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Der Winterkönig – Ein einführender Exkurs in die Zeit der böhmischen Unruhen im Jahre 1618

Der Winterkönig
Geschichten des Dreißigjährigen Krieges I

Ein einführender Exkurs in die Zeit der böhmischen Unruhen im Jahre 1618

Kaiser Matthias war kinderlos, wie seine beiden Brüder Maximilian und Albrecht. Wollte man nicht bei dem Ableben des Ersteren die Nachfolge in Ungarn und Böhmen durch die Wahlberechtigung der Stände ganz dem Zufall überlassen, so musste man sich ihrer Stimmen für einen österreichischen Fürsten zu bemächtigen suchen. Maximilian und Albrecht, beide bejahrt und frei von Herrschsucht, traten ihre Rechte ihrem Vetter Ferdinand von Steiermark, Kärnten und Krain ab, der in seinen Ländern den Protestantismus ausgerottet hatte. Auch Matthias gab seine Zustimmung. Die katholische Partei versprach sich das Beste von Ferdinands Einsicht, Entschlossenheit und Religiosität, er selber brannte vor Eifer, das dem Reich zu werden, was er bisher seinen Herzogtümern gewesen war. Da die Verhältnisse in Böhmen am bedenklichsten schienen, so machte man mit diesem Land den Anfang, die Thronfolge Ferdinands durchzusetzen. Der Vorschlag wurde ohne erhebliche Schwierigkeiten am 09. Juni 1617 von den Ständen angenommen, Ferdinand zum künftigen König von Böhmen ausgerufen und drei Wochen darauf mit großer Pracht gekrönt, nachdem er den Majestätsbrief Kaiser Rudolfs beschworen und sich verpflichtet hatte, die Freiheiten der böhmischen Nation in ihrem ganzen Umfang zu bestätigen. Solange Matthias lebte, sollte er sich indes nicht mit der Regierung des Landes befassen.

Die Leichtigkeit, mit welcher diese wichtige Angelegenheit durchgesetzt worden war, erfüllte die katholische Partei in Böhmen und Schlesien mit glänzenden Hoffnungen für die Zukunft und reizte sie zu erhöhter Tätigkeit an. Schon seit einigen Jahren beklagten sich die Lutheraner in dem letztgenannten Land über zunehmende Beeinträchtigungen und Gewaltsamkeiten vonseiten der Katholischen trotz ihres Majestätsbriefes. Aber sie fanden den Kaiser Matthias, der die Protestanten früher nur aus politischen Rücksichten begünstigt hatte, wenig geneigt, diesen Übelständen abzuhelfen. In Böhmen erhoben sich Streitigkeiten, ob den Untertanen geistlicher Stände die freie Religionsausübung zustehe. Die protestantischen Bewohner von Braunau, einem Städtchen, welches der Abtei gleichen Namens zugehörte, und die von Kloster Grab bei Teplitz, einer Besitzung des Erzbistums Prag, hatten schon vor längerer Zeit den Bau zweier Kirchen angefangen, worin sie durch den damaligen Abt Salender von Prossowitz und den Erzbischof Johann Lohelius gehindert wurden. Die Katholiken erklärten, der Majestätsbrief Kaiser Rudolfs sichere nur dem Herren- und Ritterstand sowie den königlichen Städten und Territorien die freie Religion zu, wie dies auch der wörtliche Inhalt besagte. Dagegen machten die Evangelischen bemerklich, dass die Geistlichen in Böhmen keinen besonderen Stand bildeten und die Güter der Kirche stets mit zu den königlichen Besitzungen gerechnet würden. Dessen ungeachtet sprach sich Matthias für die Katholiken aus. Als er im Dezember des Jahres 1617 Prag verließ, um auch in Ungarn die Wahl König Ferdinands zu bewirken, wurde die unterdessen trotz mehrfacher Verbote vonseiten des Kaisers vollendete Kirche zu Kloster Grab auf den Befehl des Erzbischofs geschlossen und zerstört. Da sich die Braunauer weigerten, die Schlüssel ihres ebenfalls fertig gewordenen Gotteshauses dem Abt auszuliefern, erschien eine kaiserliche Kommission, welche die Übergabe durchsetzte und mehrere widerspenstige Bürger ins Gefängnis werfen ließ. Kaiser Rudolf hatte den evangelischen Ständen von Böhmen das Recht erteilt, zur Verwaltung ihrer gemeinsamen Angelegenheiten und zur Wahrnehmung ihrer Interessen Defensoren aus ihrer Mitte zu wählen und an ihre Spitze zu stellen. Als diese Kunde von den Vorfällen zu Kloster Grab und Braunau erhielten, beriefen sie aus festem Kreis sechs Abgeordnete ihrer Partei nach Prag zur Versammlung auf den 6. März 1618. Hier wurde sogleich eine Vorstellung gegen das Verfahren in jenen Orten abgefasst, dem Kaiser übersandt und eine neue Zusammenkunft auf den 21. Mai verabredet, auf der man die indessen wahrscheinlich eingegangene Antwort in Überlegung nehmen wollte. Die Regierung von Böhmen hatte Matthias in seiner Abwesenheit zehn Statthaltern anvertraut, von denen sieben sich zur katholischen, drei zur evangelischen Religion bekannten. An diese erließ der Kaiser unter dem 21. März ein Reskript, worin er sich missfällig über die Versammlung sowie über den Inhalt der ständischen Vorstellung äußerte und neue Zusammenkünfte bis auf weitere Verordnung untersagte. Diese Antwort erregte außerordentliche Bestürzung unter den Defensoren, die Aufregung wurde durch vorlaute und prahlerische Reden eifriger Katholiken gesteigert und erreichte den höchsten Grad, als den Deputierten der zur bestimmten Zeit wieder zusammengetretenen Stände ein zweites Schreiben des Kaisers mitgeteilt wurde. Es enthielt keine Antwort auf ihre Beschwerden, vielmehr den Befehl an die Statthalter, die Auflösung der Versammlung zu bewerkstelligen. Bald verbreitete sich das Gerücht, dem indes nichts als eine Vermutung zugrunde lag, dass dieser Bescheid in Prag von den Statthaltern verfasst sei. Man beschloss, sie hierüber gemeinsam zur Rede zu stellen.

Von den Statthaltern waren besonders der oberste Landrichter Wilhelm von Slawata und Jaroslav Graf von Martinitz den evangelischen Ständen schon lange verhasst. Beide Männer hatten sich sowohl der Ausfertigung des Majestätsbriefes als auch nach derselben der Bewilligung einer Amnestie für alle bei den vorhergegangenen Unruhen Beteiligten hartnäckig widersetzt. Ihre protestantischen Untertanen sollten sie mit Hunden in die Messe hetzen lassen. Unglücklicherweise befanden sich diese beiden mit dem Oberst Burggrafen Adam von Sternberg und Diepold von Lobkowitz, zwei anderen katholischen Mitgliedern des Kollegiums der Statthalter, auf dem Schloss, als die ultraquistischen Stände am 23. Mai gegen Mittag, fast alle bewaffnet und mit einem zahlreichen Gefolge von Knechten umringt, an diesem Ort erschienen. An ihrer Spitze war Heinrich Matthias Graf von Thurn, durch Tapferkeit, Freimütigkeit und Herablassung im Besitz des Vertrauens seiner Glaubensgenossen, welches ihm auch eine Stelle unter den Defensoren verschafft hatte. Außer durch die allgemeine Gefahr seines Bekenntnisses war er persönlich vom Kaiser gereizt durch die Entziehung des Burggraftums Karlstein, welches er verwaltet hatte. Paul von Rziczan führte nach der Verabredung für die Evangelischen das Wort und stellte die Frage, ob das beschwerliche Schreiben des Kaisers auf Statthalter Anraten oder mit ihrer Billigung verfasst sei. Sollte infolge desselben jemand Unrecht oder Gewalt erleiden, so würden sie alle für einen Mann stehen. Der Oberst Burggraf antwortete, dass ein solches Begehren unerhört und nicht erfüllt werden könne, da ihr Eid sie, die Statthalter und Räte verpflichte, nichts von allem, was im Rat verhandelt und beschlossen werde, zu offenbaren. Sie möchten sich deshalb an den Kaiser selbst wenden. Als darauf ein verworrenes Geschrei erfolgte und viele Stimmen riefen, sie sollten Ja oder Nein sagen, verlangte der Burggraf Aufschub, weil man sich über eine so wichtige Sache notwendig mit den abwesenden Statthaltern besprechen müsse. Der Streit wurde heftiger, Schmähungen und Vorwürfe wurden über Martinitz und Slawata ergossen, bis Thurn, Leonhard Colonna von Fels und Wilhelm von Lobkowitz erklärten, dass zur Sicherung ihres Glaubens, ihres Leibes und Lebens nichts übrig bleibe, als sich dieser Feinde für immer zu entledigen. Sie führten darauf den Burggrafen und Diepold von Lobkowitz in ein anderes Zimmer, während Wenzel von Raupora, zu Martinitz und Slavata gewendet, ausrief: »Werft sie nach altböhmischem Brauch zum Fenster hinunter. Zurückkehrend umschlang Wilhelm von Lobkowitz den Grafen Martinitz von hinten und drängte ihn mit Rziczan, Ulrich Kinsky, Kaplicz und Smirzicziski gegen das offene Fenster. Vergebens flehte der Unglückliche um Frist zur Todesbereitung. Er wurde hinabgestürzt. Einen Augenblick herrschte tiefe Stille. Täter und Zuschauer waren gleich erschrocken, bis Thurn, auf Slawata zeigend, rief: »Edle Herren, hier habt ihr den anderen.«

Da packten sie auch diesen und warfen ihn hinunter. In der Todesangst klammerte er sich an das Eisen der Fensterbrüstung, aber man haute ihm so lange auf die Hand, bis er losließ. Danach erfuhr der Sekretär Philipp Fabricius Platter dasselbe Schicksal. Ungeachtet, dass die Höhe vom trockenen Schlossgraben bis zum Fenster etwa 18 Meter betragen mochte, blieben doch alle drei am Leben. Auch die Schüsse, welche ihnen von oben her nachgeschickt wurden, gingen fehl. Fabricius und Martinitz entkamen glücklich aus der Stadt und aus dem Land. Slawata, der am Kopf schwer verwundet war, wurde in das Haus des Kanzlers von Lobkowitz gebracht und erhielt, nachdem er geheilt war, die Erlaubnis, Böhmen zu verlassen.

Nach dieser raschen Tat ritt der Graf Thurn durch die Straßen und ermahnte das Volk zur Ruhe. In größter Eile erließen die Stände eine Apologie ihres Verfahrens, zogen die kaiserlichen Einkünfte und Güter an sich und nahmen die Beamten auf ihren Namen in Eid und Pflicht. Darauf mussten die Jesuiten das Land verlassen. Zur Verwaltung der Geschäfte wurde ein Ausschuss von dreißig Direktoren niedergesetzt, und der Graf Thurn wurde unter dem Titel eines obersten Generalleutnants zum Anführer der anzuwerbenden Kriegsmacht bestellt. Mit wenigen Ausnahmen traten auch die katholischen Stände diesen Maßregeln bei. Betrübnis und Schrecken erfüllten die Seele des Kaisers, als die Nachricht von diesen Vorfällen nach Wien kam. Musste er nicht von den dem böhmischen Reich einverleibten Ländern Schlesien, Mähren und der Lausitz fürchten, dass sie dem gegebenen Beispiel folgen würden? Hatten nicht auch in Ungarn und Österreich die Protestanten das Übergewicht? Er selber war abgelebt und kränklich, ohne bereites Heer, ohne zureichende Geldmittel. Daher neigte er sich zur Nachgiebigkeit. Aber Ferdinand, unterstützt vom Erzherzog Maximilian, war der entgegengesetzten Ansicht. Von Gott gesandt sei diese Gelegenheit, meinte er, eine Fügung zum Verderben der Ketzer, zur Unterdrückung alles Widerstrebens und aller Rebellion, welche, seit die neue Lehre verbreitet worden war, in allen Ländern des österreichischen Hauses überhand genommen habe. Mit aller Kraft müsse man sich bewaffnen, mit dem größten Nachdruck auftreten. Und da die Häupter der Böhmen für die Mandate und Unterhandlungsversuche des Kaisers taub blieben, weil sie ihm nicht trauten, drang Ferdinands Meinung um so leichter durch. Der spanische Hof wurde um Hilfe angegangen, in Österreich und den Niederlanden Werbeplätze eröffnet. Dabei blieben aber Ferdinand und Maximilian nicht stehen. Nachdem der Erstere in Ungarn am 1. Juli 1618 zum König gewählt und gekrönt worden war, entrissen sie dem Kaiser gewaltsam seinen einzigen Vertrauten, den Kardinal Klesel, weil sich dieser allen kriegerischen Maßregeln widersetzte, und ließen ihn gefangen nach Tirol führen. Es war ein harter Schlag und ein großer Schimpf für den kranken Kaiser, über den nun die Vergeltung für das, was er an Rudolf getan hatte, kam. Die Aufrüstungen gegen die Rebellen in Böhmen wurden darauf mit Eifer fortgesetzt. Schon im August desselben Jahres rückte der Graf von Dampierre, ein Lothringer von Geburt, mit einem kaiserlichen Heerhaufen zum Entsatz von Budweis vor, welches Thurn belagerte, weil es dem Kaiser treu geblieben war. Thurn eilte ihm entgegen und schlug ihn bei Czaslau und Lomnicz. Darauf erhielten die Protestanten noch Verstärkung, die Schlesier sowie die Lausitzer schlossen eine Konföderation mit den Böhmen zur Herstellung und Aufrechterhaltung freier Religionsübung an allen Orten und sandten den Markgrafen Johann George von Brandenburg und Herzog zu Jägerndorf mit dreitausend Mann den Böhmen zu Hilfe, viertausend Mann führte ihnen Graf Ernst von Mansfeld zu, die er für den Herzog von Savoyen gegen die Spanier in Mailand geworben hatte, während die evangelischen Stände von Ober- und Unterösterreich dem Kaiser jede Hilfe versagten und der Graf Charles Bonaventure de Longueval, der aus den Niederlanden zur Führung des kaiserlichen Heeres berufen war, sich ebenfalls mit Verlust aus Böhmen zurückziehen musste.

Der Winter verging mit fruchtlosen Verhandlungen, und im folgenden Frühjahr starb Kaiser Matthias am 20. Mai 1616 infolge eines Schlaganfalls im Alter von 62 Jahren, nachdem er sich dem Parteienkampf seiner Zeit gegenüber durchaus ohnmächtig gezeigt hatte.

König Ferdinand, auf dem die Erhaltung der österreichischen Macht und des Katholizismus in Deutschland beruhte, befand sich nach dem Tod des Kaisers in der schwierigsten Lage. Zu den früheren Übelständen gesellten sich die Beschwerden der österreichischen Stände, welche dem neuen Herrscher die Huldigung verweigerten, bis der Bedrückung ihrer Religion abgeholfen und das gegen Böhmen angeworbene Kriegsvolk, welches das Land zugrunde richte, entlassen sei. Während hierüber zu Wien vergebliche Unterhandlungen gepflogen wurden, eröffnete Thurn im April den diesjährigen Feldzug, indem er mit sechszehntausend Mann nach Mähren vordrang, während Ernst von Mansfeld mit einem anderen Heerhaufen die kaiserlichen Feldherren Boucquoy und Dampierre beschäftigen sollte. Thurns Ankunft zu Brünn, wo die mährischen Stände versammelt waren, entschied deren Union mit Böhmen, die Ernennung eines selbstständigen Direktoriums und die Vertreibung der Jesuiten. Fast unaufgehalten zog der Graf weiter nach Österreich, um ähnliche Beschlüsse auch bei den protestantischen Ständen dieser Provinzen durchzusetzen, und so den König aller Mittel und aller Macht zu berauben. Am 5. Juni schlug er sein Lager vor den Toren Wiens auf. Der katholische Teil der Einwohner war im höchsten Schrecken, in der Hofburg befand sich Ferdinand ohne Geld und ohne Soldaten. Dennoch beschloss er, wie einst sein Ahnherr Friedrich III. an derselben Stelle, mit rühmlicher Standhaftigkeit keinen Fuß weit zu weichen. Seine Flucht, das verkannte er nicht, hätte den Fall Wiens, vielleicht den Verlust des ganzen Erblandes nach sich gezogen. Das Verfahren Thurns erleichterte ihm die Durchführung dieses Vorhabens. Statt in diesem großen Augenblick, wo das Schicksal des Hauses Österreich, das Schicksal Deutschlands und Europas in seiner Hand lag, die Stadt durch einen raschen Angriff zu nehmen, begnügte sich der Graf unbegreiflicherweise durch Unterhandlungen den Anschluss der österreichischen Stände an Böhmen einzuleiten, wozu sich die Protestanten bereit zeigten. Am 11. Juni schickten sie eine Deputation von 16 Edelleuten auf die Burg zum König, die in der entschlossensten Sprache seine Einwilligung in ihre Bewaffnung und in ihren Beitritt zum böhmischen Bund verlangten. Einer dieser Verwegenen, ein Herr von Obergassing, soll ihn sogar bei den Knöpfen seines Wamses gefasst und mit drohender Stimme gefragt haben, ob er bald unterschreiben werde. Da schmetterten plötzlich Trompeten. Der Oberst St. Hilaire sprengte mit 500 Kürassieren in den Burghof. Von Dampierre abgesendet war er zur glücklichsten Stunde eingetroffen und durch das unbesetzte Wassertor in die Stadt gekommen. Die Ankunft dieser Truppen ermutigte die Studenten uud die katholischen Bürger von Wien, sich für Ferdinand zu bewaffnen, während die Stände eilfertig aus den Toren flüchteten. Jetzt erst, da es zu spät war, begann Thurn die Belagerung, welche er indes hald wieder aufheben musste, da Boucquoy und Dampierre am 16. Juni den Grafen von Mansfeld in der Gegend von Budweis überfallen und geschlagen hatten und nun ihrerseits gegen Prag vordrangen. Es gelang ihm dann, die kaiserlichen Feldherren wieder bis auf die Grenzen Böhmens zurückzutreiben.

Indes begab sich Ferdinand, der nächsten Gefahr glücklich entgangen, auf den Wahltag nach Frankfurt. Ungeachtet, dass die Pfalz, Sachsen und Brandenburg der neuen Lehre zugetan waren und die böhmischen Direktoren die Stimme ihres Landes zu führen behaupteten, wurde Ferdinand dennoch am 28. August von den übrigen sechs Kurfürsten einhellig gewählt, nachdem die böhmischen Gesandten zurückgewiesen worden waren. Auch den protestantischen Fürsten schien ein katholisches Oberhaupt dem Römischen Reich unerlässlich, um den Fortbestand seiner alten Verfassung, welche eng mit dem Kirchentum und den drei geistlichen Kurfürstentümern zusammenhing, zu sichern. Die Krönung geschah am 6. September 1616.

Die Böhmen waren zu weit gegangen, um jetzt nicht auch den äußersten Schritt zu tun. Noch vor dem Abschluss der Kaiserwahl erklärten die in Prag versammelten Stände von Böhmen, Schlesien und Mähren feierlich, dass Ferdinand, der Erzfeind des evangelischen Glaubens, der Sklave Spaniens und der Jesuiten, welcher die böhmische Krone durch verwerfliche Kunstgriffe erschlichen habe, aller Ansprüche auf ihren Thron verlustig sei, weil er sich gegen sein Versprechen noch zu Matthias’ Zeiten in die Regierung eingemischt und fremdes Kriegsvolk gegen seine Untertanen abgesandt habe. Sie bezogen sich daher auf das freie Wahlrecht der böhmischen Nation, welches der österreichische Hof verwarf. Von beiden Seiten konnte man sich auf die Geschichte berufen, da die böhmische Thronfolge immer in einer gewissen Mitte zwischen Erb- und Wahlrecht gestanden hatte. Hoch ohne weitere Rücksicht auf diesen Streit schritten die Böhmen am 19. August 1619 zur Wahl eines neuen Herrschers. Unter mehreren dazu in Vorschlag gebrachten Häuptern erhielt die meisten Stimmen Friedrich V., der zwanzigjährige Kurfürst von der Pfalz. Er galt für einen edlen und freigebigen Fürsten. Sein Sinn strebte hoch. In viele weit aussehende Verbindungen hatte er sich eingelassen. Überdies grenzte die Oberpfalz an Böhmens. Da Friedrichs Haus schon lange die Stütze der deutschen Protestanten gewesen war, leitete er auch jetzt die Union. Seine Gemahlin war die Tochter König Jakobs von England, die Nichte des Königs von Dänemark. Sein Oheim war Moritz von Oranien. So schienen alle Interessen der neuen Lehre in ihm vereinigt. Friedrich schwankte einige Zeit, ob er die dargebotene Krone annehmen sollte. Obwohl er sich schon länger mit diesem Gedanken beschäftigt hatte, zauderte er doch – mehr eitel als wahrhaft groß gesinnt, und geschickter, Pläne zu fassen, als sie auszuführen – den entscheidenden Schritt zu tun. Der Herzog von Bayern, alle Kurfürsten mahnten ab. Auch Jakob von England ließ sich ausweichend vernehmen. Dagegen drang der Hauptfeind Spaniens, Moritz von Oranien, auf die Besteigung des erledigten Thrones. Bethlen Gabor, Fürst von Siebenbürgen, ein umsichtiger und tatkräftiger Mann, der Ferdinand II. dasselbe Schicksal bereiten wollte, wie Johann Zapolya Ferdinand I., versprach Bündnis und Hilfe. Insbesondere soll Friedrichs Hofprediger, Abraham Scultetus, ihm die Annahme der Krone als eine Pflicht gegenüber seinen Glaubensgenossen eindringlich vorgestellt haben. So erschien denn der Kurfürst am 24. Dezember an der böhmischen Grenze und wurde am 29. November 1619 zu Prag gekrönt, worauf auch Mähren und Schlesien ihm huldigten.

Unermesslich mussten die Folgen sein, wenn es gelang, Österreich für immer von Böhmen auszuschließen. Das Übergewicht dieses Hauses im östlichen Europa wäre gebrochen, der Katholizismus für immer aus Deutschland verdrängt worden. Diese Lage der Dinge verkannte die Gegenpartei nicht.

Der neue Kaiser sprach auf seinem Rückweg von Frankfurt bei seinem Jugendfreund, dem Herzog Maximilian von Bayern, in München vor und schloss mit ihm einen Vertrag, in welchem dieser umsichtige und kraftvolle Fürst unter der Bedingung unumschränkter Leitung der Liga all seine Macht zur Rettung des Kaiserhauses und der katholischen Kirche aufzubieten versprach. Bald zeigte sich, was der Kaiser an diesem Bundesgenossen gewonnen hatte. Zu Würzburg, wo sich die Fürsten der Liga versammelt hatten, gelang es seiner überlegenen Weisheit und Geschicklichkeit, alle Schwierigkeiten, welche Selbstsucht und Unverstand nach der seit Jahrhunderten üblich gewordenen deutschen Weise auch hier dem Gesamtvorteil in den Weg stellten, zu überwinden und kräftige Beschlüsse durchzusetzen. Es sollte ein Bundesheer von 21.000 Mann Fußvolk und 4000 Reitern aufgestellt und solange unterhalten werden, wie Gefahr für den katholischen Glauben vorhanden sein würde. Zur Aufbringung des nötigen Geldes sollte auch der Kirchengefäße nicht geschont werden und die noch nicht in der Einigung befindlichen katholischen Stände Deutschlands erforderlichenfalls mit Gewalt zum Beitritt gezwungen werden. Bald danach sagte auch Philipp III. von Spanien dem Kaiser seine Hilfe zu und versprach Kriegsvolk aus den Niederlanden.

Während der Katholizismus seine Kräfte auf diese Weise enger vereinigte und zum nachdrücklichen Widerstand zusammennahm, versuchte Friedrich bald nach seiner Thronbesteigung die Fürsten der Union auf einem Tag zu Nürnberg zu ähnlichen Schritten zu seiner Unterstützung zu bewegen. Aber vergebens; nur Durchzüge fremder Truppen wollte man verhindern und die Liga um die Absicht ihrer Aufrüstungen befragen. Außer hergebrachter Engherzigkeit und Lauheit wirkte die Trennung der Protestanten in Calvinisten und Lutheraner höchst verderblich. Auch in Böhmen, wo sich bei Weitem die Mehrzahl zum lutherischen Lehrbegriff bekannte, erregte es großen Unwillen, dass der neue König die Domkirche von ihren Bildern und Zierraten reinigen ließ, um den Gottesdienst streng nach reformiertem Ritus halten zu lassen. Wie dieser Schritt dem König die Herzen vieler Untertanen entfremdete, so entzog ihm dieselbe religiöse Strömung auch die Unterstützung eines Fürsten, dessen Beitritt von den bedeutendsten Folgen für ihn gewesen sein würde. Kurfürst Johann Georg von Sachsen, längst eifersüchtig, dass seinem Haus die Leitung der protestantischen Angelegenheiten durch die Kurfürsten der Pfalz entrissen sei, sah die Königskrone missfällig auf dem Haupt seines Nebenbuhlers. Sein Hofprediger Hoe von Hohenegg, von ebenso großem Einfluss auf den sächsischen Hof wie Scultetus am pfälzischen, steigerte diese Stimmung durch religiösen Eifer. Über Friedrichs Thronbesteigung schrieb er an den Grafen von Schlick: »O wie schad, o wie großer Schad um so viel edle Länder, dass sie alle dem Calvinismo in den Rachen sollen gesteckt werden! Vom okzidentalischen Antichrist sich losreißen und den orientalischen dafür bekommen, ist in Wahrheit ein schlechter Vorteil!« Wirklich überwog bei dem Kurfürsten, wie damals bei vielen Lutheranern, der Hass wider die Reformierten den gegen die Katholiken. Und Sachsen, die Wiege des Protestantismus, verband sich zu Mühlhausen im März 1620 wider Protestanten mit den Kurfürsten von Köln und Mainz zur Unterstützung des Kaisers. Wie einst sein Vorfahre Moritz, so handelte auch Johann Georg im entscheidenden Augenblick gegen seine Glaubensgenossen. Inzwischen hatten die Waffen nicht ganz geruht. Noch vor Friedrichs Thronbesteigung war Bethlen Gabor in Oberungarn eingefallen, hatte Presburg eingenommen und war schnell bis Wien vorgedrungen. Gegen ihn musste Boucquoy von den böhmischen Grenzen herbeigerufen werden. Thurn folgte dem zurückkehrenden feindlichen Heer auf dem Fuße. Als Boucquoy versuchte, ihn in der Nähe der Hauptstadt aufzuhalten, wurde dieser bis in die Tore zurückgedrängt. Ungehindert bewerkstelligte Thurn seine Vereinigung mit dem Fürsten von Siebenbürgen und stand Anfang November zum zweiten Mal in diesem Jahr 1619 vor Wien. Doch verhinderte der Eintritt strenger Kälte die Eröffnung einer nachdrücklichen Belagerung. Bald nötigte Hunger und Mangel die Verbündeten zum Rückzug. Im folgenden Sommer schien das Kriegswetter sich zuerst in Bayern entladen zu wollen. Die unierten Fürsten hatten sich nämlich durch die drohenden Aufrüstungen der Liga endlich bewegen lassen, einige Gruppen zu werben, welche unter dem Markgrafen Joachim Ernst von Brandenburg-Anspach nach Ulm vorrückten. Schon erwartete man ein Treffen, als durch Vermittelung des französischen Hofes, der damals die Unterstützung, welche die siegreichen Reformierten den Hugenotten gewähren dürften, mehr fürchten zu müssen glaubte als die Befestigung der österreichischen Macht, am 03. Juli 1620 zu Ulm ein Vergleich zustande kam. Das Heer der unierten Fürsten war schwach, sie selbst uneins untereinander, geschreckt durch die Kunde vom Heranzug spanischer Truppen aus den Niederlanden und wenig vertrauend auf die Böhmen. So ließen sie sich leicht zu allem bringen, was Maximilian wünschte, und gaben in feigherziger Verblendung Böhmen und die Pfalz sowie ihre eigene Sache auf. Es sollte ein vollkommener Friede zwischen beiden Bündnissen der Union und Liga bestehen, kein Teil sollte dem anderen den Durchzug seiner Gruppen verweigern. Die böhmischen Angelegenheiten aber sollten bei diesem Vergleich gänzlich ausgeschlossen sein.

Maximilian hatte den Abschluss dieses Vertrages betrieben, um die Herrschaft des Kaisers vor dem Beginn eines größeren Krieges nach außen in den Erblanden befestigen zu können. Deshalb führte er jetzt das ligistische Heer, welches 26.000 Mann Fußvolk und 3000 Reiter zählte, nach Oberösterreich, dessen Stände dem Kaiser noch immer nicht gehuldigt, vielmehr sich mit den Böhmen verbunden und ihnen einige Truppen zu Hilfe gesendet hatten. Keines Einbruchs gewärtig fand der Herzog wenig Widerstand. In Linz mussten der Adel und die Städte ihm als Stellvertreter des Kaisers huldigen, auf den Bund mit Böhmen verzichten und ihre Truppen zu dem ligistischen Heer stellen. Danach vereinigte sich Maximilian mit Boucquoy, welcher Dampierre gegen den Fürsten von Siebenbürgen zurückgelassen hatte, und beide Heere rückten vereinigt gegen Böhmen vor. Die ligistischen Truppen befehligte unter dem Herzog der Niederländer Johann T’Serclaes Tilly, der in seinem Vaterland als auch in Ungarn auf vielen Feldzügen Erfahrungen gesammelt und Kriegsruhm geerntet hatte. Schon im Jahre 1609 war er in bayerische Dienste getreten. Nicht minder als Tapferkeit zeichnete ihn große Frömmigkeit und sittliche Strenge aus. Um dieselbe Zeit brach der Kurfürst von Sachsen als kaiserlicher Commissarius mit 15.000 Mann von Norden her ein und besetzte nach kurzem Kampf die ganze Lausitz, wodurch den Böhmen auch die Hilfe, welche diese Provinz sowie Schlesien zugesagt hatten, größtenteils entzogen wurde. Auch die spanischen Feldherren Spinola und Cordova zogen ungehindert mit 26.000 Mann an Fußtruppen und 4000 Reitern aus den Niederlanden gegen die rheinischen Erdlande des Böhmenkönigs. In diesen Tagen der Gefahr fand Friedrich bei dem Volk, das ihn auf den Thron gehoben hatte, die Willenskraft und Entschlossenheit nicht, die nötig gewesen wären, ihn darauf zu halten, und die man von einer für ihren Glauben und ihre politische Gesinnung begeisterten Partei hätte erwarten dürfen. Aber er selbst hatte sich bei den Böhmen um Ansehen und Liebe gebracht. Sein Hang zum Wohllehen, seine Sorglosigkeit, seine Zurücksetzung inländischer Feldherren und Ratgeber sowie sein unklug verteidigter Calvinismus hatten ihm die Gemüter mehr und mehr entfremdet. Die Truppen, die nicht besoldet wurden, hatten schon seit einem Jahr das Volk gedrückt und ausgesogen, und die Landleute, aus welchen die Kriegsmacht zum Teil hervorgehen sollte, sogar in Waffen wider sich gebracht. Auch von den Herren und Rittern fanden sich nur wenige beim Heer des Königs ein. Diese Stimmung des Landes musste den einsichtigen und entschlossenen Gegnern leichtes Spiel machen.

Als die Vereinigung Maximilians und Boucquoys geschehen war, hatte sich der böhmische Heerhaufen, der noch in Österreich stand, nach Mähren gezogen, und der bedächtige Boucquoy wollte ihm dahin folgen. Maximilian hingegen drang auf eine entscheidende Unternehmung. »Der Plan der Böhmen«, sagte er, »ist, uns durch Hin- und Herziehen aufzureiben. Mangel und Hunger drohen uns, und schon herrschen Krankheiten unter unseren Truppen. Gehen nur daher auf Prag los! Prag ist das Herz Böhmens. Erobern wir dieses, so haben wir Böhmen erobert.«

Seine Meinung drang durch, und dies entschied den Feldzug. Friedrich erwartete den Feind bei Pilsen. Unentschlossen wie immer begehrte er zu unterhandeln, als die Verbündeten herankamen, und zog sich näher gegen Prag. Maximilian wies alle Vorschläge von der Hand, falls er nicht die Krone niederlege, und versuchte ihn von seiner Hauptstadt abzuschneiden, welche Absicht die Böhmen zuletzt nur durch einen höchst angestrengten und erschöpfenden Marsch verhindern konnten, der sie in der Nacht des 7. zum 8. November auf den weißen Berg dicht vor Prag brachte. Hier stellte ihr Anführer, Fürst Christian von Anhalt, am folgenden Morgen die ermüdeten und durch den Rückzug entmutigten Truppen in Schlachtordnung. Kaum 21.000 Mann waren sie stark, während ihre Feinde noch einmal so viel Truppen zählten. Doch würde die treffliche Stellung auf der Höhe für die geringere Menge ein Ersatz gewesen sein, wenn nicht bei der Mehrzahl des böhmischen Heeres Selbstvertrauen Ordnung, Einigkeit und Gehorsam gefehlt hätten. Wiederum waren die Feldherren der Katholischen geteilter Meinung, Boucquoy wollte die Stellung des Feindes umgehen und Prag von der anderen Seite angreifen, Maximilian und Tilly drangen auf unmittelbaren Angriff. Da trat der Pater Dominicus de Jesu Maria, ein spanischer Karmelitermönch, der im Ruf eines heiligen Wundertäters stand und das Heer begleitete, um den Mut der Streiter zu beleben, unter die Hadernden.

»Söhne der Kirche«, sprach er, »ist es jetzt Zeit zu zweifeln, zu zaudern? Jetzt, da der Herr seine und eure Feinde in eure Hände gegeben hat, sollten wir sie nicht angreifen?«

Seine Rede gab den Ausschlag, um 12 Uhr mittags führten Tilly und Tiefenbach das erste Treffen den Berg hinauf. Von lebhaftem Geschützfeuer empfangen, beginnen die Kaiserlichen zu wanken. Christian von Anhalt formiert eine Kolonne, um den günstigen Augenblick seinerseits zum Angriff zu benutzen, als das Thurnische Regiment, von panischem Schrecken ergriffen, plötzlich die Flucht ergreift. Dennoch stürmt der junge Fürst von Anhalt, des Feldherrn Sohn, mit einigen Reiterhaufen wie Blitz und Donner in den Feind. Nun wandten hier die Regimenter Tiefenbach und Breuner den Rücken, aber Maximilian und Boucquoy halten die Fliehenden mit gezogenen Degen auf, Tilly führt bayerische Reiter vom linken Flügel herbei, welche die schwachen Scharen Anhalts in der Flanke fassen. Sie werden geworfen, der Führer gefangen, und nun können die Schlesier und Mähren den mit allen Kräften rasch vordringenden Feind nicht mehr aufhalten, da alles übrige Kriegsvolk, meist ohne zum Gefecht zu kommen, sich in wilde Flucht ergießt. Die Bitten, Drohungen und Ermahnungen der Führer, die auf beiden Seiten ihre Schuldigkeit taten, sind vergebens. Und wären Alexander Magnus, Julius Cäsar und Carolus Magnus dabei gewesen, heißt es in dem Bericht des Fürsten Christian von Anhalt, sie hätten dieses Volk nicht zum Stehen bringen können. Eine Stunde hatte das Schicksal Böhmens und Friedrichs entschieden. 4000 Mann seines Heeres blieben auf dem Schlachtfeld. 10 Geschütze nebst hundert Fahnen fielen in die Hände der Sieger. Es war gerade an einem Sonntag, und zwar durch ein seltsames Zusammentreffen an dem, an welchem in den Kirchen über die Worte Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist gepredigt wird.

König Friedrich, der die Nacht im Prager Schloss zubrachte, hatte gerade an der Tafel gesessen, als die Nachricht vom Beginn der Schlacht gekommen war. Er war sogleich auf den Wall geeilt und hatte von dort die Verwirrung und Flucht der seinen gesehen. Maximilian forderte ihn auf, sich binnen acht Stunden zu erklären, ob er auf seine angemaßte Würde verzichten wolle. Obwohl Friedrichs Heer nicht vernichtet, sondern nur zerstreut, ja sogar größtenteils in der Stadt war, obgleich Mansfeld noch mit 12.000 Mann Pilsen und andere feste Plätze besetzt hielt, obwohl 800 Ungarn, von Bethlen Gabor zu Hilfe gesendet, nur vier Meilen von Prag standen, die Bürgerschaft der Stadt sich zur Verteidigung der Mauern erbot und die Belagerung jedenfalls in der späten Jahreszeit nicht lange und kräftig hätte fortgesetzt werden können, floh Friedrich dennoch statt aller Antwort am folgenden Morgen mit den Grafen von Anhalt, von Hohenlohe und Thurn nach Breslau, und noch an demselben Tag hielt Maximilian seinen Einzug in Prag. Friedrichs Begleiter beschworen ihn, noch nicht alle Hoffnung aufzugeben, sondern sich in Schlesien neu zu bewaffnen und zu halten. Vergeben: Der erste Schlag hatte dem König so sehr alle Besonnenheit und Selbstständigkeit geraubt, dass er sich lieber dem unsichersten und schimpflichsten Schicksal preisgeben, als männlichen Widerstand wagen wollte. Umsonst erboten sich die schlesischen Stände zu den größten Opfern. Umsonst drang Bethlen Gabor bis an die mährische Grenze vor. Friedrich entwich auch aus Breslau und floh nach Berlin. Von dort wandte er sich nach Holland, wo er auf seines Schwiegervaters Kosten lebte. Der Kaiser sandte ihm am 22. Januar 1621 eine Achtserklärung nach, in welche auch Christian von Anhalt, die Grafen von Hohenlohe und Thurn sowie der Markgraf Johann George von Brandenburg und Herzog zu Jägerndorf mit einbegriffen waren, welcher Letztere die Lausitz gegen den vordringenden Kurfürsten von Sachsen einige Wochen verteidigt hatte.

Die ganze katholische Christenheit vernahm die Nachricht von der Prager Schlacht mit lautem Jubel. Unmittelbar nach der höchsten Gefahr hatte der Kaiser in allen seinen Ländern eine Macht erlangt, wie nie einer seiner Vorgänger besessen hatte. Mähren und Schlesien unterwarfen sich nach der Flucht Friedrichs wie Böhmen. Mansfeld zog sich nach der Oberpfalz zurück. Nach seiner Entfernung übergab die Besatzung von Pilsen diese Stadt an Tilly für eine Geldsumme. Zu derselben Zeit hatte Boucquoy Mähren durchzogen, den Fürsten von Siebenbürgen zurückgedrängt und eroberte Presburg am 2. Mai 1621. Die Union sah untätig zu, als Spinola die Unterpfalz bis auf einige Festungen besetzte, und löste sich nach kurzer Zeit ganz auf. Johann Georg wich vor den Sachsen, mit denen sich kaiserliche Truppen vereinigt hatten, nach Glatz, musste aber endlich, nachdem seine Scharen im Herzogtum Teschen zersprengt worden waren, 1622 zu Bethlen Gabor entfliehen, wo er im folgenden Jahr starb. Sein Herzogtum erhielt der Fürst Karl von Liechtenstein.

Wit derselben Entschlossenheit, welche alle diese glänzenden Siege herbeigeführt hatte, wurden ihre Folgen benutzt, um die Herstellung des Katholizismus im ganzen Umfang der österreichischen Staaten auf das Schnellste und Durchgreifendste zu bewerkstelligen.

Papst Gregor sandte den Kardinal Caraffa, den Eifer des Kaisers zu erhöhen und zu unterstützen. Länger als drei Monate nach der Schlacht am weißen Berg war in Böhmen alles ruhig geblieben, weil man Mansfelds und Johann Georgs Truppen in der Oberpfalz und Schlesien noch gefürchtet hatte, und schon überließen sich viele völliger Sorglosigkeit über die Folgen der verunglückten Erhebung, als plötzlich 48 der vornehmsten Häupter des Aufstandes ins Gefängnis geworfen wurden. Man machte ihnen einen höchst summarischen Prozess, und 23 derselben, die zu den kräftigsten und talentvollsten Männern gehörten, wurden öffentlich hingerichtet; viele andere entflohen geächtet. Alle zeigten Mut und Standhaftigkeit.

»Zerreißt diesen Leib in tausend Stücke«, sagte Graf Andreas Schlick, »durchwühlt meine Eingeweide, ihr werdet nichts anderes finden, als was wir in der Apologie bekannt gemacht haben. Die Liebe zur Freiheit und zur Religion hat uns das Schwert in die Hand gegeben. Weil aber Gott dem Kaiser Sieg verliehen hat, so geschehe des Herrn Wille.«

Hierauf wurden alle Landsassen aufgefordert, sich selbst anzuklagen, wenn sie Gnade erhalten wollten. Fast der ganze Adel des Landes, 728 Barone und Ritter erschienen auf dieses Wort und wurden dafür entweder ihres ganzen Vermögens oder doch eines bedeutenden Teiles desselben beraubt. Am 18. September 1621 mussten alle Prediger der neuen Lehre das Land räumen. An ihre Stelle traten Dominikaner, Franziskaner und Karmeliter in großer Anzahl. Aller Orten wurde die Messe wieder nach römischer Weise gehalten. In allen königlichen Städten mussten die Protestanten den Rat verlassen. Das konfiszierte Eigentum der Rebellen wurde zum größten Teil der Kirche überwiesen, und den Bürgern, welche nicht gutwillig katholisch werden wollten, wurden zwanzig bis dreißig Soldaten ins Haus gelegt, damit, wie der Kardinal Caraffa sagte, ihre Drangsale ihnen Einsicht verschaffen möchten. In der Tat machte die Bekehrung unglaubliche Fortschritte. Die Jesuiten, welche triumphierend zurückkehrten und mit Gütern überhäuft wurden, führten alljährlich viele Tausende in den Schoß der Kirche zurück. Anderen aber ging der Glaube über Vaterland und Besitz. Etwa 30.000 Familien verließen Böhmen, unter ihnen 185 alte Geschlechter. Nachdem die Rechte der böhmischen Nation auf diese Weise der Tat nach vernichtet waren, zerriss der Kaiser auch die Urkunden und Zeugnisse derselben. Mit eigener Hand löste er das große Siegel vom Majestätsbrief ab und zerschnitt die Unterschriften. So ging auf immer verloren, was Jan Huss vor zu Beginn des 15. Jahrhunderts begründet, was durch einen langen und blutigen Krieg befestigt, was durch Luthers Auftreten neu geboren und umgestaltet worden war. Der Trotz der Böhmen war gebrochen, aber auch ihr emporstrebender Sinn gelähmt. Der freien Entfaltung und den geistigen Fortschritten des Landes war von dem eigenen Herrscher eine tiefe Wunde geschlagen. Kaiser Ferdinand ist über dieses Verfahren namentlich von protestantischen Schriftstellern hart getadelt wenden, doch hätten evangelische Fürsten unbedenklich im ähnlichen Fall ähnlich gehandelt, wie dies unzählige Beispiele aus der Reformationsgeschichte beweisen. Wie in Böhmen ging es auch in Mähren zu. In Oberösterreich, wo alle Bekehrungsversuche bisher vergeblich geblieben waren, mussten die Protestanten allmählich das Land verlassen.

Autor Jörg Olbrich greift diesen geschichtlichen Hintergrund in seinem jüngsten Roman Der Winterkönig auf, überzeugt mit historischer Präzension und lässt den interessierten Leser in die Zeit der damaligen böhmischen Unruhen eintauchen.

Quelle:

  • Müller, Karl August: Forschungen auf dem Gebiet der neueren Geschichte.1841
  • www.welt.de