Heftroman der

Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Gold Band 2 – Kapitel 09.2

Friedrich Gerstäcker
Gold Band 2
Ein kalifornisches Lebensbild aus dem Jahre 1849
Kapitel 9
Don Alonso
Teil 2

Was Hale übrigens, nachdem er das Zelt des Alkalden verlassen hatte, von einigen der ruhigeren Amerikaner über den Angriff Siftlys und Briars auf die Chinesen hörte, ließ es ihm bald als unzweifelhaft erscheinen, dass gerade dieser Übergriff der rohen Burschen die erste und eigentliche Ursache der ganzen Unruhe gewesen sei. Mit der Ankunft des Kollektors zu gleicher Zeit wurden besonders die der englischen Sprache nicht mächtigen Fremden dadurch ganz unnötigerweise gereizt. Sie wussten ja auch natürlich nicht, wie weit die Rechtlosigkeit gegen sie noch getrieben werden sollte, wenn man sie auf der einen Seite besteuern wollte, und sie dann zugleich, ohne auch nur abzuwarten, ob sie ihre Steuern zahlten oder nicht, aus ihrem mühsam erworbenen und rechtmäßigen Eigentum vertrieb.

Dem ließ sich vielleicht noch begegnen, denn Hale wusste recht gut, dass die Mehrzahl der Amerikaner immer noch zu der besser gesinnten Klasse gehörte, und der hatten sich dann die anderen zu fügen, mochten sie wollen oder nicht. Vor allen Dingen versuchte er deshalb die Chinesen wieder aufzufinden, fest entschlossen dabei, ihnen ihr Eigentum zurückzuschaffen. Aber ihr Lager war abgebrochen. Die dort in der Nähe arbeitenden Amerikaner hatten sie den Bach hinunterziehen sehen. Als er sich da nach ihnen erkundigte, wusste ihm niemand weiter darüber Auskunft zu geben. Jedenfalls waren sie rechts oder links vom Wege ab in die Berge hinaufgestiegen, und wer sollte sie dort wieder auffinden.

So brach der Abend an, ohne dass sich in der Stellung der verschiedenen Trupps irgendetwas geändert hätte. Desto übermütiger aber waren jeneAmerikaner geworden, die heute Einzelne der Fremden aus ihren Gruben getrieben und so mit leichter Art reiche Beute gemacht hatten.

Schon eine Stunde vor Dunkelwerden waren Siftly und Briars mit ihrem Claim fertig geworden. Während aber der Erste das gewonnene Gold in Sicherheit brachte und daran dachte, es zu vermehren, warf sich Briars mit all dem rücksichtslosen Leichtsinn derartiger Menschen in das nächste Trinkzelt, das rasch gewonnene Gold ebenso wieder zu verprassen. Andere seines Gelichters fanden sich gleichfalls dort ein, ihm Gesellschaft zu leisten. Günstigere Gelegenheit, derartige halb betrunkene Menschen zum Spiel zu verleiten, kam aber nicht sobald wieder, und Smith und Siftly, mit allen Schlichen ihres ehrlosen Geschäftes vollständig vertraut, säumten denn auch nicht, sie zu benutzen.

Noch war die Sonne kaum in die Zederwaldungen eingetaucht, als schon die Tische hergerichtet wurden, und das aufgeschichtete Gold dort die Spiellustigen herbeilockte. Welche Aussicht auf Gewinn öffnete sich nicht auch den rauflustigen Gesellen, die jetzt, nur mit dem Bewusstsein ihrer amerikanischen Bürgerschaft, das volle Anrecht auf alle von Fremden begonnene Arbeitsplätze zu haben glaubten! Die ließen sie jetzt die schwere Erdarbeit verrichten und zu dem Gold hinuntergraben, und wenn sie so weit waren, ei, dann sprangen sie hinein und ernteten.

Die Leute befanden sich auf dem besten Weg, ein vollständiges Raubsystem mit erlaubtem Totschlag zu organischen.

Hale, der sich eine Zeit lang in den verschiedenen Zelten aufhielt, hörte all diese, keck und trotzig gemachten Anschläge. Ärgerlich darüber, teils aber auch beunruhigt durch das immer größere Zusammenscharen der Mexikaner, schritt er rasch zu des Alkalden Zelt zurück, um diesen zu veranlassen, ein Meeting der amerikanischen Bürger zusammenzuberufen.

»Und wozu, Mr. Hale?«, sagte Hetson ruhig.

»Wozu?«, rief Hale erstaunt, »ei, zum Henker auch, ich dächte doch, wir hätten Stoff genug. Einmal ist es nötig, dass wir diesem Spielergesindel zeigen, wir seien nicht willens, sie in ihren Raubgelüsten zu unterstützen, und dann wird es auch auf die Sennores ganz heilsam einwirken, wenn sie erfahren, dass wir uns nicht vor ihnen fürchten.«

»Ich glaube das Gegenteil, Mr. Hale«, antwortete ihm aber der Alkalde. »Die Mexikaner würden am Ende gar glauben, dass wir ihrem Zusammenrotten irgendeine Tragweite beilegten. Nur dass wir sie ganz ignorieren, kann sie stutzig machen. So abhold ich dem Hazardspiel sonst und zu jeder Zeit auch bin, heute Abend ist es mir gerade recht, dass sich unsere Leute damit beschäftigen. Sie halten es doch nicht etwa für möglich, dass die Indianer einen nächtlichen Überfall wagen würden?«

»Denken nicht daran«, brummte Hale. »Solange die Mexikaner nicht beginnen, rühren die Rothäute in den Bergen keine Hand, denn sie wissen recht gut, dass sie sich auf ihre spanischen Freunde doch nicht verlassen können. Erst wenn diese anfangen, dürfen wir auch von ihnen einen Angriff erwarten. So zahm und schüchtern sie aber sonst auch sind, fürchte ich fast, sie werden in dem Fall wie ein Heuschreckenschwarm über uns hereinbrechen. Jedenfalls ist es besser, darauf vorbereitet zu sein. Und sollen dann überdies die Spieler machen dürfen, was sie nur wollen? Gedenken Sie diesem Siftly zu gestatten, dass er draußen in der Flat herummarschiert, und wo ihm ein Platz zusagt, den Eigentümer hinausbeordert oder misshandelt?«

»Nein«, sagte Hetson ruhig, »bringen Sie mir einen einzigen Menschen, der eine Anklage gegen ihn stellt, und überlassen Sie mir das Weitere; aber auf bloße Gerüchte hin kann ich nichts tun. Wenn die Übervorteilten sich die Sache ruhig gefallen lassen, ohne auch nur ein Wort darüber zu verlieren, wenn sie ihren Angreifern geduldig das Feld räumen, so kann ich ja nicht einmal wissen, ob nicht das Ganze mit ihrer Bewilligung geschehen ist. Apropos – haben Sie Don Alonso noch nicht gefunden?«

»Nein«, sagte der Sheriff kurz.

»Er wird doch nicht in einem der Spielzelte stecken?«

»Möglich«, sagte Hale gleichgültig. »Also mit den Mexikanern wollen Sie es ruhig ansehen, bis es zu spät ist?«

»Nicht bis es zu spät, sondern bis es Zeit ist, Mr Hale. Ich halte es nicht für geraten, die Fremden unnötigerweise zu reizen.«

»Unnötigerweise? Aber zum Teufel, Sir, nennen Sie das unnötigerweise, wenn wir die vierzigfache Anzahl bewaffnet um uns her lagern haben? Dass sie uns Amerikaner nicht aus den Minen treiben können, weiß ich auch, und schlügen sie uns hier tot, würden unsere Landsleute von allen Seiten herbeistürmen, dass keiner lebend wieder die Flat verließe – aber was hilft uns das? Ich bin wahrhaftig nicht furchtsam, und die, die mich kennen, werden mir das Zeugnis geben, aber ich bin auch nicht blind gegen eine wirkliche Gefahr. Wird es zu spät, so hat nachher niemand weiter die Verantwortung als Sie.«

»Die überlassen Sie mir dann auch«, entgegnete Hetson lächelnd. »Einen Gefallen würden Sie mir aber tun, wenn Sie mir Ronez herbeischaffen könnten. Seine Tochter ängstigt sich um ihn.«

»Das tut mir leid um die Tochter«, brummte der Sheriff, dem jetzt andere Dinge am Herzen lagen. »Wenn ich ihm begegne, will ich ihn herschicken.« Ohne weiter eine Antwort abzuwarten, verließ er rasch das Zelt.

»Fremden unnötigerweise zu reizen«, murmelte er dabei mit einem derben Fluch vor sich hin. »Er ist bei Gott feige. Dass doch zum Donnerwetter alle die Federfuchser das Herz an der verkehrten Stelle sitzen haben. Es ist ordentlich, als ob es ihnen bei dem langen hinter dem Schreibtisch Hocken nach unten rutschte. Da hätten wir ebenso gut unseren alten Major behalten können.«

Ärgerlich, wie er war, wollte er erst direkt in sein Zelt gehen, sich um weiter nichts mehr zu bekümmern. Aber es ließ ihm auch wieder keine Ruhe, und er wanderte noch allein, wohl eine Stunde lang, um das kleine Zeltstädtchen her, bis ein Stück an den Berghang hinauf, an dem die Indianer lagerten. Er konnte einige ihrer Feuer erkennen, und passierte dann ebenfalls das mexikanische Camp. Dort war jedoch alles ebenso ruhig wie da drüben, und nur das einzige Außergewöhnliche, da die Mexikaner sonst nur höchst selten nachts ihre Zelte verlassen, dass ein paar Reiter, gerade als er vorüberging, dort eintrafen und ein einzelner Mann, auch zu Pferd, den Platz nach einiger Zeit wieder verließ. Es war zwölf Uhr, als er endlich in das Paradies zurückkehrte und müde sein Lager aufsuchte.