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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Fahrten und Abenteuer des kleinen Jacob Fingerlang 7

Die Fahrten und Abenteuer des kleinen Jacob Fingerlang
Ein Märchen von Gotthold Kurz
Nürnberg, bei Gottlieb Bäumler 1837

Siebentes Kapitel

Jacobs Kampf mit einem Ungeheuer

Aber ein Zuschauer, an den man nicht unter den vielen übrigen gedacht hatte, stand hinter dem Kreis auf einem nahen Holzstoß mit großen funkelnden Augen und behaarten Tatzen. Es war der Kater des Wirts, ein gewaltiger Jäger, der Schrecken des kleinen Gewilds, der hier willkommene Beute ersah, und eben jetzt zum Sprung sich anschickte! Das wurde noch zu rechter Zeit vom Mäuschen bemerkt, das nun husch, mit einem gewaltigen Satz vom Tisch herabsprang und durch die Beine der Umstehenden auf und davon rannte. Der Kater ihm nach. In flüchtigem Lauf ging es über Weg und Steg ins dichteste Saatfeld hinein, dass dem sattelfesten Reiter Kopf und Glieder von den Halmen weidlich zerdroschen wurden. Er wusste nicht, wie ihm geschah, zog die Zügel an, sprach seinem Tierchen zu, es half nichts!

Jede Zucht verachtend schoss es dahin, immer vom Feind verfolgt, bis es endlich ein Erdloch ersah, den Reiter abwarf, und mit Sattel und Zeug hineinschlüpfte. Fort war die Maus!

Jacob aber merkte jetzt erst, was es für eine Bewandtnis mit der Sache habe. Denn riesen­groß bäumte sich der Unhold vor ihm auf und schickte sich an, ihn zu verschlingen. Ach wie gerne wäre Jacob seinem Mäuschen ins Loch nachgeschlüpft, aber der Feind hatte ihm den Weg verrannt und schien sich für das entsprungene Ross an dem Reiter entschädigen zu wollen. Seine Lage war verzweifelt. An Entfliehen war so wenig als an Rettung zu denken, und der grimmige Gegner, knurrend, mit wedelndem Schweif auf der Erde kauernd, ließ ihn nicht aus den Augen. Ader bald ermannte er sich. Ein Lichtblitz fiel in seine Seele.

»Und soll ich denn wirklich deine Beute werden, du Bestie«, rief er aus, »so mag es dir wenigstens teuer zu stehen kommen.« Und heraus fuhr er aus der Scheide, mit seinem kleinen Schwert, und setzte sich in Positur, dem Kater die Spitze bietend. Dieser tat jetzt einen gewaltigen Satz nach ihm, dem er aber durch eine geschickte Seitenwendung glücklich auswich. Neue Angriffe, neues Ausweichen, bis er sich den Vorteil ersehen hatte. Jetzt aber ging er mit einem Mal von der Verteidigung zum Angriff über, und dem Feind mit raschen Kreuz- und Quersprüngen so herzhaft zu Leibe, dass dieser über die ungewöhnliche Wehrhaftigkeit seines Opfers ganz stutzig wurde und dann mit desto größerer Wut den Kampf erneuerte. Es wäre wohl ein schrecklicher Anblick für einen zweiten Fingerlang gewesen, wie sich das blutdürstige Ungeheuer mit sträubendem Haar und rollenden Augen bald klafterhoch aufbäumte, und auf den Gegner hereinsprang, bald knurrend und lauernd den Kopf zum Boden senkte und die Krallen weit ausreckte zum jähen Fang. Auf eine solche Stellung aber hatte es Jacob im Gefecht eben abgesehen. Wie ein Blitz fuhr er jetzt seitwärts herbei und stieß ihm das Schwert in das Zorn sprühende Auge. Der Kater fuhr mit einem grässlichen Schrei zurück und wälzte sich vor Schmerz auf dem Boden. Im Augenblick darauf fuhr er aber aus mit der Pfote. Es gelang ihm den Unglücklichen zu packen, er riss ihn an sich – armer Fingerlang!

Aber o Wunder, im Augenblick der höchsten Not ersah sich der unerschrockene Jäger seinen Vorteil und hieb ihm auch das zweite Auge zuschanden!

Der Kater ließ nun seinen Raub fahren, in großen Schmerz und Wut blind hin- und herfahrend.

Jacob zog sich an eine sichere Stelle zurück, bis sein Feind von selbst matt wurde, worauf er sich ihm noch einmal herzhaft näherte und ihm mit seiner guten Klinge den Gnadenstoß versetzte, sodass er röchelnd verschied.