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Felsenherz der Trapper – Teil 21.2

Felsenherz der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 21
Der Indianerhändler
Zweites Kapitel

In der Gewalt der Apachen

In dieser selben Nacht waren auch von Westen her aus den wilden Wahsatschbergen zwei andere Reiter dem San Juan River auf ermüdeten Pferden zugetrabt.

Es waren dies ein hochgewachsener, blondbärtiger Trapper und ein schlanker, kräftiger Indianer mit edlem, schmalen Gesicht und prachtvollem blauschwarzen Haar, dass er auf dem Scheitel schopfartig hochgebunden hatte. Mehrere in diesem Schopf befestigte Adlerfedern bewiesen, dass man hier einen Häuptling vor sich hatte.

Als die beiden Reiter jetzt ein langes Tal durchquerten und der Orkan dicht vor ihnen eine Riesenkiefer entwurzelte und mit Donnerkrachen umwarf, sodass die Pferde unwillkürlich zurückprallten, sagte der blonde, ganz in Leder gekleidete Trapper zu dem roten Häuptling: »Mein Bruder Chokariga wird einsehen, dass es besser ist, wenn wir einen Lagerplatz suchen. Die Navajo, die uns seit gestern Mittag verfolgen, werden unsere Fährte längst verloren haben.«

»Felsenherz spricht nur meine Gedanken aus«, sagte der Comanchenhäuptling Chokariga und lenkte seinen Rappen um den umgestürzten Baum herum in eine enge Seitenschlucht. Hier blieb er dann mit den beiden Pferden zurück, während Felsenherz die Umgebung durchforsten wollte, ob die Gegend auch sicher sei.

Der berühmte Trapper schritt lautlos in die finstere Nacht hinaus. Nur ein Mann wie er konnte sich in dieser Dunkelheit zurechtfinden. Vor fünf Tagen war er hier mit seinem roten Bruder, dem Schwarzen Panther, auf der Bärenjagd gewesen. Er erinnerte sich, dass der San Juan River in der Nähe sein musste, und wenn irgendwo Indianer hier lagerten, waren sie fraglos unweit des Flusses geblieben.

Eine Stunde später hatte der Sturm das schwarze Gewölk am Himmel zerstreut. Einzelne Sterne blinkten auf. Felsenherz befand sich bereits auf dem Rückweg.

Als er gerade in das bewaldete Tal gelangt war, wo die niederstützende Riesenfichte beinahe ihn und Chokariga erschlagen hätte, tauchte hinter den jagenden Wolkenfetzen auch der Mond auf. Mit einem Mal bestrahlte so mildes Silberlicht die Felswildnis dieser zerklüfteten Berge. Der blonde Trapper bemerkte nicht, dass dicht hinter ihm jene vier Apachenspäher vorsichtig dahinschlichen, die Ikawiru ausgesandt hatte, um nach dem oder den Schützen zu suchen, die Robbin und Stury niedergestreckt hatten.

Diese vier Kriege hatten bereits in dem einsamen Mann da vor ihnen ihren alten Gegner Felsenherz erkannt, der von den Apachen schon so und so oft gefangen genommen, ihnen stets aber wieder entschlüpft war. Der Hass der Apachen, den sie seit Langem gegen Felsenherz und den tapferen Comanchenhäuptling empfanden, hatte keinerlei Berechtigung. Stets waren es die mordgierigen Rothäute gewesen, die den blonden Trapper und seinen Freund dazu gezwungen hatten, von ihren Waffen Gebrauch zu machen.

Felsenherz blieb plötzlich stehen.

Er hatte in dem Waldstreifen an der rechten Talseite dicht neben sich ein verdächtiges Geräusch gehört: das Brechen eines trockenen Astes, der auf dem Boden durch den Fuß eines Menschen oder eines größeren Tieres geknickt wird.

Nur das fein ausgebildete Gehör des berühmten Westmannes konnte in der gerade herrschenden sekundenlangen Atempause des Stromes dieses Geräusch als etwas Verdächtiges erkennen. Wie ein Blitz war Felsenherz denn auch hinter eine der nächsten Buchen geschlüpft, hatte den Tomahawk gepackt und ließ seine Blicke argwöhnisch hinter dem Baum hervor das Waldesdunkel durchdringen.

Da – irgendein kleiner Gegenstand fiel dicht vor ihm nieder.

Auf dem mondhellen Fleck da vor ihm lag nun ein – halber Apachenpfeil, als solche kenntlich an der besonders gearteten Fiederung.

Felsenherz war verblüfft. Dieses Stück eines Teiles, die in die Spitze, das obere Ende fehlte, konnte ihm doch nur jemand in ganz bestimmter Absicht zugeworfen haben.

Wer aber – und zu welchem Zweck? Fraglos doch nur als Warnung – vor den Apachen!

Der blonde Trapper hob das Pfeilstück rasch auf und steckte es vorn in sein Lederwams. Dann drang er tiefer in den Wald ein, freilich mit allergrößter Behutsamkeit und auch damit rechnend, dass hier irgendeine Teufelei vorläge.

Wieder blieb er stehen.

Und hinter ihm wanden sich wie Schlangen die vier Späher heran.

Der eine, die ungeheure Körperkraft Felsenherz’ wohl kennend, hielt ein Lasso bereit. Dieser Krieger war der geschicktesten Lassowerfer des Stammes. Nie ging ihm ein Wurf fehl. Dem flüchtenden Büffel schleuderte er die Lassoschlinge so auf den Boden, dass das Tier unfehlbar im vollen Galopp mit dem Vorderfuß hineintrat, sich dann überschlug und in den meisten Fällen das Genick brach.

Auch jetzt bewies dieser Apache, dass er den Namen Paru Matscha, die Schnelle Hand, durchaus verdiente.

Die Schlinge flog Felsenherz über den Kopf, wurde mit furchtbarem Ruck zugezogen.

Aber Paru Matschas Armkraft hatte doch nicht genügt, den Jäger nach hinten umzureißen.

Nein, der blonde Trapper stand noch aufrecht, und blitzartig fuhr seine Klinge durch den ihn würgenden straff gespannten Riemen.

Aber schon warfen sich auch die drei anderen Roten auf ihn, hingen an seinen Armen wie Kletten.

Die Luft wurde ihm knapp. Umsonst stieß er mit den Füßen nach den Feinden, umsonst schleuderte er sich mitsamt den lebenden Klettern gegen den nächsten Baum.

Paru Matscha schlug mit dem flachen Tomahawk zu. Für einen Moment verlor Felsenherz die Besinnung. Als er wieder zu sich kam, war er so eng gefesselt und so sicher geknebelt, dass er einsah, er könnte vorläufig nichts zu seiner Befreiung tun.

Die vier Apachen trugen ihn dann eiligst davon. Sie wagten es nicht, ihm die Beine loszubinden und ihn gehen zu lassen, so sehr fürchteten sie seine Überlegenheit und seinen kecken Sinn, der stets eine List in Bereitschaft hatte, ihnen irgendwie zu entwischen.

Als sie nach etwa einer Stunde das Lager der Halbinsel erreichten, war dort kurz vorher der Indianerhändler mit seinen beiden Pferden eingetroffen und hatte soeben Ikawiru, dem Oberhäuptling, erzählt, dass die Schüsse ihn herbeigelockt hätten.

Ikawiru ließ ihn freundlich willkommen und bot ihm einen Platz an seinem Feuer an. Die Apachen umdrängten den roten Tom. Er war ihnen stets ein angenehmer Gast. Sie halfen ihm seine Pferde abzusatteln, und sie warfen ehrfurchtsvolle Blicke auf den kräftigen, rotbärtigen Weißen, der so ganz allein, nur ein Messer als Waffe im Ledergurt und den Buchenknittel in der Hand, Prärien und Berge durchwanderte.

Dann schleppte man den berühmten Trapper herbei.

Des Oberhäuptlings Gesicht strahlte in wildem Triumph auf.

Sofort sagte er mit Hohn und Verachtung zu dem blonden Jäger: »Felsenherz ist ein feiges Stinktier, das nur nachts sein Baumloch verlässt. Felsenherz war es also, der vorhin das eine Blassgesicht erschoss und das andere verwundete. Wo ist Chokariga, der Comanche mit dem Weiberhaar?«

Der blonde Jäger würdigte den Apachen keine Antwort.

Sein Blick fiel auf den roten Tom, der gleichgültig am Feuer sitzen geblieben war.

Und – da bemerkte er, dass Tom ihm verstohlen mit den Augen ein Zeichen gab.

Felsenherz kannte den Indianerhändler nur ganz flüchtig.

Ein einziges Mal vor etwa anderthalb Jahren war er ihm weit südlich am Rand der berüchtigten Llano Estacado, der großen texanischen Sandwüste begegnet. Eine einzige Nacht hatten er und Chokariga mit Tom Harpley zusammen gelagert. Damals war Tom jedoch so schweigsam und verschlossen gewesen, dass der blonde Trapper den Eindruck gewann, Harpley müsste entweder eine schwere Gewissenslast oder ein besonderes Geheimnis mit sich herumtragen.

Der Oberhäuptling Ikawiru, der alles versuchen wollte, auch den Comanchen in seine Gewalt zu bekommen, riss jetzt sein Messer aus dem Gürtel und holte zum Stoß aus.

»Wenn Felsenherz nicht sofort sagt, wo Chokariga weilt, wird meine Klinge ihm ins Herz fahren!«, brüllte er den berühmten Jäger an.

Felsenherz tat, als ob diese Drohung ihm gar nicht gelte. Er hatte den Kopf noch mehr zur Seite gedreht, wo die toten Aachen und die Leiche Robbins nebeneinanderlagen.

Robbin war die Kugel gerade über der Nasenwurzel mitten in die Stirn gegangen. Das dunkle, leicht blutige Einschussloch zeichnete sich scharf gegen die Stirn ab.

Ikawiru, dessen Wut jetzt infolge der Nichtbeachtung seiner Drohung durch den Trapper jäh aufflammte, packte den blonden Hünen plötzlich bei der Kehle.

»Hund von einem Blassgesicht, ich skalpiere dich bei lebendigem Leib!«, stieß er zischend hervor.

Erschien jetzt Ernst machen zu wollen. Sein Gesicht war vor Hass und Grimm verzerrt.

Der wehrlose Trapper, dem ja auch die Füße brutal festgebunden waren, blickte den Apachen nur durchdringend an. So standen die beiden, der eine den Hals des anderen umklammert haltend und in der Rechten das blinkende Skalpmesser, sich sekundenlang ohne jede Bewegung gegenüber.

Ikawirus wahnsinnige Blutgier wurde noch durch den verächtlichen Ausdruck in Felsenherz’ offenem, frischen Gesicht gesteigert.

Jede Selbstbeherrschung verließ ihn.

Er wollte jetzt zu stoßen.

Sein Arm hob sich noch etwas, begann die Abwärtsbewegung. Die Messerklinge funkelte im Schein der Feuer.

Felsenherz war verloren.

Auch Harpley sprang nun empor, rief Ikawiru zu: »Häuptling, du solltest …«

Da – vom Fluss her, dessen schäumende Wasser man durch eine Lücke im Gebüsch sehen konnte, ein Schuss.

Ikawirus rechte Hand beschrieb einen Bogen. Das Messer war ihm durch eine Kugel aus der Hand gerissen worden, und die beiden Mittelfinger dieser Hand waren nur noch blutige Fetzen. Das Geschoss hatte sie von der Seite durchbohrt und war dann in den Messergriff gefahren.