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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Arzt auf Java – Erster Band – Kapitel 3

Alexander Dumas d. Ä.
Der Arzt auf Java
Ein phantastischer Roman, Brünn 1861
Erster Band
Kapitel 3

Der Vertrag

Als Eusebius die Überzeugung gewonnen hatte, dass seine Frau tot sei, verfiel er in die fürchterlichste Verzweiflung. Er stieß herzzerreißendes Geschrei aus, stürzte sich auf den leblosen Körper, den er mit seinem Atem zu erwärmen versuchte, riss sich die Haare aus und erhob händeringend die Arme zum Himmel.

Der Doktor Basilius blieb während dessen ruhig auf seinem Schemel sitzen, stopfte seine Pfeife mehrmals neu und rauchte sie mit der vollkommensten Gleichmütigkeit. Er sprach kein Wort und machte keine Bewegung, um diese Äußerungen des Schmerzes zu unterbrechen. Allmählich beruhigte sich derselbe oder er erlosch vielmehr wie eine Flamme, die allzu schnell gebrannt und ihren Nahrungsstoff verzehrt hat. Infolge einer nervösen Krisis fühlte Eusebius seine Augen sich mit Tränen füllen. Er weinte heftig und seine Seele wurde erleichtert. Dann setzte er sich auf den Rand des Bettes, schob die Haare zurück, mit denen er im Übermaß seines Schmerzes das Gesicht der Toten bedeckt hatte, ergriff die Hand Esthers und sagte, indem er sich zu Basilius zurückwendete: »Ach, mein Herr, Sie können nicht begreifen, was ich verliere! Denken Sie sich, dass wir miteinander erzogen wurden, dass wir Tür an Tür wohnten, dass ich alle ihre Freuden teilte, alle ihre Spiele, wie sie meine Not. Sie war so hübsch mit zehn Jahren, als sie mich schon ihren kleinen Mann nannte, sie hatte so lange blonde Locken, so schöne blaue Augen, wie die Vergissmeinnichte, die wir am Rande des Baches pflückten und aus denen ich ihr Kränze wand, mit denen ich ihre Stirn schmückte. Ach, wer hätte mir damals gesagt, dass ich sie so bald bleich, kalt, tot sehen würde! O mein Gott, mein Gott! Meine Esther!«, rief Eusebius, indem er aufs Neue laut schluchzte.

»Das ist das gewöhnliche Gesetz, mein Junge«, sagte der Doktor, indem er mit dem Gefühl der Wollust die Dünste des Opiums einschlürfte. »Wir blühen nur, um zu verwelken; wir wachsen, um gemäht zu werden, und dürfen uns noch glücklich schätzen, wenn die Sichel des Todes uns in der Zeit unserer Jugend, unserer Schönheit trifft. Wenn wir die Luft um uns her noch würzen und nicht erst, wenn der Herbstwind uns ausgetrocknet, der Winter uns mit Schnee bedeckt hat. Auch ich, so wie Sie mich hier sehen, war ein hübsches, blondes, rosiges Kind. He, he, he! Wer sollte das jetzt noch glauben! Wie?«

Dabei brach er in jenes krampfhafte Lachen aus, welches einen so eigentümlichen Eindruck machte, besonders da es an dem Sterbebett einer Toten ausgestoßen wurde.

Eusebius erbebte und stand auf, aber er sank wieder zurück, denn seine Beine versagten ihm den Dienst. »Mein Gott, mein Gott!«, rief er, »was soll nun aus mir werden.«

»Ganz gut«, sagte der Doktor, »beklagen Sie sich über Ihr eigenes Unglück, mein guter Freund. Lassen Sie in Ihrem Schmerz dem menschlichen Egoismus freien Lauf. Gestehen Sie, dass Sie Ihre Frau Ihretwegen und nicht wegen der armen Toten beklagen und Sie haben die Wahrheit gesagt.«

»Egoismus!«, rief Eusebius, »Sie nennen das, was ich empfinde, Egoismus? Nun wohl, Doktor, dieser Egoismus wird auch mich töten, denn ich fühle es, dass ich nicht imstande bin, die zu überleben, die ich so sehr geliebt habe.«

»Desto besser für Sie, mein junger Freund«, sagte der Doktor, »und wenn Sie Ihr Wort halten, so werde ich Sie ebenso wenig bedauern wie die junge Frau, die soeben das Leben verlassen hat, ohne von demselben etwas anderes gekannt zu haben als dessen Schönheiten.«

Eusebius presste sein Gesicht in beide Hände, ohne zu antworten. Indes hörte man von Zeit zu Zeit sein Schluchzen, welches jedes Mal von dem schneidenden Gelächter des Doktors begleitet wurde.

Plötzlich sprang Eusebius auf, denn dieses Lachen schnitt ihm in das Herz. Es war ihm unmöglich, dasselbe länger zu ertragen.

»Herr«, sagte er zu dem Doktor, »ich bin in Verzweiflung, dass ich einem Mann Ihres Alters und Ihres Standes eine Lehre geben muss. Aber wahrlich, seitdem Sie hier sind, haben Sie nicht einen Augenblick aufgehört, die Rücksicht zu verletzen, die Sie meinem Schmerz schuldig gewesen wären.«

»In meinem Alter, mein junger Freund«, erwiderte ruhig der Doktor, »hängt man an seinen Gewohnheiten, und ich habe die, nur das zu achten, was ich verstehe.«

»Nun wohl, mein Herr«, sagte Eusebius mit trockenen Augen und schneidender Stimme, »ich werde ebenso handeln und meine Zeit dabei nicht verlieren, die Erklärung Ihres auffallenden Skeptizismus zu suchen. Haben Sie die Güte, sich zu entfernen. Ihre Gegenwart, die meine Tränen trocknet, ist mir unerträglich.«

Der Doktor zog gelassen eine große Uhr aus der Tasche und sagte, indem er auf das Zifferblatt derselben sah: »Die Dankbarkeit, von der Sie soeben sprachen und die ich dafür erlangt hatte, dass ich umsonst wegen einer Person, die ich nicht kannte, mich bemühte, hat gerade eine Stunde und 47 Minuten gedauert. He, he, he! Das ist sehr lange, junger Freund. Ich habe viele gesehen, bei denen sie nicht solange dauerte.«

Er nahm seinen Hut von gewichstem Leder, den er in eine Ecke geworfen hatte, auf, zog seine geteerten Lederhosen in die Höhe und schritt auf die Tür zu.

Die Antwort erschien Eusebius hart, und da sie nicht ganz unbegründet war, machte er unwillkürlich eine Bewegung, den Doktor zurückzuhalten.

Dieser stand bereits auf der Schwelle der Tür. Als er Eusebius Bewegung sah, blieb er stehen. »Soeben«, sagte er, »haben Sie geschworen, dass Sie Ihre Frau nicht überleben werden. Wenn es sich nicht um die Dankbarkeit handelt, kann man dem Wort eines redlichen Menschen glauben, und Sie behaupten ein redlicher Mensch zu sein. Ist es wirklich Ihre Absicht, zu sterben, da Ihre Frau tot ist?«

»Ja«, entgegnete Eusebius finster.

»Nun gut, dann will ich Ihnen beweisen, junger Mann, dass meine Freundschaft für Sie, so unerklärlich sie Ihnen auch erscheint, kein eitles Wort ist. Nehmen Sie diesen Dolch. Es ist ein malaiischer Kris. Er ist mit dem berüchtigten amerikanischen Gift bestrichen, von dem Sie ohne Zweifel schon haben sprechen hören und welches man Curare nennt. Der leiseste Stich in irgendeinen Teil des Körpers, vorausgesetzt, dass Blut danach fließt, genügt, um einen raschen und schmerzlosen Tod herbeizuführen. Nimm du diesen Dolch, Eusebius van der Beek, nimm ihn und ich spreche dich dann von jeder Dankbarkeit frei.«

»Ich danke Ihnen«, rief Eusebius und ergriff den Dolch bei der Klinge.«

»Ei, mein lieber Freund, sehen Sie sich doch vor!«, rief der Doktor. »Sie möchten sich aus Versehen ritzen und sich dann darüber nicht trösten können.«

Darauf brach er in sein verhängnisvolles Lachen aus und sagte: »Auf Wiedersehen, mein junger Freund, Auf Wiedersehen!« Und ging hinaus.«

»Leben Sie wohl!«, rief Eusebius ihm nach.

Als er sich allein erblickte, kniete er neben der Toten nieder und wollte beten, aber sein Gedächtnis rief ihm kein einziges von den Gebeten seiner Kindheit zurück. Seine Lippen weigerten sich, den Namen Gottes, der Jungfrau und der Heiligen zu stammeln.

Man hätte glauben können, die Anwesenheit des diabolischen Doktors hätte aus der ärmlichen Wohnung alle religiösen Gefühle vertrieben, welche beim äußersten Schmerz der Trost der Menschen sind.

Eusebius warf die Blicke auf ein Gefäß mit Blumen, welche Esther den Tag zuvor von ihm erbeten und die er für sie gepflückt hatte. Er machte daraus einen Kranz und ein Bukett. Den Kranz schlang er um den Kopf Esthers, das Bukett gab er ihr in die Hand. Dann nahm er sie in seine Arme, drückte sie in dem Bett zurück, dass an ihrer Seite ein Platz leer blieb, und legte sich neben sie. Einige Zeit hielt er die Tote fest umschlossen und bedeckte ihre Lippen und ihre Augen mit Küssen, dann ließ er seinen linken Arm um den Hals Esthers gelegt, sodass er sie fortwährend an sein Herz presste, und mit der rechten Hand ergriff er den Kris, den er neben sich auf den Rand des Bettes gelegt hatte, und drückte die Spitze desselben auf seine Brust.

In diesem Augenblick gewahrte er an dem Fußende des Bettes den Doktor Basilius, der zurückgekehrt war, ohne dass Eusebius ihn gesehen oder gehört hatte, und der ihn jetzt mit leisem Kichern betrachtete.

Eusebius richtete sich empor, wie durch eine Feder in die Höhe geschnellt, und stürzte mit der Schnelligkeit des Blitzes auf den Doktor zu. Dieser erwartete ihn festen Fußes und ohne dass sein Gesicht die geringste Besorgnis verriet, nur hatte sein Gelächter den widerlichen Schrei der Hyäne angenommen. Als er aber den jungen Mann im Bereich seiner Hand erblickte, ergriff er das Gelenk der Hand, welche die vergiftete Waffe schwang, und drückte es so gewaltig, dass der Kris den halb gebrochenen Fingern des armen Eusebius entfiel, der vor Schmerz laut aufschrie. Ohne ihm Zeit zu lassen, sich zu besinnen, fasste der Doktor ihn darauf um den Leib, und mit der Gewandtheit eines Ringes von Profession hob er ihn vom Boden empor, schwang ihn einige Mal im Kreis umher und schleuderte ihn dann ganz betäubt zu Boden. Darauf drückte er ihm ein Knie auf die Brust, umschlang mit der linken Hand beide Handgelenke, um jeden Widerstand unmöglich zu machen und mit der rechten Hand den zu Boden gefallenen Kris ergreifend, drückte er ihm die Spitze desselben auf die Brust.

»He, he, he!«, sagte der Doktor kichernd, »wir wollten also den Dolch gegen den wenden, der ihn uns gegeben hatte? Das ist nicht hübsch, mein Herr Eusebius.«

»Ich sagte es Ihnen schon, Herr«, rief Eusebius, indem er, jedoch vergebens, strebte, sich freizumachen, »dass Ihre Anwesenheit mir verhasst ist.«

»Undankbarer!«, sagte der Doktor. »Ich liebe dich wie mein eigenes Fleisch und Blut!«

»Wenn Sie mich lieben, weshalb dann diese Spöttereien über meinen Schmerz? Wenn Sie mich lieben, weshalb haben Sie mir dann diesen Dolch gegeben und hindern mich, desselben mich zu bedienen!«

»Dich hindern, dich seiner zu bedienen? Das habe ich keineswegs getan. Nur die Art, wie du dich seiner bedienen wolltest, sagte mir nicht zu.«

»Sie waren hinausgegangen und ich glaubte, Sie los zu sein. Weshalb kehrten Sie zurück? Sprechen Sie!«

»Vielleicht, um dich zu retten, vielleicht auch ganz einfach, um der Entwicklung des kleinen Lustspiels beizuwohnen, das du mir versprachst! Rate!«

»Nun wohl, so machen Sie sogleich aus dem Lustspiel ein Trauerspiel. Sie haben den Dolch, und das Leben scheint mir doppelt unerträglich, wenn ich es Ihnen verdanke. Töten Sie mich! Töten Sie mich!«, rief Eusebius und machte eine Bewegung, sich dem Dolch entgegenzustürzen. »Das ist der einzige Dienst, den Sie mir leisten können, der einzige, den ich von Ihnen empfangen will.«

»Ganz gut! Beschimpfungen, hübsche kleine Beschimpfungen, ohne Schleier und Schminke. Du verbesserst dich schon, Eusebius van der Beck, und das ist mir lieber, als deine Albernheiten. Lass hören. Wir wollen also noch immer unsere schöne Esther wiederfinden und das Leben erscheint uns unerträglich, da wir sie nicht mehr haben, um es zu schmücken?«

»Mache ein Ende, Henker«, sagte Eusebius mit einer gewaltigen Anstrengung, sich von dem Doktor loszumachen.

»Ein wenig Geduld, mein junger Freund, ein wenig Geduld. In ihr liegt das Geheimnis des Lebens, die ganze Quelle der Kraft.«

Er nahm den Dolch zwischen die Zähne, schob Eusebius Kleider zurück, um seine Brust zu entblößen, und tat dies alles mit einem so großen Gleichmut, als handelte es sich um eine einfache chirurgische Operation. Darauf bedrohte er Eusebius aufs Neue mit der Spitze des Dolches und sagte: »Bist du denn wirklich so gewiss, dort oben die wiederzufinden, die du liebst?«

»Was wollen Sie damit sagen?«

»Dass du dich töten willst oder verlangst, getötet zu werden, um mit Esther vereinigt zu sein, nicht wahr?«

»Ohne Zweifel.«

»Nun wohl, wenn nun, statt die Seelen zu vereinigen, der Tod ganz einfach die Körper trennte? Wenn sie nun bei dem Rendezvous ausbliebe oder vielmehr, wenn keiner von euch beiden bei demselben erschiene? Es gibt ein Nichts, an welches sehr verständige Menschen glauben.«

»Mein Gott, mein Gott!«, sagte Eusebius, indem er vor Verzweiflung keuchte, »dieser Mensch, dieser Elende, dieser Teufel, wird also nicht müde, mich zu martern?«

»Nicht im Geringsten. Seit drei Stunden bist du auf falschem Weg und ich versuche es, dich auf den richtigen Weg zurückzuführen. Übrigens«, fügte der Doktor hinzu, als ob er zu sich selbst spräche, »brauche ich dich nicht unter meinem Knie zu halten, um dir das Leben zu nehmen, sobald ich will. Du musst dich in dieser Stellung sehr übel befinden und die meine ist auch gerade nicht bequem. Lass uns daher aufstehen und miteinander plaudern.«

Und das Beispiel dem Worte hinzufügen, löste der Doktor den Schraubstock, in welchem er die beiden Handgelenke seines Gefangenen gehalten hatte, stand auf, reichte Eusebius die Hand und half ihm ebenfalls auf die Beine. Dann fügte er hinzu: »Reichen Sie mir einen Sessel, mein lieber Eusebius.«

Eusebius gehorchte, ohne sich erklären zu können weshalb, dem Einfluss, den der Wille des Arztes auf ihn ausübte, und zog den Bambusschemel in die Mitte des Gemaches. Er aber blieb daneben stehen.

»Ich danke Ihnen«, sagte der Doktor. Darauf machte er es sich auf seinem Sitz so bequem wie möglich und fuhr fort: »Jetzt, da Sie ein wenig ruhiger sind, lassen Sie uns sehen, mein lieber Eusebius, ob es Ihnen nicht etwas weniger eilig scheint, mit Ihrem Leben ein Ende zu machen!«

»Wozu hätte ich nötig, länger zu warten?«, fragte der junge Mann. »Ist meine Esther nicht tot?« Er deutete auf den starren Leichnam seiner Frau.

»Ja, ist gestehe es, sie ist tot. Aber bist du denn überzeugt, armer Dummkopf, dass das Leben, weil du deiner Frau, die du liebtest, beraubt bist, in Zukunft für dich weder Trost noch Freude haben würde?«

»Ist es das, wohin Sie zielen? Hielten Sie nur deshalb meinen Arm zurück, um eine solche Posse aufzuführen, so ist Ihre wohlwollende Sorgfalt nutzlos. Ich sagte es Ihnen bereits, mein Herr, und ich wiederhole es Ihnen, dass ich nur Esther geliebt habe, dass ich nie eine andere lieben werde, als sie, und wenn ich mich nicht heute von einem mir lästigen Leben befreie, so wird es morgen sein.«

»Nun schön! Das nenne ich Gefühl! Ich sehe, dass Sie so sehr lieben, wie ein sterbliches Herz zu lieben vermag. Meine Neugier ist befriedigt, denn bei mir, Eusebius van der Beek, das lassen Sie sich ein für alle Mal gesagt sein, herrscht weder Wohlwollen noch Eigennutz. Ich empfinde Neugier, das ist alles. Ich mache Experimente mit den Seelen wie meine Amtsgenossen mit den Körpern. He! He! He! Das ist zuweilen ebenso unsauber, aber stets viel unterhaltender.«

»Kommen wir zu Ende«, sagte Eusebius, mit dem Fuß stampfend, »denn diese Unterhaltung wird mir über alle Beschreibung lästig. Was wollen Sie noch von mir, wenn Ihre Neugier befriedigt ist?«

»Lassen Sie mich mein Geschick erfüllen, dann ist nichts weiter nötig, als mir den Dolch zurückzugeben. In wenigen Stunden werden Sie wissen, was die Liebe über ein lebhaft von ihr erfülltes Herz vermag.«

»Sie sind wahrlich zu eilig, mein junger Freund«, sagte der Doktor. »Zum Glück habe ich Zeit und bin weit davon entfernt, Ihre Ungeduld zu teilen. Da Sie nun aber diesen Dolch gegen mich erhoben haben und Sie nur noch durch meinen Willen allein leben, habe ich von jetzt an das Recht, die Tage, die Stunden, die Minuten zu leiten, die Sie noch auf dieser Erde zuzubringen haben. Ich glaube, Sie sind zu ehrlich, um mir dieses Recht zu bestreiten.«

»Was wollen Sie damit sagen? Erklären Sie sich! Sprechen Sie!«, sagte Eusebius.

»Nun wohl denn, Eusebius van der Beek«, entgegnete der Doktor, »du, der du ein vernünftiger Mensch bist — wie hast du glauben können, dass der Doktor Basilius, der sich um keines Menschen Willen in seiner Bequemlichkeit stören lässt und der noch gestern es verweigerte, nach Buytenzorg zu gehen, um den Gouverneur von Java, der morgen tot sein wird, zu behandeln, während er mit einer Fingerspitze voll von dem Pulver, das er in seinem Säckchen hat, gerettet werden könnte, anderthalb Meilen Weges zu Fuß und bei einem solchen Wetter, wie das mit dem der Teufel uns diesen Abend beschenkte, zurückgelegt haben soll, nur um der Beerdigung einer Leiche beizuwohnen und deine Klagen anzuhören? Denn du wirst wohl glauben, dass ich, als ich mein Haus verließ, bereits wusste, dass deine Frau tot sei, nicht wahr?«

Der junge Mann war, wie es scheint, auf dem Punkt angelangt, auf welchem der Doktor ihn zu sehen wünschte, denn er reichte ihm den Dolch und sagte: »Eusebius van der Beek, wenn du wirklich entschlossen bist, so halte ich dich nicht länger zurück. Geh und sieh in jenen unbekannten Regionen, von denen noch kein Reisender zurückgekehrt ist, nach, ob sie die Hölle oder das Paradies der Christen, die mit Huris bevölkerten Gärten des Vaters der Gläubigen, der Ort der Seelenwanderungen Brahmas, das Elysium der Griechen oder das finstere schweigende Nichts der Atheisten sind. Aber wie du auch das Land finden magst, wo das Jenseits des Grabes liegt, wirst du Esther nicht entdecken, wie Du auch suchst.«

»Mein Gott! Mein Gott!«, rief Eusebius, indem er sich die Haare raufte.

»Nimm dabei«, fuhr der Doktor fort, »die eine Vermutung an, dass Esther nicht tot ist.«

»Esther wäre nicht tot!«, rief Eusebius, indem er auf das Bett zusprang und beide Hände auf die Brust seiner Frau legte, während er den Doktor mit irren Blicken ansah.

»Ich sage dir nicht, dass Esther nicht tot ist, sondern nur, dass du es annehmen sollst, oder dass ich, wenn du tot wärest, die Macht besäße, sie wieder zum Leben zu erwecken.«

»Ha!«, rief der junge Mann, »das wäre entsetzlich!«

»Schön«, sagte der Doktor, »jetzt habe ich deine schwache Seite, die Grenze deiner Liebe gefunden. Du konntest dich nicht entschließen, ohne Esther zu leben, aber du würdest dich noch viel weniger darein ergeben, sie ohne dich leben zu lassen.«

Eusebius gewann, von einem plötzlichen Gedanken ergriffen, seine Ruhe wieder, ließ den Körper seiner Frau, den er bisher in seinen Armen gehalten hatte, sinken, näherte sich dem Doktor und sagte: »Sie täuschen sich, mein Herr. Geben Sie mir die Versicherung, dass Esther nicht tot ist. Geben Sie mir ferner die Versicherung, dass sie weder ihrer entsetzlichen Krankheit noch dem Schmerz über meinen Tod erliegen wird. Geben Sie mir endlich die Versicherung, dass sie das Glück hienieden noch finden könnte, selbst in den Armen eines anderen, und augenblicklich verlasse ich das Leben, das Herz von Schmerz erfüllt, aber mit dem erhabenen Trost, dass meine Erinnerung unlöschbar in dem Herzen meiner Gefährtin leben wird.«

Es lag eine solche Aufrichtigkeit, ein solcher Enthusiasmus in dem Ton, mit welchem Eusebius diese Worte sprach, dass der Doktor sich dem Eindruck derselben nicht zu entziehen vermochte. Statt ihm mit seinem gewöhnlichen höhnischen Lachen zu antworten, verschwand der spöttische Ausdruck, der auf seinem Gesicht stereotyp zu sein schien, für einen Augenblick. »Nun wohl«, sagte er, Esther ist nicht tot und wird auch nicht sterben.«

Eusebius unterbrach ihn durch eine Bewegung, die vielleicht ebenso sehr eine Drohung, wie seine Freude aussprach, denn der arme, zwischen Schmerz und Hoffnung hin- und hergeworfene Geist schwebte in der Tat an den Grenzen des Wahnsinns.

»Aber«, fuhr der Doktor fort« »vielleicht wäre es für sie und für dich besser gewesen, wenn ich nicht zu rechter Zeit gekommen wäre, um ihr den Trank zu reichen, der nach der Krisis, in der sie augenblicklich liegt, nach meinem Willen dazu dienen wird, sie entweder für immer in den Sarg zu legen oder ihr Leben und Gesundheit zurückzugeben.«

»Also«, rief Eusebius atemlos, »hängt es noch immer von Ihnen ab, ob meine Esther lebe oder sterbe?«

»Ja, und du siehst daher, dass ich wohlgetan habe, zurückzukehren und dich an deinem Selbstmord zu hindern.«

»Dann wird also weder sie noch ich sterben.«

»Vielleicht.«

»Ach«, rief der junge Mann, indem er sich wieder auf das Bett Esthers warf, »meine Esther, ich kann dich also noch glücklich sehen!«

»Ja«, sagte der Doktor, »aber ich mache dich auf eines aufmerksam, und zwar, dass ihr beide eine noch viel schwerere Prüfung zu bestehen haben werdet, als die war, welche ihr soeben bestanden habt. Wir werden sehen, Freund Eusebius, ob die Zärtlichkeit für deine Frau, eine Zärtlichkeit, welche so groß war, dass sie dich dem Tod trotzen ließ, auch der Zeit und der Sättigung widerstehen wird.«

»Ach, Doktor, können Sie glauben …?«

»Ich glaube, dass eine einzige Liebe einer menschlichen Existenz nicht genügen kann. Ich glaube, dass die Worte Ich liebe dich! nicht lange aus demselben Mund in dasselbe Ohr tönen. Ich glaube endlich, wie ich dir vorhin sagte, dass diese junge Frau in dem Glanz ihrer Schönheit und ihrer Jugend sterbend, das Herz von Glauben erfüllt, in der Tat glücklicher gewesen wäre und beneidenswerter, als lebend und durch dich betrogen.«

»Betrogen durch mich! Ich meine Esther betrügen!«, rief Eusebius, die Hände zum Himmel erhebend. »Ach, wenn Sie in dem Herzen lesen könnten, das Esther ganz erfüllt, dann würden Sie sehen, dass kein Gedanke, der sich nicht auf sie bezieht, darin Platz finden kann.«

»Blicke um dich, junger Mann«, sagte der Doktor, »und du wirst sehen, dass alles in der Natur sich ändert, verwandelt. Das Menschenherz allein kann daher nicht unwandelbar bleiben.«

»Ach, wenn ich nur einen Augenblick glauben könnte, dass Sie recht haben, Doktor, wenn wirklich eine Zeit kommen sollte, wo ich Esther nicht mehr liebte oder sie so vergäße, dass ich imstande wäre, sie zu betrügen, sollte es auch wegen des schönsten Geschöpfes der Erde sein, Doktor, Doktor, dann würde ich diesen Dolch aufraffen und ihn mir in das Herz stoßen, nicht mehr, um sie nicht zu überleben, auch nicht, dass sie mich nicht überlebte, sondern um mich zu bestrafen. Aber nein, das ist ganz unmöglich!«

»Es freut mich, dass du diese Überzeugung hegst, Eusebius, denn, da es von mir allein abhängt, ob Esther wieder auflebe oder nicht, und da ich sie nur unter gewissen Bedingungen in das Leben zurückrufen wollte, fürchtete ich, du würdest diese Bedingungen verweigern, wenn du sie kennen würdest.«

»Nennen Sie dieselben, Doktor, und ich bewillige sie im Voraus, welcher Art sie auch sein mögen — sollte ich auch selbst meine Seele verpfänden!«, fügte er mit finsterer Stimme hinzu.

»He, he, he, he!«, sagte der Doktor, »was zum Teufel sollte ich denn mit deiner Seele machen? Habe ich selbst eine, so ist sie unsterblich, und in diesem Fall bedarf ich der deinen nicht; habe ich keine, so hast du auch keine, denn ich bin ein Mensch wie du, nur ein wenig älter und ein wenig hässlicher. Du kannst mir daher nicht verkaufen, was du nicht hast.«

»Was wollen Sie denn aber von mir? Sprechen Sie; ich bin bereit, den Vertrag zu unterzeichnen.«

»Einen Vertrag, Unsinniger? Ich habe soeben an Gott gezweifelt und du hältst mich nun für unlogisch genug, an den Teufel zu glauben. Es ist hier weder von einem Pakt noch von Zauberei die Rede, sondern nur von einem Mann, der von den Mysterien der Seele, den Springfedern und dem Mechanismus des menschlichen Körpers mehr weiß als du, und dieser Mann sagt dir: Dieses Weib kann leben; liebst du sie aber wirklich, wie du behauptest, dann hüte dich wohl, ihre Auferstehung zu wünschen.«

»Eine Auferstehung, die mir meine Esther zurückgäbe, die es mir möglich machte, ihre Stimme wieder zu hören! Ach, Sie lästern!«

»Mag sein, dass ich lästere. Aber lass uns die Geschäfte als Geschäfte behandeln. Es ist kein Pakt, den ich dir vorschlagen will, sondern ein einfacher Handel. Wenn du jemals bereust, was ich heute für Esther getan haben werde, wenn es dir begegnete, den abscheulichen Doktor Basilius zu verwünschen, weil er diese Frau in das Leben zurückrief, dann gehört dein Leben mir; das ist alles. Bemerke, dass ich sage: dein Leben, ohne mich um deine Seele zu kümmern, wenn du eine hast. Es ist deine Fleischhülle, die ich gegen die Ewigkeit des Gefühls, welche du behauptest, auf das Spiel setze, weder mehr, noch weniger.«

»Das Wunder, welches mir meine Esther zurückgäbe, beklagen, den verwünschen, der sie dem Tod entriss? Ach Doktor, das glauben Sie selbst nicht.«

»Ich glaube es, so fest, dass hier eine Art von einem kleinen Kontrakt ist, den ich aufgesetzt habe, um die Vollziehung unseres Übereinkommens zu sichern.«

»Geben Sie her, Doktor, ich unterzeichne.«

»Oho, man unterzeichnet dergleichen nicht, ohne zu lesen. Später würdest du mich beschuldigen, dich in eine Falle gelockt zu haben.«

Er zog aus der Tasche eine Schreibtafel und aus dieser ein beschriebenes Blatt Papier.

»Du siehst«, sagte er, »dass diese Schrift ganz in der Ordnung ist. Hier ist der Stempel der ehrenwerten niederländischen Compagnie, die, wenigstens offen, nichts mit Luzifer gemein hat. Du kannst dich auch überzeugen, dass das Papier nicht nach Schwefel riecht«, sagte der Doktor, indem er dem jungen Mann das Blatt reichte. Eusebius nahm es und las:

Des Lebens überdrüssig, verheiratet an eine Frau, die ich nicht mehr liebe, dahin gelangt, den Tag zu verwünschen, an welchem der Doktor Basilius Die in das Leben zurückrief, mit welcher ein verhängnisvolles Geschick mich auf ewig verbunden hat, gebe ich mir freiwillig den Tod und will, dass man niemand wegen meines Selbstmordes belästige.

»Ich hinterlasse mein Vermögen meinen natürlichen Erben, aber ich will, dass mein Körper dem Doktor Basilius überantwortet werde, oder Dem, den er, wenn er selbst tot sein sollte«, zu der Besitznahme beauftragt hat und der dann über meine Leiche verfügen kann, wie ihm gutdünkt.

Freitag, den 13. November 1847

»Eine Feder und Tinte, Doktor«, sagte Eusebius, nachdem er gelesen hatte.

Der Doktor legte seine Hand auf den Arm des jungen Mannes und sagte: »Ich habe dich schon darauf aufmerksam gemacht, dass du zu eilig bist. Bedenke also, dass ich dich zu nichts zwinge. Es waltet bei unserem Vertrag weder Überredung noch Betrug noch Zwang, und an Geist und Körper gesund und aus freiem Willen unterzeichnest du daher dieses Papier.«

»Bei gesundem Geist und Körper und aus freiem Willen«, wiederholte Eusebius. »Ich mache dich nur auf das eine aufmerksam, welche Gerüchte man auch über mich verbreiten mag. Hast du dieses Blatt einmal unterzeichnet, so ist dein Herz für mich ein offenes Buch, in welchem ich deine geheimsten Gedanken lesen kann, mag ich dir nun nah oder fern sein, lebend oder tot. Durch das, was vorging, und besonders durch das, was sogleich vorgehen wird, musst du erkennen, dass meine Macht, so weit die Wissenschaft im Jahr der Gnade 1847 geht, für diese Welt sehr groß ist. Gehst du aber diesen Vertrag ein, so kann ich dein Leben nehmen, dich töten, wenn es mir gutdünkt und dein Tod würde für die, welche ein Recht hätten, mich deshalb zur Verantwortung zu ziehen, so wie für dich selbst, ewig nur ein Selbstmord sein. Überlege also nochmals, ehe du dich der Prüfung unterwirfst, und wenn du davor erschrickst, ist es noch Zeit, zurückzutreten. Sage ein letztes Lebewohl an deine Frau, die es nicht hören kann und nie erfahren wird, dass du dich schwach zeigtest und ohne Schmerz wird sie vom Schlaf zum Tod übergehen.«

Eusebius war einen Augenblick verwundert, doch ohne zu zögern, und endlich rief er: »O nein, es hieße Gott und die Menschen, das Herz und die Seele, schmähen, wollte ich Ihre fürchterlichen Zweifel teilen. Wir werden leben, Esther«, fuhr er fort, indem er sich gegen die junge Frau wendete und aus ihrem Anblick neue Kräfte schöpfte. »Wir werden leben, um uns zu lieben, eins für das andere, und wie groß auch das Elend und die Leiden sein mögen, die das Leben uns bewahrt, werde ich mutig den Kampf bestehen, gestützt auf dich, meine Esther, stark durch deine Liebe. Ich werde mitten in unseren Leiden Trost und Frieden finden. – Eine Feder und Tinte!«

»Ihr werdet weder Elend noch Leiden zu bestehen halten, sondern im Gegenteil reich und nach dem Urteil der Welt glücklich sein. Bist du nun noch immer entschlossen, den Vertrag zu unterzeichnen, Eusebius?«

»Ich habe nur den Vorwurf an Sie zu richten, dass Sie zögern, mir zu geben, was ich verlange. Ich habe weder Feder noch Tinte hier, aber ein so mächtiger Mensch, wie Sie sind, kann durch solche Kleinigkeiten nicht in Verlegenheit geraten.«

»In der Tat«, sagte der Doktor, »habe ich stets eine Feder bei mir, um meine Rezepte zu schreiben, und was die Tinte betrifft, so wollen wir, wenn es hier keine gibt, uns der Traditionen erinnern. He, he, he, he! Ein Tropfen Blut reicht hin.«

»Ein Tropfen Blut! Es sei«, sagte Eusebius und streifte den linken Ärmel auf.

Der Doktor zog aus dem Futter seines Paletots eine Stahlfeder hervor, deren Spitze fein wie die einer Lanzette war, und drückte sie Eusebius in die Mittelader. Eusebius stieß einen leisen Schrei aus und ein Tropfen Blut, rot wie ein flüssiger Rubin, trat hervor.

Der Doktor fing ihn mit dem Spalt seiner Feder auf und reichte diese Eusebius, indem er nochmals sagte: »Es ist also weder Zwang noch Betrug, sondern dein freier Wille?«

»Es ist mein vollkommen freier Wille«, entgegnete Eusebius, nahm die Feder aus der Hand des Doktors Basilius und unterzeichnete, ohne zu zögern und zu zittern.

Bereust du«, sagte der Doktor, »so kannst du dieses Papier noch zerreißen.«

Statt der Antwort überreichte Eusebius ihm das Blatt. »Es gehört Ihnen«, sagte er, »aber Esther ist mein.«

»Das ist nur gerecht«, entgegnete der Doktor, indem er das Papier zusammenfaltete und in seine Brieftasche steckte. »Ich gehe. Von hier bis zur Tür kannst du mich noch zurückrufen. Habe ich aber einmal die Schwelle überschritten, dann ist es zu spät.«

»Gehen Sie, Doktor, gehen Sie«, sagte der junge Mann, »und der Himmel geleite Sie!«

»Gehe zum Teufel mit deinen Wünschen«, rief der Doktor. Der Tür sich nähernd, blieb er auf der Schwelle noch einen Augenblick stehen, als wollte er Eusebius Zeit geben, ihn zurückzurufen, wenn er den geschlossenen Vertrag etwa bereute. Dann hob er die Matte auf, streckte den Arm hinaus, um zu erfahren, ob der Regen aufgehört hatte, und nachdem er Eusebius noch ein Zeichen mit der Hand gegeben, trat er über die Schwelle. Die Matte sank hinter ihm nieder.

Im selben Augenblick war dem jungen Holländer, als bedecke eine Wolke seine Augen. Seine Füße wankten, und er empfand eine Schläfrigkeit, die er sich nicht zu erklären wusste. Er hörte ein Brausen, ähnlich dem des Meeres, wenn es gegen die Klippen schlägt, und durch dieses Brausen, welches nur das zu den Schläfen stürmende Blut war, vernahm er das höhnische, kurz abgestoßene Lachen des Doktors Basilius.

Er näherte sich darauf dem Bett, um zu sehen, ob er, wie der Doktor es versprochen hatte, Zeichen des zurückkehrenden Lebens an Esther bemerkte. Aber seine Augen schlossen sich unwillkürlich, seine Beine versagten ihm den Dienst, er sank auf den Fußboden nieder und schlief ein, den Kopf auf die Matratze gestützt, auf der die junge Frau noch regungslos und stumm ausgestreckt lag, allem Anschein nach tot.