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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Skalpjäger – Noch ein Coup

Thomas Mayne Reid
Die Skalpjäger

Dritter Teil
Zweites Kapitel

Noch ein Coup

Ich vernahm einen Schuss, was mich veranlasste, meine Augen von der Beschäftigung des ohrenlosen Trappers abzulenken. Als ich mich umwendete, sah ich ein blaues Wölkchen über die Prärie ziehen, vermochte aber nicht zu beurteilen, auf welchen Gegenstand der Schuss abgefeuert worden war.

Dreißig bis vierzig Jäger hatten die Baumgruppen umgeben und saßen in einer Art unregelmäßigem Kreis in ihren Sätteln. Sie waren noch in einiger Entfernung von dem Gehölz, als ob sie sich außer Pfeilschussweite hielten. Ihre Flinten lagen quer über ihren Sätteln und sie schrien einander was zu.

Es war nicht zu vermuten, dass der Wilde allein gewesen sei! Ohne Zweifel befanden sich noch einige von seinen Kameraden im Dickicht. Es konnten ihrer jedoch nicht viele sein, denn das Gebüsch war nicht stark genug, um mehr als ein Dutzend von ihnen zu verbergen, und die scharfen Augen der Jäger drangen auf allen Seiten hinein.

Sie erinnerten mich an Jäger auf einer Heide, welche das Austreiben des Wildes erwarteten. Aber hier, o Gott, war das Wild ein menschliches.

Es war ein furchtbares Schauspiel. Ich blickte auf Seguin, da ich dachte, dass er sich einmischen könne, um die barbarische Jagd zu verhindern. Er bemerkte meinen forschenden Blick und wendete sein Gesicht von mir ab. Ich glaubte, dass er sich des Werkes schämte, worin seine Leute begriffen waren; aber die Tötung oder Gefangennahme der Indianer, welche etwa im Gehölz sein mochten, war jetzt eine notwendige Maßregel geworden, und ich wusste, dass alle meine Einwendungen unbeachtet bleiben würden. Was die Leute selbst betraf, so hätten sie darüber nur gelacht. Es war ihr Zeitvertreib, ihr Handwerk, und ich bin überzeugt, dass in diesem Augenblick ihre Gefühle nicht sehr von denen verschieden waren, welche sie beseelt haben würden, wenn sie einen Bären aus seiner Höhle getrieben hätten. Sie waren vielleicht etwas, jedenfalls aber um nichts mehr der Barmherzigkeit geneigt.

Ich hielt mein Pferd an und erwartete mit peinlicher Empfindung die Entwicklung dieses wilden Dramas.

»Vaya, Irlandes, was habt Ihr gesehen?«, fragte einer von den Mexikanern Barney.

Ich ersah hieraus, dass der Ire den Schuss abgefeuert hatte.

»Eine Rothaut, bei Jesus!«, antwortete der Letztere.

»War es nicht Euer eigener Schatten, den Ihr im Wasser erblickt habt?«, rief der Jäger spöttisch.

»Vielleicht war es der Teufel, Barney!«

»Wahrhaftig Freund, ich habe etwas gesehen, was ihm ungeheuer ähnlich sah und es auch getötet.«

»Hahaha, Barney hat den Teufel getötet!«

»Pah!«, rief ein Trapper, indem er sein Pferd auf das Dickicht zusprengte, »der Narr hat nichts gesehen.«

»Halt Kameraden!«, rief Garey, »wir wollen einen sicheren Plan befolgen. Der Rotkopf hat recht. Es sind Indianer in den Büschen, ob er sie nun gesehen hat oder nicht. Jenes Stinktier ist nicht allein gewesen. Versucht es einmal auf diese Weise.«

Der junge Trapper stieg ab, wendete sein Pferd so, dass es die breite Seite dem Gebüsch zukehrte, hielt sich außerhalb desselben und begann, sein Tier in einer Spirale gehen zu lassen, welche sich allmählich dem Gehölz näherte. Auf diese Weise war sein Körper geschützt und nur sein Kopf über dem Sattel zu sehen, auf dem er die Büchse gespannt und schussfertig ruhen ließ. Mehrere andere stiegen, als sie dieses Manöver Gareys bemerkten, ebenfalls ab und befolgten seinem Beispiel.

Es herrschte eine tiefe Stille, während sie den Durchmesser ihrer Kreise immer enger werden ließen.

Nach Kurzem waren sie dicht an der Bauminsel, immer noch zischte aber kein Pfeil heraus. Befand sich niemand darin? Es schien so zu sein, und die Leute drangen furchtlos in das Dickicht.

Ich beobachtete all dies mit aufgeregten Gefühlen. Ich begann zu hoffen, dass niemand im Gebüsch sei. Ich lauschte auf jeden Ton. Ich hörte das Knistern der Zweige, das Murmeln der Leute. Es herrschte ein kurzes Schweigen, während sie eifrig vordrangen.

Darauf hörte ich einen plötzlichen Schrei und eine Stimme rief: »Eine tote Rothaut, ein Hurra für Barney!«

»Barneys Kugel ist durch ihn gegangen. Hurra, alter Himmelblauer, kommt her und seht, was Ihr getan habt!«

Die übrigen Jäger ritten darauf hin mit dem früheren Soldaten auf das Dickicht zu. Ich folgte ihnen langsam. Als ich herankam, sah ich sie den Körper eines Indianers, eines nackten Wilden, gleich dem anderen auf den offenen Boden schleppen. Er war tot und sie schickten sich an, ihn zu skalpieren.

»Komm her, Barney«, rief einer von den Leuten scherzhaft. »Das Haar hier gehört Euch. Warum zieht Ihr es nicht ab, Mann?«

»Sagt Ihr, dass es mein ist?«, fragte Barney den Redner.

»Ganz gewiss, Ihr habt ihn getötet, er ist von Rechtswegen Euer.«

»Und ist das wirklich fünfzig Dollar wert?«

»So gut, als ob es Weizen wäre.«

»Wollt Ihr dann so freundlich sein, es für mich abzuschneiden?«

»O gewiss, mit dem größten Vergnügen«, antwortete der Jäger, indem er den Skalp ablöste und ihm denselben übergab.

Barney nahm die hässliche Trophäe, und es schien mir, als ob er besonders stolz auf sie war. Der arme Teufel mochte sich so mancher Verletzung der Gesetze der Garnisonsdisziplin schuldig gemacht haben, offenbar war dies aber seine erste Lektion im Menschentöten!

Die Jäger stiegen ab und begannen im Dickicht hin und her zu spüren. Die Nachsuchung war eine höchst aufmerksame, denn es war immer noch ein Rätsel zu lösen. Man hatte einen Extrabogen – das heißt einen dritten, mit seinem Pfeilköcher gefunden. Wo war der Eigentümer? Konnte er durch das Dickicht entkommen sein, während die Leute um die gefallenen Büffel beschäftigt waren? Es war möglich, wenn auch kaum wahrscheinlich. Aber die Jäger wussten, dass diese Wilden eher wie wilde Tiere, wie Hasen, als Menschen laufen können und vielleicht war er in das Chapporal entkommen.

»Wenn der Indianer entkommen ist«, sagte Garey, so haben wir keine Zeit mit dem Abhäuten der Büffel zu verlieren. Ich bin überzeugt, dass eine Menge von Leuten seines Stammes keine zwanzig Meilen von hier ist.«

»Seht dort unter die Weiden, dicht am Wasser!«, antwortete die Stimme des Anführers.

Der Teich war trüb und an den Rändern von Büffelfährten zerstampft. Auf der einen Seite war er tief. Hier hingen Weiden über ihn bis in das Wasser herab. Mehrere stiegen hier hinein und begannen den Boden mit ihren Lanzen und Büchsenkolben zu untersuchen.

Der alte Rube war unter den Übrigen herangekommen und zog, in der Absicht, wieder zu laden, mit seinen Zähnen den Pfropfen aus dem Pulverhorn. Sein kleines dunkles Auge blitzte überall hin – über ihn, unter ihn und in das Wasser.

Es schien ihm ein plötzlicher Gedanke durch den Kopf zu fahren. Ich sah ihn den Pfropfen zurückschieben, den Iren, welcher ihm am nächsten stand, am Arm fassen und leise und hastig zu murmeln: »Patty – Barney – gebt mir eure Flinte! – Schnell, Mann! – Schnell!«

Barney übergab ihm auf diese eindringliche Bitte sogleich sein Gewehr, während er die ihm von dem Trapper in die Hand gestreckte leere Büchse nahm.

Rube erfasste eifrig die Muskete und senkte das Auge gleich, als ob er im Begriff sei, auf einen Gegenstand im Teich zu feuern. Plötzlich drehte er seinen Körper um, richtete sein Gewehr in die Höhe und feuerte in das dichte Laub.

Es erfolgte ein schriller Schrei – ein schwerer Körper brach durch die Zweige und stürzte zu meinen Füßen auf den Boden. Warme Tropfen spritzten in meine Augen – es war Blut! Ich wurde davon geblendet, ich rieb mir die Augen, um wieder sehen zu können, und hörte die Leute aus allen Seiten des Dickichts herbeistürzen.

Als ich wieder sehen konnte, verschwand eben ein nackter Wilder durch die Blätter.

»Bei der Hölle! Ich habe ihn verfehlt!«, rief der Trapper. »Zum Teufel mit Euren Soldatenflinten!«, fügte er hinzu, indem er die Muskete niederwarf und mit gezogenem Messer nacheilte.

Ich folgte unter den Übrigen. Ich hörte mehrere Schüsse, als wir durch das Gebüsch brachen.

Als ich an den äußeren Rand kam, konnte ich den Indianer sehen, immer noch auf den Füßen und mit der Schnelligkeit einer Antilope laufend.

Er blieb nicht in einer direkten Linie, sondern beschrieb einen Zickzack, indem er von einer Seite zur anderen sprang, um seine Verfolger, deren Büchsen die ganze Zeit über hinter ihm knallten, nicht gehörig zielen zu lassen. Bisher hatte noch keine von ihren Kugeln Wirkung gehabt, wenigstens nicht so, dass sie ihn gelähmt hätte. Auf seinem braunen Körper war ein Blutstreifen sichtbar, aber die Wunde schien ihn, wo sie auch sein mochte, nicht an der Flucht zu hindern.

Ich glaubte, dass er keine Aussicht auf das Entkommen haben könne, und hatte nicht die Absicht, meine Büchse auf ein solches Ziel abzufeuern. Ich blieb daher in den Büschen und beobachtete die Gegend. Einige von den Jägern fuhren fort, ihm zu Fuß zu folgen, während die Schlaueren zu ihren Pferden zurückeilten. Diese waren zufällig alle auf der entgegengesetzten Seite des Dickichts nur mit einer Ausnahme, nämlich der Stute des Trappers Rube. Sie weidete an der Stelle, wo Rube abgestiegen war, unter den getöteten Büffeln und direkt in der Lage der Jagd.

Als sich ihr der Wilde näherte, schien ihn ein plötzlicher Gedanke zu durchzucken. Er wich ein wenig von seiner Richtung ab, riss den Pflock aus der Erde, schlang das Lasso mit der Schnelligkeit eines Gauchos zusammen und sprang auf den Rücken des Tieres.

Es war eine gut gefasste, aber für den Indianer unglückliche Idee. Er hatte kaum den Sattel berührt, als ein eigentümlicher Ruf lauter als üblich erklang. Er kam von dem ohrlosen Trapper. Der Mustang erkannte den Ruf seines Herrn und statt der Führung seines Reiters zu folgen, schwenkte er plötzlich und galoppierte zurück. In diesem Augenblick streifte ein auf den Wilden abgefeuerter Schuss den Schenkel der Stute. Sie legte die Ohren zurück und begann so heftig auszuschlagen, dass alle ihre Füße zu gleicher Zeit in der Luft zu sein schienen.

Der Indianer versuchte aus dem Sattel zu springen, aber das abwechselnde Ausschlagen der Vorder- und Hinterbeine warf ihn einige Augenblicke gewissermaßen in der Waage hin und her.

Er wurde endlich herabgeschleudert und fiel auf dem Rücken zu Boden.

Ehe er noch zu sich kommen konnte, war ein Mexikaner herangeritten und hatte ihn mit seiner Lanze an die Erde gefesselt.

Jetzt trat eine Fluchszene ein, in welcher Rube die Hauptrolle spielte oder vielmehr die Bühne ganz allein hatte. Die Soldatenflinten wurden der Verdammnis geweiht. Da der alte Trapper auch über die Wunde, welche seine Stute erhalten hatte, zornig war, erhielt der schiefäugige Grünschnabel einen Teil seiner Verwünschungen.

Der Mustang hatte jedoch keinen erheblichen Schaden gelitten, und nachdem dies ermittelt worden war, gingen die lauten Zornesausbrüche in ein leises Murren über und hörten endlich völlig auf.

Da kein Zeichen davon zu existieren schien, dass sich noch andere Wilde in der Nähe befanden, war es für die Jäger nun das Wichtigste, ihren Hunger zu befriedigen. Es war bald ein Feuer angezündet und ein reichliches Mahl aus Büffelfleisch brachte die gewünschte Wirkung hervor.

Nach Beendigung der Mahlzeit wurde eine Beratung abgehalten. Wir kamen überein, uns zur alten Mission zu begeben, von der man wusste, dass sie nicht über zehn Meilen entfernt lag. Wir konnten uns dort im Fall eines Angriffs von den Wolfsapachen, zu welchen die drei Wilden gehörten, verteidigen. Wir fürchteten alle, dass sie unsere Fährte finden und uns einholen könnten, ehe wir imstande waren, uns wieder von der Ruine zu entfernen.

Die Büffel waren bald abgehäutet und aufgepackt, und wir traten in westlicher Richtung die Reise zu der Mission an.