Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Gold Band 2 – Kapitel 08.2

Friedrich Gerstäcker
Gold Band 2
Ein kalifornisches Lebensbild aus dem Jahre 1849
Kapitel 8
Die Chinesen
Teil 2

Briars maß seinen vermeintlichen Gegner noch immer mit keineswegs freundlichen Blicken, denn er wusste nicht recht, war die Weigerung des Fremden, den Kampf aufzunehmen, Feigheit oder hatte er einen anderen Grund.

Siftly ließ ihn aber nicht lange in Zweifel und sagte: »Was zum Teufel hackt und grabt Ihr hier, wo nichts ist, das Euren Fleiß belohnt, und lasst die vermaledeiten Fremden dicht daneben Euch das Gold vor der Nase wegholen?«

»Ist denn das nicht meine Rede?«, rief Briars ärgerlich, »und wart denn nicht Ihr selber mit Eurem Vorschlag schuld daran, erst einen Alkalden zu wählen? Hat das nicht unsere Kräfte noch zersplittert?«

»Da seid Ihr im Irrtum, Freund«, sagte aber der Spieler, »denn ich schlug die Wahl vor, um unsere Kräfte erst recht zusammenzuhalten. Hetson ist nun gerade der Mann, den wir brauchen, uns in all dem, was amerikanische Interessen betrifft, nichts in den Weg zu legen. Wie ich selber aber darüber gesinnt bin, will ich Euch gleich an Ort und Stelle be- weisen. Wie weit haben die Fremden hier das Recht, ihre Claims auszudehnen?«

»Nach meiner Ansicht überhaupt kein Recht«, sagte Briars mit einem Fluch. »Nicht einen Fußbreit Boden sollten sie behacken dürfen, wenn es nach mir ginge.«

»Aber Ihr habt doch, wie einmal die Sachen stehen, Gesetze hier in den Minen, die die Länge eines Claims regeln.«

»Für den Mann zwölf Fuß wird gewöhnlich angenommen.«

»Gut«, sagte Siftly, »gleich hier unten arbeiten Chinesen in zwei Partien. Wären es wirklich zwei verschiedene Abteilungen, so hätten sie vielleicht eine Art von Recht, sich so auszubreiten. Die Burschen halten auch alle zusammen und sehen einer wie der andere aus – wie aber wollen sie es bewei­sen?«

»Verdammt wenig, was sie da aus dem Boden herausschaufeln werden«, brummte Briars.

»Meint Ihr?«, sagte aber Siftly. »Ich habe mit meinen eigenen Augen gesehen, dass sie das Gold in großen Stücken aus der Erde stochern. Sie arbeiten dort unten nur mit ihren Messern.«

»Es ist zu niederträchtig!«, rief Briars, auf den Boden mit dem Fuß stampfend, »und wir müssen uns das gefallen lassen?«

»Wer sagt das?«, erwiderte Siftly und lachte dabei. »Habt Ihr Lust, so gehen wir einmal zu den Chinesen hinüber. Gefällt uns der Platz, wer zum Henker will uns dann verhindern, ihn auszubeuten? Die glatzköpfigen, langzöpfigen Burschen wahrhaftig nicht!«

»Wie viele sind es ihrer?«, rief Briars, rasch auf den neuen Plan eingehend.

»Bah, und wenn es ihrer ein Dutzend wären«, lautete die mürrische Antwort. »Die Burschen sind feige, und zwei Leute wie wir der sechsfachen Anzahl jederzeit gewachsen. Es kommt nur darauf an, ob Ihr ihnen das Gold lieber gönnt als Euch.«

»Und der neue Alkalde?«

»Ist noch nicht vom County Court bestätigt. Wenn aber auch, die Verantwortung allem gegenüber, was Ihr etwa Gesetze nennen könnt, nehme ich auf mich.«

»Dann bin ich Euer Mann!«, rief Briars, in die dargebotene Hand schlagend, »und was die Prügelei betrifft, so nehme ich sechs auf mich, wenn Ihr mit der anderen Hälfte fertig werden wollt.«

»Und habt Ihr hier in Eurem Claim gar nichts gefunden?«

»Nicht die Spur von Gold! Verdamm mich, nicht soviel als mich ein Glas Brandy kosten würde, wenn ich es gleich bezahlen sollte. Drei Tage habe ich gearbeitet wie ein Pferd, nur um hinunterzukommen.«

»Gut, dann könnt Ihr jetzt da drüben ernten«, sprach Siftly, »denn die Mühe haben uns die Burschen wenigstens erspart. Und nun vorwärts, dass uns nicht jemand anderes zuvorkommt.«

Briars ließ sich nicht lange bitten, und Siftly lachte vergnügt vor sich hin, als er mit seinem neu geworbenen Freund die kurze Strecke dem Arbeitsplatz der Chinesen zuschritt. Seine Wahl in dem neuen Gefährten war auch ganz vorzüglich und seinem Zweck entsprechend getroffen worden, denn er wusste recht gut, dass die Amerikaner im Ganzen den Spielern nicht besonders freundlich gesinnt waren. Mit diesem Burschen aber, einem der Tollköpfigsten von allen zum Kumpan, hatte er eben diese ganze wilde Partei an seiner Seite. Dass sie den ersten direkten Angriff auf die Fremden wagten, wurde ihnen, das wusste er recht gut, von vielen hoch angerechnet. Gab dies dann den Anlass, die Mexikaner und übrigen Fremden, die sich an den Spieltischen überdies wenig beteiligten, ebenfalls aus den Minen hinauszujagen, so blieben die Amerikaner hier allein die Herren. Was sie mit leichter Mühe dann in den eroberten Gruben erbeuteten, floss jedenfalls zum großen Teil wieder in die Säckel der Spieler.

Briars seinerseits, mit keinen so weit ragenden Plänen, aber noch in dem ersten wilden Ärger über die missglückte Arbeit, hielt sich dabei in seinem vollen Recht. Den Amerikanern gehörte nach seiner Meinung hier der Boden allein. Sie hatten ihn sich mit ihrem Blut von den Mexikanern erobert. Alle Fremden waren deshalb nur Eindringlinge, und die zu verjagen oder wenigstens in ihrer Ausbreitung zu beschränken, konnte ihnen niemand verwehren, ja, es war die Pflicht eines jeden, der es gut mit seinem Vaterland, der Union, meinte.

Die Chinesen hatten indessen in ihrem mühsam niedergegrabenen Claim ruhig fortgearbeitet und sich nicht weiter um den Amerikaner, der sie da vorher gestört hatte, bekümmert. Es geschah öfters, dass solcher Art Fremde zu ihnen traten, besonders seit sich das Gerücht verbreitet hatte, dass sie einen reichen Platz gefunden hatten, und dadurch, dass sie sich gar nicht mit ihnen einließen, hielten sie sich bis jetzt am besten frei von ihnen.

Der Anführer oder Aufseher des kleinen chinesischen Trupps, der auch nur selten selber die schwere Arbeit des Niedergrabens teilte, sondern gewöhnlich nur an der Waschmaschine schaukelte, war indessen, als Siftly den Platz wieder verlassen hatte, nach oben gestiegen und zu der etwa dreißig Schritt entfernten Grube gegangen, in der eine andere Abteilung seiner Landsleute arbeitete. Vorsichtigerweise hatte er auch dabei das Gold mitgenommen, das sie an diesem Morgen ausgegraben hatten. Die Zurückgebliebenen gruben und wühlten indessen eifrig in dem ausgeworfenen Loch umher, denn Siftly hatte allerdings ganz recht gesehen, dass sich der Platz außerordentlich reich erwies. Deshalb wollten sie ihn auch so rasch wie möglich räumen. Gerade als sie damit beschäftigt waren, kehrten die beiden Amerikaner zurück.

Briars, der einen raschen Blick in die Grube warf, rief aus: »Beim Teufel, die Langzöpfe sitzen hier mitten im Gold drin, während wir, denen der Boden gehört, um Lohn um sie herumhacken. Heraus von da oder verdammt will ich sein, wenn ich Euch nicht Beine mache!«

Die fünf Söhne des Himmlischen Reiches sahen erschreckt zu der rauen Stimme auf, antworteten aber ebenso wenig wie vorher, deckten, was sie an Gold indessen unten wieder gefunden hatten, zu, und arbeiteten ruhig weiter.

»Auf die Art kommen wir nicht zum Ziel«, sagte aber Siftly, »das Spiel habe ich schon vorhin mit ihnen versucht, und wir könnten eine Stunde auf sie einreden, ohne auch nur eine Silbe aus ihnen herauszubringen. Mit denen müssen wir anders sprechen.« Einen der dort ausgeworfenen Brocken Erde aufnehmend, warf er ihn dem einen Chinesen gerade auf den Rücken und rief dazu: »Heraus mit Euch von da – habt Ihr mich verstanden, oder soll ich noch deutlicher mit Euch unterhandeln?«

Der von der Erde Getroffene fuhr in die Höhe und stieß einen lauten Schrei aus, während die Übrigen in ihrer Sprache wild und bunt durcheinander riefen. Verstehen konnten die Amerikaner aber natürlich nicht, was sie wollten, und ebenso wenig machten sie Anstalten, heraufzukommen.

»Hol die Burschen der Henker«, rief da Briars, »ich will einmal unten Feuer unter sie machen. Danach werden sie wohl verstehen, was wir wollen.«

Und ohne sich weiter an die Zahl der unten Befindlichen zu kehren oder nur eine Antwort Siftlys abzuwarten, lehnte der junge kecke Bursche seine Hand auf den Rand der etwa zwölf Fuß tiefen und vielleicht ebenso weiten Grube und sprang mitten zwischen die nach allen Seiten auseinander stiebenden Chinesen hinein.

Hier gestikulierte er nun eben auf ziemlich beredte Weise mit beiden Fäusten und packte zwei sogar, die er in die Ecke schob, in der eine junge Kiefer zum Aus- und Einsteigen lehnte, als oben am Rand plötzlich der Aufseher oder Obere der Chinesen erschien. Rasch übersah der auch wohl, was hier vorgehe. Sich in gebrochenem Englisch an Siftly wendend, rief er ärgerlich, was sie hier wollten?

»Was wir hier wollen, mein Bursche?«, gab da der Spieler, der sich, wie er ihn nur hörte, schnell gegen ihn wandte, lachend von sich, »das will ich dir sagen. Der Platz hier gehört uns. Ihr habt kein Recht, hier zu arbeiten, und jetzt macht, dass Ihr fortkommt, wenn Ihr Euch nicht noch Schlimmerem aussetzen wollt.«

»Der Platz mir«, sagte da der Chinese in seiner eigentümlichen Gaumensprache, »ich bezahlt zwei Dollar – Alkalde – ich Nummer.«

»Du – ich hätte bald was gesagt«, sprach Siftly, » aber es ist genug geschwatzt – allons – vamos! Verstanden?« Damit nahm er ihn hinten beim Kragen, drehte ihn um, und wollte ihn eben beiseiteschieben, als der Chinese, selber kräftig, und wie es schien, auch nicht so feige wie seine Kameraden, dem Amerikaner unter dem Arm hinfuhr und ihn mit solcher Gewalt von sich stieß, dasser drei, vier Schritt zurücktaumelte. Der Boden aber war hier durch die ausgeworfene Erde rau, und zugleich auch Loch an Loch nach allen Seiten hin gegraben. Siftly, der deshalb sein Gleichgewicht nicht so rasch wiedergewinnen konnte, blieb in einer der Schollen hängen und stürzte rückwärts in ein benachbartes und etwa acht Fuß tief ausgeworfenes Loch hinein.

Der Chinese indessen, ohne sich weiter um ihn zu bekümmern, sprang wieder an den Rand seiner Grube und schrie hinein: »Du da – du Amerikaner – raus von da – schnell! Verstanden? Du nichts verloren da unten.«

»Ei du verdammter kahlköpfiger Schuft«, fluchte aber Briars, »wünsche du mich nicht hinauf. Wenn ich nach oben komme, schlag ich dir den Schädel so weich, wie dein Hirn ist. Siftly – hallo Siftly – wo zum Teufel steckt Ihr – gebt doch einmal dem Langzopf da in meinem Namen …«

Er konnte seinen Satz nicht vollenden, denn schäumend vor Wut, von einem verachteten Chinesen so behandelt zu sein, von dem Schmutz der Grube bedeckt, mit abgefallenem Hut, das Haar wirr um die Schläfe flatternd, die Zähne aufeinander gebissen, die kleinen Augen in Hass und Bosheit blitzend, schwang sich Siftly gerade wieder aus dem Loch herauf und warf sich auf den Gegner.

Wie aber der Chinese nur einen Blick auf den förmlich rasenden Amerikaner warf, fühlte er auch, dass er ihm nicht gewachsen war. Trotzdem stemmte er sich fest in den Boden, dem ersten Ansprung zu begegnen, und stieß nur einen schrillen und eigentümlichen Schrei dabei aus.

Hatte Briars übrigens vorher, weder durch Stoßen noch Drängen vermocht, die Chinesen aus ihrem Eigentum hinauszujagen, so brachte dieser eine Ruf mit Blitzesschnelle das zustande. Ohne auch nur einen Blick nach dem Amerikaner zurückzuwerfen, kletterten sie wie die Katzen an ihrem Baum empor. Aber nur der Erste gelangte noch zeitig genug oben an, um zu sehen, wie sich der Amerikaner auf ihren Oberen warf und ihn mit einem Schlag seiner Faust zu Boden streckte. Wohl wollte ihm sein Kamerad zu Hilfe kommen, aber ein zweiter Stoß sandte ihn ebenfalls seitab auf die Erde nieder. Als auch Briars nach oben sprang, dem Gefährten zu Hilfe zu kommen, und andere Amerikaner, die den Schrei gehört und den Kampf gesehen hatten, von mehreren Seiten herbeieilten, stoben die armen Teufel von Chinesen wie ein aufgescheuchtes Volk Rebhühner auseinander.

Siftly aber, noch schäumend vor Wut über die erlittene Misshandlung, warf sich auf den durch den ersten Schlag betäubten Chinesen. Dessen langen Zopf um seine linke Hand schlingend, schrie er dem eben am Rand der Grube auftauchenden Briars zu, ihm einen Stock herbeizuschaffen.

»Ein Stock«, meinte dieser lachend, als er die komische Gruppe sah, »da könnt Ihr weit in diesen Bergen herumsteigen, ehe Ihr einen ordentlichen Hickory fändet, wie sie bei uns daheim wachsen. Gebt ihm ein paar Hiebe mit seinem eigenen Zopf, das kann ihm nicht groß schaden.«

»Beim Teufel, Ihr habt recht«, schrie der Amerikaner, indem er sein Messer aus der Scheide riss.

»Keinen Mord, Siftly – um Gotteswillen!«, rief Briars, erschreckt zuspringend.

»Habt keine Angst«, gab aber der Spieler von sich, »nur den Zopf will ich mir bequemer herrichten.« Mit ein paar Schnitten trennte er diesen Stolz des armen Chinesen von dem sonst kahlen Kopf, nahm ihn dann in die rechte Hand und schlug erbarmungslos damit auf den am Boden Liegenden ein.

Andere Amerikaner, mit einigen Franzosen dazwischen, hatten sich indessen um die Gruppe versammelt. Aber es bedurfte einiger Zeit, bis sich Siftly so weit beruhigte, dass er den Chinesen losließ und, seinen Zopf auf ihn werfend, den Umstehenden erzählte, wie ihn der kahlköpfige Bursche unversehens gepackt und in das Schlammloch da nebenan geworfen habe. Mit den fürchterlichsten Flüchen schwor er dabei, dass er jedem Chinesen, der ihm wieder zu nahe käme, eine

Kugel durch den Kopf schießen würde, und stieg dann ohne Weiteres mit Briars in die eroberte Grube hinab, um ihren Raub jetzt auszubeuten.

Die übrigen Goldwäscher kümmerten sich natürlich nicht darum. Das war eine Sache, die beide Parteien miteinander abmachen mussten. Wie sie sich nur überzeugt hatten, dass der Chinese nicht tot, sondern nur betäubt war – der Zweite hatte sich schon lange wieder aufgerafft und davongemacht – ließen sie ihn liegen und gingen lachend oder gleichgültig ihrer Wege.

Nur ein paar Franzosen blieben bei dem armen misshandelten Burschen zurück, holten Wasser und gossen ihm das ins Gesicht und brachten ihn wieder zu sich selber. Dass ihm übrigens weiter nichts geschehen war, sahen sie wohl. Über den abgeschnittenen langen Zopf lachten sie nur und ließen ihn dann, als er sich langsam wieder aufrichtete, ebenfalls allein.

Verstehen konnten sie ihn doch nicht und durften nicht zu viel Zeit mit ihm versäumen.

Der von dem Schlag betäubte Chinese erholte sich nach und nach wieder. Wie er aber nur halbwegs zur Besinnung kam und sich auf der Erde liegend fand, war sein erster Griff in alter Gewohnheit nach dem ordentlich heiliggehaltenen Zopf. Mit einem wahren Angstschrei sprang er empor, als er den für ihn furchtbaren Verlust entdeckte, den er erlitten hatte.

Seine Zähne knirschten zusammen. Der Schaum trat ihm vor den Mund, und mit fast aus den Höhlen drängenden Augen ging er zu der Grube, in der die Amerikaner rüstig arbeiteten.

Was er da, außer sich vor Wut, hinunterrief, konnten die beiden nicht verstehen. An den wie rasenden Gebärden des armen Teufels erkannten sie aber wohl, dass es kein Segen war. Siftly, ruhig seinen Revolver aus der Tasche ziehend, spannte den Hahn, richtete die Waffe auf den Chinesen und schwor, er würde im nächsten Augenblick Tageslicht durch ihn scheinen lassen, wenn er nicht mache, dass er von da oben fortkäme.

Der Chinese blieb noch, wohl eine volle Minute, selbst dem drohenden Lauf der Feuerwaffe trotzend, in seiner Stellung. Bald aber mochte er sich doch eines Besseren besinnen. Er drehte sich langsam ab, und griff den am Boden liegenden Zopf auf, den er sich um die Hüften wie einen Gürtel band. Dann sah er sich nach den vertriebenen Gefährten um. Als er diese alle um die Stelle versammelt fand, wo sie ihre zweite Grube bearbeiteten, schritt er langsam auf sie zu, blieb eine Weile bei ihnen stehen und verschwand dann, von ihnen gefolgt, in dem Ausgang des Tales, unter dem sie ihre Zelte stehen hatten.