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Felsenherz der Trapper – Teil 19.4

Felsenherz der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 19
Das Geheimnis des Zuni
Viertes Kapitel

Elende Verräter

Felsenherz erwachte bloß halb durch einen furchtbaren Kolbenhieb, sank sofort wieder bewusstlos zurück.

Nur undeutlich erkannte er im Licht des in die Schlucht hinabscheinenden Vollmondes den stiernackigen Smith mit der noch zum zweiten Schlag erhobenen Büchse im Arm. Dann schwand ihm die Besinnung.

Als er wieder zu sich kam, fühlte er sofort, dass er an Händen und Füssen gefesselt war. Allmählich rief er sich die letzten Vorgänge ins Gedächtnis zurück.

Kein Zweifel: Die Schurken hatten ihn und Chokariga im Schlaf überfallen! Es waren doch Jeffries und Jonny gewesen!

Er richtete sich auf. In der Schlucht ringsum tiefste Dunkelheit.

Dann eine leise Stimme neben ihm, die des Comanchenhäuptlings: »Mein weißer Bruder mag sich auf das Gesicht legen. Chokariga wird sich näher wälzen und ihm die Fesseln lösen.«

Gleich darauf waren sie frei, tasteten nun den Boden nach ihren Büchsen ab, fanden sie nicht, fanden auch ihre Pulverhörner und Kugelbeutel nicht.

Die beiden Verräter hatten ihnen nur die Tomahawks und die Jagdmesser gelassen! So hatten sie es ihnen gedankt, dass sie den Apachen glücklich entkommen waren!

Kaum graute der Morgen, als die Freunde auch schon aufbrachen.

Die Fährten Jeffries und Jonnys führten zum Pecos hinab. Hier schienen die Schurken schwimmend über den Fluss gesetzt zu sein.

»Wir werden sie finden!«, sagte der Häuptling fast feierlich. Es klang wie ein drohender Schwur. Dann fügte er hinzu: »Ihre Pferde waren gestern so abgehetzt, weil sie nach dem Zuni gesucht haben. Sie hatten zu spät eingesehen, dass sie vorschnell den Medizinmann in den Tod geschickt hatten, von dem sie allein das Geheimnis erpressen konnten. Sie werden jetzt zum Berg der Schlangen zurückkehren und dort nochmals zu ergründen suchen, was sie wie wir nur halb wissen.«

Sie bestiegen ihre Pferde, schwammen durch den Fluss und wandten sich am Ostufer nach Norden.

Ein scharfer Ritt von sieben Stunden brachte sie gegen zwei Uhr nachmittags in die Nähe des Berges der Schlangen, der sich als einzelner Kegel am Westufer, schon von Weitem erkennbar, erhob.

Die Ostseite des Berges fiel in kurzen Terrassen recht steil in den Pecos ab, dessen gurgelnde Wasser die Felswände umschäumten. Auf dieser Ostseite und zwar auf der zweiten Terrasse von oben stand wirklich eine mächtige, seltsam gewachsene Eiche. Es konnte dies nur der Baum sein, den der Zuni erwähnt hatte. Der Stamm war nur etwa drei Meter leidlich gerade gewachsen. Dann krümmte er sich fast rechtwinklig zum Fluss zu, sodass seine schräg liegende Krone über dem Wasser wie ein riesiger grüner Ball in etwa vierzig Meter Höhe hing.

Der Pecos war an dieser Stelle kaum fünfzig Meter breit und wand sich durch die steilen Felsenufer mit Tosen und Lärmen hindurch. Die für sein Strombett so bezeichnenden kleinen Felseneilande, zumeist einzelne Granitblöcke von enormer Größe, waren auch hier vorhanden. An diesen Hindernissen brach sich die jagende Strömung mit brausendem Getöse. Lange weiße Schaumstreifen entstanden hinter den Inselchen und verliehen dem dunklen Wasser ein merkwürdiges Aussehen.

Felsenherz und der Comanche hatten ihr Pferde am Ostufer in einem sicheren Versteck untergebracht und standen nun, gedeckt durch ein paar von wildem Hopfen völlig umsponnene Tannen, auf der Uferhöhe und spähten zum Berg der Schlangen hinüber.

Nichts regte sich dort. Einsam und verlassen lag der Granitblock mit seinem spärlichen Baum- und Strauchwuchs da, und leise schwankte die Krone der krummen Eiche im frischen Nachmittagwind.

Dann gewahrten die Freunde gleichzeitig in einem Gestrüpp neben der Eiche den Kopf eines Apachen. Deutlich war der geschorene Schädel mit der Skalplocke und den darin befestigten Adlerfedern zu erkennen.

»Ah – der Oberhäuptling, der Schnelle Büffel!«, flüsterte der blonde Trapper überrascht.

Der Kopf der Rothaut verschwand wieder.

Nach kurzer Zeit erschienen auf derselben Terrasse in gemächlichem Schritt zuerst der angebliche Parker, der Bucklige und dann auch Smith, der Rotbärtige – also Jeffries und Jonny.

Am Fuß der Eiche blieben sie stehen und sprachen sehr lebhaft miteinander, wobei sie immer wieder auf die Krone des Baumes deuteten.

Dann lehnte der Rotbart seine Büchse an den Stamm und ließ sich von seinem Gefährten hinaufhelfen, kletterte gewandt nach oben und weiter den schrägen Stamm entlang, bis er die äußerste Spitze der Krone erreicht hatte.

Mit atemloser Spannung beobachteten die beiden Westmänner diese Vorgänge. Jeffries und Jonny ahnten offenbar nicht das Geringste von der furchtbaren Gefahr, in der sie schwebten.

Der Bucklige war bis an den Rand der Terrasse vorgetreten und rief dem Rotbart einige Worte zu, indem er die Hände vor dem Munde zum Schallrohr formte.

Im selben Moment glitten schlangengleich sechs Apachen aus dem Gestrüpp.

Drei stürzten sich auf den Buckligen, packten seine Arme, rissen ihn nieder.

Der gellende Schreckensruf des Rotbärtigen, der ohne seine Büchse oben in der Eichenkrone hockte, drang selbst bis zu den Freunden über den Fluss hinüber.

Die drei anderen Apachen – einer von ihnen war der Schnelle Büffel – hatten ihre einläufigen Flinten angelegt und zielten auf den wehrlosen Fallensteller, der vor Angst noch weiter zu der äußersten Spitze der Krone kroch.

Der Schnelle Büffel befahl ihm, wieder herabzusteigen. Felsenherz merkte an den Handbewegungen des Apachenhäuptlings genau, was er von dem Rotbart verlangte. Dieser zögerte. Er kannte sein Schicksal, wenn er den Apachen in die Hände fiel.

Abermals ein paar drohende Handbewegungen des Schnellen Büffels. Der Fallensteller, dessen Gefährte längst gebunden am Boden lag, rutschte auf der Spitze eines Astes noch weiter. Der Ast bog sich unter dem Gewicht des schweren Mannes, der nun hoch über den schäumenden Wassern des Pecos hing.

Der Oberhäuptling schickte jetzt zwei Krieger auf den Baum. Sie nahmen Lassos mit. Sie wollten das Bleichgesicht lebend fangen.

Der Rotbart klammerte sich mit der linken Hand an den Ast und zog sein langes Bowiemesser. So erwartete er die beiden Apachen.

Der Vorderste war nur noch drei Meter von ihm entfernt.

Da – holte der Fallensteller zum Wurf aus. Das Messer sauste dem Apachen dicht am Kinn vorbei in den Hals. Der Apache kollerte über die Seitenäste hinweg in die Tiefe, fiel in den Fluss.

Der Schnelle Büffel hatte seine einläufige Flinte hochgerissen. Ein Feuerstrahl brach aus dem Lauf hervor, und des Rotbarts rechter Arm, jetzt von einer Kugel dicht über dem Ellenbogengelenk zerschmettert, sank machtlos herab und ließ den Tomahawk, die letzte Waffe, den Fingern entgleiten.

Noch zwei Apachen erklommen die Eiche. Der Rotbart wurde an Lassos festgeseilt und nach unten gezerrt.

Dann verließen die Krieger mit den Gefangenen die Terrasse und entschwanden den Blicken der beiden Freunde.

»Wir müssen weiter oberhalb über den Fluss setzen«, sagte der Comanche kurz. »Mein weißer Bruder soll Zeuge sein, wie der Schnelle Büffel von den Fallenstellern das Geständnis erpresst, weshalb sie zum Berg der Schlangen gekommen sind.«

Der Abend brach bereits an, als Felsenherz und der Schwarze Panther auf zwei zusammengebundenen Baumstämmen den Fluss überruderten und dann nach Süden zu durch Schluchten und Täler wieder dem Pawa Katschi, dem heißen Berg, zustrebten.

Mit äußerster Vorsicht wagten sie sich, nach Westen zu einen Bogen beschreibend, jener Stelle zu nähern, wo am Fuß des Felskolosses der Schein zahlreicher Feuer auf ein größeres Indianerlager hindeutete.

Die Apachen, jetzt etwa 280 Krieger, hatten in der offenen Prärie westwärts eine ausgedehnte Zeltstadt errichtet. Sowohl zur Savanne als auch zum Fluss hin schützten Wachtposten das Lager. Trotzdem gelang es den Freunden, unbemerkt bis an die erste Zeltreihe zu kriechen und in einer schmalen, grasüberwucherten Regenrinne sich bis an das Beratungsfeuer vorzuschieben, neben dem Jeffries und Jonny aufrecht an zwei Pfähle gefesselt waren.

In dreifachem Kreis saßen die Apachen um das Beratungsfeuer herum.

Soeben hatte sich einer der ältesten Krieger erhoben und mit folgender Ansprache begonnen: »Der große Geist hat sein Antlitz für seine roten Kinder vom Stamm der Apachen verhüllt. Felsenherz und der langhaarige Hund von Comanche, der Schwarze Panther, sind dem Unterhäuptling Tralua, dem Schleichenden Fuchs, gestern abermals entschlüpft, nachdem sie jene beiden Blassgesichter da befreit hatten, die nun der Schnelle Büffel wieder ergriffen hat. Diese beiden Blassgesichter haben fünf Apachen getötet, vier gestern mit der Büchse, heute den Schleichenden Fuchs in der Krone der Eiche. Sie weigern sich, uns zu verraten, zu welchem Zweck sie hierher gekommen sind. Ihr Mund blieb stumm, obwohl sie schon den Tomahawk des Schnellen Büffels über ihrem Kopf kreisen sahen. Wir können hier nur noch kurze Zeit lagern, da soeben unsere Späher die Meldung gebracht haben, dass andere Blassgesichter mit fünf Wagen, Frauen und Kindern weiter südlich am Pecos Bäume fällen, um ein Floß herzustellen und über den Fluss zu setzen. Wir werden die beiden Blassgesichter daher nicht länger ausforschen, sondern sie einen Tod sterben lassen, der vielfach schlimmer als der am Marterpfahl ist …«