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Till Eulenspiegel in 55 radierten Blättern – 5. Blatt

Till Eulenspiegel in 55 radierten Blättern
von Johann Heinrich Ramberg, mit Text nach der Jahrmarkts-Ausgabe. Verlag C. B. Griesbach. Gera. 1871

Die Mutter macht ihrem Sohn Till den Vorschlag, ein Handwerk zu lernen. Aus Not betrügt er einen Bäcker um einen Sack mit Brot.

ls nun die Mutter über ihren Sohn eine innerliche Freude hatte, dass er so ordentlich würde, dachte sie, jetzt sei es Zeit, ihn nach mütterlicher Weise zu ermahnen, dass er nun ein Handwerk lernen müsse, damit er ihr einige Unterstützung in ihrem Alter verschaffen könne. Eulenspiegel gab darauf keine Antwort. Die Mutter ließ aber nicht nach, ihn zur Erlernung eines Handwerks anzuhalten.

Endlich sagte er: »Liebe Mutter! Wie man’s treibt, so geht’s. Wozu sich einer begibt, davon hat er sein Lebtage Brot.«

Da sagte die Mutter: »Das dünkt mich selber. Ich habe nun wegen deiner Faulheit seit vier Wochen kein Brot im Hause gehabt, und leide um deinetwillen in meinem Alter Mangel.«

Eulenspiegel sprach: »Ein armer Mann, der nichts zu essen hat, fastet mit Clausen, denn wenn dieser etwas hat, isst er sich satt, wie am Martinsabend; also essen auch wir.«

»Nun«, sagte die Mutter, »so iss dich doch einmal satt!«

Eulenspiegel sprach: »Ja, jetzt habe ich nichts.«

Da Eulenspiegel nun Hunger hatte und nichts zu essen, ging er traurig hinaus, und sprach zu sich selber: »Ach, lieber Himmel! Hilf, dass ich meinen und meiner Mutter Hunger stillen kann. Wo werde ich aber Brot bekommen, dass wir nicht vor Hunger sterben?«

Von diesem Gedanken durchdrungen, nahm er einen Sack und ging aus dem Dorf zu einem Städtchen, welches sich Strassfort nennt. Als er durch die Straßen ging, sah er einen Bäckerladen, wo schönes Brot stand. Er ging hinein und fragte den Bäcker, ob er seinem Herrn nicht für 10 Groschen Brot schicken wolle, und nannte ihm die Herberge, wo er wäre. Aber er, der Bäcker, solle einen Knaben mitschicken, der das Geld in Empfang nehme. Der Bäcker willigte ein.

Eulenspiegel ließ sich das Brot in seinen Sack zählen, worin er aber ein verborgenes Loch hatte.
Nun schickte der Bäcker seinen Jungen mit, das Geld dafür in Empfang zu nehmen. Als nun Eulenspiegel um die Straßenecke war, ließ er ein Brot aus dem verborgenen Loch in den Kot fallen.

»Ach«, sagte er zu dem Bäckerjungen, »das Brot darf ich meinem Herrn nicht bringen, gehe hin und hole mir ein anderes. Ich will so lange hier warten«. Und setzte den Sack auf die Erde. Unterdessen der Junge zurückging, nahm Eulenspiegel seinen Brotsack, lief damit aus dem Tor und ging in ein Wirtshaus vor der Stadt, wo ein Fuhrmann aus seinem Dorf war. Dem warf er den Sack auf den Karren und fuhr davon. Als der Bäckerjunge mit einem reinen Brot wiederkam, war Eulenspiegel fort. Da lief er nach Hause und sagte solches seinem Meister. Dieser ging in das Wirtshaus, wovon ihm Eulenspiegel gesagt hatte, fand aber niemanden und sah also ein, dass er betrogen war.

Eulenspiegel kam indessen vergnügt nach Hause, brachte seiner Mutter das Brot und sprach: »Nimm hin und iss, weil du was hast, und faste, wenn du nichts hast.«