Heftroman der

Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Schwäbische Sagen 56

Schwäbische-Sagen

Der Balinger Brand
Eine mündliche Überlieferung aus Balingen

Im Jahre 1809 brannte Balingen zum fünften Male ganz ab. Der Blitz schlug ein, und obwohl kein Wind ging und man Wasser genug hineingoss, so griff das Feuer doch mit wunderbarer Macht um sich und war gar nicht zu löschen.

Die Leute der Umgegend sagen, dieser Brand sei eine Strafe gewesen, weil die Balinger am Peter- und Paulstag Heu gemacht hätten.

Man erzählt auch noch: Ehe der Blitz eingeschlagen, sei eine Schwalbe vor dem Fenster eines Schullehrers ängstlich hin- und hergeflogen. Dieser habe das Fenster geöffnet, und so wie er seine Hand nach der Schwalbe ausgestreckt hatte, habe der Blitz gezündet.


Der Hammel an der Steinlach
Eine mündliche Überlieferung aus Balingen

Es ging einmal ein Mann mit seinem Hund an der Steinlach hin und sah am anderen Ufer des Flusses einen schönen Hammel.

Nur mit Mühe ließ der Hund sich zurückhalten. Er wollte beständig hinüber. Endlich entkam er auch wirklich seinem Herrn, sprang durch das Wasser und stürzte auf das Tier los. Wie der Hund aber dem Hammel so nahe war, dass er ihn hätte packen können, wandte er sich um, lief dann abermals und abermals hin und kehrte in der Nähe des Hammels jedes Mal wieder um. Da ging der Mann selbst über den Bach, um das schöne, herrenlose Tier womöglich einzufangen. Allein wie er ihm bereits so nahe gekommen war, dass er ihn fassen konnte und er die Hände schon nach ihm ausstreckte, war der Hammel ihm sogleich entrückt, lief aber noch immer dicht vor ihm her. Nachdem der Mann auf die Art eine gute Weile lang sich vergeblich abgemüht hatte, sah er plötzlich, wie der Hammel vor seinen Augen sich in ein prächtiges Stück Rind­vieh verwandelte. Auch dies verfolgte er eine lange Strecke auf der Straße; aber umsonst. Kurz vor Balingen wurden endlich aus diesem Rind drei Reiter, die in die Stadt ritten.


Der Reiter vor Rotenburg
Eine mündliche Überlieferung aus Horb

Zwei Frauen fuhren in der Nacht von Riedlingen nach Roten­burg durch den Rammertwald und bemerkten unterwegs, dass ein Mann zu Pferde ihren Wagen beständig begleite. Da sagte die eine Frau zu ihm: »Es ist ja schön, dass wir hier im Wald einen so treuen Begleiter haben.«

Er aber sagte nichts darauf. Sie fragte ihn dann noch einige Male, bekam aber keine Antwort.

Da stieß die andere Frau ihre Gefährtin an und flüsterte ihr zu: »Ach Gott, sei doch still! Siehst du denn nicht, dass der Mann keinen Kopf hat?«

So kamen sie schweigend bis an das Tor vor Roten­burg, wo es jetzt nach Niedernau hinausgeht. Als der Torwart es geöffnet hatte und nach ihrer Einfahrt wieder schließen wollte, sagte die eine Frau: »Es wird gleich noch ein Reiter kommen, Ihr könnt das Tor nur offenlassen.«

»O, der ist schon oft da gewesen und geht niemals in die Stadt!«, sprach der Torwart und riegelte wieder zu.


Die Christnacht

1.
Eine mündliche Überlieferung aus Derendingen

Eine Wirtstochter hatte gehört, wer in der Christnacht um 12 Uhr zum Fenster hinausschaue, der könne sehen, was dem Haus im folgenden Jahr widerfahren werde, und guckte deshalb mit dem Schlag zwölf aus ihrem Fenster. Da sah sie eine schneeweiße Leiche mit großem Gefolge vorüberziehen und war nun überzeugt, dass jemand aus dem Haus sterben müsse. Ein halbes Jahr darauf wurde sie selbst krank und zwar so heftig, dass sie bald erkannte, sie habe in der Christnacht ihr eigenes Leichenbegängnis mit angesehen.

Und so war es auch, denn sie starb und erhielt ein sehr zahlreiches Gefolge, als sie beerdigt wurde.

2.
Eine schriftliche Überlieferung aus Rotenburg

Einst sah man in der Christnacht von Rotenburg bis zum Gutleuthaus am Neckar lauter schöne Äpfel, ein anderes Mal prächtige Eier aneinander hingereiht. Als jedoch eine Frau sie auflesen wollte, waren alle Äpfel und Eier in Pferdemist verwandelt.

3.
Eine mündliche Überlieferung aus Heubach

In Heubach stellte sich einmal in der Christnacht ein Mann auf einen Kreuzweg. Alsbald sah er einen mächtigen Hahn, der ein ganzes Fuder Heu zog.


Die Wurmlinger Kapelle
Mündliche Überlieferungen aus Wurmlingen und Hirschau

1.

Der Graf Anselm von Kalw hatte verordnet, dass man ihn, sobald er gestorben sei, in seinem Sarg, von zwei »ungewohnten Ochsen«, die noch nie einen Wagen gezogen hatten, sollte fortfahren lassen und zwar ohne einen Führer. Wo die Ochsen dann haltmachten, da solle man eine Kapelle bauen, alljährlich den Stiftungstag durch eine heilige Messe und durch ein großes Festessen, das er selbst genau vorgeschrieben hatte, feiern. (Dieser Jahrestag sollte stets am Dienstag nach Allerseelentag begangen werden, wurde später aber immer am Dienstag nach der großen Kirchweih abgehalten.) Der Letzte Wille des Grafen wurde genau vollführt. Zwei frische Och­sen fuhren allein mit seiner Leiche von Kalw ab und hielten erst auf dem jetzigen Remigiusberg bei Wurmlingen an. Da wurde dann dem heiligen Remigius zu Ehren die Kapelle erbaut, die zwar im Dreißigjährigen Krieg von den Schweden niedergebrannt, später aber wieder aufgebaut worden ist.

Graf Anselm soll gesagt haben, sein Testament könne nur der umstoßen, der auf einem Pferd sitzend einen Kieselstein über die Turmspitze werfen könne.

2.

Die Wurmlinger Kapelle sollte früher mehrmals abgetragen und auf die tiefer liegende »Wandelburg« gebaut werden. Man hat sogar Steine und Holz schon mehrmals dorthin geschafft; allein des Morgens fand man alles wieder auf die Höhe hinaufgetragen, und so unterließ man endlich weitere Versuche.

Umgekehrt erging es der benachbarten Liebfrauenkirche bei Hirschau. Die wollte man später, um sie näher zu haben, auf einen Hügel bauen. Allein trotz aller Wächter, die das Holz und die Steine hüten sollten, war dasselbe am Morgen immer wieder an den alten Platz herabgetragen.