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Atlantis Teil 31

Tredrup schritt vorwärts, Weiler, Dörfer, die am Wege lagen, im Bogen umgehend. Der Umweg war kürzer als der gerade Weg. Durch das erste Dorf war er hindurchgegangen. Sie hatten ihn angehalten, festgehalten, mit Fragen bestürmt. Er kam aus dem Süden, vom Schacht her, vom Feuer her. Mit Gewalt hatte er sich frei machen müssen.

Eine kleine Anhöhe zur Seite. Er schritt vom Wege ab darauf zu.

Langsam stieg er den sandigen Abhang hoch. Der Sturm, der zum Feuer flog, hatte an Stärke abgenommen, je weiter er kam. Hier unter dem Schutz des Hügels war es fast windstill.

Er blickte auf die Uhr. Noch immer reichte das Licht des Schachtbrandes aus, die Ziffern zu erkennen. Drei Stunden war er unterwegs, er war rüstig vorwärtsgeschritten. Aber die Umwege, die er machte, hatten sein Vorwärtskommen um ein Drittel vermindert. Zwölf Kilometer! Größer war die Entfernung nicht. Er schob sich nahe an den Rand des Abhanges heran, prüfte mit hochgehobener Hand die Stärke und Richtung des Windes.

Unmöglich! Noch ging es nicht. Noch konnte er es nicht wagen. Er warf das Bündel wieder über die Schulter und hob den Fuß zur Hügelkante.

Dann stutzte er, sprang zurück und legte sich hart an die Böschung und schaute nach Süden. Die Helle, die über der Landschaft lag, ließ die Straße bis weit nach Süden erkennen.

Motorradfahrer … Ein geschlossener Trupp … Ab und zu ein Blitzen … Militär? … Polizei? …

Da! Sie wichen zur Seite! Aus einer Staubwolke hinter ihnen schoss ein Kraftwagen an ihnen vorbei, hielt kurz. Ein einzelner Motorradfahrer brauste heran, sprach mit denen im Wagen. Der Wagen fuhr weiter, der Motorradfahrer in schärferem Tempo hinterher.

Verfolger? Tredrups Augen flogen vom Wagen zu den nachfolgenden Motorrädern.

Verfolger? Wen verfolgen die? Verfolgen sie dich? Bist du es?

Unmöglich! Unmöglich! Ausgeschlossen!

Wer hätte ihn gesehen bei seinem Werk? …

Möglich war es, dass ihn jemand gesehen hatte. Aber was konnte der sich denken? Was? Wie konnte der vermuten, wie alles geschehen konnte … Vermuten, dass durch ihn alles geschah?

Die ungeheure Verwirrung am Schacht, in der Stadt, wo jeder suchte, sein Leben zu retten, wo alle Ordnung dahin war … Wer kümmerte sich da um den Täter, wenn das Ganze ein zufälliges Unglück war. Und hätte jemand Verdacht auf ihn, wie konnte der wissen, wohin er sich wandte? Flohen nicht die Schachtarbeiter nach allen Richtungen der Windrose auseinander?

»Klaus! Du siehst Gespenster am hellen Tage! Dein überreiztes Hirn bringt dich auf solche törichte Ideen.«

Da! Das Auto! Er war ihm mit den Augen immer gefolgt. Es hielt, vier Männer stiegen aus. Gingen ein paar Schritte auf dem Seitenweg, auf dem er von der Straße abgebogen war, um die Höhe zu gewinnen.

Der eine ging zum Wagen zurück, öffnete. Zwei Hunde sprangen heraus …

»Sie suchen dich!« Der Instinkt schrie es ihm zu. »Sie sind auf deiner Spur!« Wie war das möglich! Weg mit dem Gedanken, er half nichts.

Weiterfliehen? Zu Fuß? Ausgeschlossen! Die Hunde würden ihn bald eingeholt haben. Er konnte sie abschießen … vielleicht, aber die anderen blieben auf seinen Fersen.

Noch während er dachte, hatten seine Finger die Hülle des Gepäcks gelöst.

»Ruhig Blut! Ruhig Blut, alter Klaus! Fixe, gute Arbeit muss es sein, sonst bist du verloren!«

Er griff in den Inhalt des Beutels. Kurze Stäbe, auseinandergezogen, dann zusammengefügt. Ein Gestänge entstand im Nu. Wie Zauberwerk ging es. Schon fügte sich seidiger feiner Stoff um das Gerüst. Seine Hände flogen von Schraube zu Schraube, zogen zur gleichen Zeit an beiden Flächen die Verbindungen fest. Er wandte den Kopf zurück. Auf dem Weg zum Hügel kamen die Hunde mit tief gesenkten Nasen herangestürmt. Hinter ihnen, Schritt mit ihnen haltend, der Kraftwagen.

Er schwang das schimmernde Gerüst über sich, verschwand zwischen ragenden Schwingen.

Da stand einer im Wagen auf, zeigte mit dem Arm nach ihm. Das glitzende Flimmern des seidigen Gewebes hatte ihn verraten. Ihre Hände griffen nach Waffen, legten auf ihn an.

Er schwang das Flimmernde über sich. Schüsse krachten. Er hörte das Pfeifen der Kugeln um sich. Da war der Schwingenflieger fertig.

Hinein in den Wind! In den Geschosshagel!

Seine Arme schlugen das Gestänge nach unten. Mit einem Riesensatz war er an der Hügelkante … Noch einen Schritt weiter, er hob den Fuß, da hatte ihn schon der Sturm gefasst.

Die Kugeln! Aus vier Maschinenpistolen pfiffen sie um ihn herum.

»Nur keine Stange! Keinen Arm!«, murmelte er. Da war er schon über ihren Köpfen. In rasender Fahrt riss ihn der Wind in die Höhe, nach Süden zu. Sie folgten ihm mit ihren Waffen, schossen wild …

Da war er schon außer Schussweite. Tief unten, kaum noch erkennbar die Landschaft.

»Jetzt wird es Zeit«, murmelte Tredrup. Mit immer größerer Geschwindigkeit riss ihn der Sturm dem Brand zu. Von Sekunde zu Sekunde wuchs die Gefahr, die Gefahr, in den Sturmwirbel des Flammenmeeres hineingerissen zu werden.

Gewiss! Die Höhenkurve wurde immer steiler, sein Flug ging immer höher … Aber auch immer näher trieb es ihn an die sengende Glut, die in unendliche Höhen hinaufwallte.

Er warf den Schwingenflieger zur Seite. Fast brach ihm der Sturm Gestänge und Arme. Er biss die Zähne aufeinander, trat mit dem Fuß das Tiefensteuer …

Würde es gehorchen? Würde der Apparat ihm folgen?

Ja! Es schien zu gelingen … Langsam neigte sich der Kopf des Schwingenfliegers, zuckte, ruckte, neigte sich tiefer und immer tiefer.

»Gott sei Dank!«, stießen seine Lippen heraus. Fixe, gute Arbeit … und jetzt, den guten, treuen Apparat unter sich, nahm er den Kampf mit Sturm und Feuer auf. Kein treibendes Blatt mehr, das, hilflos gaukelnd, im Sturm dahingerissen wurde … eine lebendige Maschine, von Menschengeist, von Menschenarmen geführt, nach Menschenwillen gelenkt …

Der Kampf begann. Wie ein Schiff im Taifun mit allen Kräften allmählich aus den Wirbeln, die todbringend zum Zentrum ziehen, zu kommen sucht, so drückte er den Schwingenflieger mit übermenschlicher Kraft auf seitlichen Kurs, dass er kreisend um das höllische Flammenmeer herumfuhr. Immer wieder ging sein Blick zur Erde. Da war er an der südlichen Peripherie des Brandmeeres.

Weiter ein rasendes Kreiseln in wilden Spiralen. Der Kampf mit der anziehenden Kraft der Wirbel trieb ihn im Kreis … aber auch immer höher! Seine Brust atmete schwer. War es die Riesenanstrengung, mit der seine Arme die Steuerflächen bedienten, war es die dünner werdende Luft in dieser Höhe?

Wie hoch hatten ihn die Strudel gerissen? Acht Kilometer, die Höchstgrenze menschlichen Lebens … er fühlte, wie das Blut seine Adern zu sprengen drohte. Dazu die strahlende Glut! Die Gestänge in seinen Händen wurden heißer und heißer. Die Zunge klebte ihm am Gaumen. Auf seinem Rücken bewahrte er eine Flasche Wasser. Tantalusqualen! Er konnte es nicht wagen, danach zu greifen … die Steuerung loszulassen.

Seine Kräfte wurden matter. Er schloss die Augen, als wolle er das Unvermeidliche über sich ergehen lassen, den Kampf aufgeben. »Die Strafe des Schicksals folgt der Tat«, murmelten seine trockenen Lippen …

Ein riesiges, glühendes Wellblechdach, das in tollen Wirbeln sich überschlagend seine Bahn kreuzte, riss ihn aus seiner Betäubung. Das hatte den Weg gefunden aus dem glühenden Zentrum in die Abdrift des Orkans. Mit einer letzten, übermenschlichen Anstrengung drehte er das Tiefensteuer immer weiter herum, riss er das Seitensteuer.

Der letzte Versuch …

Da vor ihm flatternd das wirbelnde Blech. Ihm nach! Er starrte hinüber. Da verschwand es aus seiner Sicht.

Nein! Nein! Da war es wieder!

Deutlicher, immer deutlicher sah er es jetzt. Er näherte sich ihm … schneller, immer schneller. Er ließ das Tiefensteuer noch einmal hoch und drückte mit scharfem Ruck nach unten. Der Kopf des Fliegers senkte sich, das Gestänge zum Zerspringen gespannt.

Und dann … Der Widerstand ließ nach. In sausendem Gleitflug schoss er unter dem Blech hindurch, weg vom Wirbel, weg von den Flammen.

Gerettet!, wollte er rufen.

Da, eine Bö hob ihn, warf ihn zurück. Noch einmal das Tiefensteuer!

Der Apparat ächzte, aber er gehorchte. In gleitendem, rasendem Flug schoss er aus dem Zyklon in ruhigeren Äther … schoss weiter, weiter, die Tageshelle hinter sich lassend, in die kühle, rettende Nacht.

Eine unendlich wohltuende Müdigkeit überfiel Tredrup. Der Widerstand der Luft wurde so schwach, dass seine ermüdeten Arme sich nur wenig anzustrengen brauchten, um den Albatrosflug des Schwingenfliegers durchzuhalten.

Jetzt endlich konnte er einen Arm freimachen, die Wasserflasche ergreifen, sie an die Lippen führen.

Das Wasser war warm! Und doch, wie labte es den vertrockneten Gaumen! In gierigen Zügen sog er die Flasche aus bis zum letzten Tropfen.

Er wandte den Kopf nach Süden. Wohl sah er sie noch, die Riesenfackel, die von der Erde zum Himmel reichte. Aber ihr Licht war schwächer geworden. Die Tageshelle da unten war hier dunkler Nacht gewichen. Er blickte hinauf zum Himmel. Das Meer der Sterne grüßte ihn. Im Augenblick hatte er sich orientiert.

Nach Norden hin! Nach Norden zu den Freunden, zur Heimat!