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Marshal Crown – Band 33

In Texas wartet der Tod

San Jacinto, Texas

21.April 1836

Der Wind, der sanft über die grasbewachsene Ebene am San Jacinto River strich, fing sich nicht nur in den Bäumen und verlor sich über den niedrigen Landrücken entlang des Flusses, sondern trug auch den Hufschlag galoppierender Pferde und das Rufen und Brüllen von Männern heran.

»Hört ihr das?«, stieß Sargento Pablo Garcia hervor und richtete sich unvermittelt auf.

Die anderen Soldaten, die noch bis vor wenigen Augenblicken zusammen mit dem Unteroffizier um das Lagerfeuer herum auf dem Boden gelegen hatten, hoben schläfrig die Köpfe und musterten ihn ungläubig.

»Madre de Dios«, sagte einer der Soldaten.

»Was ist los mit dir, Sargento? Es ist Siestazeit, also was soll die Aufregung um ein paar herankommende Reiter?«

Hektisch deutete Garcia in die Richtung, aus der die Geräusche kamen. »Habt ihr Bohnen in den Ohren? Das sind nicht nur ein paar Reiter, das ist eine ganze Kavallerieeinheit!«

»Na und?«, sagte der Soldat, der inzwischen ebenfalls auf die Füße gekommen war. »Das werden die Unseren sein. Niemand ist so verrückt und greift General Castillons Kommando an, nicht einmal diese verdammten Texaner.«

Garcia sagte nichts, stattdessen zog er seinen Feldstecher aus dem Koppel und richtete ihn auf das gegenüberliegende Flussufer.

Der Sargento stieß einen Grunzlaut aus und zuckte zusammen, als er die ersten Reiter erkannte, die in gestrecktem Galopp durch die Fluten des San Jacintos ritten.

Texaner!

Ein Offizier ritt an der Spitze gefolgt von einem Fahnenträger. Die Fahne war ein blaues Banner mit einem gelben Stern in der Mitte. Garcia ahnte zu diesem Zeitpunkt nicht, dass der Mann niemand anderes als Colonel Mirabeau Lamar war und diese Flagge drei Jahre später die Nationalflagge der Republik Texas sein würde.

Er hörte nur noch, wie der Offizier den Feuerbefehl gab und dann das Krachen von Dutzenden von Gewehren.

Neben ihm warfen mehrere Soldaten die Arme hoch und brachen getroffen zusammen, während vor ihnen ein Hornist unablässig zur Attacke blies und Dutzende von Kehlen immer wieder dieselben Worte brüllten: »Remember the Alamo, Remember Goliad!«

Kugeln pfiffen über Garcia und seine Männer hinweg. Dichter Staub wallte auf, als Lamars Schwadron das Lager der Mexikaner erreicht hatte.

Der Sargento hob seinen Colt und zielte auf den Offizier an der Spitze.

Im gleichen Moment traf ihn eine Kugel mitten in die Stirn.

 

*

 

Das Krachen der Gewehre war verklungen und der Gefechtslärm verstummt.

Jetzt war nur noch der Siegesjubel der Texaner zu hören, der sogar das Rauschen des Wassers und das Stöhnen und Röcheln der geschlagenen Mexikaner übertönte, die in ihren blutbesudelten Uniformen überall am Fluss lagen.

Der Pulverdampf, der in dichten, stinkenden Schwaden über das Schlachtfeld zog, lichtete sich zögerlich und gab den Blick auf die vielen Toten nur allmählich frei.

Hunderte von leblosen Gestalten, die zu beiden Seiten des San Jacintos den Boden fast vollständig bedeckten und deren Hände noch im Tod ihre Waffen oder irgendwelche Regimentsbanner umklammert hielten. Ihr Blut färbte das braune Wasser des durch die Regenfälle der letzten Tage angeschwollenen Flusses purpurrot.

»Es ist vorbei«, sagte Sam Houston, winkelte das linke Bein an und strich zum wiederholten Mal über die schmerzhafte Wunde am Fußgelenk, die er sich während der Kampfhandlungen zugezogen hatte.

»Yeah, General«, sagte Sion Bostik, einer seiner Kundschafter.1 »Wir haben gewonnen, der Krieg ist zu Ende.«

»Der Krieg schon, aber nicht der Kampf.«

Der Kundschafter drehte den Kopf und sah Houston fragend an. »Wie? Das verstehe ich nicht ganz. Wir haben die Mexikaner doch geschlagen, oder?«

Houston legte seine Hand mit einer väterlich anmutenden Geste auf die Schulter von Bostik und lächelte milde. »So habe ich das auch nicht gemeint, Sion. Als ich Kampf sagte, dachte ich nicht an eine weitere Schlacht, sondern an die Anstrengungen und all die Mühen und Nöte, die uns noch bevorstehen, wenn wir diese junge Nation weiterhin am Leben erhalten wollen. Ich weiß nicht, ob wir das schaffen, denn diese Aufgabe wird uns unsere ganze Kraft kosten. Zuerst brauchen wir eine Armee und Männer mit einem Stern auf der Brust, die das Gesetz vertreten. Denn wenn das hier vorbei ist, werden die ganzen Freiwilligenbataillone aufgelöst und die Männer kehren wieder nach Hause zurück. Dabei sind wir immer noch von allen Seiten von Feinden umgeben, Mexikaner, Indianer und Comancheros, dieses weiße Gesindel, das im Krieg mit ihren schmutzigen Geschäften ein Vermögen verdient hat. Dann brauchen wir Straßen und Wege, auf denen man all das, was die Menschen in diesem Land benötigen, bis selbst in den hintersten Winkel von Texas transportieren kann. Aber vor allen Dingen brauchen wir Siedler, Menschen, die das Land urbar machen und es zivilisieren. Ich weiß nur noch nicht, wie, die Staatskassen sind leer.«

»Das wird sich schon ergeben, in Texas wohnen schließlich genug rechtschaffene Leute.«

»Aber nicht genug, um auf die Dauer alle Probleme zu bewältigen. Wir brauchen mehr Menschen in diesem Land und damit meine ich nicht ein paar Hundert, sondern Tausende.«

»Und woher wollen Sie all diese Menschen nehmen ohne Geld?«

»Aus dem Osten, dort gibt es genug, die nur auf eine Chance warten, um der Enge ihrer stinkenden Städte zu entkommen. Außerdem habe ich gehört, dass momentan an der Ostküste die Banken durch Fehlspekulationen in Schwierigkeiten geraten sind und kaum noch einer Geld hat. Glaub mir, die Leute werden sich darum reißen, wenn sie hören, dass sie hier in Texas ein eigenes Stück Land mit fruchtbarem Boden erwartet. Erst recht, wenn sie wissen, dass es sie nicht mehr kostet als eine Gebühr, die geringer ist als der Obolus, den sie Monat für Monat entrichten, um in den Städten in ihren dunklen Löchern hausen zu können.«

Bostik verzog das Gesicht, als hätte er in einen faulen Apfel gebissen.

»Was wollen Sie mit diesem Volk aus dem Osten? Texas ist ein wildes Land, diese Städter werden hier eingehen wie Grammagras in der Trockenzeit.«

»Mag sein, aber manche werden es schaffen und den Winter überleben. Und genau diese Menschen brauchen wir. Sie werden das Salz dieser Erde sein und aus Texas das machen, was es eigentlich schon immer war, nämlich das großartigste Land auf der ganzen Welt!«


Die vollständige Story steht als PDF, EPUB, MOBI und AZW3 zur Verfügung.

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  1. Sowohl Houstons Wunde als auch die Person des Kundschafters sind historisch belegte Tatsachen. Bostik war es, der Santa Anna, den Präsidenten Mexikos und den Befehlshaber der von Houston geschlagenen Armee, zusammen mit einigen anderen Männern einen Tag später im Uferschilf des San Jacintos gefangen nahm.