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Felsenherz der Trapper – Teil 21.1

Felsenherz der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 21
Der Indianerhändler
Erstes Kapitel

Die beiden Trapper

Der Sturm durchheulte mit wütenden Stößen den hochragenden Urwald, der sich vom Ufer des San Juan River die schräge Berglehne hin anzog.

Das Krachen brechender Äste und das weithin tönende donnerähnliche Geräusch einer umstürzenden Riesenfichte wurden jedoch plötzlich von einem anderen Geräusch abgelöst; dem Knall mehrerer Schüsse, denen ein schrilles Geheul, das Angriffsgeschrei der Apachen folgte.

In dieser pechfinsteren Sommernacht, bei diesem durch jagende schwarze Wolken völlig verschleierten Himmel konnte der einsame Reiter, der soeben aus einem lang gestreckten Tal von Osten her den schäumenden, hier etwa neunzig Yard breiten Fluss erreicht hatte, drüben am Westufer lediglich das Aufblitzen der Schüsse erkennen.

Das Geheul verstummte jetzt wieder. Der Reiter, der noch ein zweites, hoch beladenes Pferd bei sich hatte, murmelte kopfschüttelnd vor sich hin: »Was tun die Pimos (Schimpfname für die Apachen) hier im Felsengebirge? Dazu noch so mitten im Jagdgebiet der Navajo, die doch wahrlich ihre Freunde nicht sind! Die rote Brut ist mir unangenehm! Ich habe hier etwas zu erledigen, wobei mir ihre Gegenwart nur lästig ist. Sehen wir erst einmal zu, was die kupferfarbene Bande dort drüben angestellt hat.«

Er stieg aus dem Sattel, nahm beide Pferde bei den Zügeln und brachte sie in eine nahe Schlucht, band sie hier an einer Kiefer hinter einer hohen natürlichen Hecke von Dornen und wildem Hopfen fest und kehrte an das Flussufer zurück.

Nachdem er zwei angeschwemmte Baumstämme rasch durch ein paar Weidenruten aneinandergebunden hatte, ergriff er einen langen Ast und schob dieses primitive Floß in die Strömung hinaus.

Nur ein Mann von außerordentlicher Körperkraft und Geschicklichkeit durfte es wagen, sich auf einem so wenig sicheren Fahrzeug den reißenden Fluten des San Juan anzuvertrauen.

Aber Tom Harpley war ein solcher Mann. Seit acht Jahren hielt er sich dauernd in den Indianergebieten auf und verließ sie nur, um seine Warenvorräte in einem der fernen Grenzforts zu erneuern.

Harpley war Indianerhändler. Seine Ehrlichkeit, seine strenge Unparteilichkeit bei allen Gelegenheiten, wo er durch einen Zufall den Kämpfen der Rothäute untereinander oder mit den ständig weiter vordringenden Ansiedlern beiwohnte, hatte ihn zum Freund aller Stämme westlich des Arkansas gemacht. Sie waren ja auch auf ihn angewiesen, handelten von ihm außer Pulver, Blei und Zündhütchen auch Gewehre, Messerklingen, bunte Leinenstoffe und Glasperlen ein und wussten genau, dass sie von dem schweigsamen Harpley nie übervorteilt wurden, der stets unbewaffnet mit seinen beiden Pferden von Dorf zu Dorf zog und den Rothäuten in vieler Beziehung unheimlich und rätselhaft war.

Das Floß landete am Westufer etwa zweihundert Meter südlich jener Stelle, wo vor kaum zehn Minuten die Schüsse aufgeblitzt waren.

Harpley sprang an das Ufer und stieß das plumpe Fahrzeug in die Strömung zurück.

Auch jetzt hatte er den knorrigen, etwa anderthalb Meter langen dicken Stab bei sich, ohne den man ihn niemals sah. Es war dies ein fast armdicker Buchenast, reich geschnitzt und oben leicht gekrümmt. Die Indianer erzählten sich, dass der rote Tom, wie er im Wilden Westen allgemein genannt wurde, mit diesem Knüttel schon manchem Grizzly den Schädel eingeschlagen hätte.

Tom schlich tief gebückt am Rande des Urwaldes hin.

Auf seine Augen und Ohren konnte er sich in dieser stürmischen, dunklen Nacht nicht verlassen. Aber etwas anderes wurde ihm dann Wegweiser und Warner: der Geruch von brennendem Holz, von Lagerfeuern!

Er folgte den dünnen, durch die Bäume ziehenden Qualmschwaden die Berglehne hinauf und gelangte so an den Rand einer Schlucht, in der soeben acht Feuer angezündet worden waren.

Mit einem Blick überflog er die tiefe, kahle Senke, erkannte etwa sechzig Apachen, deren Pferde in einem Winkel der Schlucht standen, und bemerkte dann auch zwei Weiße, die gefesselt am Boden lagen. Etwas abseits waren drei tote Apachen niedergelegt worden, die als offenbar beim Kampf vorhin gefallen waren.

Jetzt schleppten einige der Roten zwei ihrer Äste beraubte Fichten herbei, bohrten sie in Spalten des rissigen Felsbodens ein und banden dann die Gefangenen aufrecht an diese Pfähle, während sich die übrigen Rothäute im Kreis um sie scharten.

Tom merkte, dass die beiden Weißen hier fraglos sofort zu Tode gemartert werden sollten.

Der flackernde Feuerschein beleuchtete die Gesichter dieser Männer, die, der Kleidung nach Trapper, halb bewusstlos vor Angst in den um ihre Glieder geschlungenen Lassos hingen.

Da brüllte der eine mit überlauter heiserer Stimme: »Ikawiru, der Oberhäuptling der Apachen, mag uns das Leben schenken. Wir werden ihm ein großes Geheimnis verraten. Ikawiru weiß, dass die Bleichgesichter das Gold über alles lieben. Wenn wir dem Oberhäuptling nun einen Ort zeigen, wo dieses Gold im Kieseln zu finden ist, kann er alle seine Krieger mit den neuen Büchsen, die zwei Läufe und statt des Feuersteins und der Zündpfanne Zündhütchen haben. Dann werden die Apachen mächtiger als alle anderen Stämme sein, und der Ruhm Ikawirus wird vom Arkansas bis hinauf zum Großen Salzsee und hinab zum Rio Grande, bis Mexiko reichen.«

Aus dem Kreis der Rothäute löste sich jetzt die breitschultrige, herkulische Gestalt des Oberhäuptlings aller Apachenstämme.

Das mit den Kriegsfarben grell bemalte Gesicht Ikawirus, die listigen, grausamen Augen und die leicht vorn übergebeugte Haltung wirkten wie eine gefährliche Drohung. Der Oberhäuptling glich einem Tiger, der zwei wehrlose Opfer anschleicht und jeden Moment zuspringen kann.

Vor den beiden Pfählen, die nur durch einen Meter Zwischenraum getrennt waren, machte er halt.

Mit tiefer Stimme sagte er in dem aus englischen und spanischen Brocken zusammengesetzten Kauderwelsch: »Die Bleichgesichter haben drei meiner Krieger getötet und zwei verwundet. Sie müssten schon sehr viel Gold den tapferen Apachen zeigen, um dem Martertod zu entgehen.«

Robbin (so hieß der Weiße, der dem Häuptling die Goldschätze versprochen hatte) rief sofort: »Ikawiru wird vier Pferde mit den Goldkieseln beladen können. Keine Bonanza (Goldfundstelle) kommt der gleich, die mein Freund Stury und ich kennen.«

»Wo liegt die Bonanza?«, fragte der Oberhäuptling. »Und … weshalb habt ihr sie noch nicht geplündert?«

»Wir waren jetzt gerade auf dem Weg dorthin«, erklärte Robbin in einem Ton, der durchaus aufrichtig klang. »Wo die Bonanza zu suchen ist, lässt sich mit Worten nicht beschreiben. Aber ich finde den Weg dorthin.«

Ikawiru machte eine für verächtliche Handbewegung. »Das Blassgesicht lügt. Er hofft uns entfliehen zu können, wenn wir auf seinen Vorschlag eingehen.«

»Ich lüge nicht! Schon dreimal war ich ja mit Stury dort. Es fehlte uns jedoch stets an dem nötigen Pulver, um den Felsblock wegzusprengen, der den Zugang zu dem Felsloch versperrt. Ikawiru mag die Satteltaschen unserer Pferde besichtigen. Dort sind 30 Pfund bestes Schießpulver verwahrt.«

Der Oberhäuptling, der bisher noch an Robbins Worten gezweifelt hatte, wurde jetzt anderer Meinung. Er sagte sich selbst, dass niemand 30 Pfund Pulver ohne bestimmte Absicht in die Wildnis mitnehmen wird.

Nachdem er sich mit den sechs ältesten Kriegern noch kurz beraten hatte, kehrte er zu den Gefangenen zurück.

»Die tapferen Krieger der Apachen werden den Blassgesichtern das Leben schenken, wenn sie uns zu der Bonanza führen«, sagte er kurz.

»Ikawiru wird diesen Entschluss nicht bereuen!«, rief Robbin da vor Freude so laut, dass der Indianerhändler auch jetzt jedes Wort verstand.

Über des Oberhäuptlings Gesicht glitt blitzschnell ein höhnisches Lächeln. Er und seine Krieger würden sich ja niemals an diese Zusage halten, die beiden Weißen wirklich freizugeben. Nein – mit der ganzen Hinterlist, die dem Reitervolk der Apachen von jeher eigen ist, wollten sie Robbin und Stury lediglich das Geheimnis der Bonanza entlocken und sie dann auf eine Weise beseitigen, dass sie scheinbar die Vereinbarung nicht brachen.

Aber Robbin, seit Jahren mit der Heimtücke der Rothäute vertraut, bestand jetzt darauf, dass der Vertrag feierlich nach Indianersitte am Lagerfeuer durch das Rauchen des Kalumets, der Friedenspfeife, besiegelt würde.

Ikawiru nickte nur. Auf seinen Wink band man die Gefangenen los.

Robbin und Stury, deren Gesichter alles andere als vertrauenserweckend aussahen, reckten die steif gewordenen Glieder und rieben sich die durch den Druck der Riemen wie abgestorbenen Handgelenke.

Da – plötzlich zwei Schüsse kurz hintereinander.

Robbin warf die Arme hoch und stützte vornüber auf den harten Felsboden. Eine Kugel war ihm durch die Stirn gegangen.

Auch Stury taumelte und sank langsam um. Er war von dem ihm zugedachten Geschoss jedoch nur an der linken Schläfe gestreift worden.

Kaum war der Knall der Schüsse mit vielfachem Echo in den Schluchten verhallt, als die Apachen auch schon blitzschnell verschwanden. Jeder der Roten suchte hinter den herumliegenden Felsblöcken Deckung, und nur die Mustangs und die flackernden Feuer verrieten jetzt noch, dass hier soeben noch Rothäute gelagert hatten.

Auch die rings um die Schlucht aufgestellten Wachen, im ganzen acht Krieger, hatten die beiden Schüsse vernommen, die vom Westrand der Senkung abgegeben worden waren, wie die hier stehenden drei Apachen deutlich dem Schall nach gehört hatte. Diese drei Wachen schlichen jetzt schlangengleich auf die Stelle zu, wo sich der oder die Feinde befinden mussten, deren Büchsen soeben das Lager in so wilde Aufregung versetzt hatten.

Den drei gesellte sich Ikawiru mit vier seiner besten Krieger zu. Aber alles Suchen war umsonst. Man fand hier niemand mehr vor, nur eine schwer lesbare Fährte wurde beim Schein einiger brennender harziger Äste entdeckt, über deren Bedeutung die Apachen jedoch insofern im Unklaren blieben, da sie nicht wussten, ob es sich um einen oder mehrere Weiße handelte, die hier das dürre Gras und die Ranken eines Dickichts niedergedrückt hatten. Nur dass es ein Weißer gewesen war, der an zwei Stellen den Abdruck eines Absatzes eines Stiefels auf einem großen Blatt eines Seifenstrauches zurückgelassen hatte, war als sicher anzunehmen.

Da auch in der weiteren Umgebung der Schlucht nichts Verdächtiges gefunden wurde, ließ Ikawiru nun die undeutliche Spur durch einige seiner besten Fährtensucher verfolgen, während er selbst mit den anderen Apachen die Schlucht verließ und ein neues Lager auf einer mit Gestrüpp bewachsenen Halbinsel bezog, die sich in den schäumenden und gurgelnden San Johann River hinein erstreckte.

Die Leichen der roten Krieger, die des Trappers Robbin und ebenso der verwundete Stury waren hierher mitgenommen worden. Stury wurde von dem Oberhäuptling eigenhändig verbunden, denn Iwakirus Goldgier war jetzt erwacht, und um jeden Preis wollte er den Verwundeten am Leben erhalten, ohne den er ja die Bonanza nie finden konnte.