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Sammlung bergmännischer Sagen Teil 19

Das arme Bergmannsleben ist wunderbar reich an Poesie. Seine Sagen und Lieder, seine Sprache, seine Weistümer reichen in die älteste Zeit zurück. Die Lieder, die wohlbekannten Bergreihen, die Sprachüberreste, die Weistümer sind teilweise gesammelt. Die Sagen erscheinen hier zum ersten Mal von kundiger Hand ausgewählt und im ganzen Zauber der bergmännischen Sprache wiedergegeben. Das vermag nur zu bieten, wer ein warmes Herz für Land und Leute mitbringt, wo diese uralten Schätze zu heben sind; wer Verständnis für unser altdeutsches religiöses Leben hat, wer – es sei gerade herausgesagt – selbst poetisch angehaucht ist. Was vom Herzen kommt, geht wieder zum Herzen, ist eine alte und ewig neue Wahrheit. Hat der Verfasser auch nur aus der Literatur der Bergmannssagen uns bekannte Gebiete begangen, verdient er schon vollauf unseren Dank. Seine Liebe zur Sache lässt uns hoffen, er werde mit Unterstützung Gleichstrebender noch jene Schaetze heben, die nicht an der großen Straße liegen, sondern an weniger befahrenen Wegen und Stegen zu heiligen Zeiten schimmern und zutage gefördert sein wollen.


III. Sagen von den Venedigern

5.

Einmal kamen Venediger zu einem Mann und fragten ihn, ob er die und die Klippe am Brocken kenne. Als er es bejahte, hießen sie ihn sie dorthin zu führen. Als sie nun auf der Klippe waren, schlug der eine mit einer eisernen Rute auf den Stein. Da tat sich die Klippe voneinander. Nun nahmen sie von dem Lehm, der darunter lag, füllten ihre Ränzel damit und fragten den Mann, ob er auch etwas davon haben wolle. Er aber sagte, davon habe er zu Hause genug. Darauf zog jener seine Flöte heraus und fing zu blasen an. Da kamen aus allen Ecken der Klippe Schlangen hervor, und immer mehr kamen, und immer mehr. Sie aber sagten, es sei immer die rechte noch nicht. Endlich, zuletzt, kam eine, die hatte eine Krone auf dem Kopf, und das, sagten sie, sei die rechte. Da fingen sie dieselbe und schlugen ihr den Kopf ab. Einer von ihnen holte eine Pfanne heraus, und darin wurde sie gebraten. Danach verzehrten sie die Schlange und fragten den Mann, ob er auch was davon wolle. Er aber schlug es aus. Darauf pflückten sie ein paar gelbe Blumen, die umherstanden, und gaben sie ihm. Nun schlug der eine mit der eisernen Rute wieder auf die Klippe und diese tat sich wieder zu. Als der Mann nach Hause kam, waren die Blumen eitel Gold. Da merkte er denn, dass das wohl auch kein gewöhnlicher Lehm gewesen sein möge, der unter der Klippe lag. Es gereute ihn doch, nichts davon genommen zu haben.

6.

Ein Wale kam alljährlich in das Lauchatal. Ein langer Bursche aus Cabarz oder Tabarz musste ihm als Führer dienen. Der wurde nachmals, als der Venediger nicht mehr kam, ein Fuhrmann und kam weit in der Welt herum, einmal sogar mit Gütern bis nach Venedig. Da fiel ihm ein Kaufladen ins Auge, darin blitzte und funkelte an einem Schaufenster alles von Gold und Edelsteinen. Hier wohnte ein reicher Juwelier. Dieser sah den Thüringer stehen und gaffen, grüßte ihn in deutscher Sprache und war kein anderer als jener Gold- und Steinsucher, den er früher im Gebirge geleitet hatte. Der sagte ihm, all dieses Gold und all diese Steine habe er in dem schönen Thüringen gewonnen. Die Thüringer verständen nicht, es aufzufinden und die Steine zu schleifen. Man finde dort nur ungeschliffene. Mit reichen Geschenken entließ er den Thüeinger.

Eine fast gleichlautende Sage erzählt man vom Bayerberg vor der Rhön

7.

In Lautenthal war ein Venediger, der mit als Bergmann arbeitete. Als er abging, gab er seinem Kameraden in dem Bergwerk einen kleinen Stein. So lange er ihn in der Tasche hatte, brauchte er nicht zu arbeiten, sondern das Gebirge lag immer schon losgehauen vor ihm. Einmal wurde der Kittel des Bergmanns gewaschen, dabei ging der Stein verloren, und er musste wieder arbeiten.

8.

Es ist einmal ein Venediger gewesen, der wurde in Clausthal zum Steiger gemacht. Wenn die Leute nach Hause zu gehen wünschten, ließ er sie sogleich gehen, weil er alle Arbeit für sie tat. Wegen seiner Nachsichtigkeit mit den Bergleuten erhielt er viele Strafen und wollte deshalb nach Venedig zurück. Er entließ alle seine Leute, behielt nur den Anschläger und fragte, ob er mit ihm wolle.

Der sagte: »Ja.«

Da stiegen sie miteinander ins Gesenk, wo die Tonnen hineingehen, und der Steiger besetzte die ganzen Löcher soweit, dass sie losgehen mussten, um den Stollen zunichte zu machen. Sein Zorn war so groß, dass er mit dem Stollen auch noch einen Bergmann, der da arbeitete, in die Luft sprengte, wiewohl der Anschläger um dessen Leben bat. Da frühstückten sie miteinander, und dann ging es immer in Felsen entlang, und überall war der schönste Weg. Als sie lange genug gegangen waren, kamen sie ins Venedigerland, in einen großen schönen Garten bei des Steigers Haus. Dem Anschläger gefiel es da sehr gut. Als er aber eine Zeit lang da gewesen war, fragte ihn der Steiger, ob er wieder einmal nach dem Harz wollte. Er sagte, das wolle er gern, nahm sein Grubenlicht, und nun gingen sie wieder immer in den Felsen entlang. Weil in den Bergen alles eingestürzt war, konnte er sich von da an nicht mehr zurechtfinden, wo sie gefrühstückt hatten, und der Steiger brachte ihn deshalb ganz aus den Felsen heraus. Dann ging er zurück zum Venedigerland.

Als der Anschläger aber nach Clausthal kam, kannte ihn da niemand mehr, und seine Fran und seine Kinder waren auch nicht mehr dort. Da wurden die alten Bücher nachgeschlagen und da stand, dass dieser Bergmann vor einigen hundert Jahren verschwunden war. Er aber hatte geglaubt, nur einige Jahre im Venedigerland gewesen zu sein.