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Jacob von Molay, der letzte Templer 21

Franz Theodor Wangenheim
Jacob von Molay, der letzte Templer
Zweiter Teil
Herr und Knecht
Verlag von Joh. Fr. Hammerich, Altona, 1838

Achtes Kapitel

Nachdem der Großmeister den versammelten Brüdern des Papstes Willen mitgeteilt hatte, zog er sich in seine Gemächer zurück. Aber dieses Mal verhandelte er nicht mit Boulogne, sondern er blieb allein. Irgendetwas erfüllte ihn ganz und gar, nur war er mit sich selbst noch nicht im Klaren. Wohl alle Tempelherren außer ihm trauten des Kardinals Worten nicht, doch Molays Brust war empfänglich für sie, weil sein Ehrgeiz, der doch auf so herrliche Weise befriedigt und er Großmeister der Tempelherren geworden war, neue Nahrung gefunden hatte.

Die Art und Weise, wie damals Jacob von Molay zur Großmeisterwürde gelangte, zeugt von einem in Geschäften wohl erfahrenen Mann. Peyraud und er standen auf der Wahl. Der Erstere hatte die meisten Stimmen für sich, und doch gelang es Jacob von Molay ihn zu überflügeln. Mochte nun List angewendet worden sein oder was sonst, der neue Großmeister erwarb sich den Beifall all derjenigen, zu welchen der Schall seines Namens drang. Es gehörte überhaupt viel dazu, in jenem Zeitpunkt nicht zu straucheln. Dass der Orden in mancher Beziehung von den Regeln abwich, welche ihm der heilige Bernhard selbst vorgeschrieben hatte, das ist leicht begreiflich, denn beinahe zwei Jahrhunderte waren darüber hinweggegangen, und sämtliche vier Gelübde, die Grundpfeiler der Ordensregel, konnten unmöglich in ihrer alten Kraft bestehen. Zuförderst das Gelübde des Gehorsams. Eine später verfasste Regel musste lediglich und allem wegen der vielen und mannigfachen Vergehen gegen dieses Gelübde so strenge Strafen darauf gesetzt haben, obwohl der Tempelherrenorden, im Vergleich gegen andere gelinde Strafen hatte. Das Gelübde der Armut wie konnte es von dem ganzen Orden gelten, da er der reichste in der Christenheit war?1 Zwar lautete die Regel, ein Bruder dürfe nicht mehr Geld als 4 Heller bei sich führen. Was er darüber habe, würden als Raub angesehen. Es sind der Beweise Tausende vorhanden, dass dagegen ungestraft gesündigt wurde. Das Gelübde der Keuschheit; man denke sich eine erlesene Schar der kräftigsten Männer, der bei Weitem größere Teil in der Blüte der Jahre; ein sorgenfreies Leben, welches die geistige Nichtbeschäftigung nur noch mehr dem tierischen Instinkt näherte; man denke sich diese Männer unter dem Strahl der asiatischen Sonne in des Lagers buntscheckigem Gewoge und Gedränge, heute trunken vom guten Wein, morgen vom herrlichsten Sieg, bald der Harem eines sarazenischen Heerführers ergreifend, und bald in einer eroberten Stadt reizende Weiber findend – wie musste es da um das Gelübde der Keuschheit stehen! Freilich wurden Vergehen dieser Art sehr hart bestraft; mussten aber diese Strafen eben den Neider des Tempelherrn oder den Feind desselben nicht auf die Vermutung führen, dass diejenigen, welche die Strafe fürchteten, bei den Spartanern in die Schule gegangen sein mussten, und ein Verbrechen von ihnen erlernt haben, welches man mit Schamerröten nur mit dem schonenden Namen das Verbrechen wider die Natur belegt? Warum sieht der aufmerksame Forscher in dem bigotten Mönch nur den Stumpfsinn dargestellt? Weil er den Gesetzen der Natur Trotz bietet; und die beleidigte Natur rächt sich an ihm auf eine ihm unbewusste Weise.

Die Tempelherren waren kriegerische Mönche. Wer hätte von ihnen Heldentaten erwarten dürfen, wenn sie stumpfsinnig wurden? Das Gelübde, die Pilger auf ihren Wallfahrten zu beschützen, hatte jetzt eine ganz andere Bedeutung, als da Hugo von Paganis und seine Gefährten aufgestanden waren. Wenn etwa dieser oder jener Gläubige oder von Verbrechen Belastete am Heiligen Grab beten wollte, dann half ihm das nächste Tempelherrenhaus auf eine ganz andere Art, als Hugo von Paganis es vermocht hatte; nämlich es wurden in dem Tempelherrenhaus die baren Gelder der Wallfahrer in Wechsel umgesetzt und für diese Erleichterung der Reise eine ziemlich starke Vergütung genommen. Wie es jedoch überhaupt um das vierte Gelübde stand, erhellt schon daraus, dass die Christen nicht einen Strich Landes in Palästina mehr innehatten, am wenigsten aber die Tempelherren, gegen die auf die grausamste Weise stets verfahren wurde, weil als Lösegeld für einen so tapferen Mann nicht mehr als ein Gürtel und ein Messer gegeben werden durfte. Der ganze Schutz der Tempelherren erstreckte sich daher nur auf Wechselgeschäfte. Es konnte daher unmöglich ebenso wenig die Regel streng gehalten werden, als Vergehen gegen dieselbe streng bestraft werden konnten. Um des Vorteils des ganzen Ordens willen hingegen war der äußere Schein notwendig. Wie hätte es sonst wohl noch Leute geben können, welche ihre zeitlichen Güter dem Orden vermachten oder auch dahingaben, um der ewigen Güter desselben teilhaftig zu werden? Wie bei allen Körperschaften ging es auch bei der der Tempelherren: Die untergeordneten Mitglieder kannten nur das Gesetz, während die Oberen in den Geist desselben eingedrungen waren. Für sie war das Gesetz nur darum vorhanden, damit es ihnen das Regiment des Ganzen erleichterte, und wie mancher Gesetzgeber sogar gegen das, was er gebietet, sündigt! Hier auf Zypern, die eigentliche Residenz des Tempelherrenfürsten, waren auch die klügsten Männer der Verbrüderung um ihn versammelt. Da konnte man nicht verfahren wie in irgendeiner untergeordneten Komturei, und doch mussten die Gesetze scheinbar in ihrer Kraft erhalten werden. Das war keine leichte Aufgabe für einen Jacob von Molay, und dennoch strauchelte er nicht.

In anderen Beziehungen war das jetzige Verhältnis des Großmeisters auch nicht gerade das leichteste. Peyraud, ihm zwar zum feierlichen Gehilfen an die Seite gestellt, zum Ratgeber, hatte bis dahin niemals seines Vorgesetzten Vertrauen in so hohem Grad wie Boulogne besessen. Das Warum lag in der Sache selbst. Konnte etwa Peyraud schon vergessen haben, dass ihn Jacob von Molay bei der Wahl besiegt hatte? Und wie auch die Einigkeit der Tempelherren im Krieg das Höchstnotwendigste war, so bildeten sich doch wohl im Frieden Parteien, zumal hier, wo Peyrauds Anhänger noch lebten. Dies alles und die Äußerung des Wildgrafen ob des tiefsten Geheimnisses des Ordens hatte den Großmeister vermocht, allein mit sich selbst zu bleiben. Des Kardinals Worte hatten einen Funken in seine Brust geworfen, der den längst darin vorhandenen Zunder aufglimmen machte und den die Einbildungskraft bald bis zur Flamme aufjagte. Seit dem Verlust von Akra dachte man kaum noch an die Wiedereroberung des Gelobten Landes, denn sechs Millionen Christen und vier Millionen Sarazenen waren vergebens in den Kreuzzügen zugrunde gegangen. Der religiöse Eifer war erkaltet. Wer hätte wohl an einen anderen Kreuzzug noch denken mögen? Um so kühner war der Gedanke, lediglich und allein durch die drei mächtigsten kriegerischen Orden einen neuen Versuch zu machen, der nicht zu gewagt war, denn aus den unzähligen anderen Ritterorden würden sich kühne Männer angeschlossen haben, um Ehre, Ruhm und himmlischen Vorteil zu erwerben. Die Tempelherren nun, der mächtigste Orden, er durfte mit Recht den Vorzug behaupten, wenn nicht Kaiser oder Könige zum Krieg aufgerufen wurden. Wem außer dem Großmeister der Tempelherren wurde dann der Thron von Jerusalem zuteil?

Der Gedanke war so verlockend, dass ihn Jacob von Molay gleich wie ein kostbares Kleinod in seinem Busen verschlossen hielt. Der Gedanke ließ ihn auch nicht ruhen, und erst lange nach Mitternacht, da des Morgens Strahl der Kerzen Licht verdunkelte, durfte ihn sein Kammerdiener Georg entkleiden. Wie fest aber seine Seele sich an diesen Gedanken gesogen hatte, das leuchtet daraus hervor, dass er ihn selbst bis in den Traum begleitete, in einen Traum beseligend und auch beruhigend.

Den Stifter des Ordens sah Jacob von Molay vor seinem Lager, Hugo von Paganis, ärmlich zwar, aber doch freudigen Blickes. In tiefster Verehrung fühlte sich der Meister vor dem Stifter des Ordens niedergeworfen. Der nun legte ihm die Hand segnend aufs Haupt, und wie Himmelston säuselte es aus seinem Mund: »Sei mir gesegnet, du wackerer Kämpfer Christi, du treuer Jünger! Des Himmels Gnade will ich dir verkünden! Ich bin herabgestiegen aus dem Land der Seligen, denn das Geheiß des alleinigen Gottes vermochte mich dazu und gab mir Kraft. Durch Seraphim und Cherubim sprach er zu mir: Du sollst die höchste Seligkeit nun schauen, der du gestritten für den eingeborenen Sohn. Schwing dich hinab ins irdische Gefilde und sieh die Früchte deiner Taten. Was du gedacht, ein Reich Gottes zu gründen, das erfüllt sich jetzt. Sion wird neu erstehen und die Stätte, wo er die Menschheit durch sein Blut versöhnte, wird nicht mehr in unheiligen Händen sein!«

Wie sehr mussten die übrigen Brüder erstaunen, als ihnen schon am frühen Morgen der Befehl wurde, nach der None sich bereitzuhalten, indem der Großmeister dem päpstlichen Legaten die Abschiedsaudienz erteilen würde. Der weise Boulogne konnte sich das nicht erklären; nicht einmal ihn hatte der Meister zurate gezogen! Es war nicht vorauszusehen, dass diese Versammlung eine der glänzendsten werden würde. Das Kapitel versammelte sich gleich wie ein königlicher Hofstaat; der päpstliche Legat mit seinen vorzüglichsten Begleitern und ebenso der Fürst von Tyrus. Der Großmeister erschien zuletzt, von Boulogne und Peyraud dis zu seinem Thron geleitet. Die verschiedenartigsten Gedanken sah man auf den ernsten Gesichtern der Brüder ausgedrückt. Am verdrießlichsten war Montroyal, der, wie es schien, mit dem größten Widerwillen in seinem Schweigen verharren musste, und den Blick nicht von den Schriften wenden konnte, welche Boulogne trug. Der Großmeister nahm diese Schriften aus Boulognes Hand, winkte dem Kardinal. Dieser trat mit aller Ehrerbietung vor den Großmeister hin.

»Hochwürdiger Herr«, begann dieser, »Wir sind Seiner Heiligkeit blinden Gehorsam schuldig in allem, was der Kirche Oberhaupt von Uns erheischt. Drum möge Seine Heiligkeit nicht missdeuten, dass eine Verzögerung stattfinden muss. Es ist noch zu vieles zu ordnen und zu beschaffen, ehe Wir über das Meer gehen können. Bringt daher dem Heiligen Vater die Versicherungen Unserer Liebe und Anhänglichkeit. Sobald des Ordens Geschäfte hier auf Zypern für Unsere Abwesenheit geregelt sein werden, erscheinen Wir selbst vor Unserem Superior und bringen Unsere Huldigung mündlich dar. Möge der Statthalter Christi so glücklich sein, dass er das Kreuz so weit pflanze, wie die Erde reicht. Wir wollen nicht ermüden, Seiner Heiligkeit darin kräftig zu unterstützen.

»Wer könnte sich eines anderen von Euch, hoher Herr, und dem berühmtesten Orden versehen! Dass mir die Ehre zuteilwurde, als Abgesandter des Heiligen Vaters zu Euch zu kommen, das wird mir durch mein ganzes Leben als das Beste erscheinen, welches ich erringen konnte.«

Bei diesen Worten hatte der Kardinal sich tief verneigt, indem er zugleich die Schriften aus des Meisters Hand empfangen hatte.

»Wir werden Euch nicht selbst nach Ninove begleiten können, Herr Kardinal, doch sollt Ihr mit einem Gefolge dort wieder einziehen, wie es Eure Auszeichnung erheischt. Uns fesseln jetzt die Geschäfte an Nemosia. Wollt Euch also beurlauben, Herr Kardinallegat. Morgen könnt Ihr in Ninove sein und Euch sofort einschiffen.«

Der Kardinal mochte wohl froh sein, dass der Meister diese Audienz abkürzte, denn er tat schleunig nach des Meisters Worten, beurlaubte sich und wurde entlassen. Als er durch die Reihen der Brüder dahinschritt und zu beiden Seiten sich verneigte, da begegneten ihm so sehr misstrauische Blicke, dass er froh war, als er dieser unheimlichen Gesellschaft entgehen konnte. Mit dem Fürsten von Tyrus hatte der Meister noch weniger zu besprechen; es war setzt von einer neuen Landung, von einem neuen Anfall des allgemeinen Feindes durchaus nicht mehr die Rede. Jacob von Molay dachte jetzt ein viel größeres Werk zu vollenden. Was konnte ihm noch an Unternehmungen liegen, wo die Gefahr, mit welchen sie verknüpft waren, mit dem wenigen Ruhm der mageren Beute nicht in dem richtigen Verhältnis stand? Der Audienzsaal war leer geworden. Nur einer war darin geblieben, der wieder mit sich selbst allein sein wollte: Jacob von Molay. Wie sehr hatte er sich in so kurzer Zeit verändert! Keinen der Brüder wagte er in sein sonst so offenes Herz blicken zu lassen. Was er in sich trug, das war für ihn doch zu schwer, um es ganz zu verschweigen. Ohne es selbst zu wissen, stand der Meister mit auf dem Rücken zusammengehaltenen Händen gedankenvoll inmitten der weiten Halle.

Er schien mit sich selbst uneinig. Bejahende und verneinende Bewegungen des Hauptes bekundeten das. Sogar in laute Worte ergoss sich dasjenige, was er dachte.

»Gestehe es dir nur selbst, dass du an der Glorie des Kreuzes dich versündigst. Selbstsüchtig nur auf den eigenen Vorteil dedacht, denkst du einem Gedanken nach: Eine Krone möchtest du auf deinem Haupt wissen, das ist dein ganzes Trachten.«

Nach einem kurzen Schweigen verteidigte er sich vor sich selbst: »Warum klage ich mich an? Erfülle ich nicht das tiefste Geheimnis des Ordens? Durch alle Lande der Christenheit sind die meinen verbreitet. Wie wäre es, wenn ich sie alle um mich versammeln könnte? Wenn ich in der Stadt Gottes herrschte und das Heilige Land durch so viele wackere Männer gegen jeden Anfall geschützt wäre? Der Gedanke schon ist ein ganzes Leben wert! Hat doch der Orden der deutschen Ritter ein ganzes Land für sich inne – sollten wir Tempelherren nicht ebenfalls danach streben? Und wenn Clemenz die drei Orden miteinander verbindet, wenn der Himmel uns Sieg verleiht, auf wen anderes kann die Wahl fallen, den Thron in Jerusalem zu besetzen, als auf mich eben! Villaret …? Ha! Was wollen die vom Hospital, wenn man uns in die andere Waagschale legt? Uns gehört der heilige Boden, von Gott und Rechtes wegen. Wir haben ihn mit Strömen von Blut bezahlt …«

»So denke ich auch, Meister«, klang es hinter ihm. »Warum erschreckt Ihr? Komme ich Euch etwa ungelegen? Die letzten Worte hörte ich, so Ihr gesprochen. Ihr schient im wachen Traum. Und wahrlich, Meister, ich suchte Euch. So manches wirrt und drängt sich in meinem Kopf. Ich kann es Euch nicht verhehlen, dass mir ganz eigene Gedanken ob des Papstes unverbürgten Vorsatz aufgestiegen sind.«

»Lasst hören, Dauphin«, fasste sich der Meister wieder. »Wer weiß, ob in Eurem jugendlichen Kopf der Gedanke nicht eben so reif sei wie bei Boulogne und anderen alten Brüdern?«

»Vergebt jedoch, lieber Herr und Meister, wenn ich etwa vorschnell das wahrste Wort gebrauche und nicht erst prüfe oder Euch ausspähe, was Ihr etwa darüber denkt. Der Papst will die drei Orden vermögen, Palästina wieder zu erobern. Gelingt es ihm, so werden weltliche Ritter, Fürsten und Herren mit ihren Ansprüchen an den Thron von Jerusalem hinter den drei Orden zurückstehen müssen. Einem von den drei Orden muss das Königreich von Jerusalem zufallen, dem Besten und Mächtigsten zumal, folglich uns.«

Der Meister sah den Dauphin mit langem verwunderten Blick an. Drauf sprach er langsam und mit bedeutungsvollem Ton: »Bei unserer lieben Frau! Ihr seid Euren Jahren vorausgeeilt. Doch rate ich Euch wohl, dasjenige zu verbergen, was Ihr mir vertraut. So wahr Ihr fürder das Ordenskleid zu tragen hofft, so gewiss komme kein Wort von dem über Eure Lippen. Mag es denn, bezeichen das neue Jahr in seinen Ersten schon eine der größten Weltbegebenheiten! Könige und Herren mit ihren eigensüchtigen Bestrebungen werden in diesem Kreuzzug nicht viel gelten. Aber ein Heer will ich zusammenbringen, welches allein schon hinreichend wäre, die Macht der Sarazenen in ihren tiefsten Grundvesten zu erschüttern. Jetzt wird es Zeit, des Ordens Reichtümer zu offenbaren, und guter Sold wird uns tüchtige Krieger werben. Dann sollt Ihr sehen, wie mit einem Heer es sich Krieg führen lässt, welches dem Befehl eines Einzigen gehorsamt. Bei Eurem Eid aber, Dauphin, schweigt von dem wie das Grab! Dass ich Euch vor allen begünstige, lehrt Euch mein Vertrauen. Nur fortgeschritten so auf dieser Bahn, und es kann Euch nicht fehlen, wenn mich der Herr von hinnen ruft.«

Freundlich-ernst grüßte der Meister den Dauphin und schritt an ihm vorüber. Der aber folgte ihm nicht, sondern sah ihm lange nach. Als des Meisters Schritte verhallt waren, sprach er in sich hinein: »So könnte es sich doch noch erfüllen, was eigentlich schon von der Wiege an mir bestimmt gewesen war: Zepter und Krone, das sind Güter, um welche sich schon etwas wagen lässt; und ein Purpur lässt große Sünden nicht einmal so hässlich scheinen, wie die kleinsten aussehen auf dem weißen Mantel, den ich trage. Ich kann nicht so genügsam sein, dass mich dieser äußere Glanz des Ordens sättigte. Meine Fürstenehre empört sich gegen dies Kleinliche, dies Knabenhafte, welches die Brüder untereinander beobachten. Ängstlich wacht einer über den anderen, ob er ihn nicht ertappe ob einer Sünde; denn heute oder morgen muss der Großprior von Normandie sich die Disziplin gefallen lassen! König aber – an dem Wort schon scheitert jede Regel.«

Unter der Tür trat dem Dauphin der Wildgraf entgegen.

»Euch suchte ich, lieber Herr, unter vier Augen hätte ich mit Euch zu reden.«

»Vergebt – mich drängt meine Zeit. Ein anderes Mal, Herr Graf. Ich muss zu dem Kardinallegaten.«

»Hat es denn so große Eile mit diesem Kardinallegaten?«, fragte der Deutsche. Und mit prophetischem Ton fügte er hinzu: »Der wird immer noch zu früh zu dem Papst und zu Philipp von Frankreich kommen.«

»Zu früh? Wie soll ich das verstehen?«

»Seht, lieber Herr, der Kardinal wird nicht zu früh nach Frankreich kommen, aber wir werden zu spät einsehen lernen, dass er viel zu früh von Zypern abgereist ist. Auf Wiedersehen denn! Wenn Ihr von Ninove zurückkehrt, dann habe ich mit Euch zu reden.«

Show 1 footnote

  1. Er soll jährlich 50 bis 60 Millionen Franc Einkünfte gehabt haben; da doch Philipp der Schöne nur 2.500.00 Franc.