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Die Buchhändlermesse in Leipzig

Die Buchhändlermesse in Leipzig

Der Buchhandel hat im Allgemeinen den kaufmännischen Vertrieb von schriftlich vervielfältigten Geisteswerken zur Aufgabe. Sein Entstehen und sein Gedeihen sind daher wesentlicher als andere Geschäftszweige von der höheren Zivilisation der Völker bedingt. Solange die Vervielfältigung von Geisteswerken nur handschriftlich geschah, war der Hand- oder Abschriftenhandel wie bei den alten Griechen und Römern notwendig. Ihre Buchhändler hielten schon offene Verkaufsläden und hatten zahlreiche Abschreiber im Sold. Nach dem Untergang des Römischen Reiches wurden lange Zeit fast nur in Klöstern Bücher abgeschrieben und das größtenteils zu ihrem eigenen Bedarf. Es mangelte in der christlichen Welt des Abendlandes an zahlreicher Veranlassung, für den Buchhandel zu arbeiten und dieser blieb unbedeutend in einer Zeit, wo bei den Arabern in Asien und in Spanien Wissenschaft und Kunst zur vollen Blüte gelangten, und Abschreiber, Übersetzer und Buchhandel zu lebhafter Vermittlung anregten. Allein mit dem Erwachen eines allgemeineren Verlangens nach höherer Bildung außerhalb der Klostermauern erhielt auch, zunächst in Paris und Bologna vom Bedürfnis der Studierenden hervorgerufen, der Handel mit Büchern wieder mehr Bedeutung. Die rechte Begründung gewann er jedoch erst durch die gegen Mitte des 15. Jahrhunderts von den Deutschen erfundene Buchdruckerkunst. Mit ihr waren die Mittel leichter Vervielfältigung gegeben, und nun erst konnten Bücher der Gegenstand eines höheren, weitverzweigten Handels werden. Dieser wurde mit den Erzeugnissen der neuen Kunst recht eigentlich von Deutschland eröffnet, welches daher als die Wiege des Buchhandels der neuen Zeit zu betrachten ist. Die Buchdrucker betrieben diesen anfänglich selbst, und Johann Fust reiste schon 1466 zum vorteilhafteren Absatz seiner Bibeln nach Paris. Die Verbreitung des Studiums der klassischen alten Literatur begünstigte ebenfalls den Aufschwung des literarischen Warenverkehrs, in welchem die Deutschen jedoch schnell zahlreiche Mitbewerber im Ausland bekamen.

In den Verhältnissen damaliger Zeit war es gegeben, dass auch der Buchhandel den Messen und Märkten sowie gewissen Stapelplätzen des Welthandels nachgehen musste.

Dieser unterstützte und hob das neue Gewerbe, und der Nürnberger Buchdrucker und Händler Anton Koberger soll Anfang des 16. Jahrhunderts schon in Venedig, Lyon, Amsterdam und Frankfurt am Main offene Bücherlager gehalten haben. In Italien zuerst scheinen ausschließliche Buchhändler aufgetreten zu sein, welche für ihre Rechnung Bücher drucken ließen, wie man das in Deutschland seit 1508 von Johann Rinmann zu Augsburg annimmt, der sich auch zuerst den Namen eines Buchführers beilegte. Bald nach Anfang des 16. Jahrhunderts fingen auch Gesellschaften von Personen aus verschiedenen Ständen an, sich zu bilden, welche auf ihre Kosten Bücher drucken und verkaufen ließen. Auf diese Weise sonderte sich der Buchhandel nach und nach von der Buchdruckerei ab, und die Messen in Frankfurt am Main boten auch ihm in Deutschland den Hauptmarkt, welchen aber das Ausland ebenfalls zahlreich aufsuchte. Seit dem ersten Drittel des 16. Jahrhunderts bezogen schweizerische, niederländische, italienische und französische Buchführer diese Messen und die zwei Letzteren entwickelten eine hervorragende Tätigkeit. Diese behaupteten auch ihr Übergewicht bis gegen Ende des Jahrhunderts, wo die Niederländer und Holländer anfingen, sich des Büchermarktes zu bemächtigen, auf den sie fast das ganze 17. Jahrhundert überwiegenden Einfluss ausübten.

Leipzig mit seiner Universität und seinen Messen war jedenfalls geeignet, die Aufmerksamkeit der Buchführer jener frühen Zeit zu erregen. Die Buchdruckerkunst war durch den gelehrten Andreas Frißner von Nürnberg hierher verlegt worden und das erste hier gedruckte Buch kommt 1480 vor. In das 16. Jahrhundert brachte Leipzig schon acht Druckereien mit, von welchen die des Konrad Kachelofen, Martin Lantzberg, Wolfgang Stöckel und Melchior Lotter vorzugsweise genannt werden. Fremde Buchführer fanden sich seit dem ersten Viertel dieses Jahrhunderts auf den Leipziger Messen ein, wo 1556 auch der erste französische Buchhändler erschien. Das Zeitalter der Reformation setzte die Buchdruckerpresse nicht wenig in Bewegung und die Schriften der Reformatoren sowie die zahlreichen Flugschriften jener bewegten Periode gaben bedeutende Handelsartikel ab, und die Geschäfte in Leipzig müssen sich jedenfalls sehr vorteilhaft ausgenommen haben, weil außerdem Pietro Valgrisi aus Venedig sich schwerlich entschlossen hätte, im Jahre 1560 eine Filialhandlung hier zu gründen. Auch äußere Begünstigungen, wie zum Beispiel die Befreiung der Bücher von der Akzise, scheinen die Zunahme des Buchhandels auf den Messen in Leipzig gefördert zu haben, und schon in der Ostermesse 1616 sehen wir die Schweiz, Italien, Frankreich, England, Holland, d. h. alle außer Deutschland damals beim Buchhandel hauptsächlich interessierten Länder vertreten. Die brachten 168 neue Verlagswerke mit und von zwölf in Leipzig wohnenden Buchhändlern wurden zusammen 153 neue Schriften zu derselben Messe geliefert. Die Verheerungen des 1618 ausbrechenden Dreißigjährigen Krieges hemmten natürlich auch den Buchhandel, der jedoch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts unter dem wesentlichen Einfluss der vom Westfälischen Frieden begünstigten Druck- und Pressfreiheit einen neuen Aufschwung nahm. In den Übergangsjahren zum 18. Jahrhundert und im ersten Viertel desselben erfolgte jedoch wieder ein Zurückgehen, und man klagte über Mangel an Absatz im Buchhandel, gleichzeitig aber auch über die von Jahr zu Jahr anschwellende Masse der neuen Bücher. Um sie zu Geld zu machen, wurden nun Preisherabsetzungen, Bücherlotterien, Glückstöpfe und ähnliche Vertriebsmittel angewendet, die auf den Buchhandel freilich demoralisierend wirken mussten. Diese Ungunst der Zeit beruhte aber größtenteils auf der infolge des Dreißigjährigen Krieges eingerissenen Erschlaffung des nationalen Elements der deutschen und besonders der poetischen Literatur. Man war der im 17. Jahrhundert in Menge erschienenen, nach fremden Mustern breit verfassten Heldenromane, galanten und sogenannten politischen Romane sowie der zweiten schlesischen Dichterschule und ihrer Nachbeter eher müde geworden, als der Buchhandel seine Unternehmungen in diesem Gebiet einstellte. Dazu kam noch der spanische Erbfolgekrieg 1700 bis 1713 und die Pest der Buchdrucker, wider die jedoch in Leipzig bestmöglicher Schutz gewährt wurde. Zu spät sahen manche Verleger ein, dass nicht die Menge, sondern der innere Gehalt und zeitgemäße Wert der Artikel einen guten Absatz bedinge. Es gab Verluste, manche Buchhandlung ging tu Grunde und die aufrecht gebliebenen druckten mit mehr Auswahl. Es scheint das auch die Tatsache zu beweisen, dass von den im Jahr 1716 zu Leipzig vorhandenen 17 Buchhandlungen zusammen nur 143 neue Artikel zur Ostermesse gebracht wurden. Schon im vorigen Jahrhundert hatte sich die deutsche Büchermesse mehr und mehr von Frankfurt am Main weg und nach Leipzig gewandt. Im 18. Jahrhundert schlug sie ihren Schauplatz gänzlich hier auf und die vom Buchhandel bewohnt gewesenen Läden der Buchgasse in Frankfurt am Main wurden von ihm verlassen.

Der buchhändlerische Messeverkehr Leipzigs hatte jedoch schon seit Anfang des 17. Jahrhunderts eine gewisse Selbstständigkeit angenommen. Der angesehene Augsburger Buchführer Georg Miller ließ nämlich seit 1554 zu jeder Messe in Frankfurt am Main ein Verzeichnis der neuen Bücher drucken, welche zu derselben gebracht wurden. Seine Erben setzten dies bis 1597 fort. Diese Verzeichnisse, die ältesten Messekataloge, wurden in Quart ohne Seitenzahlen gedruckt und es sind darin zuerst die lateinischen, dann die deutschen Bücher aufgeführt. Hieran schloss Peter Kopf sein mit obrigkeitlicher Erlaubnis gedrucktes Allgemeines Meßverzeichniß aller Bücher so zu Frankfurt verkauft worden. Gleichzeitig fingen die Leipziger Buchhändler an, dieses Frankfurter Verzeichnis und dazu auch was für Bücher zu Leipzig ausgehen und nicht nach Frankfurt gebracht worden drucken zu lassen. Dieses Leipziger Verzeichnis erhielt l600 ein kurfürstliches Privilegium und kam anfangs bei Abraham Lamberg, dann bei Henning Große und dessen Erben heraus. Das Frankfurter Verzeichnis hörte natürlich auf, nachdem sich die Büchermesse von da weggezogen hatte.

Die Veranlassungen dazu waren vielerlei wiederholt erhobene Beschwerden des Buchhandels über das Verfahren der dortigen Bücherkommission, welche die Aufrechthaltung der Privilegien, Schutz gegen den Handel mit Nachdruck, Bücherzensur und überhaupt die Bücherpolizei über sich hatte. Da keine entsprechende Erledigung der Klagen eintrat, fingen immer mehr Handlungen an, bloß die Leipziger Messen zu besuchen, wo schon seit 1620 der Verkauf von Nachdruck bei Strafe verboten war. Als nun um 1760 in Frankfurt neue drückende Anordnungen getroffen und die eigenen Privilegien nicht bloß schutzlos gelassen, sondern selbst zum Gegenstand eines empörenden Wuchers gemacht wurden, wandten sich auch die meisten noch übrigen Buchhandlungen der Leipziger Messe zu. Frankfurt wurde dagegen in den späteren Jahrzehnten ein Versammlungsort von Nachdruckern, daher man in den letzten Jahren des 18. Jahrhunderts die dortige Buchmesse als die Nachdruckermesse bezeichnet. »Von jeher wurde in Frankfurt kein Buch geduldet«, bemerkt darüber ein Schriftsteller jener Zeit, »wodurch dem Kirchenglauben oder der Beichtgroscheneinnahme nur der mindeste Eintrag hätte geschehen können. Allein das erlaubt man, dass von allen Orten Büchergaudiebe ihre gestohlenen Waren dort verhandeln.«

Die letzte sächsische und Leipziger Buchhandlung, welche die Frankfurter Messe besuchte, war die berühmte Weidmann’sche, welche als älteste Leipzigs galt. Der Verlag war seit 1662 bekannt, und seit 1759, als die Großeschen Erben das Recht dazu erworben hatten, erschien bei ihr auch der Messkatalog, bis 1794 in Quart, danach aber in Großoktav. Übrigens fehlte es nicht ganz an Versuchen, Leipzig den Besitz der Büchermesse streitig zu machen. In den 1770er Jahren wollten namentlich mehrere Buchhändler aus den sogenannten Reichsländern eine Büchermesse in Hanau aufrichten. Es kamen wirklich dort viele zusammen, und auch ein Bücherverzeichnis wurde unter dem Titel Hanauer Bücherumschlag gedruckt; allein es blieb bei diesem Versuch. Einige Jahrzehnte später fassten einzelne auswärtige Buchhändler den Gedanken, Braunschweig zum Versammlungsort zu machen, und es war noch kein Menschenalter ins Land gegangen, dass zugunsten einer anderen norddeutschen Residenz ähnliche Entwürfe betrieben wurden. In Leipzig selbst war indessen die Zahl der Buchhandlungen zu der Zeit, wo die Büchermesse sich völlig dahin zog, nicht größer wie 1716. Von den im Jahr 1746 hier vorhandenen 29 Buchhändlern hatten die unsäglichen Drangsale des Siebenjährigen Krieges nur 17 übrig gelassen. Im Jahre 1786 zählte man wieder 24 und 1795 war die Zahl auf 44 gestiegen. Mit dieser Übersiedlung wurde auch die neue und eigentümliche Ausbildung des deutschen Buchhandels beschleunigt, die schon mit Anfang des Jahrhunderts begonnen hatte. Der Handel mit alten und seltenen Büchern, welchen die nichtdeutschen Buchhändler noch jetzt beibehalten haben, wurde mehr und mehr aufgegeben und den Antiquaren überlassen, sodass danach der deutsche Buchhandel nur Verlagshandel, Sortimentshandel und Kommissionsgeschäft mit neuen Büchern war. Auch wurde 1765 in der Ostermesse von dem damaligen Mitinhaber der Weidmann’schen Buchhandlung P. E. Reich der erste und hauptsächlich gegen den Nachdruck gerichtete deutsche Buchhändlerverein gegründet, welchem 59 fremde und hiesige Buchhandlungen beitraten. Außerordentlich belebend musste natürlich die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sich entwickelnde nationale Blüte der deutschen Literatur auf den Buchhandel wirken, und wenn die Messekataloge von 1716 nur 558 neue Schriften aufzählten, so finden wir in denen von 1789 schon 2115 verzeichnet. Der Geschäftsgang änderte sich ferner wesentlich darin, dass der mit zur Oster- und Michaelismesse gebrachten Büchern gemachten Tauschhandel weniger wurden, und dass endlich, vorzüglich vom allgemeinen Verlangen nach den Werken unserer großen Dichter begünstigt, das Versenden neuer Bücher auch zwischen den Messen und gleich nach vollendetem Abdruck üblich wurde. Dies gab jedoch zugleich Veranlassung, dass die Buchhändler aufhörten, die Michaelismesse zu besuchen, und seit den ersten Jahren des 18. Jahrhunderts nur in der Ostermesse noch eine Buchhändlermesse stattfindet, wo für das ganze Jahr abgerechnet und gezahlt werden soll, während in der Zwischenzeit die Leipziger Kommissionäre der auswärtigen Handlungen deren Geschäfte hier besorgen. Um nun das mühsame Abrechnen in der Ostermesse, bei dem man sich in den Behausungen aufsuchen musste, zu erleichtern, machte der 1835 verstorbene Buchhändler P. G. Kummer von hier schon 1792 den Versuch zur Errichtung einer Art Buchhändlerbörse für die Messezeit. Er mietete nämlich einige Zimmer des damaligen Richter’schen Kaffeehauses in der Katharinenstraße, wo die fremden Buchhändler gegen ein Eintrittsgeld sich zu Besorgung ihrer gegenseitigen Abrechnungen versammeln konnten. Die Entfernung dieser Lokalität von der eigentlichen Buchhändlerlage verhinderte mit anderen Unbequemlichkeiten den Fortbestand dieses Unternehmens. Die Zweckmäßigkeit desselben wurde jedoch 1797 von Neuem anerkannt, wo in der Ostermesse der Buchhändler C. C. Horvath aus Potsdam den damaligen großen theologischen Hörsaal im Paulinum mietete und als Buchhändlermessebörse einrichtete, auch für diese Einrichtung einen Verein stiftete, welchem 116 auswärtige Buchhandlungen beitraten.

Die Leipziger nahmen inzwischen keinen Anteil. In diesem ehemaligen Refektorium der Paulinermönche, das als Speisesaal des Konviktoriums der Universität benutzt wurde, blieb die Buchhändlerbörse bis mit Ostern 1835. Sie war Privatunternehmen, bis in der Ostermesse 1824 die fremden Buchhändler ein gemeinsames daraus machten, sich Ostern 1825 zu einem förmlichen Verein konstituierten, der 108 Mitglieder zählte, und sich über die Grundlagen einer Börsenordnung verständigten. Die Ausbildung dieser Vereinigung schritt gedeihlich vor und sie zählte 1831 bereits 366 Mitglieder, von denen eine neue Börsenordnung angenommen und förmlich zum Statut erhoben wurde. Darauf fingen auch die Leipziger Buchhandlungen an, zahlreicher beizutreten. Nachdem sich hierauf 1832 das Leipziger Buchhändlergremium als Verein der Buchhändler zu Leipzig neu konstituiert und zufolge seines Statuts auf eine Buchhändlerbörse für den Leipziger Buchhandel Bedacht zu nehmen hatte, schlug die Deputation vor, diesen Zweck mit Begründung einer allgemeinen deutschen Buchhändlerbörse zu vereinigen. Der Leipziger Verein sowie in der Ostermesse 1833 der Börsenverein gingen beifällig darauf ein, und die von einem Komitee beider ausgeführten Vorarbeiten wurden Ostern 1834 in der gewöhnlichen Generalversammlung des Börsenvereins, der nun 454 Mitglieder zählte, am Sonntag Kantate vorgelegt und genehmigt. Das Baukapital wurde durch 350 Aktien zu 100 Talern aufgebracht, zu deren Rückzahlung und Verzinsung die königlich-sächsische Regierung mit Zustimmung der Stände einen Jahresbeitrag von 750 Talern bewilligte. Der Börsenverein verpachtete sich zu jährlich 400 Talern und außer dem Beitrag des Vereins der Leipziger Buchhändler wurden auch die aus dem beabsichtigten Hause zu ziehenden Mietzinsen zur Tilgung und Verzinsung des Baukapitals angewiesen. Das Gebäude selbst sollte an die Stelle eines von der Universität dazu überlassenen, am Nikolaikirchhof gelegenen, baufälligen Teiles des großen Fürstenkollegium Schwarzes Brett kommen, der den Namen dursa bavarica trug. Am 26. Oktober desselben Jahres wurde denn auch hier unter Teilnahme von Abgeordneten beider Ständekammern und aller Behörden, hiesiger und auswärtiger Buchhändler, der Händelsvorstände etc. die Grundsteinlegung mit großer Feierlichkeit vollzogen, wobei der Geheimrat von Langenn, welcher als königlicher Kommissarius sich die wichtigsten Verdienste um das ganze Vorhaben erworben hatte, im Auftrag und Namen des Prinzen Mitregenten und Königs, die üblichen drei Hammerschläge verrichtete. Die Buchhändlergehilfen trugen im Festzug die Landesfarben sämtlicher deutscher Bundesstaaten, als hätte man der Jugend die Repräsentation der Einigkeit der ihr gehörenden Zukunft bedeutsam überlassen wollen.

Im Jahre l836 war die deutsche Buchhändlerbörse mit zwei Sälen und drei Zimmern zu Deputationssitzungen im Erdgeschoss und dem das ganze obere Stockwerk einnehmenden großen Saal fertig. In der Ostermesse fand am 26. April in einfach würdiger Weise im Gebäude selbst die feierliche Weihe desselben und Übergabe zur Benutzung an den Börsenverein statt. Dieser zählte bereits 570 Mitglieder. Die Leipziger Buchhandlungen, damals 106, haben sich von da an zur Teilnahme am Börsenverein und zum Abrechnen auf der Börse verpachtet. Deutsche Buchhandlungen überhaupt gab es im Jahre 1836 in allem 941, die in 300 Städte verteilt waren. Nach den Messekatalogen erschienen in Deutschland und den buchhändlerisch dazu zu zählenden Ländern, der Schweiz, Ungarn, Kurland, Liefland, Estland, 7529 Schriften. Zu jener Zeit gab es über 1100 deutsche Buchhandlungen und der Börsenverein zählte 690 Mitglieder. Der Verein der Buchhändler zu Leipzig bestand aus 128 Firmen mit 143 Teilhabern.

Die Stellung und Bedeutung Leipzigs als anerkannter Mittelpunkt für den deutschen Buchhandel, und der Nutzen dieses tatsächlichen Verhältnisses, auf welches alle Einrichtungen des buchhändlerischen Geschäftsverkehrs wesentlich sich bezogen, erhellte am besten aus der Darstellung desselben. Er bestand, wie schon erwähnt, aus dem Verlagshandel, dem Sortimentshandel und dem Kommissionsgeschäft. Die Verlagsbuchhändler oder Verleger erwarben von den Schriftstellern die Handschriften – Manuskripte – zum Druck der Bücher, ließen diesen auf ihre Kosten besorgen und bestimmten den Verkaufspreis derselben. Den Verkauf an das Bücher bedürfende Publikum selbst vermittelte im Allgemeinen der Sortimentshandel, welcher daher zum eigentlichen Verlagshandel in einem ähnlichen Verhältnis stand wie der Einzel- oder Kleinhandel zum Großhandel. Die Verleger sandten oder verteilten gewissermaßen an die Sortimentsbuchhändler, mit denen sie in Rechnung standen, gewöhnlich von allen vom Januar bis Dezember eines Jahres bei ihnen neu erscheinenden Schriften oder sogenannten Novitäten einzelne oder mehrere Exemplare, à codition. Darunter wurde nämlich die Bedingung verstanden, dass der Sortimentshändler die im Laufe des Jahres davon bei ihm nicht verkauften Exemplare bis zur darauf folgenden Ostermesse zurückschicken konnte, in dieser aber die verkauften bezahlte. Diese Zusendungen, Rücksendungen, Berechnungen und Zahlungen fanden nun hauptsächlich über und in Leipzig statt. Hier nämlich hatten sowohl die auswärtigen Verleger als auch die Sortimentshändler ihre Kommissionäre. Angenommen nun, dass ein in Königsberg wohnender Verleger ein neues Buch zur Versendung fertig hatte, so ließ er für jede Sortimentshandlung, der er davon zuschicken wollte, eine Faktura über die Anzahl Exemplare ausfertigen, welche sie als Neuigkeit pro novitate erhalten sollte. Diese Exemplare wurden dann verpackt und die Faktura außen darauf gebunden, sodass sie zugleich als Adresse für das kleine Paket diente. Solche Pakete wurden in der Regel so viele gemacht, wie Buchhandlungen mit ihm in Rechnung standen, sodann in Ballen zusammengepackt und diese auf seine Kosten nach Leipzig an den Kommissionär abgesandt. Dieser öffnete sie und verteilte die einzelnen Pakete an die bekannten Leipziger Kommissionäre aller der Buchhandlungen, an welche sie adressiert waren. Was nun ein Kommissionär die Woche durch für einen seiner Auftraggeber oder Kommittenten empfing, sammelte er bis zu gewissen Tagen, wo alles zusammengepackt und mit Fuhrgelegenheit, mittels Eisenbahn, manchmal auch mit der Post, ihm regelmäßig zugesendet wurde. Wie nun diese Zusendungen von Leipzig ausgingen, ebenso gingen auch die Rücksendungen der unverkauft gebliebenen Bücher – der Remittenden oder sogenannten Krebse – von den Sortimentshandlungen in großen Kollis nach Leipzig. Ihre Kommissionäre fanden darin ebenfalls kleine, aber an Verleger adressierte Pakete und teilten auch die unwillkommenen Rückzügler des verflossenen Jahres gewohntermaßen aus. Solche buchhändlerischer Krebse sollten schon mit einem Gesamtgewicht von 1000 Tonnen zu einer Ostermesse angelangt sein. Doch ließ sich daraus kein Resultat für oder wider des Geschäftsganges ziehen, solange das Gewicht der Anwendungen nicht bekannt war.

In Leipzig hatten aber auch fast alle deutschen Verleger bei ihren Kommissionären Vorräte von ihren alten und

neuen Verlagsartikeln auf dem Lager. Brauchte nun ein Sortimentshändler etwas davon, so verzeichnete er das auf kleine Zettel, sogenannte Verlangzettel, und schickte diese ebenfalls an seinen Kommissionär nach Leipzig. Dieser gab sie an die Kommissionäre der Verleger ab, von denen er, war sonst alles in Grdnung, die verlangten Bücher sogleich oder doch durch dessen Vermittelung, für seinen Kommittenten ausgeliefert erhielt. Gleich den Verlangzetteln wurden auch buchhändlerische Umlaufsschreiben, die nach Jahresschluss von den Verlegern gemachten Rechnungsauszüge an die Sortimentshandlungen, und eine Unzahl der mannigfaltigsten Mitteilungen in oft sehr unscheinbarer Form, von allen Seiten zur oben erwähnten Weiterbeförderung an die Leipziger  Kommissionäre eingesandt.

An der schnellen und sicheren Bestellung derselben musste gleichwohl den Beteiligten viel gelegen sein. Diese wurde nun von der seit 1842 bestehenden buchhändlerischen Bestellanstalt auf das Zuverlässigste vermittelt, indem alle derartigen Papiere buchhändlerischer Korrespondenz, welche in ihrem Brief- und Zettelkasten einliefen, täglich viermal an die betreffenden Buchhandlungen ausgetragen werden.

Für den Verlagsbuchhändler blieb der Höhenpunkt geschäftlicher Leiden und Freuden die Ostermesse. In der mittelsten Woche derselben tauchten nämlich die Buchhändler hier auf, welche überhaupt persönlich zur Messe kamen. Die Verleger ließen allezeit weniger auf sich warten als die Sortimentshändler. Je mehr der Letzten anlangten, je weniger Krebse sie mitbrachten, desto vergnügtere Gesichter machten die Ersten. Im großen Saal der Buchhändlerbörse, wo an dessen Ende Reihen von Tischen aufgestellt waren, fanden sich nun Fremde und Einheimische mit großen und kleinen Handlungsbüchern ein, um abzurechnen und Zahlung zu erhalten oder zu leisten. Die Bücher, welche ein Sortimentshändler im letzten Jahr empfing, bildeten natürlich sein Debet. Davon ging zuvörderst ab, was er remittierte, d. h. zurückgeschickt hatte; dann kamen oft sogenannte Disponenden, d. h. Bücher, die er nicht zurückgeschickt, auch nicht verkauft hatte, darum aber keineswegs bezahlen, sondern weil er sie später abzusetzen gedachte, auf neue Rechnung behalten wollte. Endlich ging vom Betrag der wirklich verkauften Bücher meist 33 1/3 oder 25 Prozent als Rabatt ab, welchen der Verleger dem Sortimentshändler gewährte, und worin, so wie in etwa bewilligten Freiexemplaren bei Abnahme größerer Partien von einem Buch, der Verdienst des Sortimentshandels besteht, welchem dagegen die Transport­kosten der Novitäten von Leipzig und der Remittenten  nach Leipzig samt etwaigen Bücherzöllen, Ankündigungen und sonstigem Vertriebsaufwand oblag. Die nun verbleibende Summe wurde aber auch nicht immer ganz bezahlt, sondern ein Teil davon, als sogenannter Übertrag, auf die nächste Michaelismesse zahlbar überschrieben. Wer nicht zur Messe kam, musst durch seinen Kommissionär abrechnen und zahlen lassen, wenn er seinen Kredit behalten wollte.

Das Kommissionsgeschäft war schon zu jener Zeit in seiner trefflichen Einrichtung ein Vorzug des deutschen Buchhandels vor dem aller anderen Länder. Auch trug es wesentlich dazu bei, Leipzig zum großen Mittelpunkt des Buchhandels zu machen. Es tat dem keinen Eintrag, dass für kleinere Kreise in Nord- und Süddeutschland auch andere Städte Mittelpunkte des buchhändlerischen Verkehrs bildeten, denn auch sie hatten ihre gemeinsame Beziehung auf Leipzig. Nur als ein herrliches und nachahmenswertes Beispiel konnte es bezeichnet werden, wie diese ganze, volkstümliche Einrichtung aus dem freien Willen ehrenwerter Männer aus allen Gegenden des einen deutschen Vaterlandes hervorgegangen war. Auch war es nur so möglich, dass ein deutscher Buchhandel lange vor dem Deutschen Zollverein bestand. Möge dem rühmlichen Geschäftszweig dieser schöpferische und erhaltende Geist der Einigkeit seiner Repräsentanten allezeit verbleiben!

Quelle:

  • Illustrierte Zeitung. Wöchentliche Nachrichten über alle Ereignisse, Zustände und Persönlichkeiten der Gegenwart über Tagesgeschichte, öfffentliches und gesellschaftliches Leben, Wissenschaft und Kunst, Musik, Theater und Moden. Zweiter Band. Monat Januar bis Juni 1844. Leipzig. Verlag der Expedition der Illustrierten Zeitung. J. J. Weber. Ausgabe Nr. 45 vom 4. Mai 1844.