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Rübezahl, der Herr des Gebirges – Folge 7

Rübezahl, der Herr des Gebirges
Volkssagen aus dem Riesengebirge
Für Jung und Alt erzählt vom Kräuterklauber
Verlag Carl Gustav Naumann, Leipzig, 1845

7. Wie Rübezahl einen bösen Edelmann bestraft

Es war einmal unten am Gebirge ein Edelmann, ein gar wüster und hochmütiger Geselle, welcher die Bauern schindete und plagte, und meinte, dazu wären sie eben für die Edelleute da, so gut wie das liebe Vieh, und war überall Klagen und Jammern weit umher. Er hatte früher zu den schwarzen Brüdern gehört, so damals in Schlesien hausten wie die Räuber, und waren doch lauter Edelleute, die sich durch einen furchtbaren Schwur verbunden hatten, überall, wo sie einbrachen, so viel Schaden anzurichten wie nur möglich, und nirgends abzuziehen, ohne das ausgerichtet zu haben. Als sie aber einmal beim Herrn von Modlau, der seine Knechte und Bauern in der Stille aufgeboten und sie weidlich hatte ausdreschen lasten, – wobei unser lieber Herr invalid geworden war –  schlecht weggekommen waren, da dachte der: Lieber daheim geblieben. Hier unter deinen Bauern kannst du es ja treiben, wie du willst.

Das tat er denn auch redlich und war eben deshalb des Seufzens und der Tränen gar viel. Hatte er Leute im Holz getroffen oder es hatte einer das Wild, das seine Saaten verzehrte, davon weggetrieben, so ließ er nach damaligem Gebrauch ihn einem Hirsch auf die Geweihe binden und den Hirsch hinaus ins Gebirge jagen. Hier hatte Rübezahl, der, wie gesagt, ein sehr gutmütiger Teufel war, schon manchen befreit und seiner Familie zurückgegeben, und dachte dabei jedes Mal: Komm du mir nur ins Gebirge, dich will ich bezahlen. Nun geht bekanntlich der Krug so lange zu Wasser, bis er zerbricht; so auch bei unserem Edelmann. Denn als er eines Tages eine große Jagd angestellt hatte, kümmerte er sich wie gewöhnlich um keine Grenzen und kam endlich in Rübezahls Gebiet.

Der hörte kaum das Hallo der Treiber und das Knallen der Röhre, so dachte er: Haha, jetzt ist es Zeit. Trat also den Edelmann an und fragte ihn, wer ihm erlaubt habe, auf fremdem Revier zu jagen.

Der Edelmann, über diese Keckheit erstaunt, stieß in sein Hüfthorn und gab den herbeieilenden Leuten Befehl, den Mann zu greifen. Der blieb aber ruhig stehen und sah einen nach dem anderen mit stechenden Augen an. Und wenn er einen ansah, so stand der auch sogleich starr und steif da.

Wie der Edelmann das sah und wusste doch nicht, woher es kam, so wurde er wütend, zog sein Waidmesser und wollte es dem zunächst Stehenden in den Leib rennen. Aber Rübezahl griff ihm sogleich nach der Brust und fasste ihn, dass er sich nicht regen konnte. Hierauf hielt er ihm sein ganzes Sündenregister vor und sagte, dieses Mal wäre es seine letzte Jagd.

»Ich könnte dir elendem Schuft«, fuhr er fort, »auf der Stelle das Genick brechen, aber das wäre für dich zu gut. Du musst erst einen Teil der Qualen, die du anderen bereitest, an dir selber erdulden. Du wirst sterben wollen und doch nicht können.

Hierauf warf er ihn auf den Boden, dass ihm die Rippen im Leibe krachten, und ging davon.

So wie er verschwunden war, so bekamen auch die Jäger und Treiber wieder Leben, machten eine Bahre von Zweigen, legten den Edelmann darauf und trugen ihn nach Hause. Da war im Schloss großes Trauern, im Dorf aber und in der Gegend eitel stille Freude. Man schickte sogleich nach dem Doktor, und der meinte, schlimm scheine ihm die Sache gerade nicht, aber … man könne nicht wissen. Indessen ging die Sache nicht zum Besten; denn manchmal wollte er bald vor Schmerzen den Geist aufgeben, bald aber war er wieder besser, und dann nahm er sich stets vor, es dem Bauernvolk entgelten zu lasten, wenn er wieder aufkäme. Man ging von einem Doktor und Bader zum anderen, aber es wurde nicht anders. Er nahm ganze Schaufeln voll Pulver, Kochtöpfe voll Latwerge und Pillen wie Straußeneier so groß, und doch half alles nichts.

Im Ort war ein Bader, ein gar geschickter Mann, der sagte: »Gnädiger Herr, ich will Euch schon helfen, Euch drückt das viele Blut, ihr müsst hübsch Diät leben, weder essen noch trinken und alle Tage brav zur Ader lassen, das hilft gewiss.«

Ja, es half auch, und der Edelmann wurde alle Tage ruhiger und gesetzter. Das ward ihm endlich selber bedenklich, und es kam ihm fast vor, als würde er auf dieser Erde nimmer auf die Jagd gehen. Wie der Edelmann nun merkte, dass es sein Letztes ist, und ist kein Davonkommen, so sagte er eines Tages: »Lasst mich als Edelmann sterben. Der Degen ist mir angeboren, mit ihm will ich auch vor meinen Gott treten.«

Also freuten sie sich, dass er einen Gott hatte, und schnallten ihm den Degen um.

Ein ganz besonders feiner Kopf sagte: »Auch ohne Sporen darf er nicht vor Gott treten, der ihn als Edelmann erschaffen hat.«

Sie zogen ihm die Stiefeln mit den Sporen an und sagten, nun sei er im himmlischen Staat und dürfe sich nicht schämen. Wie er das hörte, gab er ein Zeichen, dass man ihn aufrichte, blickte mit matten, ersterbenden Augen auf seinen Degen, den ihm Gott anerschaffen hatte, legte sich zurück und starb.

Er war gerade tot, so kam Rübezahl als Arzt, sagte, er sei einer von Adel und habe schon viele Tote wieder auferweckt. War auch vorn weiß und hinten schwarz, wie es das Herkommen verlangt, und der Kräuterklauber wusste nicht, ob auch mit goldenen Zwecken beschlagen. Man solle, sagte er, ihn zum Kranken führen. Sie brachten ihn also zum Bett, und Rübezahl streckte seine Hand nach dem Toten aus. Wie er ihn aber berührte, fiel der ganze Körper zusammen und war auf einmal ein Aschenhäufchen und von Degen und Sporen nichts zu spüren. Der Kräuterklauber wollte nur sehen, wie es am Jüngsten Tag sein wird usw., und freute sich, dass Rübezahl ein Exempel statuiert hatte, denn Grausamkeit verdient weder einen Himmel auf Erden noch im Jenseits.