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Westward! Ho! – Erinnerungen eines Trappers – Kapitel 5

Für viele Männer bedeutete das Leben in den Bergen Abenteuer, Freiheit, Unabhängigkeit, Naturverbundenheit, Härte und Gefahr. Um in der Wildnis überleben zu können, bedurfte es einiger Natur- und Sachkenntnisse sowie persönlicher Attribute. Ohne diese kam es vor, dass man sehr früh starb oder nach einer Saison entmutigt die Berge verließ. Theoretische und praktische Fähigkeiten und Fertigkeiten wie Schießen, Schwimmen, Bergsteigen, militärische Grundkenntnisse in Strategie und Taktik, Jagd, Reiten und andere waren notwendig, um in der Wildnis unter äußersten Witterungsbedingungen überleben zu können.
Wie war es damals, als unzählige Abenteurer ihr Glück in den Rocky Mountains suchten und dafür Entbehrungen und Strapazen auf sich nahmen? Es sind die Tagebuchaufzeichnungen der Expeditionen zu den Quellen der Flüsse Missouri, Columbia und Colorado von Februar 1830 bis November 1835, niedergeschrieben von Warren Angus Ferris, die uns einen Einblick in das raue Leben jener Zeit gewähren und nicht in Vergessenheit geraten sollen.


Auf unserem Weg in die Region der Rocky Mountains sahen wir mehrere Pronghorn-Antilopen – scheue, flinke und schöne Tiere in den Weiten der nordamerikanischen Prärie. Ich hatte bereits viel von der Schnelligkeit und den anmutigen Bewegungen dieser Tiere gelesen und gehört, doch kamen die Beschreibungen nicht an das in der Natur Gesehene heran. Ich sah diese Wesen, wie sie durch das schimmernde Licht glitten und dabei kaum den Erdboden berührten. Nun kann ich verstehen, was ich zuvor nie zu begreifen vermochte – die Kunst der Bewegung.
Am folgenden Tag erreichten wir den breiten und flachen Loup River, welcher in der Nähe der Black Hills entspringt. Ohne größere Schwierigkeiten konnte unser Tross den Fluss überqueren. Dabei musten die Männer auf die sandigen Stellen im Fluss achten, um darin nicht stecken zu bleiben. Den Mittag verbrachten wir alle bereits am anderen Ufer des Loup River und zogen etwas später, ohne eine größere Rast einzulegen, entlang des Südufers weiter. Am späten Nachmittag erblickten wir am gegenüberliegenden Ufer des Flusses eine Pawnee-Siedlung. Einige der Männer überquerten den Fluss mit Tabak, Schießpulver und anderen kleinen Geschenken für die Indianer im Gepäck, als dank dafür, dass wir ihr Territorium ohne größere Gefahren durchqueren konnten. Am Abend kam der Häuptling mit zwei seiner Krieger in unser Lager, bekräftigte beim Rauchen einer Friedenspfeife die Gastfreundschaft seines Stammes und wirkte dabei sehr zufrieden.

Am selben Abend ereignete sich ein kleiner Zwischenfall. Einer unserer Männer wurde infolge einer unvorhersehbaren Explosion seines Pulverhorns schwer verletzt, sodass er nicht mehr an der Expedition teilnehmen konnte. Der Pawnee-Häuptling unterbreitete den Vorschlag, den Verletzten in die nahegelegene Siedlung zu transportieren, um ihn dort von Pawnee-Squaws pflegen zu können. Andrew Drips und Joseph Robidoux stimmten diesem Vorschlag zu und versprachen dem verletzten Perkins, ihn auf der Rücktour abzuholen. Wir Mountain Men halten in jeder Situation zusammen!

Im Verlaufe des folgenden Tages erreichten wir den Platte River. Obwohl der Fluss an dieser Stelle eine Breite von etwa einer Meile hat, ließ er sich aufgrund vieler seichter Stellen ohne größere Schwierigkeiten überqueren. Das Flussbett des Platte River ist voll von kleinen, verschlafen wirkenden Sandbänken, auf denen sich viele Wasservögel ausruhen. An vielen Stellen des Flusses findet man Treibsand, welche durch das fließende Wasser ständig verändert werden. Rechts und links des Platte River breitet sich eine spärlich bewachsene Prärie aus. Hier und da gibt es einige Stellen, die mit kurzem Gras bedeckt sind. Alles schien so nackt wie eine antike Statue mit einem Feigenblatt zu sein, wenn nicht vereinzelt Haine mit Pappeln und Espen diese trostlose Szenerie etwas schmücken würden.

Kaum hatten wir am Morgen des 11. Mai 1830 unseren Marsch fortgesetzt, sahen wir mehrere berittene Indianer, die sich uns mit hoher Geschwindigkeit näherten. Als sie unseren Tross erreicht hatten, machten sie uns auf eine große Gruppe ihres Stammes aufmerksam, die sich in unmittelbarer Nähe befand und mit uns handeln wollte. So schnell, wie der Indianertrupp gekommen war, ritt er auch wieder weg. Mr. Lucien Fontenelle besaß keinen Zweifel daran, dass die Indianer nur zu dem einzigen Zweck aufgetaucht waren, um uns auszuplündern. Er plädierte für eine Rast. Wir nutzten diese, um uns auf einen warmen Empfang vorzubereiten. Wir postierten Wachen in unmittelbarer Nähe des provisorisch errichteten Corrals, legten den Pferden Fußfesseln an und überprüften unsere Waffen. Alle Männer der Expedition rechneten mit dem Schlimmsten. Kaum waren die Männer mit den Vorbereitungen für die Abwehr des Indianerüberfalls fertig, sahen wir einen großen Pulk Indianer in vollem Galopp auf unser Lager zureiten. Befehle unserer Anführer waren zu hören, schnell formierte sich eine Verteidigungslinie vor dem Gepäck und der Ausrüstung. Alle Männer waren bereit und heiß darauf, die Indianer gebührend zu empfangen. Sie warteten still und gespannt auf das Aufeinanderstoßen. Doch die Anspannung hielt nur für eine kurze Dauer.
Ein lauter Ruf in erstklassigem Caddo ließ die angreifenden Indianer in einer Entfernung von gut 200 Yards stoppen. Sie hatten große Mühe, ihre Pferde zu zügeln. Eine unvorhersehbare Wendung der Ereignisse.
Es schienen etwa 150 Krieger zu sein, die mit Bögen, Pfeilen, Speeren und einigen Gewehren bewaffnet vor unserem Lager standen. Eine dreifache Überlegenheit!
Sie trugen Kleidung aus Büffelhäuten, Leggins mit aufwendiger Perlenstickerei und Mokassins. Einige Pawnee waren von der Taille abwärts vollkommen nackt.
Nach einer formellen Begrüßung und einem einleitenden Geschwätz teilte uns der Anführer mit, dass sich der Trupp auf Büffeljagd befände und sie beabsichtigen, mit uns Weißen in Freundschaft Handel zu führen. Ein sichtbarer Ruck der Erleichterung ging die Reihen der Männer.
Uns wurde gestattet, zu ihnen zu kommen und einige Häute und Mokassins gegen Messer, Zinnoberrot und Tabak zu tauschen. Wir vermieden dabei tunlichst, den Indianern weitere Waren anzubieten. Diese Form des Handelns passte uns irgendwie nicht, doch mussten wir aufgrund der zahlenmäßigen Überlegenheit der Pawnee darauf eingehen. Kurze Zeit später packten wir unsere Sachen, bauten das Lager ab und setzten die Reise fort.

Yaaaaay, boys!

Am 14. Mai sahen wir einen Büffel, einen einsamen, prächtigen alten Kerl. Sicherlich wartete er nicht auf eine Einladung zum Abendessen, denn er verzog sich rasch mit wedelndem Schwanz.
Zwei Tage später erblickten wir eine kleine Herde von 10 bis 12 Büffeln und hatten Glück, einen von ihnen zu erlegen. Es war für uns ein ehrwürdiges und gleichzeitig zufriedenes Gefühl, einen Braten zu haben, und wir kauten genüsslich die knorpeligen Stücke. Hunger, so sagt man, ist eine pikante Soße, und somit war unser Essen sehr gut gewürzt, denn wir hatte einige Tage zuvor nur von Mais gelebt. Wir dankten Gott für jegliche Art von Fleisch.
Unsere Jäger töteten auch mehrere Pronghorn-Antilopen, doch diese schmeckten nicht so gut wie Büffelfleisch. Es ist dem Menschen zu eigen, wählerisch zu sein, wenn er eine Auswahl an Lebensmitteln hat. Das war so, ist so und wird immer so bleiben.
Am nächsten Tag sahen wir Tausende und Abertausende von ihnen. So weit das Auge reichte, war die Prärie buchstäblich mit dicht an dicht gedrängten Büffelleibern bedeckt. Wahrlich ein prächtiger Anblick: eine gewaltige Fläche sich bewegendes, stürzendes und schwankendes Leben – im wahrsten Sinne des Wortes ein See dunkler Körper; mal ruhig, wenige Augenblicke später schwungvoll und wild in Bewegung. Überwältigend!
Die Luft war voller Staub und Gebrüll, die Prärie war zu jeder Zeit lebendig und in Bewegung. Noch nie in meinem Leben hatte ich dieses majestätische und mächtige Leben in dieser Einzigartigkeit realisiert. Vor mir erstreckte sich eine Szenerie wilder Erhabenheit, die zu stören einem Frevel gleichkam. Um das Pulsieren dieses Lebens weiter in uns aufsaugen zu können, stoppen wir unsere Reise und vermieden damit, von dieser gewaltigen Herde überrannt zu werden.

Fortsetzung folgt …

Quelle: Ferris, Warren Angus: Life in the Rocky Mountains, Salt Lake City, Utah, Rocky mountain book shop, 1940.