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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Marone – Smythje noch am Leben

der-marone-drittes-buchThomas Mayne Reid
Der Marone – Drittes Buch
Einundvierzigstes Kapitel

Smythje noch am Leben

Den Hahn ihrer Flinten gezogen und bereit zum sofortigen Kampf, liefen Herbert und Cubina, um die Räuber in Schussweite zu bekommen, als sie plötzlich die Töne eines von einem der am Fenster stehenden Männer geblasenen Horns hörten.

Die Töne wirkten beruhigend, denn Cubina erkannte sogleich das Signal seines Leutnants, und bald waren sie auch beide nahe genug, um den riesigen Quaco mit seinen Gefährten vollkommen erkennen zu können.

Quaco hatte die Leiche sowie die beiden Gefangenen unter der sicheren Obhut einiger anderer Maronen zurückgelassen, da er geglaubt hatte, man möchte seiner zu Willkommenberg bedürfen, und war den Reitern ziemlich dicht nachgefolgt.

Diese Kraftvermehrung möchte allerdings sehr zur rechten Zeit gekommen sein, wäre nur irgendwo ein Feind aufzufinden gewesen. Allein wo befanden sich die Räuber, die Brandstifter, ja vielleicht die Mörder? Wo war Fräulein Vaughan? Wo war ihr Mädchen Yola? Waren sie mit dem übrigen Dienstpersonal geflüchtet? Oder …

Nein, der Gedanke war zu schrecklich, um wirklich ausgesprochen zu werden. Weder Herbert noch Cubina vermochten dies, sondern dachten nur für sich selbst. Wäre es möglich, dass sie in den Flammen umkamen?

So fürchterlich dieser Gedanke auch war, so musste er doch notwendig bei ihnen Platz einnehmen. In der durch ihn verursachten feierlichen Stille blickten die jungen Männer hoffnungslos und verzweifelt auf das unerbittliche, erbarmungslose Feuer, das nun das prächtige Gebäude in kurzer Zeit in einen missgestalteten rauchenden Schutthaufen verwandelte.

Gerade in diesem Augenblick wurde die eingetretene Stille durch eine aus einer ganz unerwarteten Gegend her tönende Stimme unterbrochen. Sie schien aus dem großen gewölbten Schwibbogen unter der steinernen Treppe, von einem verhältnismäßig dunklen und versteckten Ort zu kommen und teilweise ein Rufen, teilweise ein Ächzen und Stöhnen zu sein.

Zuerst begann Quaco eine Nachforschung, ergriff einen Brenner und kroch trotz der bedeutenden Hitze unter den Schwibbogen. Herbert und Cubina folgten ihm rasch und alle drei standen nun unter dem Gewölbe.

Quaco schwenkte die Fackel vor sich, um den Ort besser zu beleuchten. Sofort erblickten alle drei einen Gegenstand, der zu jeder anderen Zeit bei ihnen ein schallendes Gelächter geweckt haben würde.

In der einen Ecke des gewölbten Raums stand eine große Siruptonne, die zuweilen zur Zuckerbereitung genutzt wurden. Sie war mit einem schweren Deckel zugedeckt und nahe daran war ein großes viereckiges Loch ausgesägt, durch das ein Kopf ganz gut durchgesteckt werden konnte, ohne den Deckel zu lüften. In dieser Tonne und gerade vor der Öffnung war ein Männergesicht mit Backen- und Schnurrbart zu sehen, welches – ungeachtet es mit etwas beschmiert war, das Sirup oder Teer zu sein schien, dennoch sofort als das holde Antlitz des aristokratischen Smythje zu erkennen war.

»Herr ’Mytje!«, rief Quashie, der den anderen in den gewölbten Raum nachgefolgt war.

»Ja, ja, meine Freunde, es ist beim Jupiter, niemand anders als ich selbst«, sagte der possierliche, aus dem Loch in der Tonne heraussehende Mann, sobald er seinen alten Befreier Quaco wieder erkannt hatte.

»Ich suchte hier Zuflucht vor diesen scheußlichen Reibern. Seid so gut und hebt den Deckel auf und helft mir aus dieser verdammten Klemme heraus. Ich habe schon Angst gehabt, hier zu ertränken. Beim Jupiter! Ich glaube wirklich, es ist Sirup!«

Quaco, der nur mit Mühe das Lachen zu unterdrücken vermochte, verlor keine Zeit, den Deckel aufzuheben und den heldenmütigen Dulder aus seiner süßen und dennoch nicht minder unangenehmen Lage zu befreien, denn es war tatsächlich ein mit Zuckersirup angefülltes Fass, in das sich der über alle Maßen erschrockene Smythje in der fürchterlichen Angst hineingestürzt hatte und worin er während der ganzen Schreckensszene über ihm bis an den Hals im Sirup hatte ruhig ausharren müssen.

Als er nun heraus gezogen und vom Hals bis zu den Füßen mit einer glänzenden Kruste von schleimigen und herabtropfendem Sirup bedeckt war, gewährte der stolze Eigentümer von Schloss Montagu wohl einen noch spaßhafteren Anblick, als damals ihn Quaco aus dem hohlen Baumstamm zog.

Quaco, der sich an diesen lustigen Auftritt erinnerte und keineswegs durch andere Gefühle zurückgehalten wurde, vermochte jetzt nicht ein lautes Lachen zurückzuhalten, in das Quashie, den ebenfalls kein Kummer drückte, sofort einstimmte. Herbert und Cubina dagegen waren durchaus nicht im Geringsten zum Scherz aufgelegt, und sobald Smythje richtig auf seinen Beinen stand, fragten ihn beide begierig nach allem vorher Vorgefallenen.

Smythje gestand seine Flucht ein, indem er zugleich einen ungeschickten Versuch machte, sich zu rechtfertigen.

Nach seiner eigenen Aussage – und diese Angabe war tatsächlich richtig – hatte er die Flucht erst ergriffen, nachdem er übermannt und zu Boden geworfen war. Und was hätte er auch anderes tun sollen? Sein Gegner war ein entschiedener Riese, ein Mann von ungeheurer Größe und Kraft.

»Ein schrecklicher Kerl«, fuhr Smythje fort, »ein Kerl mit, langen Armen und einer Missbildung, einem Buckel auf dem Rücken, wie der Höcker eines Dromedars.«

»Und was ist aus Käthchen, meiner Cousine, geworden?«, unterbrach Herbert mit gestiegener Ungeduld das ihm unausstehliche Geschwätz des Stutzers.

»Ah, ah, ja! Ihre Cousine! Das arme Käthchen! Nun, ich fürchte wirklich, die Reiber haben sie entführt. Ich weiß, sie wurde aus dem Haus hinausgetragen. Ich hörte sie ängstlich schreien, als die Reiber sie die Treppe hinunterschleppten. Ich – ich …«

»Dem Himmel sei Dank!«, rief Herbert aus. »Dem Himmel sei Dank, sie lebt noch!«

Cubina hatte die Erzählung Smythjes gar nicht bis zu Ende abgewartet. Die Beschreibung des Räubers hatte ihm sofort alles klar gemacht und unverweilt blies er einen einzigen Ton auf seinem Horn, um seine Bande zusammenzurufen.

Die um die brennenden Trümmer des großen Hauses zerstreut umherstehenden Maronen folgten diesem Signal sogleich und ordneten sich alsbald in Reih und Glied.

»Auf die Fährte jetzt, Kameraden!«, rief Cubina. »Ich kenne den wilden Eber, der all diese Verwüstungen angerichtet hat, ich weiß auch, wo das Untier seine Höhle hat. Ehe eine Stunde vorüber ist, soll er mit seinem verruchten Leben für diese Schandtat büßen! Folgt mir!«