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Rübezahl, der Herr des Gebirges – Folge 1

Rübezahl, der Herr des Gebirges
Volkssagen aus dem Riesengebirge
Für Jung und Alt erzählt vom Kräuterklauber
Verlag Carl Gustav Naumann, Leipzig, 1845

Es war einmal ein Mann, der hieß Bumban. Wenn einer aber Bumban heißt, so ist er ein bekannter Mann in ganz Deutschland, und wenn er etwas erzählt, so glaubt es alle Welt und tut wohl daran, denn wenn man etwas glaubt, so hat man doch immer mehr, als wenn man nichts glaubt.

Bumban hieß also der Mann und wohnte hoch oben im Riesengebirge in einer Winterbaude, und war in Freundschaft mit dem Baudenmann, der zu dem ihn auf dem Totenbett tröstenden Pfarrer sagte: »Su is dos orma Norrla gesturba! Schaut, lieber Gottsknecht, ha werd ju nich biesa sein, weil ma ei dam wilda Geberga nischt erfährt, doß ich ni uf sei Begrabniß geganga bi.«

Also von dem war er in Freundschaft, vonseiten der Mutter her. Er trieb bloß die Viehzucht, und seine Herde weidete den Sommer hindurch auf dem Hochgebirge. Er selber kam nur hinab in die bewohntere Welt, wenn er seine Butter zum Verkauf hinabtrug. Er war im Gebirge geboren, und seine Baude hatten seine Voreltern schon länger als Menschengedenken innegehabt. Denn geschrieben war darüber nichts, da niemand schreiben und lesen konnte, und alles, was die Leute wussten, war mündliche Überlieferung. So war es aber auch mit den Sagen und Märchen, die im Gebirge umlaufen, und waren diese die einzige Unterhaltung, welche die armen Baudenbewohner in halbjähriger Winternacht, von Schneemassen überdeckt, untereinander haben konnten. Da pflanzt sich auch die Erzählung eines unbedeutenden Umstandes fort, und wird letzten Endes zum merkwürdigen Ereignis.

So war Bumban vertraut worden mit den Erzählungen und Märchen, die Rübezahl angingen. Da er sie seit seiner Jugend von den seinen und von anderen Baudenbewohnern der entgegengesetzten Länder gehört hatte, so waren sie seinem Gedächtnis treu geblieben bis in die siebziger Jahre, in denen er, aber noch in Kraft und Munterkeit, eben stand.

»Liebe Leute«, sagte dann Bumban, wenn jemand zu ihm kam, »lacht nicht über die Märchen, die wir erzählen, denn sie waren zu einer Zeit, wo es hier keine Schulen und keine Bücher gab, die Lehrmeister der Menschen. Bald wird darin das Gute belohnt, bald das Böse bestraft, und werden dummen Leuten allerlei gute Lehren gegeben, die im Leben und im Umgang mit den Menschen wohl zu gebrauchen sind. Nun hier bei uns im Gebirge, liebe Leute, geschieht das alles durch Rübezahl, den Herrn des Gebirges, und mag aus Furcht vor ihm gar manches Böse unterblieben und um ihn zu gewinnen, manches Gute geschehen sein.«

Die Märchen mit ihren guten Lehren gingen nun von Mund zu Mund und pflanzten sich von den Alten auf die Jungen fort. Und wenn man nur recht acht gibt, so kann man auch aus albernen Märchen eine gute Lehre ziehen.

Wenn Bumban auf dieses Kapitel kam und freundliche gemütliche Menschen fand, die gern hören mochten, wie die Alten sich in ihren Märchen unterhalten und belehrt hatten, so erzählte er auch gern, und so erfuhr man dann von ihm die folgenden Märchen, so gut, wie sie der Kräuterklauber erfahren hat, der sie auch eben erzählen wird. Der aber hat nur das hinzugetan, was Rübezahl bisweilen noch in unseren Tagen getan hat.

1. Wer und wie Rübezahl eigentlich gewesen war

Von Rübezahl wird erzählt, dass er eines Schusters Sohn aus Liegnitz gewesen war, den seine Mutter, als er noch in der Wiege gelegen hatte, verwünscht wurde. Als er groß geworden war, sei er ins Gebirge auf Abenteuer gegangen. Andere dagegen sagen, er sei ein vornehmer Herr aus Welschland gewesen, mit Namen Ronzeval, der hierher verbannt worden sei. Noch andere meinen, er sei ein Berggeist von Haus aus, der eigentlich im Inneren der Berge hauste. Nun, er mag gewesen sein, wer er will, er erschien den Menschen auf gar vielerlei Art. Meistens sah man ihn als Wurzelmann oder Bauer, oft als Jäger mit einem Rohr in der Hand, seltener in allerhand anderen Gestalten, ja bisweilen in der eines Tieres usw.

Woran man jedoch den Rübezahl immer erkennen konnte, das war der Pferdefuß, und darum trug er auch meist einen langen Mantel. Denn er galt bei den Leuten einmal für einen Teufel, wenn er auch gleich weder ein böser noch ein dummer Teufel war, und hatte er den Pferdefuß nur ungefähr so, wie damals oft die klügsten und weisesten Männer an den Höfen der Fürsten eine Schellenkappe und eine Hanswurstkappe trugen. Und damals, wo er sein Stück vorzüglich spielte, in der älteren Zeit, da ging der Teufel sogar noch als Teufel umher und konnte sich da doch jeder gleich vor ihm in acht nehmen. So wie man damals gleich wusste, wen man vor sich hatte an der Tracht, und ging ein Müller und ein Bäcker hellblau, ein Fleischer und ein Doktor, auch ein Scharfrichter, rot, ein Gerber braun, ein Schulmeister und ein Pfarrherr schwarz, ingleichen der Teufel, ein Kläger und ein Gärtner grün, ein Landsknecht gelb, ein Sachwalter aber weiß, weil er die Leute meist bis aufs Hemd auszog, und wenn es gut ging, das Hemd noch selbst usw. Der Teufel ging also damals noch als Teufel mit einem Pferdefuß einher, ist seitdem aber gescheiter geworden. Denn jetzt geht er auch einher nach der Mode, und bald hielt er einen Fürsten oder Grafen, bald ein schönes Mägdlein oder ein schlichtes Bäuerlein, bald einen hoffärtigen Kriegsknecht oder einen gefühlvollen Schauspieler und Musikus oder einen frommen Jesuiten und Mucker und dergleichen mehr, und ist also mit der Zeit gegangen.

Nun, in diese ältere Zeit fällt das Meiste von dem, was man sich von Rübezahl erzählt, und woraus hervorgeht, dass er eben kein böser Teufel, sondern ein gutmütiger, schalkhafter und nur bisweilen launischer Berggeist war, der nur im äußersten Notfall eine Teufelsgestalt annahm, um andere zu schrecken oder zu strafen. Ehrliche Leute hatte er gern, aber Narren und schlechte Leute konnte er nicht leiden. Stets wurde er zornig, wenn man ihn Rübezahl nannte, und wer in sein Gehege kam, das er sich vorbehalten hatte, dem ging es schlecht. Fluchen, Lügen und Fleischeslust konnte er gleich gar nicht leiden. Bis zum Schlesischen Krieg ging es mit ihm noch soso. Seit aber das Gebirge teils preußisch ist, treibt er es weniger – die Leute sprechen von wegen des Gewerbescheines – und manche sagen gar, er habe sich zur Ruhe gesetzt. Manchmal kommt er aber doch noch, wenn auch selten, wie der Leser aus folgenden Erzählungen ersehen wird, und es ist nur gut, wenn jemand handeln kann, wo andere nicht reden dürfen, und einem Geist kann man doch nicht an den Kragen.