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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Kommandant des Tower 45

Der Kommandant des Tower
Band 2
Historische Erzählung von W. Harrison Ainsworth
Verlag von Christian Ernst Kollmann, Leipzig, 1863
Viertes Buch
Verschwörung und Gegenverschwörung
Erstes Kapitel

Von der Übereinkunft, die zwischen dem Admiral und dem Münzmeister zu Bristol getroffen wird

Einige Monate vergingen, während welcher Zeit keine ferneren Differenzen zwischen dem Lordprotektor und dem Admiral stattfanden. Der Schein eines guten Einvernehmens wurde zwischen ihnen aufrechterhalten, und beide waren aufs Sorglichste darauf bedacht, die geheime Animosität, die sie immer noch gegeneinander nährten, nicht zu verraten. Somerset bemühte sich, seinen Bruder durch neue Gunstbezeigungen zu gewinnen, aber vergebens. Des Admirals unersättlicher Ehrgeiz war so leicht nicht beschwichtigt, obwohl er eine außerordentliche Dankbarkeit affektierte.

Gegen Ende August war der Protektor mit seinen Vorbereitungen für den lange beabsichtigten Feldzug nach Schottland fertig. Die Armee belief sich auf ungefähr zwanzigtausend Mann, wovon ein Drittel jedoch aus deutschen, spanischen und italienischen Söldnern bestand. Da man einen Angriff von Seite Frankreichs fürchtete, weil Heinrich II. den Schotten Hilfe zugesagt hatte, so waren umfassende Vorsichtsmaßregeln zum Schutz der englischen Küsten getroffen, der Admiral war zum Oberst-Lieutenant ernannt worden und ihm die Verteidigung der Südküste anvertraut. Er hatte sich mit der Hoffnung geschmeichelt, dass sein Bruder ihm während seiner Abwesenheit die Regierungsgewalt übertragen würde, aber der Protektor war dazu zu vorsichtig und zog es vor, die zeitweilige Regentschaft dem Conseil zu übergeben. Demgemäß fiel die Hauptverwaltung dem ersten Staatssekretär, Sir William Paget, zu, dem Somerset volles Vertrauen schenkte.

Nachdem alle Vorkehrungen getroffen worden waren und eine wohlbemannte Flotte, die unter Lord Clintons Befehl das Landheer die Küste entlang begleiten sollte, unter Segel gegangen war, nahm der Lordprotektor mit dem Grafen Warwick, als zweitem Befehlshaber, förmlichen Abschied von seinem königlichen Neffen und brach nach Schottland auf.

Nach der Abreise seines Bruders war für den Admiral das Feld frei, er nahm die Gelegenheit wahr, um in all seinen Umtrieben geschäftiger denn je fortzufahren. Aber da er wusste, dass er von Spionen umringt war und dass sein Bruder durch William Paget von all seinem Tun und Treiben in Kenntnis gesetzt werden würde, so beobachtete er die äußerste Vorsicht. Zu den großartigen Plänen, mit denen er sich trug, bedurfte er vor allem große Summen Geldes. Wie aber diese schnell und pünktlich herbeischaffen? Zuletzt verfiel er auf ein Auskunftsmittel, das anzuwenden er keinen Augenblick Bedenken trug.

Durch Privatmitteilungen hatte er in Erfahrung gebracht, dass der Münzmeister in Bristol, Sir William Sharington, sich gewisser Betrügereien schuldig gemacht hatte. Deshalb glaubte er, in ihm seinen Mann gefunden zu haben, und schickte Ugo Harrington mit einem Brief an ihn ab, in welchem er ihm befahl, sofort nach London zu kommen. Sharington begleitete den Boten und erschien vor Seymour.

Er wurde sehr kalt empfangen, da der Admiral die Absicht hatte, ihn einzuschüchtern. Seymour winkte ihm, Platz zu nehmen, und redete ihn nicht eher an, als bis sie allein waren.

Sir William Sharington war ein Mann von mittleren Jahren, groß und wohlgebaut, von dunkler Gesichtsfarbe, mit kahler Stirn und schwarzem, leicht mit Grau vermischten Bart. Er hatte dunkle und lebhafte Augen, und obwohl er im Ganzen gutmütig aussah, lag doch eine gewisse Schlauheit in seinen Zügen. Er war einfach, aber elegant gekleidet, trug einen maulbeerfarbenen Wams und darüber einen Mantel von derselben Farbe, mit Zobel besetzt. Indem er den Admiral scharf anblickte, bemerkte er, dass ein Unwetter im Anzuge sei.

»Sir William Sharington«, sprach Seymour mit strengem Blick und Ton, »Euer frevelhaftes Treiben ist mir bekannt. Ihr habt das Euch anvertraute Gold und Silber verfälscht. Versucht es nicht, Eure Schuld zu leugnen, oder ich will Euch in den Tower bringen lassen, wo die Folter Euch bald das Geständnis abpressen wird.«

»Gnade! Gnade!«, rief Sharington in höchster Bestürzung. »Ich will alles ersetzen, ich will mein ganzes Hab und Gut hingeben! Bringt mich nicht auf die Folter!«

Seymour schüttelte ernst mit dem Kopf.

»Habt Mitleid! Mitleid!«, rief Sharington, auf die Knie stürzend. »Nehmt alles, was ich habe, und lasst mich gehen!«

Nachdem der Admiral ihn so seinem Zweck entsprechend geängstigt hatte, sprach er: »Du siehst, dein Leben ist in meiner Hand. Was willst du tun, wenn ich dich rette?«

»Ich will tun, was Eure Hoheit befiehlt«, entgegnete Sharington, indem er freier zu atmen begann.

»Gut also, ich brauche zehntausend Pfund. Kannst du sie mir verschaffen?«

»Zehntausend Pfund?«, rief Sharington in Verzweiflung. »Eure Hoheit drängt mich zu hart, ich habe nicht die Hälfte, nicht ein Drittel der Summe. Könnt Ihr Euch nicht mit weniger begnügen?«

»Ich sage dir, ich muss zehntausend Pfund haben, und bevor unsere Sache erledigt ist, muss ich vierzigtausend Pfund haben.«

»So schickt mich nur lieber in den Tower!«, stöhnte Sharington. »Ich kann Eurer Hoheit Bedingungen unmöglich erfüllen.«

»Hört, Sharington«, sagte der Admiral, »ich will nicht länger mit Euch spielen. Es ist wahr, Euer Leben ist in meiner Hand, aber ich will Euch nichts zuleide tun. Verstehen wir nur einander!«

»Ich bin begierig, Eurer Hoheit Wünsche zu vernehmen«, sagte Sharington.

»Ihr seid Münzmeister von Bristol. Alle Beamten stehen unter Eurer Kontrolle. Ihr habt die Gold- und Silberbarren in Eurem Gewahrsam.«

»Ganz recht, Eure Hoheit.«

»Dass Euch törichte Skrupel nicht eben belästigen, das ist klar, deshalb wird mein Vorschlag keinen Anstoß bei Euch erregen. Ihr habt bereits das Gold zu Eurem eigenen Vorteil gemischt. Ihr müsst fortfahren, es zu meinem Vorteil zu tun. Nein, Ihr müsst noch mehr tun, Ihr müsst alle Gold- und Silberstücke, alle Marks und Rosenobel, die Euch in die Hände fallen, beschneiden und überdies falsches Geld schlagen.«

»Alles das wollte ich bereitwilligst tun, um Eurer Lordschaft zu dienen, aber wenn ein solches Verfahren längere Zeit fortgesetzt würde, so müsste es ohne Zweifel von den Münzern und Schmelzern entdeckt werden.«

»Eure jetzigen Arbeiter müssen entlassen und gefügigere gefunden werden. Denjenigen, der Euch denunziert hat, will ich schon zum Schweigen bringen. Er soll auf ein paar Monate ins Gefängnis.«

»Nun, wenn Eure Hoheit mich unterstützt, und wenn ich geschickte Mitarbeiter finde, so zweifle ich nicht, dass die Sache angehen kann. Wie viel sagte Eure Hoheit? Vierzigtausend Pfund?«

»Vierzig- oder fünfzigtausend, Sir William. Ihr würdet die Gelegenheit schlecht benutzen, wenn Ihr nicht ebenso viel für Euch machen wolltet.«

»Ich will tun, was ich kann, Eure Hoheit. Aber die Münzer und Schmelzer werden hohen Lohn verlangen. Sie werden die Sache nicht umsonst tun.«

»Natürlich nicht. Aber seid nur ohne Furcht, Sir William. Bevor ein Jahr vergeht, wird die Regierung dieses Landes in meinen Händen sein, und ich werde schon Sorge tragen, dass Euch nichts geschieht.«

»Ah, wenn Eure Hoheit erst einmal an der Spitze stände, so wäre alles gut!«, rief Sharington. »Indessen seid Ihr vielleicht nicht abgeneigt, mir eine Order zu geben.«

»Order? Wofür?«

»Für das verlangte Geld. Sie würde mich vor späterer Verantwortlichkeit schützen.«

»Ihr seid ein schlauer Geselle!«, rief der Admiral. »Aber Ihr sollt die Order haben.«

Und er schrieb sie aus und gab sie ihm.

»Ich werde sie sorgfältig aufheben«, sagte Sharington, indem er sie in seinen Wams steckte.

»Kehrt nach Bristol zurück«, fuhr Seymour fort. »Binnen einer Woche erwarte ich zehntausend Pfund.«

»Ich hoffe, Eure Hoheit befriedigen zu können, aber wenn irgend unvorhergesehene Schwierigkeiten …«

»Keine Entschuldigungen! Wenn Ihr nicht pünktlich seid, so will ich die Zahlung in einer Weise erzwingen, die Euch nicht angenehm sein könnte. Ich habe einen langen Arm und kann leicht diejenigen erreichen, die mir missfällig sind.« Sharington antwortete nicht, sondern verbeugte sich tief und ging.

In dem Mann habe ich ein nützliches Werkzeug gefunden, dachte Seymour, als er allein war, aber ich muss ein wachsames Auge auf ihn haben. Er sieht verräterisch aus.

Bald darauf trat Ugo Harrington ein.

»Was nun?«, fragte der Admiral. »Einige Wracks genommen?« »Nein, Eure Hoheit, aber Capitain Hornbeak, dem Ihr die Freiheit geschenkt habt, ist mit großer Beute in Gravesend angekommen und wartet auf Befehle, wohin damit.«

»Gut«, erwiderte der Admiral, »weise ihm seinen Anteil an der Beute zu und sorge, dass das Übrige sicher untergebracht wird. Sobald seine Pinasse wieder ausgerüstet ist, mus er zu den Scilly-Inseln.«

»Eure Hoheit ist also im Besitz dieser längst gewünschten Inseln?«

»Ich bin im Begriff, sie in Besitz zu nehmen«, antwortete Seymour mit einem Lächeln. »Ich habe schon eine kleine Flotte von Piratenschiffen unter Capitain Blades dorthin geschickt. Da das Gros der Seemacht an den Küsten von Schottland beschäftigt ist, so ist es nicht wahrscheinlich, dass sie gestört werden. Ich beabsichtige, auf den Scilly-Inseln Depots für Waffen und Lebensmittel anzulegen.«

»Es gibt keinen sicheren Platz«, entgegnete Ugo, »und diese Inseln können, wie Eure Hoheit einst bemerkt haben, im Falle der Not als Zufluchtsort dienen.«

»Ich denke nicht, dass ein solcher Notfall eintreten wird«, erwiderte der Admiral. »Ich müsste eigentlich nach Holt reisen, um mich zu überzeugen, dass das Schloss verproviantiert ist, aber ich muss mich auf meinen Gouverneur verlassen, denn ich mag in diesem Augenblick nicht von London abwesend sein.«

In diesem Moment wurde ihre Unterhaltung durch einen Kanonenschuss, der augenscheinlich vom Tower herkam, unterbrochen. Gleich darauf antworteten die Geschütze des Palastes, und alle Kirchenglocken begannen, lustig zu läuten, während lautes Freudengeschrei ertönte.

»Das bedeutet einen Sieg unserer Armee in Schottland!«, rief der Admiral. »Ich weiß, eine Schlacht stand bevor. Mach dich auf, Ugo, und lass mich wissen, was geschehen ist.«

Der Diener gehorchte. Während seiner Abwesenheit dauerten das Schießen und Glockengeläute fort und steigerte Seymours Ungeduld, die Neuigkeiten zu erfahren. Nach einer Weile kam Ugo wieder und man sah es ihm an, dass er Mitteilungen von der allergrößten Wichtigkeit zu machen habe.

»Der Lordprotektor,« sprach er, »hat auf den Gefilden bei Pinkey, nahe bei Musselburgh, einen großen Sieg über die Schotten gewonnen. Vierzehntausend sind gefallen und fünfzehnhundert gefangen, darunter der Graf von Huntley und viele Edelleute. Der Protektor ist Herr von Edinburgh, das Schloss ausgenommen, welches sich nicht lange halten kann.« »Meines Bruders Stern ist im Steigen begriffen«, sagte der Admiral finster.

»Es heißt«, fuhr Ugo fort, »dass Seine Hoheit sofort nach London zurückkehren und dem Grafen von Warwick den Oberbefehl überlassen werde.«

»Was mag ihn so schleunig zurückführen?«

»Es ist möglich, dass er einige Kunde über Eurer Lordschaft Tun erhalten und deshalb seine Anwesenheit hier für nötig hält«, sprach Ugo.

»Es könnte sein«, entgegnete Seymour nachdenklich.

»Auf jeden Fall muss das Unternehmen auf eine gelegenere Zeit verschoben werden. Wenn er mit Ruhm bedeckt heimkehrt, so ist das nicht der Moment, ihm den Rang streitig zu machen.«

»Wenn er geschlagen worden wäre, so würde Eure Hoheit mehr Chancen haben«, bemerkte Ugo. »Eine Zeit lang wird das ganze Land von seinen Triumphen widerhallen und jedermann wird seinen Namen preisen. Der Lordmayor und die Bürger werden ihn ohne Zweifel glänzend empfangen. Eure Lordschaft tut wohl, Eure Zeit abzuwarten.«

»Wenn seine Popularität im Abnehmen ist, soll der Streich geführt werden«, sprach Seymour, »aber jetzt muss ich zum Palast, um dem König zum Sieg von Pinkey Glück zu wünschen.«

Draußen fand er die ganze Bevölkerung auf den Beinen. Laut äußerte sich die Freude, und seines Bruders Name war auf jedermanns Lippen.