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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Gespenster – Zweiter Teil – Siebte Erzählung

Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Zweiter Teil

Siebte Erzählung

Von Nachtgeistern, welche den Faulfieberkranken zu Tangermünde vorbedeutend den nahen Tod anzeigten.

Spät im Herbst des Jahres 1763 wütete zu Tangermünde in der Altmark ein bösartiges Faulfieber. Fast kein Tag verging, wo nicht wenigstens ein Kranker starb. Das Wunderbarste dabei war aber der Umstand, dass eine spukende Vorbedeutung zuvor sehr oft das Haus bezeichnete, in welcher ein gefährlich Erkrankter die nächste Beute des Todes sein sollte. Die vorbedeutende Erscheinung, welche sich des Nachts vor einem solchen Haus sehen ließ, war in mehr als einer Hinsicht schrecklich. Mehrere schwarze Geister, die auf einer schwarz behangenen Totenbahre eine Leiche trugen, setzten diese vor diejenige Tür, aus welcher die nächste Leiche getragen werden sollte, einige Augenblicke nieder, als wollten sie hier vom Tragen ihrer Bürde ein wenig ausruhen. Bald darauf verschwanden sie.

So starb nun vom Faulfieber ergriffen und von der Todesbotschaft überrascht hier eine aufblühende Tochter, dort ein hoffnungsvoller Sohn, dann wieder eine der Familie zu früh entrissene Hausmutter oder ein ernährender Vater und Gatte.

Die Prediger des Orts, der Stadtarzt und alle denkenden Tangermünder hörten mit menschenfreundlichem Unwillen von der mörderischen Vorbedeutung des spukenden Leichenzuges und suchten im Stillen der Quelle dieser Sage auf die Spur zu kommen. Ihre Bemühungen waren nicht fruchtlos. Sie brachten wider Erwarten in Erfahrung, dass an der Sage im Ernst viel Wahres sei. Nicht ein Einzelner, sondern viele Einwohner des Ortes versicherten hoch und teuer, dass sie, mit gesunden Augen und nüchternen Mutes die schwarzen Geister im vorbedeutenden Leichenzug bald hier, bald da, nächtlich hätten vorüberziehen sehen. Sie machten ferner auch die Häuser namhaft, vor welchen die geistigen Träger mit der schwarz behangenen Leiche einige Augenblicke ausgeruht hätten. Wirklich war auch fast in allen diesen Häusern bald darauf einer gestorben. Indessen hatte die Todesangst, worin ein so entsetzlicher Anblick die Geisterseher zu versetzen pflegte, diese jedes Mal verhindert, dem Leichenzug länger nachzuspüren. Niemand wusste bestimmt anzugeben, wo derselbe endlich geblieben wäre. Jedoch kam die Aussage mehrerer darin überein, dass er bald wie zum Stadttor hinausgegangen, bald in eine enge Gasse hineingeschlüpft, und dann in der nämlichen Nacht nie zum zweiten Mal zum Vorschein gekommen wäre.

Endlich war man, vom Zufall begünstigt, so glücklich, die Gespenster in ihrer Blöße zu erblicken. Einige dort in Garnison stehende Reiter des Borstelschen Kürassierregiments waren bei der damaligen Annäherung des Winters auf den Einfall gekommen, von Zeit zu Zeit einige von den Holzkloben, welche die einpassierenden Fuhren mit Brennholz in den Toren für die Wachtstuben und die Akzise-Offizianten abgeben müssen, zum Hausbedarf des Nachts heimlich zu ihrem Quartier zu bringen. Sie bedienten sich dazu einer sogenannten Holztrage. Um bei diesem geheimen Geschäft nicht gestört zu werden, hingen sie sich ihre blauen Reitermäntel um und breiteten einen derselben über die mit Holz beladene Trage. Diese anscheinende Totenbahre trugen sie übrigens nicht, wie gewöhnlich, unten, an den senkrecht abhängenden Armen, sondern auf den Schultern genau so, wie man die Leichen zu Grabe zu tragen pflegt. So war es dann freilich dem Aberglauben leicht, die blauen Behänge in der Nacht für schwarze und den ganzen Aufzug zu einer so ungewöhnlichen Zeit für die vorbedeutende Gaukelei geistiger Wesen zu halten.

Zu bedauern ist es nur, dass diese Mummerei auf Kosten der Menschheit gespielt wurde, indem einige Tangermünder darüber ein Opfer des Todes wurden. Denn unüberlegterweise ließ man es nicht selten selbst zu den Ohren desjenigen gefährlichen Kranken gelangen, vor dessen Wohnung der vermeintlich vorbedeutende Leichenzug verweilt hatte. So verlor nun der heftig erschreckende Kranke mit den ihn umgebenden Seinen allen Mut und alle Hoffnung zur Möglichkeit der Genesung. Und wo die Bemühung des Arztes sonst vielleicht noch einen glücklichen Erfolg hätte hoffen lassen, da wurde durch das verschwundene Vertrauen zu Gott und Menschen, auch diese Hoffnung vereitelt.