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Felsenherz der Trapper – Teil 17.2

Felsenherz der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 17
Der kleine Kundschafter
Zweites Kapitel

Umzingelt

Inzwischen war auch Chokariga mit seinem Rappen und dem Verwundeten am Fuße des Hügels angelangt.

Da meldete sich der noch immer unsichtbare Sprecher von der Spitze des Hügels von Neuem.

»Mr. Felsenherz, ich hoffe, dass Ihr unsere Warnung nicht in den Wind schlagt! Wir fünf schießen jeden nieder, der sich der Hügelspitze nähert! Macht also kehrt und lagert Euch dort unten an der Westseite der Kuppe in den Büschen. Wir werden Euch die Apachen schon vom Leibe halten! Das Gewölk verzieht sich immer mehr, und wenn erst der Vollmond ungehindert scheint, kommt keine Rothaut an Euch heran, so wahr ich Tim Brax heiße und von den Apachen Watsipao, der Nasenlose, genannt werde.«

Felsenherz hatte von diesem Tim Brax schon sehr viel gehört. Brax war ebenfalls Trapper, jagte aber zumeist in den unwirklichsten Teilen der Sonora und war als menschenscheu bekannt.

Der blonde Jäger, der wohl einsah, dass hier mit Gewalt nichts auszurichten war, kehrte denn auch wirklich um.

Der Comanche suchte in den am Westabhang des Hügels wuchernden Büschen einen passenden Lagerplatz aus, und wenige Minuten später waren die Pferde und der verwundete Knabe auf dieser kleinen freien Stelle dicht an der Felswand untergebracht.

Tim Brax behielt recht. Die Wolken verschwanden gänzlich, und die Apachen hielten sich daher auch in respektvoller Entfernung.

Nun wurde der bewusstlose Knabe nochmals verbunden. Chokariga wusch die Wunde aus und legte einen Brei von zerquetschten Wegerichblättern auf, deren kühlende und heilende Wirkung auch in Europa schon im Mittelalter bekannt war.

Der Knabe erwachte nach einer Weile. Der Mond beschien sein offenes, jetzt etwas bleiches Kindergesicht und den schmerzvoll zusammengepressten Mund.

»Hast du arge Schmerzen, mein Junge?«, fragte Felsenherz mitleidig.

»Ja!«, stöhnte der Knabe. »Master Felsenherz – ich flehe Euch an: Rettet die Ansiedlung! Es sind gegen hundert Apachen im Anzug, und etwa vierzig halten den Mospara-Berg am Südufer des Sees besetzt und bauen Flöße.«

»Wie heißt du denn, mein kleiner Bursche?«, fragte Felsenherz freundlich, indem er dem Knaben zunächst den mit Wasser gefüllten Blechbecher an die Lippen setzte und ihn trinken ließ.

»Edward Smitson«, erwiderte der Junge dann. »Mein Vater Albert Smitson ist der Gründer der Ansiedlung im Charikahua-See. Vor vier Monaten trafen wir mit acht Ochsenwagen dort ein. Wir sind englische Auswanderer und zählten insgesamt 24 Köpfe, davon zehn Männer. Ein Trapper namens Channing war unser Führer. Er riet uns, die über eine halbe Meile lange, fruchtbare Insel zu besiedeln, da die Apachen dort nie hinkämen. Der See ist bei ihnen verrufen. Vor drei Tagen zeigten sich dann die ersten Apachen am Südufer, erschossen zwei von unseren Männern und zogen sich auf den Mospara-Berg zurück, weil mein Vater sie mit dem großen Flachboot, unserer schwimmenden Festung, angriff. Ich erbot mich, als Kundschafter die Umgegend des Sees abzusuchen und festzustellen, ob sich noch mehr Apachen näherten. Ich wäre dem anrückenden Trupp auch in die Hände gefallen, wenn der Häuptling mich nicht im letzten Augenblick gerettet hätte.«

Er schwieg erschöpft.

Da meldete sich Tim Brax wieder von der Spitze des Hügels.

»He – Mr. Felsenherz, ich werde Euch an einem Lasso einen Trank hinablassen, den Ihr dem kleinen Burschen eingeben sollt, damit er das Wundfieber leichter übersteht.«

Wirklich kam denn auch an einen Lederriemen eine Flasche herab, und Felsenherz zögerte nicht, von deren Inhalt den Knaben trinken zu lassen.

Dann rief er Brax zu: »Hört mal, Tim Brax, weshalb wollt Ihr uns eigentlich zwingen, hier unten auszuharren? Es ist wenig kameradschaftlich von Euch, dass Ihr …«

»Spart Eure Worte«, unterbrach Watsipao ihn. »Wir raten Euch, recht bald Eure Flucht fortzusetzen. Der neue Tag zieht schon herauf. Seht zu, dass Ihr an den See hinabgelangt. Die Apachen sind durch unsere Schüsse nach Norden verscheucht worden. Der Weg nach Süden ist offen.«

Chokariga, der bisher am Westrand der Büsche Wache gestanden hatte, glitt jetzt lautlos herbei.

»Das Bleichgesicht rät das Richtige«, sagte er zu Felsenherz. »Mein Bruder mag seinem Fuchs die Kugel aus dem Schenkel schneiden. Ich werde einen Verband herstellen.«

Das kluge Tier ließ ohne Widerstand die kleine Operation vornehmen. Die Kugel saß dicht unter der Haut und es war nicht weiter schwer, sie zu entfernen.

Gleich darauf brachen die beiden Freunde auf.

Edward Smitson wurde auf dem Rappen in bequemer Lage festgebunden, und dann ging es in raschem Schritt das breite Tal weiter abwärts. Tim Brax hatte sich nicht mehr gemeldet und auch Felsenherz’ Abschiedsgruß nicht beantwortet.

Bis zum Seeufer hinab waren es noch etwa eine Meile. Die beiden berühmten Westmänner hatten davon aber kaum die Hälfte zurückgelegt, als aus einer Seitenschlucht ein berittener Apachentrupp, etwa dreißig Krieger, hervorsprengten.

Die Lage der Freunde war verzweifelt. Mit dem verwundeten Knaben und dem stark hinkenden Fuchs schien eine Flucht unmöglich. Außerdem gab es auf dreihundert Yards nicht die geringste Deckung. Keine Baumgruppe, keine Felsanhäufung bot hier auf der kahlen Talsohle Deckung.

Nur eins kam den beiden den Apachensatten: ihr Ruf als unfehlbare Schützen und gefährliche Gegner im Nahkampf! Oft genug schon hatten die Apachen, ihre erbittertsten Feinde, böses Lehrgeld gezahlt, wenn sie geglaubt hatten, Felsenherz und der Schwarze Panther könnten ihnen nicht mehr entgehen. Oft genug schon hatten die beiden sich in der Gewalt dieses wilden indianischen Reitervolkes befunden und waren dem ihnen zugedachten Marterpfahl doch immer wieder entgangen.

Diese Furcht vor den nie fehlenden Büchsen der berühmten Jäger zeigte sich auch jetzt in der Art, wie die Apachen den Angriff unternahmen.

Der zuerst dicht geschlossene Haufen der heranjagenden Rothäute breitete sich zweihundert Yards vor den Westmännern, die hinter ihren Pferden, die Büchsen im Anschlag, Posto gefasst hatten, fächerartig aus und bildete einen Kreis um die kleine Gruppe von Tieren und Menschen.

Kein Schuss fiel. Felsenherz und Chokariga sparten ihre Kugeln für einen kritischeren Zeitpunkt auf und begnügten sich damit, die Feinde im Auge zu behalten, die ihrerseits nur zur Hälfte mit schlechten Steinschlossflinten, sonst mit Pfeil und Bogen bewaffnet waren. Keiner der Apachen wagte es, den Umringten sich bis auf Schussweite zu nähern.

So verstrichen wohl fünf Minuten, ohne dass etwas Besonderes sich ereignete.

»Mein Bruder Felsenherz wird sehr bald das Kriegsgeschrei eines größeren Apachentrupps vernehmen«, sagte da der Häuptling verächtlich. »Die feigen Kröten der Pimos wollen uns hier nur festhalten, bis ihre Verstärkung heran ist. Wir werden die Zügel unserer Pferde um den Arm schlingen und zum See hin durchzubrechen versuchen.«

Es war das in der Tat das einzige Mittel, den Feinden zu entgehen. Felsenherz mit seinem blessierten Fuchs schritt nun voran, die treue Büchse halb erhoben.

Die Apachen wichen aus. Ihr Kreis bewegte sich im selben Tempo vorwärts wie die beiden Freunde.

Dem blonden Trapper war das Verhalten der Rothäute jetzt ein Rätsel. Es lastete auf ihm wie die Vorahnung eines Unheils, das weder sein roter Bruder noch er richtig abschätzen konnten. Dieses fast unheimliche Schweigen, mit dem die Apachen den Zurückweichenden sozusagen das Geleit gaben, schien ihm auf irgendeine indianische Teufelei hinzudeuten. Aber umsonst zergrübelte er sich den Kopf, was die blutgierigen, rachsüchtigen Feinde planen könnten. Daran, dass sie Verstärkung erwarteten, wie Chokariga annahm, glaubte er nicht.

So ging es denn Schritt für Schritt vorwärts dem Charikahua-See entgegen. Das Tal machte unweit des Seeufers noch eine letzte Krümmung. Die Aussicht nach dem großen Gewässer hin war daher den Freunden seit einer Weile versperrt.

Als sie sich jetzt der Biegung immer mehr näherten, wo die Talwände bis auf etwa hundertfünfzig Yards zusammentraten, löste sich der Kreis der Feinde auf und bildete nur noch zwei Trupps von je fünfzehn Mann, die nun vor und hinter den Flüchtlingen, wie bisher der menschliche Ring, in steter Bewegung blieben.

Felsenherz hatte die Krümmung kaum hinter sich, als er auch in vielleicht fünfhundert Yards Entfernung auf dem im Sonnenlicht glitzernden Spiegel des Sees ein großes, plumpes Fahrzeug mit zwei Masten bemerkte, welches, ähnlich einem Fährschiff gebaut, vorn und hinten je eine feste Blockhütte mit flachem Dach und rundum eine hohe Brustwehr besaß. Auch die Dächer der Blockhütten waren von solchen Brustwehren umgeben und bildeten daher gleichsam zwei Verteidigungstürme auf dem Deck. Ohne Zweifel war dies das Flachboot, von dem der tapfere kleine Edward Smitson gesprochen hatte.

Hinter den Brustwehren sah der blonde Trapper die breitrandigen Strohhüte und Filzhüte mehrerer Ansiedler, sah auch einmal ein bärtiges Gesicht auftauchen.

Er pries es als einen glücklichen Zufall, dass das Boot dem Ufer so nahe war. Durfte man doch hoffen, dass die Ansiedler die Apachen durch Schüsse verjagen und es so den drei Umzingelten ermöglichen würden, schwimmend an Bord zu gelangen.