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Felsenherz der Trapper – Teil 19.5

Felsenherz der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 19
Das Geheimnis des Zuni
Fünftes Kapitel

Die Rache der Apachen

Nur zu gern hätten Felsenherz und der Comanche die weiteren Sätze des alten Kriegers mit angehört. Sie mussten sich jedoch schleunigst in Sicherheit bringen, da ein paar struppige Indianerhunde offenbar ihre Witterung in die Nase bekommen hatten und suchend und knurrend umherliefen.

Schnell krochen sie die tiefe, schmale Regenrinne weiter hinab und gelangten so in ein dichtes Ginstergebüsch, das sich hier an der Westseite des Berges der Schlangen bis zur ersten Terrasse emporzog. Da der Ginster in voller Blüte stand, wurden die Freunde von dem gelben, scharf riechenden Blütenstaub kräftig bepudert, was den Vorteil hatte, dass ihre Witterung für die Indianerköter verloren ging.

Chokariga, der als Erster in die Ginsterstauden eingedrungen war, hatte noch rasch seinem weißen Bruder zugeflüstert, hier doch ja vorsichtig zu sein und an die giftigen Klapperschlangen zu denken. Felsenherz nahm daher ebenfalls sein Messer zur Hand. Die scheuen Reptilien schienen sich aber sämtlich rechtzeitig aus dem Gestrüpp verzogen zu haben.

Ein gutes Versteck war bald auf einer der höheren Terrassen in Gestalt einer Spalte, die sich zum Indianerlager hin öffnete und sich leicht durch Steine unauffällig verschließen ließ, gefunden. Kaum hatten die beiden Jäger ihren Schlupfwinkel lautlos verbarrikadiert, als auch schon eine Anzahl Apachen mit Harzfackeln den Berg hinaufstürmte.

Durch die Ritzen der Steine konnten Felsenherz und der Schwarze Panther das Treiben ihrer Feinde bequem beobachten. Ihre erste Befürchtung, man sei ihnen auf der Spur und suche nach ihnen, stellte sich bald als grundlos heraus. Scheinbar stellten die Apachen nur den Klapperschlangen nach, da sie lange, oben gespaltene Stöcke mitgebracht hatten und gelegentliche Zurufe verrieten, dass sie soeben wieder eine Schlange lebend erwischt hatten.

Die Apachen verschwanden dann wieder von dem Berg. Auch die Feuer in ihrem Lager erloschen langsam. Sie schienen also wirklich abrücken und die mit den Vorbereitungen zum Stromübergang beschäftigten Ansiedler angreifen zu wollen.

»Mein weißer Bruder oder Chokariga?«, fragte der Comanchenhäuptling da in seiner wortkargen Art.

Felsenherz verstand, was er meinte. »Mag der Schwarze Panther den Apachen vorauseilen und unsere Freunde warnen«, erwiderte er. »Ich will versuchen, ob ich Jeffries und Jonny noch irgendwie retten kann. Außerdem muss ich ja auch unsere Büchsen wieder in unseren Besitz bringen, ebenso unsere Pulverhörner.«

Ohne jedes weitere Wort entfernte der Comanche ein paar Steine aus der Barrikade, schlüpfte ins Freie und huschte in das nächste Gestrüpp hinein.

Gleich darauf schwamm er in langen Stößen halb mit der Strömung über den Pecos.

Der blonde Trapper hatte das Loch in der Steinschutzwand nicht wieder aufgefüllt. Er wollte jetzt in die Prärie hinab und zusehen, ob er nicht während des Aufbruchs der Apachen etwas zur Befreiung der Fallensteller oder zur Wiedererlangung der Schusswaffen tun könnte.

Zunächst horchte er eine Weile, ob auch nicht Chokariga von einem Wachposten bemerkt worden sei.

Alles blieb still. Dann verließ auch er das Versteck und kroch langsam jenem in die Tiefe gehenden Ginstergestrüpp zu.

Er hatte noch nicht die Hälfte der Entfernung bis dorthin zurückgelegt, als vom Lager her ein fast tierisches Gebrüll erscholl, dem ein wahrhaft satanisches Hohngeschrei der Apachen folgte.

Diese Töne hatten in ihrem schroffen Gegensatz von wahnwitzigster Angst und höhnischer Freude über diese Äußerungen höchster Furcht etwas Grauenvolles an sich.

Felsenherz ahnte, dass das letzte Stündlein der beiden Fallensteller geschlagen habe.

Er hätte sie, wenn es irgend in seiner Macht gelegen haben würde, gerettet, freilich nur aus dem Grund, um von ihnen zu erfahren, was der Zuni-Medizinmann ihnen über sein Geheimnis mitgeteilt hatte. Im Übrigen hatte er kaum Mitleid mit diesen hinterlistigen Schurken. Sie verdienten es auch nicht. Trotzdem bedauerte er, sie nicht mehr befreien zu können. Er hatte sich halb aufgerichtet, hatte in die Prärie hinabgespäht und bemerkte nun einige zwanzig Apachen mit Fackeln, die auf den Berg der Schlangen zukamen. Ihnen folgten acht weitere, die zu je vier etwas wie zwei große, auf Stangen gelegte Säcke trugen. Dieser Zug erklomm den Berg und wandte sich dann nach der Ostseite hin.

Felsenherz lag in den Ginsterstauden und überlegte, was er tun solle. Er glaubte zu wissen, was die großen Ledersäcke enthielten: Jeffries und Jonny! Sie würden wahrscheinlich von den Apachen in den Pecos geworfen und ertränkt werden.

Es dauerte denn auch kaum fünf Minuten, bis die Apachen von der Ostseite des Berges wieder zurückkehrten und in die Prärie hinabstiegen. Jetzt erkannte der Trapper auch, dass sich unter ihnen die ältesten Krieger und der Schnelle Büffel befanden.

Die gesamten Apachen brachen dann sofort auf. Die Zelte waren schon vorher abgebrochen worden. Der inzwischen am ausgestirnten Nachthimmel erschienenen Mond beleuchtete das fantastische Bild der in endloser Kette gen Süden durch die Prärie davonreitenden Rothäute.

Felsenherz wusste, dass er sich jetzt allein auf dem Berg der Schlangen befand. Hastig eilte er von Terrasse zu Terrasse nach der Ostseite zu der schiefen Eiche hin. Er wollte sich überzeugen, ob die Apachen die Ledersäcke wirklich in den Pecos geschleudert oder ob sie eine andere grausame Todesart für die Fallensteller erdacht hätten.

Da – ganz nahe gellte ihm jetzt dasselbe wahnwitzige Angstgebrüll in die Ohren.

Ganz nahe – von der Eiche.

Der Mond beschien dort an dem über den Fluss hinwegragenden Teil des Stammes die beiden an Lassos festgebundenen Ledersäcke, die leicht hin und her pendelten. Die Säcke waren so zugeschnürt, dass nur die Köpfe Jeffries und Jonnys herausragten und – nach unten hingen.

Felsenherz gerann förmlich das Blut in den Adern, als der Rotbart, der ihn im Mondlicht bemerkt hatte, nun mit überschnappender Stimme schrie: »Um Gottes Barmherzigkeit willen – helft uns! Die roten Bestien haben uns zusammen mit je zehn lebenden Klapperschlangen in die Säcke eingebunden, und ich bin schon mehrfach gebissen worden! Jonny scheint entweder schon tot oder ohnmächtig zu sein.«

Der Trapper zögerte keinen Moment, den Todgeweihten beizuspringen. Seiner ungeheuren Körperstärke gelang es auch, die Ledersäcke auf die Terrasse zu schaffen. Doch Jonny war tatsächlich bereits verendet, und auch der rotbärtige Jeffries hatte nur noch so viel Kraft, Felsenherz das Versteck näher zu bezeichnen, wo die beiden Büchsen und Pulverhörner von ihm verborgen worden waren. Dann verschied er, ohne über das Geheimnis des Zuni noch ein einziges Wort äußern zu können.

Der berühmte Jäger begrub die beiden Toten in einer Felsspalte des Berges. Die Ledersäcke mit den Giftschlangen schleuderte er in den Fluss.

Kurz nach Mitternacht überquerte er auf einem Baumfloß den Pecos, holte sein Pferd und ritt im Galopp nach Süden. Als er nach Sonnenaufgang sich der Stelle näherte, wo die Auswanderer sich befinden mussten, traf er ganz überraschend auf den Wagenzug, den die beiden Biberjäger auf zwei Flößen verfrachtet und in einen sumpfigen Flussarm gelenkt hatten, wo man vor jedem feindlichen Späherblick sicher war.

Die Apachen gaben die Verfolgung der Ansiedler denn auch bald auf, da sie glaubten, diese hätten sich flussabwärts der mexikanischen Grenze zugewandt. Vierzehn Tage später hatte der Wagenzug das Gebiet der Comanchen und die Auswanderer ihre neue Heimat inmitten eines friedlichen Indianerstammes erreicht.

Das Geheimnis des Zuni schien für alle Zeit, nachdem es drei Menschen das Leben gekostet hatte, ein Geheimnis bleiben zu sollen.

 

Ende