knabberzeug und Getränke zu haben. Das Spielbrett repräsentiert sowohl (im größten Bereich) die Stadt Arkham als auch (im seitlichen Bereich) die Anderen Welten. Auf der Terrorleiste wird die stetig ansteigende Angst der Bewohnerschaft festgehalten, zudem gibt es einen Stadtrand und einen symbolischen Nachthimmel, hier sammeln sich alle gerade nicht direkt auf dem Spielplan anwesenden Monster und Eindringlinge.

Das Leben in Arkham mutiert für die Spieler schnell von einer einfachen Spurensuche zu einem mörderischen Kampf – denn an bestimmten Orten der Stadt beginnen sich Portale zu öffnen, die alles andere als freundliche Wesenheiten auf die Einwohner loslassen. Manche der Wesen verharren am Ort des Tores, andere schwingen sich auf der Jagd nach Frischfleisch in den Himmel oder streunen hungrig durch die Gassen Arkhams. Es gibt also viel zu tun für die Spieler, und dies sollten sie möglichst wohl koordiniert tun. Eigensinniges Spiel führt fast immer in die Katastrophe, sinnvolles Ausnutzen der Stärken der Spielfiguren und überlegtes Handeln sind der Schlüssel zum Erfolg. Der wird sich wohl in den ersten Runden eher selten einstellen, die umfangreichen Spielregeln wollen eben auch erst einmal gemeistert sein. Das Spiel ist an sich nicht schwer, bietet aber viele Situationen und Möglichkeiten, die regeltechnisch abgehandelt werden müssen – idealerweise sollte zumindest ein Spieler sich gut in die Regeln einarbeiten, bevor das erste Abenteuer angegangen wird – das Spiel kann übrigens auch Solo gespielt werden!

Ein unbedingt empfehlenswerter Titel, sofern einem die Thematik zumindest ansatzweise liegt, zudem sind auch im deutschsprachigen Bereich bereits Erweiterungen erschienen, die das Spiel um viele Facetten erweitern.

Autor:  Richard Launius (& Kevin Wilson)
Spieler:  1-8
Alter:  ab 12 Jahren
Spieldauer:  2-4 Stunden
Preis:  49,95 (UVP)

Copyright © Holger Kutschmann