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Felsenherz der Trapper – Teil 21.3

Felsenherz der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 21
Der Indianerhändler
Drittes Kapitel

Der Geist der Wahsatschberge

Dieser Meisterschuss ließ sofort die Hälfte der Apachen zum Nordufer der Halbinsel stürmen.

Dort hofften sie, den geheimnisvollen Feind zu finden, dessen Büchse nun sogar den Oberhäuptling gezeichnet hatte, nachdem bereits Robbin und Stury doch offenbar desselben Schützen glänzende Treffsicherheit gespürt hatten.

Umsonst war ihr Suchen. Umsonst spähten sie über den im Mondlicht daliegenden Fluss hin.

Kein lebendes Wesen war zu bemerken, kein Nachsehen, kein Floß – nichts!

Auch die übrigen Apachen und der rote Tom – alles stand jetzt am Ufer der Halbinsel. Sogar Ikawiru hatte sich dorthin begeben.

Der Oberhäuptling, erfüllt von abergläubischer Angst, ließ sich durch den Indianerhändler die verstümmelte Hand verbinden. Dabei fragte er, was Harpley ihm hatte zurufen wollen, als der Schuss fiel.

Der rote Tom machte ein sehr ernstes Gesicht. »Hat der Oberhäuptling schon einmal von dem Geist der Wahsatschberge etwas gehört?«, meinte er sehr laut.

Die anderen Apachen, durch des Händlers kräftige Stimme angelockt, scharten sich um die beiden, denn alles, was mit Geistern zusammenhing, war für die Rothäute von jeher überaus interessant.

Ikawiru nickte. »Ja, ich weiß, dass die Navajo, deren Jagdgebiete sich dicht bis zu jenen Bergen hinziehen, von einem Geist erzählen, der ohne Kopf auf kohlschwarzem Mustang durch die Bergtäler reitet. Wer ihn sieht, muss sterben. Der Geist soll der eines Fallensteller sein, den die Navajo vor vielen Jahren in der Prärie zu Tode schleiften, wobei ihm der Kopf abgerissen wurde.«

»So erzählt man es sich auch an den Lagerfeuern der Trapper«, bestätigte der Händler. »Als ich nun vorhin während des Orkan mich dem San Juan River näherte, begegnete mir der unheimliche Reiter. Und bevor der Schuss gefallen war, Ikawiru, der dir zwei Finger raubte, sah ich den Geist der Wahsatschberge drüben am Ufer im Mondlicht hoch zu Ross halten. Deshalb rief ich dich an. Ich wollte dich warnen, denn das Wahsatschgespenst hat schon oft genug durch eine gut gezielte Kugel einen Indianer niedergestreckt, der einen Weißen heimtückisch ermorden wollte.«

Die Apachen blickten scheu über den Fluss hinweg. Aber drüben war nichts von dem gefährlichen Reiter zu entdecken.

Dann ein Schrei vom Südteil der Halbinsel her – ein Schrei, der sofort in den gellenden Ruf der dort aufgestellten Wachen überging.

»Felsenherz – der Schwarze Panther!« Zwei Schüsse jetzt – abermals zwei Schreie.

In wilder Hast stürmten Ikawiru und seine Krieger dem Lagerplatz wieder zu.

Der Oberhäuptling war allen voran. Er ahnte, was geschehen war.

Und wirklich: Die Stelle neben dem Feuer, wo Felsenherz vorhin, als der würgende Griff Ikawirus um seinen Hals infolge des Schusses sich gelockert hatte, wie halb bewusstlos ins Gras sank und dann unbeachtet liegen blieb, war leer.

Hätte der Oberhäuptling jetzt das Gesicht des Indianerhändlers, der den Apachen langsam folgte, beobachten können, so würde ihn dessen zufriedenes Lächeln wohl stutzig gemacht haben.

So aber war es ihm ein vollkommenes Rätsel, wer Felsenherz Fesseln zerschnitten haben könnte, zumal jetzt zwei der Wachen erschienen und meldeten, dass Felsenherz zwischen ihnen hindurch gewaltsam sich einen Weg gebahnt und dabei sogar das verwundete Bleichgesicht, also den Trapper Stury, auf den Schultern davongetragen hätte, während der Comanchenhäuptling ihm dann erst später zu Hilfe geeilt sei, wobei sie zwei Krieger niedergeschlagen und zwei andere durch Schüsse verwundet hätten.

Ikawiru, dem nun auch der Trapper Stury entführt worden war, von dem er sich doch zu der Bonanza hatte den Weg zeigen lassen wollen, befahl sofort, die Verfolgung der Flüchtlinge mit allem Eifer aufzunehmen.

Er hielt nur zehn Krieger bei sich. Die Übrigen hatten im Nu harzige Äste von den nächsten Tannen mit den Tomahawks abgeschlagen und stürzten sich mit diesen hell lodernden Fackeln in das Dickicht, um die Fährte der beiden berühmten Jäger zu suchen.

Ikawiru aber setzte sich mit seiner schmerzenden Hand in verbissener Wut an das Feuer und winkte den roten Tom neben sich.

Tom wurde dabei etwas unbehaglich zumute, denn er war es ja gewesen, der Felsenherz befreit und im auch zugeraunt hatte, den Trapper Stury gleichfalls zu retten. Er hatte, als die Apachen zum Nordufer der Halbinsel gestürmt waren, sich nur scheinbar entfernt, war hinter ein paar Büsche geschlüpft und hatte den blonden Trapper rasch losgeschnitten, um dann eilig sich den Apachen am Ufer wieder zuzugesellen.

Ikawirus schien in der Tat Misstrauen gegen den roten Tom zu hegen. Er sah ihn durchdringend an und sagten nun mit heuchlerischer Gleichgültigkeit: »Das Blassgesicht, den wir den roten Tom nennen, mag mir sein Messer reichen.«

Harpley, der sich kaltblütig seine Tabakpfeife stopfte, fragte, ohne aufzublicken: »Was will Ikawiru mit dem Messer?«

Dann zog er es aber doch aus der Lederscheide und reichte es dem Oberhäuptling, der die Klingel dicht ans Feuer hielt und die Schneide sehr sorgsam prüfte.

Harpley lächelte abermals verstohlen. Er ahnte, was Ikawiru feststellen wollte: Die Riemen, mit denen Felsenherz gebunden gewesen war, waren ganz frisch mit Bärenfett eingerieben gewesen, und der Apache wollte sich fraglos überzeugen, ob die Klingel fettig war.

Schweigend gab Ikawiru das Messer dem Indianerhändler zurück. Er hatte nichts bemerkt, was seinen Argwohn bestätigen konnte.

Harpley jedoch meinte nur, indem er sich erhob: »Ich weiß, dass du mir misstraust, Ikawiru. Es ist besser, ich verlasse euer Lager. Du kennst mich; noch nie hat der rote Tom sich eure Angelegenheiten eingemischt – noch nie!«

Der Oberhäuptling schaute ihn finster an. »Der rote Tom will Felsenherz und Chokariga folgen!«, sagte er dumpf und in verhaltener Wut.

»Ikawiru irrt; ich werde über den San Juan River setzen und mich zu den Dörfern der Mescalero begeben, wo ich seit vielen Monden nicht gewesen bin. Wenn Ikawiru wünscht, dass seine Kriege fortan nur schlechtes Pulver von anderen Händlern kaufen sollen, dann mag er die Freundschaft brechen, die bisher zwischen uns bestanden hat.«

Die Ruhe und Kühnheit Harpleys verfehlten ihre Wirkung nicht. Der Oberhäuptling winkte drei seiner Krieger und befahl ihnen, dem Händler beim Bau eines Floßes behilflich zu sein. Dann wünschte er Harpley noch gutes Wetter für den Marsch zum Rio Pecos hinab, wo die Mescalero wohnten und streckte sich lang am Feuer aus.

Kaum hatte der Händler jedoch mit seinen beiden Pferden das Lager verlassen, als er zwei anderen Kriegern leise den Auftrag gab, Harpley auf den Fersen zu bleiben.

Dieser landete drüben und ritt dann nach Nordwest weiter. Er wusste, dass er beobachtet werden würde, und richtete sich danach.

Nachdem er zwei Meilen durch die Berge immer in derselben Richtung im Schritt zurückgelegt hatte, machte er hinter einer scharfen Krümmung eines Tales halt und zündete im Schutz einiger Felsblöcke ein Feuer an, tat so, als ob er hier lagern wollte.

Die beiden ihm nachgeschickten Apachenspäher, die ihm aus sicherer Entfernung im Auge behalten hatten, machten nunmehr kehrt. Sie waren überzeugt, dass Harpley den Rest der Nacht an dieser Stelle zubringen würde.

Der rote Tom jedoch blieb hier nur eine Stunde, suchte dann sorgfältig die ganze Umgebung ab und brach wieder auf, passierte den San Juan River abermals und wandte sich dorthin, wo er mit Felsenherz wieder zusammentreffen wollte, wie er ihm dies durch wenige Worte vorhin mitgeteilt hatte.