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Die Fahrten und Abenteuer des kleinen Jacob Fingerlang 16

Die Fahrten und Abenteuer des kleinen Jacob Fingerlang
Ein Märchen von Gotthold Kurz
Nürnberg, bei Gottlieb Bäumler 1837

Sechzehntes Kapitel

Jacob vereitelt eine gefährliche Staatsverschwörung

Wir eilen ihm voraus und finden die Jagd bereits in vollem Gange. Weithin ertönen das Hallo der Treiber das Blasen der Hörner, das Bellen der Hunde, das Knallen der Büchsen, wie es bei solchen Gelegenheiten herkömmlich ist. Unter einer Gruppe von hundertjährigen Ulmen und Buchen sind die Jagdschirme des Hofes aufgerichtet, umgeben von geschäftigen Jägern, Büchsenspannern und reich gekleideten Lakaien. Seitwärts sind in großen Baracken die Pferde eingestellt, ein Postzug schöner als der andere, weiterhin die fürstlichen Wagen und die des Gefolges. Eine große Volksmenge in Feierkleidern wogt neugierig überall auf und nieder. Die Nachmittagssonne flimmert durch das bunte, herbstliche Laubdach und streut wankende Schatten und Lichter überall auf dem Boden des geräumigen Waldplatzes aus.

Jacob war schon lange vermisst worden, aber die Diener, welche ihn in jenen Wagen gesetzt hatten, von dem wir sprachen, waren in der Residenz zurückgeblieben. Außer ihnen konnte oder wollte niemand von ihm wissen. Man glaubte, dass er bei der Abreise vergessen und zu Hause gelassen worden sei. Da wurde dem Fürsten ein Landmann gemeldet, der dringend mit ihm zu sprechen verlangte. Der Erbstatthalter, ein leutseliger Herr, ließ ihn vor sich kommen. Es war unser Bauer und seine Tochter.

Die Letztere hatte ein Körbchen mit wunderschönem Obst gefüllt, überreichte es dem Fürsten mit zierlicher Verbeugung und sprach: »Gnädigster Herr, wenn wir es wagen, Euer Hoheit von unserem Garten einige Früchte darzubieten, so wird uns, was darunter verborgen ist und was Ihr vielleicht ungern verloren haben möchtet, einigermaßen entschuldigen!«

Als der Erbstatthalter den obersten Apfel genommen hatte, erblickte er den Kopf seines kleinen Lieblings und zog ihn mit großer Freude hervor. Dieser aber bat ihn um kurzes augenblickliches Gehör und berichtete treu umständlich alles, was er auf seiner merkwürdigen Fahrt vernommen hatte.

Glücklicherweise waren die beiden Verschworenen eben an einem anderen Punkt beschäftigt, und ohne Ahnung dessen, was vorging. Alsbald wurde ihr Gepäck in Beschlag genommen und Papiere darin vorgefunden, welche über die angezettelte Verräterei keinen Zweifel mehr übrig ließen. Die Verbrecher wurden sogleich festgenommen und gestanden in der ersten Verwirrung alles, was zu wissen wichtig war. Bald sprengten berittene Boten auf verschiedenen Straßen dahin. Die Jagdlust wurde abgebrochen, der fürstliche Wagen fuhr vor, und nach einer Stunde war von dem ganzen zahlreichen Gefolge nur noch der Staub der letzten Equipagen zu erblicken.

Es war eine gefährliche und weitverzweigte Verschwörung, welche durch die Vermittlung Jacobs entdeckt und glücklicherweise vereitelt worden war. Die Rädelsführer derselben, der Hofmarschall und der Obristkämmerer büßten ihr Verbrechen mit dem Leben, der Landmann und seine Tochter aber wurden reich beschenkt, und Jakob ein schönes Gut im Gelderland nebst dem Baronentitel angeboten. Er lehnte beides ab. Nicht nur, dass er das, was er dem Staat geleistet hatte, als seine Schuldigkeit betrachtete, für welche sich ein Mann von wahrer Ehre nicht noch besonders belohnen lässt, sondern auch, weil ihm persönlich weit weniger als irgendeinem anderen Rang und Besitztümer gelegen war. Die wunderbaren Führungen, die er bisher erlebt hatte, die Taten, welche ihn mithilfe einer höheren Macht gelungen waren, die geistigen Beschäftigungen, in denen er vorzugsweise obgelegen, hatten seiner Seele eine Richtung gegeben, welche sie über manches, worauf sonst die Menschen Wert zu legen pflegten, gleichgültig hinwegsehen ließ. Dagegen machte sich die Sehnsucht nach einem ganz anderen Zustand immer geltender. Seine Träume führten häufiger als je das Bild entfernter Tage, das Land seiner Jugend, in seine Seele zurück. Was auch die Gegenwart zeigte und verhieß, es war doch immer eine fremdartige Welt, in welche er nie vollständig passte, die ihm selber ebenso wenig Genüge leistete. Die Menschen um ihn her blieben bei aller Aufmerksamkeit für ihn doch raue Giganten, an welche er sich wieder mit den Armen noch mit dem Herzen anschließen konnte. Er ahnte, dass es noch einen anderen Zustand, anders gestaltete Wesen geben müsse, die alleine ihm nach seiner Weise recht verstehen und befriedigen konnten.

Darum sehnte er sich hinaus in unbekannte Ferne, hinaus auf das weite wundervolle Meer, fühlte sich angetrieben dort, unter welchen Gefahren es auch sei, die eigentliche Bestimmung, das einzig wahre Glück des Lebens, aufzusuchen. Als nun nach Verlauf einer kurzen Zeit die Generalsstaaten beschlossen hatten, eine Flottille zu den ostindischen Gewässern zu schicken, da erbot er sich von Erbstatthalter die Gnade, die Expedition begleiten zu dürfen, und hatte keine Ruhe, bis sie ihn gewährt wurde, wiewohl der Fürst ihn nur sehr ungern von sich ließ.