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Der Welt-Detektiv Band 6

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Slatermans Westernkurier 02/2018

 

Auf ein Wort, Stranger, heute geht es um Sitting Bull und die katholische Kirche.

Nach dem Ende des Bürgerkrieges sehnte sich die amerikanische Nation nach dauerhaftem Frieden. Doch obwohl der Konflikt zwischen Nordstaaten und Konföderierten beendet war, gingen die militärischen Konflikte und damit das Töten und Sterben im Land weiter. Sie hatten sich nur auf andere Schlachtfelder verlagert und auch die Gegner waren jetzt andere.

Gemeint sind hier die Auseinandersetzungen der Armee mit den Indianern. Deren Politik der Gewalt gegenüber den Ureinwohnern stieß alsbald auf strikte Ablehnung der Kirchen, welche die Indianer mit Friedensabkommen verpflichten wollten, in die Reservate zu kommen und dort auch zu bleiben. Präsident Ulysses Grant, seit März 1869 im Amt, begann die von den Kirchen an ihn herangetragenen Reformvorschläge schon alsbald umzusetzen.

Neben ökologischen Überlegungen gab auch der desolate Zustand des Reservationssystems den Ausschlag, das durch korrupte Beamte in Verruf geraten war. Da Geistliche bei der Bevölkerung einen guten Ruf hatten und gegen Bestechung scheinbar gefeit waren, ließ Grant die Reservatsaufseher künftig von den Kirchen einsetzen.

Die unter dem Stichwort »Friedenspolitik« bekannt gewordene Reform galt aber nur für jene Indianer, die in den Reservaten lebten bzw. dort hinzogen. Allen anderen, insbesondere den Sioux um Sitting Bull, begegnete die Armee weiterhin mit ihrer gnadenlosen Kriegspolitik.

Doch schon bald geriet die Kirche bei ihrer Reservatsmission in Schwierigkeiten, da sich nicht genügend Missionare fanden, um diese neue Aufgabe zu bewältigen.

Zum einen erachteten die in Amerika geborenen Priester die Arbeit mit den Wilden als unattraktiv und ohnehin nutzlos, zum anderen herrschte in den jungen Einwanderergemeinden grundsätzlich ein akuter Mangel an Geistlichen.

In seiner Not wandte sich der katholische Missionsbeauftragte schließlich im Sommer 1876 an den Abt von St. Meinrad, Martin Marty.

Als hätte er nur darauf gewartet, verließ Marty sofort das Kloster, um sich der Heidenbekehrung anzunehmen. Er griff dabei zunächst auf das Personal seiner Abtei zurück, in der bereits 70 Mönche lebten, und setzte noch zusätzlich Benediktinernonnen ein, die um 1870 die Schweiz aus politischen Gründen verlassen hatten. Dazu kamen noch Jesuiten und Franziskanerinnen aus Deutschland, die aufgrund des dortigen Kulturkampfes, dem Ringen zwischen Staat und Kirche um Macht und Einfluss aus dem Kaiserreich ausgewiesen wurden. Sie alle fanden hauptsächlich in den Sioux-Reservationen ein neues Betätigungsfeld.

 

*

 

Seit dem Vertrag von Fort Laramie im Jahre 1868 lebten die meisten Sioux bereits in Reservaten in den heutigen Bundesstaaten Nord- und Süddakota.

Marty befürwortete den Reservationszwang.

Seiner Meinung nach ließen sich nur sesshafte Indianer bekehren und konnten gemäß der benediktinischen Formel »ora et labora« zu betenden Farmern und guten Christen erzogen werden.

Solange aber noch freie Sioux durch die Prärie streiften, wandten sich immer wieder ganze Gruppen von desillusionierten Reservationsindianern von den Missionaren ab.

Aus diesem Grund entschied sich Marty gleich zu Beginn seiner Mission, Sitting Bull nachzureisen. Dass er dabei sein Leben riskierte, nahm er in Kauf. Doch seine Mission schlug fehl, denn Sitting Bull wies ihn ab. Auch eine zweite Reise nach Kanada, wohin der Häuptling nach der Schlacht mit Custer mit einem Großteil seines Volkes gezogen war, um der Verfolgung durch die US-Armee zu entgehen, blieb ohne Erfolg.

Doch dann kam es unter den Indianern im dritten Jahr ihres Exils in Kanada zu einer Hungersnot. Der Grund war die nahezu völlige Ausrottung der frei lebenden Büffel. Die Nachfrage nach Büffelleder war seit den 1870er Jahren auf dem Weltmarkt enorm gestiegen und zudem schossen die Rancher und Siedler alle Tiere ab, deren sie habhaft werden konnten, um Platz für ihre Viehherden und Äcker zu schaffen.

Um das Überleben seiner Leute zu sichern, musste Sitting Bull mit ihnen in die USA zurückkehren. Am 19. Juli 1881 stellte er sich in Norddakota der Armee. Martin Marty kommentierte die Rückkehr in einem Brief wie folgt:

»Die Indianer, die mit Sitting Bull über die Grenze geflüchtet waren, sind nun endlich dem Rat, den ich ihnen beim zweimaligen Besuch gab, nachgekommen und in ihre Reservationen zurückgekehrt. Möge der Herr nun Mittel und Arbeiter senden, um dieselben ins Christentum und dessen Zivilisation einzuführen.«

Marty irrte allerdings, die Sioux waren nicht seinem Rat gefolgt, sondern hatten angenommen, nur so überleben zu können. Dennoch deutete der Missionar das Ereignis als Zeichen Gottes und machte sich sogleich an die Bekehrung Sitting Bulls.

Nachdem dieser in Kriegsgefangenschaft genommen wurde, setzte sich Marty erfolgreich für dessen Freilassung ein und veranlasste seine Überführung in die unter katholischer Leitung stehende Standing Rock Reservation, wo er die Indianer sogleich in der christlichen Lehre unterwies. Marty nahm Sitting Bull sogar auf eine Reise nach St. Paul in Minnesota mit, um ihm in der Großstadt die Errungenschaften der westlichen Zivilisation zu demonstrieren.

 

*

 

Der Sioux-Anführer zeigte sich zunächst interessiert am katholischen Glauben.

Während es den Sioux allerdings keine Probleme bereitete, christliche Elemente in ihre Weltanschauung zu integrieren, duldeten die Missionare mit ihrem exklusiven Glaubenssystem keinerlei Verbindung zwischen ihrer Religion und indigener Spiritualität.

Als Sitting Bull dies erkannte, wandte er sich vom Christentum ab.

Marty unternahm zwar noch einige Bekehrungsversuche, aber der Chief der Sioux blieb hart und der Mönch erklärte seine Seele schließlich als verloren.

Eine Erklärung, die weitreichende Folgen hatte, denn von nun an kam Sitting Bull nicht mehr in den Genuss bestimmter Privilegien.

Die Missionare waren zwar nicht bestechlich, aber sie nutzten die ökonomisch schwierige Situation in den Reservaten gnadenlos aus, um den Indianern aufzuzeigen, wie sehr sie von ihnen und der Gnade des Gottes aller Christen abhängig waren.

Die in ihren Augen fortschrittlichen Indianer, also jene, die bekehrungswillig oder bereits katholisch waren, erhielten von ihnen zu den Armeerationen noch Geschenke wie zusätzliche Lebensmittel, neue Kleider, dicke Winterdecken und andere Utensilien, außerdem Reisegenehmigungen und privilegierte Anstellungen wie Lagerverwalter oder Reservationspolizist. Den anderen hingegen, die sie abschätzig die Rückständigen nannten, wurden diese Dinge verwehrt und man übte noch zusätzlich moralischen Druck auf sie aus.

So kam es schließlich am 15. Dezember 1890 zu einer Tragödie, an der die Missionare nicht ganz unschuldig waren und die verdeutlichte, wie tief die Mönche und die christlichen Reservatsaufseher die Sioux-Gesellschaft gespalten hatten.

Indigene Polizisten, die zum Christentum konvertiert waren, hatten den Auftrag erhalten, Sitting Bull festzunehmen, da dieser Standing Rock »ohne Erlaubnis« verlassen wollte, weil er genug von den drangsalierenden Mönchen und Martin Marty hatte.

Als sich Sitting Bull der Festnahme verweigerte, eskalierte die Situation, da die katholische Indianerpolizei ihre Vorteile in Gefahr sah. Es kam zu einem kurzen, aber heftigen Kampf, bei dem Sitting Bull, sieben seiner Getreuen und acht Indianerpolizisten getötet wurden.

Martin Marty, der katholische Mönch, der eigentlich Frieden und Nächstenliebe predigen sollte, äußerte sich geradezu euphorisch über die blutigen Ereignisse:

»Das neueste Geschehen, das mit Sitting Bulls Tod endete, hat den rückständigen Sioux endlich die Augen geöffnet. Diese Männer, Frauen und Kinder sind sich nun der Tatsache bewusst, dass der Große Geist ihren Anführer für seine Weigerung, dem Licht zu folgen, bestraft hat. Sie haben erkannt, dass unsere Lehre die einzig wahre Lehre ist. Sie kommen jetzt in Scharen, um zum Christentum überzutreten und sich auf die Taufe vorbereiten zu lassen.«

In der Tat konvertierten nach Sitting Bulls Tod unzählige Sioux zum Katholizismus.

Dennoch lässt sich sagen, dass Martin Martys umfassende Missionierung der Sioux mit dem Tod Sitting Bulls kläglich gescheitert war.

Man verwies zwar immer wieder auf die zahlreichen getauften Indianer, die den Gottesdienst besuchten, ihre Haare kurz geschnitten trugen und einen westlichen Lebensstil pflegten, aber das alles war nur eine Farce vonseiten der Indianer.

Fast alle von ihnen bewahrten sich ihre traditionelle Spiritualität, lebten ihre alten Traditionen und gaben das geistige Vermächtnis der Sioux an ihre Kinder weiter, die sich fast alle bis heute so einen Rest ihrer Identität bewahrt haben.

Martin Martys Nachfolger können zwar stolz darauf sein, dass heute ein Großteil der Sioux im Mittleren Westen der USA katholisch ist, sie müssen sich aber auf ihre Fahne schreiben lassen, dass sie mit der Losung ihrer Missionierungsversuche »Töte den Indianer und rette den Menschen« im staatlichen Auftrag maßgeblich an einem kulturellen Völkermord beteiligt waren.

Quellenhinweis:

  • Manuel Menrath, Mission Sitting Bull, Die Geschichte der katholischen Sioux, Paderborn 2016
  • Damals – Das Magazin für Geschichte, Ausgabe 2/ 2017
  • Archiv des Autors