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Interessante Abenteuer unter den Indianern 72

Interessante-Abenteuer-unter-den-IndianernJohn Frost
Interessante Abenteuer unter den Indianern
Erzählungen der merkwürdigsten Begebenheiten in den ersten indianischen Kriegen sowie auch Ereignisse während der neueren indianischen Feindseligkeiten in Mexiko und Texas

Silouee

Es kann keine grundsatzlosere und lasterhaftere Klasse von Menschen geben, als die der Weißen, welche an den Grenzlinien zwischen den zivilisierten Menschen und den Indianern wohnen. Sie berauben, morden und verraten die Letzteren.

Zur Wiedervergeltung rächen sich die Indianer sehr häufig auf eine schreckliche Weise für viele unverschuldete Angriffe und vernichten oft nicht nur allein ihre Verfolger, sondern auch ihre ganzen Familien mit ihnen.

Virginia, zu Ehren der Königin Elisabeth so genannt, wurde zuerst von englischen Kolonisten vor ungefähr 284 Jahren angesiedelt. Bei einer besonderen Gelegenheit wurde Oberst Bird von der englischen Regierung verwendet, ein Geschäft mit einem Stamm von Cherokee abzumachen.

Unglücklicherweise hatte es sich zugetragen, dass kurze Zeit

vorher, ehe der Colonel sich zu den Indianern begab, zwei derselben von den Weißen ergriffen und wegen geringen Vergehens ungerechterweise hingerichtet wurden. Die Indianer, welche über eine solche Gewalttätigkeit natürlicherweise erboßt waren, beschlossen, sich zu rächen, sobald eine Gelegenheit zur Rache sich bieten würde.

Die erwünschte Gelegenheit bot sich nun durch das Erscheinen des Obersten Bird unter ihnen dar und die bejahrten Männer des Stammes berieten sich insgeheim über die wirksamsten Mittel, wie sie denselben in ihre Gewalt bekommen und zum Schlachtopfer machen könnten.

Ihre unfreundlichen Absichten wurden von Oberst Bird bald bemerkt, welcher, obwohl es ihm keineswegs an Mut fehlte, dennoch fühlte, dass er gerechte Ursache zu Befürchtungen habe. Er wusste, dass er sich in ihrer Gewalt befand, ohne Mittel zum Entkommen oder zur Verteidigung zu haben. Als er sich zur Ruhe begab, konnte er nicht umhin, sich vorzustellen, dass er, ehe es Morgen würde, skalpiert sein könnte, oder dass man ihn, was noch schlimmer wäre, gefangen halten würde, um ihn, den Wilden zur Belustigung, auf die grausamste Weise zu foltern. Er verbrachte mehrere Nächte schlaflos in der größten Angst und bestrebte sich vergebens, einen Plan zu seinem Entkommen zu ersinnen.

Unter den benachbarten Cherokee befand sich einer mit Namen Silouee. Derselbe war nicht allein ein Häuptling, sondern auch ein berühmter Powwow, wie wir uns ausdrücken würden, ein Hexenmeister oder Beschwörer. Diesen Mann hatte Oberst Bird beträchtliche Zeit gekannt und sogar mit ihm an seinem Tisch gegessen. Silouee fühlte deshalb eine Freundschaft für den Oberst, kam jede Nacht in sein Zelt und schien ängstlich besorgt, ihm Hilfe zu leisten. Er bat ihn, nicht erschrocken zu sein und versicherte ihm sogar, dass ihm

die Indianer nichts zu Leide tun sollten. Diese Versicherung  tröstete Oberst Bird einigermaßen, aber da Silouee einer unter vielen Häuptlingen war, so befürchtete er, dass sein Einfluss nicht hinreichen würde, ihn vor der Gewalttätigkeit der rachsüchtigen Wilden zu schützen.

Endlich wurde ein allgemeiner Rat der Häuptlinge und alten Männer des Stammes abgehalten, und es wurde gegen alle Erwartung Silouees beschlossen, dass Oberst Bird als Sühne für den Verlust ihrer beiden Landsleute getötet werden solle. Es war umsonst, dass Silouee sich ernsthaft für seinen Freund verwendete, indem er dartat, dass derselbe nichts mit dem Mord ihrer beiden Landsleute zu tun gehabt habe. Die allgemeine Entscheidung war gegen ihn.

Zwei Krieger wurden nun zu dem Zelt des Obersten Bird abgesandt, um das grausame Urteil, welches gegen ihn ausgesprochen worden war, an ihm zu vollstrecken. Silouee bestand darauf, sie zu begleiten. Als sie das Zelt erreichten, stürzte Silouee vor ihnen hinein, warf sich an die Brust seines Freundes. Als die beiden Krieger sich näherten, rief er aus: »Dieser Mann ist mein Freund. Ehe ihr an ihn kommt, müsst ihr mich töten.«

Eingeschüchtert durch die großmütige Entschlossenheit Silouees kehrten die beiden Krieger zur Ratsversammlung zurück und erzählten ihren Brüdern, was sie gesehen hatten. Indianer hegen die größte Achtung gegen einen treuen Freund. Die Beratschlagung wurde erneuert. Das edle Benehmen Silouees erregte die besseren Gefühle der Indianer und änderte ihre Absicht. Sie konnten keinen weißen Mann töten, der der Freund Silouees war. Deshalb setzten sie ihn in Freiheit und sagten ihm, er möge in Frieden nach Hause gehen. Silouee war sein Führer und Beschützer und verließ Oberst Bird nicht eher, als bis sie das Zelt des Letzteren erblickten. Die letzten Worte, welche Silouee beim Abschied an seinen Freund richtete, waren folgende: »Wenn du siehst armen Indianer, in Furcht vor Tod von grausame weiße Menschen, denke an Silouee.«

Die starke Hinneigung der indianischen Gemüter zum Aberglauben gibt den Kühneren und Listigeren unter ihnen einen mächtigen Beweggrund, den Charakter von Powwows, Medizinmännern und selbst Propheten sich anzumaßen.

Jeder, der unter den Indianern große Wirksamkeit und Macht besitzt, kurz, jeder, der irgendetwas versteht, das sie nicht begreifen können, ist ein Mediziner, und Mediziner stehen in beinahe ebenso großer Achtung wie Krieger und Tapfere. Mediziner sind eine Art von Gaukler, welche ihre Geheimmittel sehr mysteriös bereiten und eingeben. Von ihrer Macht und ihren Taten werden viele unglaubliche Geschichten erzählt, welche unserer Ansicht nach niemals ausgeführt wurden, und welche bloß in der Einbildungskraft der unwissenden Jäger, welche durch die Gewandtheit jener kühnen Quacksalber betrogen wurden, zu finden sind.

Eine Medizin ist gleichfalls eine Art Talisman, welchen jeder Indianer, der das Mannesalter erreicht hat, bei sich trägt. Sie ist gewöhnlich die getrocknete Haut irgendeines Tieres, zum Beispiel eines Bibers, einer Otter, eines Fuchses, eines Wiesels, eines Raben oder sonstigen Vogels. Was sie auch sein möge, so wird sie von ihnen mit der möglichst abergläubischen Sorgfalt verwahrt. In keinem Fall ist ein Indianer dazu bewogen worden, eine Medizin an einen Weißen zu verkaufen, wie groß auch der dafür gebotene Preis gewesen sein möge. Bei seinem Tod wird dieselbe ohne Ausnahme mit ihrem Eigentümer begraben.

Einige Jahre darauf, nachdem Oberst Birds Leben durch Silouee gerettet worden war, wurde derselbe ein virginischer Pflanzer und schlug seinen Wohnsitz nahe am James River auf, wo er Tabak anbaute. Silouee war, wie wir bereits erwähnt haben, ein Powwow. Er unterhielt seine Freundschaft für Oberst Bird, dessen Nachbar er jetzt war. Er und viele von seiner Nation hatten durch ihren Verkehr mit den Weißen den starken Wassern, wie die Indianer berauschende Getränke nennen, großen Geschmack abgewonnen, und die Würde des Häuptlings wurde oft durch Betrunkenheit erniedrigt. Bei einer Gelegenheit war Oberst Bird in Geschäften nach einem anderen Teil des Landes, welcher vierzig bis fünfzig Meilen entfernt lag, gereist und hatte die Besorgung seiner Pflanzung einem Aufseher überlassen.

Der Tabak war bereits einigermaßen emporgewachsen, als eine lange Dürre eintrat, infolge deren die Aussicht auf eine gute Ernte sehr zu leiden schien. Eines Tages, als Silouee zur Pflanzung kam, drückte der Aufseher sein Bedauern aus, dass der Tabak so sehr welke.

»In der Tat«, fuhr er fort, »er wird gänzlich verloren gehen, wenn wir nicht bald Regen erhalten.«

»Gut«, sagte der Indianer, »was gibst du mir, wenn ich dir Regen bringe?«

»Du mir Regen bringen?«, sagte der Aufseher lachend.

»Ich können«, sagte der Indianer. »Gib mir zwei Flaschen Rum, bloß zwei, und ich bringen Regen genug.«

Der Aufseher blickte zum Himmel, konnte aber noch keine Spur des prophezeihten Regens erblicken. Um jedoch den Indianer zufriedenzustellen, versprach er ihm bei Rückkehr des Obersten Bird zwei Flaschen Rum, sofern der Regen bald käme und die Tabakernte rettete.

Silouee fing nun an, mit aller Macht zu beschwören (powwowing), Gesichter schneidend, seinen Körper verdrehend und seltsame und unverständliche Laute von sich gebend.

Es war ein heißer, drückender Tag und es geschah, dass das Firmament, welches einige Wochen lang gänzlich heiter gewesen war, sich zu bewölken begann. Es hatte den Anschein, dass der Himmel Regen senden würde. Vor Mitternacht hörte man es donnern, heftige Regenschauer bewässerten die Pflanzung des Obersten gänzlich. Man bemerkte, dass der Regen fast nur seine Pflanzungen bewässerte und die benachbarten beinahe so trocken wie vorher blieben. Der Indianer wartete ruhig, bis der Regen vorüber war, und ging dann weg. Nach ein paar Tagen kehrte der Oberst auf die Pflanzung zurück. Sobald Silouee von seiner Ankunft hörte, stattete er ihm unmittelbar einen Besuch ab.

»Master Bird«, sagte er, »ich komme für meine zwei Fla

schen Rum.«

»Deine zwei Flaschen Rum«, rief der Oberst aus, indem er vorgab, nichts von der Sache zu wissen. »Bin ich dir denn zwei Flaschen Rum schuldig?«

»Du bist es«, erwiderte der Indianer.

»Wieso?«, fragte der Oberst.

»Ich bringen dir Regen, ich retten deine Ernte«, sagte der Indianer.

»Du und Regen bringen«, sagte der Oberst. »Nichts dergleichen.«

»Ich tat«, behauptete der Indianer, »ich liebte dich, ich sagen Aufseher, geben zwei Flaschen Rum und dann ich bringen Regen. Aufseher sagen, er wollen. Ich bringen Wolke, dann Regen, setzt ich verlangen Rum.«

»Du sahst die Wolke«, sagte der Oberst Bird. »Du bist ein schlimmer Betrüger.«

»Ich kein Betrüger«, sagte der Indianer, »ich sehen keine Wolke, ich bringen Wolke.«

»Gut, gut«, sagte der Oberst, »du bist ein alter Freund und sollst den Rum haben, weil du so sehr darum bittest. Aber merke es dir, nicht für den Regen. Der große Geist sandte den Regen, nicht du.«

»Gut«, sagte der Indianer, »dein Tabak haben Regen auf sich. Warum andere keinen? Beantworte das, Oberst, wenn du kannst.«

Obwohl die nordamerikanischen Indianer nie Götzendiener waren, so sind sie doch, wie jedes unwissende Volk, äußerst abergläubisch. Einige ihrer abergläubischen Ansichten, die mit der Religion in Verbindung stehen, sind sehr sonderbar, da sie so viel Ähnlichkeit mit den Berichten der mosaischen Religion über die Schöpfung und Sintflut haben, dass kaum ein Zweifel übrig bleibt, dass sie auf irgendeine Weise eine Übertragung dieser Begebenheiten erhalten haben.

Da jedoch die Kunst zu schreiben unter ihnen gänzlich unbekannt war, so ist es zu verwundern, dass eine Ähnlichkeit in den Überlieferungen so viele Jahrhunderte lang bewahrt worden sein soll.

Die verschiedenen Stämme haben, wie zu erwarten steht, ihre eigenen besonderen Arten von Aberglauben, aber alle stimmen darin überein, dass sie an ein allweises, höchstes Wesen glauben, das sie den Großen Geist oder den Herrn des Lebens nennen; dass er die Welt und alle guten Dinge geschaffen hat, und dass er gute Handlungen sowohl in dieser als auch in jener Welt belohnt.

Ihr Himmel oder der Platz für die Belohnungen ist ihrer Einbildung nach ein herrlich warmes Land, wo es Wild von allen Gattungen in großem Überfluss gibt, wo Korn und Früchte wachsen, ohne dass man die Mühe hat, es anzubauen.

Ihrer Vorstellung nach ist der Platz der Strafe ein außerordentlich kaltes Land. Derselbe ist gänzlich wüst und mit

ewigem Schnee bedeckt. Die Qualen dieses kalten Ortes werden von ihnen als ungeheuer geschildert. Jedoch glauben sie auch, dass diejenigen, welche dorthin kommen, bloß eine Zeit lang und nach Verhältnis ihrer Vergehen leiden müssen, und dass sie dann in das Land des Glücks zugelassen werden.

Einige der Indianerstämme beobachten jährlich eine religiöse Zeremonie, für welche stets große Vorbereitungen getroffen werden. An dem zu derselben Zeit bestimmten Morgen erscheint in der Entfernung ein Mann, welchen sie Nu-mock- muck-a-nah nennen, was so viel wie der erste und einzige Mann bedeutet. Er tritt langsam und mit großem Ernst in das Dorf ein und sagt dem versammelten Volk, dass er eben von Westen angekommen sei. Sein Körper ist rot bemalt, seine Kleidung ist aus weißen Wolfshäuten gefertigt, sein Kopfschmuck besteht aus Rabenfedern, und in der Hand trägt er eine ungeheure Pfeife. Bei seiner Annäherung wird das Medizinzelt, welches bis dahin auf das Gewissenhafteste verschlossen war, geöffnet, und der Fußboden desselben wird mit grünen Weidenzweigen und den wohlriechendsten Kräutern, die gesammelt werden können, bestreut. Dasselbe wird gleichfalls auf das Sonderbarste mit Menschen- und Büffelschädeln verziert.

Der erste Mann begibt sich nun in jedes Zelt oder Wigwam, aus welchen das Dorf besteht, und verlangt von jedem ein Messer, eine Axt oder irgend sonst ein Werkzeug, und diese werden bereitwillig hergegeben, um geopfert zu werden. »Denn, mit diesen Dingen« sagen sie, »wurde das Große Kanu gebaut.« Hierauf werden diese Artikel im Medizinzelt mit großer Verehrung niedergelegt, bis sämtliche Zeremonien vorüber sind, und dann werden sie dadurch, dass man sie in das Wasser wirft, geopfert.

Bei Sonnenaufgang des folgenden Morgens öffnet Nu- mock-muck-a-nah das Medizinzelt und tritt in dasselbe ein. Eine Anzahl junger Männer folgt ihm, welche Letztere sich im vollkommensten Schweigen auf den Boden niederlegen und so lange fasten, bis ihre Kraft beinahe erschöpft ist. Hierauf unterwerfen sie sich freiwillig den schrecklichsten Qualen, wodurch jährlich mehrere umkommen. Aber diejenigen, welche am Leben bleiben, sind dadurch belohnt, dass sie sich den ehrenvollen Titel Tapfere erworben haben, und die Hoffnung auf diese Auszeichnung setzt sie in den Stand, die größten Schmerzen, ohne vor denselben zurückzuschaudern, zu ertragen. Der Zeremonienmeister tritt nun in das Zelt ein. Er ist gelb bemalt und trägt eine Mütze von Büffelhaut. Er empfängt die große Pfeife von dem ersten Mann, welcher unmittelbar das Zelt verlässt und nach dem Westen zurückkehrt, um bis zur nächsten jährlichen Feier nicht wieder zu erscheinen.

Während der ersten drei Tage werden verschiedene Tänze, seltsame Gesänge und Zeremonien gerade vor dem Medizinzelt von Personen, die für diese Gelegenheit fantastisch gekleidet und bemalt sind, aufgeführt. Sie werden um einen Erdhügel herum aufgeführt, welcher ungefähr sechs Fuß im Durchmesser hat und beinahe ebenso hoch ist, auf dessen Gipfel mit der größten Verehrung ein Modell des Großen Kanu aufgestellt wird.

Die hauptsächlichsten Akteure bei dieser Szene sind acht Personen1, welche verschieden bemalt und beinahe nackt sind, die aber alle Weidenzweige in den Händen tragen. Diese interessante Zeremonie findet gewöhnlich in der Jahreszeit statt, wo jener Baum seine vollen Blätter erlangt hat, denn die Indianer sagen: »Der Zweig, welchen die Taube in das Große Kanu brachte, hatte Blätter an sich.«

Sie betrachten diesen Vogel als heilig und versuchen es nie, denselben zu töten.

Am dritten Tage in all diesen Tänzen und Festlichkeiten scheint das Dorf plötzlich durch die Annäherung eines Mannes, welchen man dem Anschein nach in großem Zorn herumrennen sieht, in die äußerste Bestürzung zu geraten. Derselbe ist nackt und mit Ausnahme seines Gesichts, welches auf eine fürchterliche Weise mit Rot und Weiß beschmiert ist, schwarz bemalt. Er wird von den Indianern der Böse Geist genannt. Er läuft von Zelt zu Zelt und benimmt sich mit der größten Rohheit gegen alle, die er antrifft. Aber seine üblen Absichten werden immer durch den Zeremonienmeister vereitelt, welcher seine große Pfeife zwischen ihn und diejenigen, welche er angreift, hält. Zuletzt wird er gänzlich ausgetrieben und das Dorf wieder in den Zustand der Ruhe versetzt.

Show 1 footnote

  1. Die Anzahl der Personen, die in die Arche gingen