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Der Welt-Detektiv Band 6

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Gold Band 2 – Kapitel 10.1

Friedrich Gerstäcker
Gold Band 2
Ein kalifornisches Lebensbild aus dem Jahre 1849
Kapitel 10
Das Wiedersehen
Teil 1

Ein leichter Nebel lag am nächsten Morgen über dem Tal, der aber mit Sonnenaufgang als erquickender Tau niederfiel und der Luft eine eigene wunderbare Frische gab. Nur ein leiser, von den Sonnenstrahlen rötlich gefärbter Duft schwebte noch über dem engen Bergkessel, in dem das dunkle Grün des Zedernlaubes eine fast bläuliche Färbung annahm und die roten riesigen Stämme dieser stattlichen Bäume wie glänzende Säulen aus dem Waldschatten herausschimmerten.

So reizend aber auch die Natur und so friedlich sie da liegen mochte, so ganz verschieden war der Mensch, das edelste Geschöpf der Erde, wie er selbst so gern sich nennt – so wenig im Einklang stand er mit diesem duftigen Rosenschein, der an den Hängen lag, mit dem leise rauschenden Laub, dem murmelnden Bach. Hass, Neid, Zwietracht, Gier nach Gold, das waren die Leidenschaften, die dieses kleine geschäftige Volk erfüllten, und mit dem Bewusstsein, dass hier das edle Metall im Boden lag, hätten sie sich selbst ein wirkliches Paradies zur Hölle umgeschaffen.

Hetson – der Alkalde dieser wilden gemischten Völkerschar, war schon mit Tagesgrauen munter und auf, und mit der Unruhe, die ihn trieb, Näheres über den Stand der Dinge im Lager zu hören, fertig angezogen, den Sheriff aufzusuchen. Gern hätte er allerdings noch vorher mit Manuelas Vater gesprochen, der ihm gestern Abend keine Rede stehen wollte. Der alte Spanier schlief aber noch fest, und er verschob es auf eine andere Zeit – gingen ihm jetzt doch auch wichtigere Dinge im Kopf herum. Seine Frau bat er nur, mit dem Frühstück nicht auf ihn zu warten, und verließ das Zelt.

Mrs. Hetson hatte indessen wohl bemerkt, dass etwas Ungewöhnliches im Lager vorging, wenn sie auch die wahre Ursache nicht ahnte, und keineswegs an irgendeine Gefahr dachte. Aber sie fühlte sich auch glücklich, dass Hetson in den letzten Tagen sein schwermütiges Wesen fast ganz verloren hatte, ja eher fest und heiter wurde, und in der neuen Beschäftigung sich wohl und zufrieden zu bewegen schien. Er hatte eine Tätigkeit gewonnen, die ihm bis dahin durchaus gefehlt, und mit der Verantwortung, die er dabei zugleich bekommen hatte, stählten sich die schon fast erschöpften Geisteskräfte wieder und wich der düstere Schatten mehr und mehr zurück, der bis dahin schon einige Male gedroht hatte, sein Leben völlig zu umnachten. Nur Manuela war heute Morgen recht ernst und trüb gestimmt, denn mit dem letzten Abend tauchte aufs Neue die Sorge um den Vater auf. Dass jener Amerikaner, den sie mehr als irgendeinen Menschen fürchtete, ihr stilles Asyl hier aufgefunden hatte, beunruhigte sie am meisten. Nicht mit Unrecht hatte sie gefürchtet, dass er den schwachen Vater aufs Neue verleiten würde, sich seinem Rat, seiner Führung zu überlassen. Der letzte Abend, an dem sie ihn vergebens zur rechten Zeit erwartet hatte, lieferte ihr den Beweis, dass sie sich nicht geirrt hatte. Nur Hetsons Versicherung hatte sie in etwas beruhigt, dass er Siftly veranlassen würde, von jetzt an mit Don Alonso nicht mehr zu spielen.

Manuela, die mit inniger Liebe an Mrs. Hetson hing und sich jeder, wenn auch noch so ungewohnten Arbeit mit Freuden unterzog, hatte auch heute das Frühstück schon bereitet, aber vergebens damit auf ihren Vater gewartet. Sie und Mrs. Hetson verzehrten es zusammen. Immer noch kam weder Hetson zurück, noch ließ sich Don Alonso sehen, der sich scheute, der Tochter unter die Augen zu treten.

»Komm, Manuela«, sagte da Mrs. Hetson, »die Männer lassen uns heute ganz im Stich, sowohl dein Vater als auch Mr. Hetson, und ich denke, wir haben lange genug auf sie gewartet. Wir wollen deshalb ihr Frühstück warm stellen, und indessen einen Spaziergang machen, denn einen schöneren Morgen haben wir noch nicht gehabt, seit wir in den Bergen sind. Es ist zu wunderbar herrlich draußen, und wahrlich Sünde, solche Zeit im Zelt hier zu verträumen.«

»Aber Mr. Hetson …?«

»Hat seine Geschäfte, denen er nachgeht, und kümmert sich auch nicht um uns«, sprach die junge Frau lächelnd. »Deshalb darf er es auch uns nicht übel nehmen, wenn wir uns in der freien Luft ein Stündchen ergehen. Lieber Gott, was hat man denn anders in den Bergen hier, als eben die schöne, wirklich wunderbar schöne Natur?«

»Aber der Lärm, der gestern überall in der Stadt herrschte«, sagte Manuela besorgt.

»Fürchte nichts für uns«, sagte aber freundlich die Frau, »du bist vielleicht in deiner Heimat an andere Sitten gewöhnt, Manuela. Die Frauen sind aber unter den Amerikanern überall sicher, ja, sie würden in jedem, sei er sonst noch so roh und ungebildet, Schutz finden, sollten sie dessen überhaupt bedürfen. Deshalb nimm deine Mantille. Es ist außerdem die Frage, ob Mr. Hetson vor dem Mittagessen wieder nach Hause kommen wird, denn er sagte mir, dass er entsetzlich viel mit dem Sheriff abzumachen hätte. Kehren wir also nur zeitig zurück, das bereitzuhaben, werden wir schwerlich vermisst werden. Ich habe mich auch schon lange einmal danach gesehnt, einen der benachbarten Hügel zu ersteigen, von da den kleinen Ort, in dem wir leben, und den unsere neuen Landsleute etwas naiv und anspruchslos das Paradies genannt haben, zu übersehen.

 

***

 

Auf jener nämlichen Waldblöße, auf der damals der Sheriff mit dem Häuptling Kesos und den Mexikanern zusammentraf, hielt ein einzelner Reiter, der, abgestiegen von seinem Tier, mit dem rechten Arm auf dem Sattel desselben lehnte und die vor ihm ausgebreitete freundliche Szene überblickte.

Es war ein noch junger Mann mit offenen ehrlichen Zügen, das Gesicht stark sonnengebräunt, aber ohne Bart, mit braunem lockigen Haar und hellen blauen Augen. Seiner Kleidung nach gehörte er aber nicht den Amerikanern an, denn er trug einen braunen Rock von jedenfalls englischem, wasserdichtem Stoff, ein paar graue englisch-lederne Hosen und einen Panamahut – alles noch ziemlich neu und von Arbeit wenig mitgenommen.

Wohl eine Viertelstunde hatte er hier so gestanden, und das Pferd, das wahrscheinlich hungrig sein mochte, fing an, das Gras zu seinen Füßen abzubeißen, als es plötzlich den Kopf rasch emporwarf und dann laut aufwieherte. Ein anderes antwortete ihm nicht weit entfernt, und als sich der Fremde umwandte, um zu sehen, wer da käme, bemerkte er einen alten Mann in blauem Jeansfrack, wie ihn die amerikanischen Hinterwäldler gewöhnlich tragen, ein Stück roten Flanell als Gamaschen um den unteren Teil der Beine gebunden, und einen alten zerdrückten, schokoladenfarbigen Filzhut auf dem Kopf, der sein Pferd im Schritt dem schmalen, hier durch den Wald führenden Bergpfad folgen ließ. Auf der linken Schulter trug er dabei eine der langen amerikanischen Rifle und eine alte viel gebrauchte braunlederne Kugeltasche mit dem Pulverhorn außen dran, an der rechten Seite. Als er den Fremden übrigens bemerkte, hielt er ebenfalls, nickte ihm zu und stieg dann ruhig aus dem Sattel, wobei er nur den Zügel herunterwarf und das Pferd sich selber überließ.

»Schaut Ihr Euch die Aussicht an, Fremder?«, sagte er dabei, während er zu dem Erstgekommenen trat und neben ihm, auf seine lange Büchse gelehnt, stehen blieb. »Ja, es ist ein prächtiger Blick und tut kranken Augen wohl, so ein liebes Plätzchen hier in die Berge hineingedrückt zu sehen. Ich bin mir auch ein ganz Stück aus dem Weg geritten, nur um hier oben ein Viertelstündchen halten zu bleiben. «

»Es ist in der Tat ein wunderbar schönes Land«, erwiderte der Fremde mit tiefer klangvoller Stimme, »und jammerschade, dass es nur dazu dienen soll, seine Täler durch aufgewühlte Gruben entstellt zu haben, um das Gold herauszuwaschen.«

»Hoho«, sprach aber der Alte gutmütig und lachte dabei, »damit sind wir noch nicht fertig, und das ist nur der Anfang. Das Gold war ganz vortrefflich, die Leute hierher zu locken und Einwanderer ins Land zu bringen. Aber der Kern der Ackerbauer steckt in den wilden Burschen da unten, die sich jetzt nur die größte Mühe geben, ihren Tagelohn gleich selber aus der Erde herauszufischen, während sie später besser wissen werden, ihre Zeit anzuwenden.«

»Und glaubt Ihr wirklich, dass sich hier in Kalifornien je irgendjemand Zeit nehmen wird, einen Acker zu bestellen?«, fragte der junge Mann, ungläubig dabei mit dem Kopf schüttelnd.

»Da ist von Glauben keine Rede, Fremder!«, sagte aber der Alte, »das ist so sicher wie die Sonne, die dort drüben über den prachtvollen Zedern steht. Dem Land hier – so wild und abenteuerlich seine Bevölkerung auch jetzt aussehen mag, hat uns doch die ganze Welt ihre Abenteurer dazu herübergeschickt – blüht einmal eine große Zukunft, und es wird einst der hellste Stern in unserem Banner oder sein schlimmster Konkurrent.«

»Und wer möchte sich hier niederlassen – wer Frau und Kinder in dieses wilde Treiben bringen?«

»Jetzt wäre das freilich noch ein wenig früh«, gab der Alte lachend von sich, »und Frauen – obwohl unsere Backwoodsfrauen eben nicht verwöhnt sind – würden sich gerade nicht behaglich in dem Leben fühlen. Aber lasst noch ein Jahr vergehen und schaut dann, wie die Sache sich geändert hat. Schon jetzt könnt Ihr überall sehen, wie unsere rüstigen und spekulierenden Holzleute an den Ufern der verschiedenen Flüsse, an Stellen, wo Mühlen angelegt werden können, an Fahr- und Kreuzwegen ihre Blockhütten aufschlagen. Die Leute sichern sich dort das Vorkaufsrecht, und wenn sie jetzt auch nur schlechte Lebensmittel und erbärmlichen Brandy für schweres Geld an Reisende verkaufen, werden sie bald genug anfangen, den Acker anzulegen oder Mühlen und Sägewerke zu errichten. Einmal nur den Anfang gemacht, und Ihr glaubt gar nicht, Fremder, wie bald die Farmen ringsumher wie Pilze aus der Erde wachsen.«

»Ich glaube allerdings kaum, dass ich das sehen werde«, erwiderte der junge Mann. »Ich bin nur hierhergekommen, das wunderliche Land einmal zu durchreisen und vielleicht, um doch wenigstens den Versuch zu machen, hier und da einmal Gold zu graben. Aber ich könnte es mir nicht als meine künftige Heimat denken.«

»Ihr seid ein Engländer?«

»Ja.«

»Ihr habt was Seemännisches an Euch. Ich weiß nicht, woran es liegt, ob an dem Halstuch oder Hut oder der ganzen Gestalt, aber Ihr seht mir aus, als ob Ihr mehr an Bord eines Schiffes als auf einem Pferd zu Hause wäret – das Eure scheint sich überdies Schaden getan zu haben.«

»Ihr habt recht«, erwiderte der Fremde, »ich bin auch ein Seemann, und allerdings mit Schiffen besser vertraut als mit Pferden, obwohl ich sie ziemlich gut reiten kann. Das arme Tier hier hat sich aber, als wir heute Morgen zusammen über einen umgestürzten Baumstamm setzten, an einem herausstehenden Ast das Vorderbein verletzt, wenigstens eine tüchtige Fleischwunde davongetragen, und ich führe es jetzt, um es so viel wie möglich zu schonen. Allerdings kam mir der Zufall gerade jetzt sehr ungelegen, denn ich habe einen längeren Ritt vor, den mich das Pferd in seinem jetzigen Zustand nicht mehr tragen kann. «

»Ei, so tauscht es gegen ein anderes«, sagte der Amerikaner, der indes die Wunde untersucht hatte. »Es ist in der Tat weiter nichts als ein Fleischriss, und das Pferd sieht sonst brav und tüchtig aus. Wer es hier ein oder zwei Wochen ordentlich schonen kann – und die Weide im Wald kostet ja kein Geld – hat nachher immer wieder ein wackeres Tier. Ihr kommt vom Macalome, nicht wahr?«

»Allerdings.«

»Und gefiel es euch dort nicht mehr?«

»Du lieber Gott, es ist der eine Ort nicht schlechter als der andere«, sagte der Engländer. »In Wahrheit aber habe ich die Minen satt und will nach San Francisco zurückkehren, mich dort wieder einzuschiffen.«

»So gefällt Euch ganz Kalifornien nicht? Ich sollte aber doch denken, für einen alleinstehenden Mann wäre es ein prächtiges Land. Ein bisschen wild, ja. Wer sich aber so überdies haus- und heimatlos in der Welt herumtreibt wie ein Seemann, dem sollte es nicht darauf ankommen, es auch einmal ein Jahr an einem solchen Ort zu versuchen. Für einen Junggesellen gibt es kein besseres Land wie Kalifornien.«

»Und wie steht es mit Euch?«, fragte der Fremde, »habt Ihr keine Familie?«

Ein recht weher Zug zuckte über das wetterharte Antlitz des Alten, und ein tiefer Seufzer hob seine Brust. Endlich sagte er leise: »Ich hatte Familie, Fremder, und zwei so wackere Jungen, wie je ein Büchsenrohr entlang geschaut haben. Im letzten Mexikanischen Krieg fielen sie aber beide an einem Tag Seite an Seite, und meine Alte – den Schlag hat sie nicht verwinden können. Sie kränkelte von da an, bis wir sie auch hinausgetragen haben. Jetzt«, setzte er, die alte Erinnerung gewaltsam niederkämpfend, hinzu, »bin ich auch wieder Junggeselle, und wenn ich auch für mich selber weiter kein Leben vor mir habe, freue ich mich doch für unsere Jugend, wenn ich dieses blühende, tatkräftige und lebensfrische Land betrachte. Wir haben es uns teuer erkauft, denn es ist mit dem Blut unserer besten Herzen gedüngt, und manche, manche Träne hat es gekostet. Aber dafür halten wir es auch und kennen seinen Wert.«

Der Engländer hatte den Alten, während er sprach, mit tiefem Mitgefühl betrachtet. Als er ihn aber so ansah, kamen ihm die Züge desselben bekannt vor.

»Ich dächte doch, wir hätten einander schon irgendwo getroffen«, sagte er dabei. »Ich begegne Euch heute nicht zum ersten Mal.«

Der alte Mann lächelte. »Hier in den Minen«, sagte er, »kümmert sich selten jemand um den Nachbar, und man läuft wochenlang nebeneinander hin, ohne nur zu fragen, wer es sei, mit dem man hier zusammengetroffen war. Allerdings sind wir einander schon begegnet, und zwar die ganze letzte Zeit drüben am Macalome, wo wir keine zweihundert Schritte voneinander an einem und demselben Bach gegraben haben. Ihr wuscht dort mit einem Amerikaner zusammen, der nachher krank wurde, während ich den Bach mit noch fünf anderen etwas weiter unterhalb abdämmte.«

»Ich erinnere mich jetzt«, sagte der Fremde, »und wollt Ihr jetzt hier Euer Glück versuchen?«

»Nein«, sagte der Amerikaner – »ich war nur früher hier und will jetzt am Macalome bleiben. Bin auch nur herübergekommen, um noch einige Sachen abzuholen, die hier zurückgeblieben waren. Womöglich kehre ich noch heute Nachmittag dorthin zurück. Geht Ihr jetzt mit in die Stadt hinunter?«

»Ich weiß es noch nicht«, erwiderte der Fremde.

»Am Anfang hatte ich allerdings die Absicht, mich hier nicht aufzuhalten. Nach dem Unfall mit meinem Tier hänge ich aber von diesem ab, denn ich bin ein erbärmlich schlechter Fußgänger.«

»Wie alle Matrosen«, gab der Alte lachend von sich, »lasst es aber hier nicht zu lange ruhen, dass es nicht steif wird, sonst bringt Ihr es gar nicht fort. Ich denke übrigens wohl, dass Ihr dort unten einen Käufer dafür findet.«

»Desto besser; wo nicht, so arbeite ich lieber so lange hier in der Gegend, bis es sich ausgeheilt hat, muss mir dann aber freilich erst einen Kompagnon suchen, denn ich habe meine Waschmaschine und mein Werkzeug schon am Macalome verkauft.«

Der alte Mann hatte ihm, während er sprach, ruhig zugehört. Als der junge Fremde schwieg, sagte er freundlich: »Wollt Ihr mir es nicht übel nehmen, wenn ich Euch einen guten Rat gebe?«

»Wahrlich nicht, im Gegenteil, ich werde Euch herzlich dankbar dafür sein.«

»Gut – so lasst Euch nicht viel mit den Leuten da unten ein. Ihr werdet nur wenige oder gar keine von Euren Landsleuten dort treffen und bald herausfinden, dass die Amerikaner eben ein nicht günstiges Vorurteil über Euch haben.«

»Über uns Engländer?«

»Ja. Es geht das Gerücht um, dass von Australien eine Anzahl deportierter Verbrecher von der englischen Regierung hier herübergeschafft wären. Ich weiß nicht, ob es wahr ist, und kann es mir auch eigentlich kaum denken. Nichtsdestoweniger gibt es aber gerade unter meinen Landsleuten eine Menge raues und wüstes Volk, denen solche Gerüchte stets willkommen sind, ihren durch Nichts gerechtfertigten Hass gegen die Fremden auslassen zu können. Besonders die Engländer hassen diese, und es ist besser, ihnen aus dem Wege zu gehen, da sie gewöhnlich wie die Kletten zusammenhängen. Der Einzelne hat kein rechtlich und offenes Spiel mit ihnen.«

»Ist an diesem Ort schon etwas Derartiges vorgefallen?«

»Gegen Engländer wohl nicht, soviel ich wenigstens weiß, aber wenn das wahr ist, was mir heute Morgen unterwegs ein von hier kommender Deutscher erzählte, so sind hier in den letzten Tagen einige fatale Geschichten zwischen Amerikanern und Fremden passiert, die eben nicht dazu dienen werden, die Leute günstiger gegeneinander zu stimmen.«

»Eine eigene Unruhe scheint in dem Lager zu herrschen«, sagte jetzt der Fremde, der eine Weile gedankenvoll hinabgeschaut hatte. »Was für ein Trupp von Leuten mag das dort drüben an dem Berghang sein? Von hier sieht es fast wie Militär aus.«

»Das sind Mexikaner«, sagte der Alte. »Ihr könnt ihre Packsättel dort rings in weitem Kreis den Platz umgeben sehen. Ich weiß auch nicht, was sie dort alle zusammengedrängt machen, denn für einen Gütertrupp sind es ihrer zu viele. Auch die Indianer haben sich in Masse hier auf den Hang gezogen. Seid Ihr keinem von ihren Trupps begegnet.«

»Ja, zwei von vierzig oder fünfzig Mann. Aber sie schienen friedlich. Auch waren mehrere Mexikaner bei ihnen.«

»So? Hm – dann wäre ja am Ende doch nicht alles so im Lager, wie es gerade sein sollte.«

»Wie meint Ihr das?«

»Nun wir werden ja sehen, wenn wir hinunterkommen. So, good bye! Wenn Ihr denn Euer Pferd hier oben noch ein wenig wollt rasten lassen – Ich wünsche Euch alles Gute.«

Er reichte dabei dem Engländer die Hand, die dieser herzlich schüttelte und dabei rief: »Tausend Dank für Eure freundlichen Worte. Wären alle Amerikaner wie Ihr, es würde wohl nimmer ein Zank zwischen den beiden verschwisterten Nationen entstehen.«

»Nun, Ihr wisst ja wohl, Geschwister kampeln sich gern miteinander«, erwiderte der alte Mann. »Es hat aber selten viel zu sagen, und ich hoffe, das soll auch hier bei uns der Fall sein. Aber ich will machen, dass ich hinunterkomme.« Und mit den Worten stieg er wieder langsam in den Sattel, warf noch einen Blick über das freundliche, vor ihm ausgebreitete Tal, nickte dem Fremden zu und hielt dann schräg den ziemlich steilen Hang hinunter, der von dem Berg abwärts in die Flat führte.

Der Engländer nahm jetzt seinem Pferd Zügel und Sattel ab und führte es dann sorgsam eine kurze Strecke seitab an eine Stelle, wo eine Quelle aus dem Felsen sickerte und ringsum frisches saftiges Gras hervorgerufen hatte. Dort ließ er es frei, sich eine Zeit lang auszuruhen, zu fressen und zu saufen. Er selber lagerte sich dann oben unter einen der dichten Rotbeerbüsche, die den größten Teil des Unterholzes bildeten. Mit dem freundlichen Tal vor sich, den Kopf in die Hand gestützt, überließ er sich sinnend seinen eigenen Gedanken.