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Till Eulenspiegel in 55 radierten Blättern – 21. Blatt

Till Eulenspiegel in 55 radierten Blättern
von Johann Heinrich Ramberg, mit Text nach der Jahrmarkts-Ausgabe. Verlag C. B. Griesbach. Gera. 1871

Eulenspiegel wird aus dem Fürstentum Lüneburg verwiesen.

achdem Eulenspiegel Dänemark verlassen hatte, kam er wieder in das Fürstentum Lüneburg, wo er in der Gegend von Celle solche närrische Dinge angab, dass ihm der Herzog von Lüneburg sein Land verbieten ließ mit dem Andeuten, wenn er sich wieder sehen ließe, er ihn an den ersten besten Baum hängen lassen würde. Eulenspiegel wanderte nun ins Mecklenburgische. Nachdem er sich daselbst eine Zeit lang umhergetrieben hatte, dachte er darüber nach, wie er durch List sich wieder im Lüneburgischen aufhalten könnte, denn er hatte in diesem Fürstentum mit seinen Narrenspossen manchen Verdienst erworben. Er nahm sich also vor, wieder eine Reise ins Lüneburgische zu unternehmen, ob er gleich noch nicht mit sich einig war, durch welche Schelmerei er im Fall der Not sich helfen wollte. Da er nun beständig auf seinen Reisen ritt und eben auf der Straße nach Lüne­burg war, sah er in weiter Entfernung den Herzog mit sei­ner Begleitung ihm reitend entgegenkommen. Nun geriet er in Angst. Mit seinem Pferd zu fliehen, hielt er nicht für ratsam, weil er befürchtete, die Reiterei des Herzogs möchte ihn mit ihren besseren Pferden bald wieder einholen, welches dann sein Unglück gewiss herbeigeführt hätte. Er kam daher auf den Gedanken, von seinem alten Rappen schnell herunterzuspringen, denselben zu töten, ihm den Bauch aufzuritzen, die Eingeweide herauszureißen und sich dann in den Bauch seines getöteten Pferdes zu legen, welches er auch ohne Zeitverlust tat.

Als nun der Herzog mit seiner Reiterei näher kam, sagte einer von derselben: »Seht, gnä­diger Herr, Eulenspiegel liegt in seines Pferdes Bauch.«

Da sprach der Herzog zu Eulenspiegel: »Wie kannst du dich unter­stehen, wieder in mein Land zu kommen? Hast du meinen Befehl vergessen, dass, wenn du wieder in meinem Land angetroffen würdest, du an den ersten besten Baum gehängt werden solltest?«

Eulenspiegel antwortete: »Gnädigster Fürst und Herr! Ich hoffe, Ihr werdet mir doch mein Leben nicht nehmen lassen. Ihr habt doch ein Gesetz gegeben, dass ein jeder in seinen vier Pfählen Sicherheit haben sollte. Nun bin ich nicht in Eurem Land, sondern in meinem Pferd, welches doch mein Eigentum ist. Also hoffe ich, Ihr werdet Euer gnädiges Wort halten, und mir Sicherheit gewähren.«

Der Herzog lachte und sagte: »Es gehe dieses Mal noch so hin, aber lass dich in der Folge in meinem Land nicht mehr sehen.«

Eulenspiegel antwortete: »Wie Eure fürstlichen Gnaden be­fehlen.«

Der Herzog ritt mit den Worten weiter: »Bleibe in deinen vier Pfählen, nur lass dich nicht sehen.«

Wie der Herzog weggeritten war, so sprang Eulenspiegel geschwind aus seines toten Pferdes Bauch und sprach: »Habe Dank, du liebes Pferd, dass du mir den erzürnten Herzog besänftigt und dadurch mein Leben gerettet hast. Es ist besser, dass dich die Raben fressen, als dass sie mich gefressen hätten, denn an dir ist mehr Fleisch.« Nun reiste er zu Fuß weiter.

Nachdem sich Eulenspiegel wieder einige Tage umher­getrieben hatte, kam er bei Celle in ein Dorf und wollte da warten, bis der Herzog durchgeritten käme, denn er dachte ihn durch seine Possen sich wieder gewogen zu machen. Indem er nun hier wartete, fuhr ein Bauer auf seinen Acker. Eulenspiegel, der kurz zuvor einem Bauer ein Pferd und einen Sturzkarren gestohlen hatte, und gerade bei diesem Acker hielt, fragte den Bauer, wem der Acker gehöre.

Der Bauer antwortete: »Er ist mein, ich habe ihn geerbt.«

Eulenspiegel fragte, wie viel er ihm geben solle für einen Karren voll Erde von diesem Acker. Der Bauer forderte einen Schilling. Diesen gab ihm Eulenspiegel, lud seinen Karren voll Erde, fuhr mit demselben in ein Dorf und kroch bis in die Schultern hinein.

Als er nun hier hielt, kam der Her­zog geritten, bemerkte ihn und sprach: »Eulenspiegel, Eulen­spiegel! Habe ich dir nicht mein Land verboten? Was tust du hier? Hast du meinen Befehl wieder vergessen?«

Eulen­spiegel antwortete:» Gnädigster Herr, Euren Befehl habe ich befolgt, denn ich bin nicht in Eurem, sondern in meinem Land, das ich gekauft habe, von einem Bauer, der mir sagte, dass er es geerbt hätte. Also sitze ich in meinem gekauften Erbland.«

Der Herzog lachte abermals über diese dumme Ausrede, sagte aber zu ihm: »Eile weg mit deinem erkauften Erbland, sonst lasse ich dich mit Pferd und Karren aufhängen.«

Wie Eulenspiegel das hörte, kroch er geschwind aus seinem Land heraus, fuhr den Karren vor die Allerbrücke, lud die Erde ab, spannte sein Pferd aus, ließ den Sturzkarren stehen, setzte sich auf sein Pferd und ritt im Galopp fort, bis er über die Grenze war, denn er fürchtete, dass aus dem Spaß nun Ernst werden könnte. Daher ist die Sage entstanden, dass Eulenspiegels erkauftes Erbland vor der Allerbrücke liege.