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Der Kommandant des Tower 43

Der Kommandant des Tower
Band 2
Historische Erzählung von W. Harrison Ainsworth
Verlag von Christian Ernst Kollmann, Leipzig, 1863
Drittes Buch
Der Lordgroßadmiral von England
Sechzehntes Kapitel

Wie der Lordadmiral vorschlägt, die Beschwerden des Königs vor das Parlament zu bringen

Am Nachmittag des folgenden Tages versammelten sich alle auf der Liste des Admirals verzeichneten Edelleute in Seymour House. Es waren ihrer etwa zwanzig, darunter fünf Mitglieder des Conseils, nämlich: der Marquis von Northampton (Bruder der Königinwitwe), der Graf von Arundel, Lord Russell, Sir William Herbert (Seymours Schwager) und Sir John Gage. Außer diesen waren anwesend: der Marquis von Dorset, Graf Shrewsbury, Lord Clinton, Sir George Blagge und andere Edelleute und Gentlemen, welche Letzteren sämtlich im Unterhaus saßen. Erst als alle versammelt waren, erschien der Admiral. Er war in schwarzem Samt gekleidet und trug den Hosenbandorden.

Er machte eine Verbeugung und redete die Versammelten folgendermaßen an: »Ihr wundert Euch ohne Zweifel, Mylords, dass ich Euch entboten habe, aber da ich nichts ohne Rat unternehmen mag, so wollte ich mich mit Euch, die ich als Freunde kenne, besprechen, bevor ich einen Schritt tue, der sowohl für das Wohlergehen des Königs als auch für die Sicherheit des Landes von der größten Wichtigkeit ist.«

»Redet weiter, Mylord«, sprach Clinton, »wir sind bereit, Euch zu hören und Euch unseren besten Rat zu geben, sobald wir mit Euren Absichten bekannt sind.«

»Ich danke Eurer Lordschaft«, entgegnete der Admiral. »Ich brauche nicht an Eure Loyalität zu appellieren, ich weiß, wie Ihr alle gegen den König gesinnt und auch dass Ihr bereit seid, solches durch die Tat zu beweisen. Dazu ist die Zeit gekommen, denn ich erkläre hier laut und frei, dass mein königlicher Neffe von dem Lordprotektor in unwürdiger Weise behandelt wird!«

»Das ist ein harter Ausspruch!«, rief Lord Russell.

»Nicht zu hart. Was ich gesagt, will ich vertreten. Die Liebe zu meinem königlichen Neffen, das Pflichtgefühl gegen meinen Herrscher gebieten mir, zu reden. Der König, wie Ihr alle wisst, an Verstand seinen Jahren weit voraus, wird wie ein bloßes Kind, wie eine Puppe behandelt. Jede freie Handlung ist ihm verwehrt, nur seine Lehrer werden zu ihm gelassen, und er darf diejenigen nicht sehen, die ihm am liebsten und Teuersten sind. Im Conseil ist er machtlos, wie Ihr wisst, und da der Lordprotektor sich mit einem Stempel versehen hat, so wird sogar die Unterzeichnung des Königs gewöhnlich umgangen. Aber das ist nicht alles. Die Privatkasse Seiner Majestät ist so kärglich und unzureichend ausgestattet, dass er nicht einmal seine Diener belohnen kann. Ist das zu dulden? Soll auf diese Weise der Sohn und Nachfolger des großen Heinrich behandelt werden?«

»Ich sage: Nein«, nahm der Marquis von Dorset das Wort. »Der Lordprotektor treibt die Sache in viel zu übermütiger Weise. Wir haben einen König, obwohl einen unmündigen. Ich kann bestätigen, was der Lordadmiral eben über den dem König angetanen Zwang gesagt hat. Er darf seine Gesellschaft nicht selbst wählen, und meine eigene Tochter gehört zu denen, die mit dem Interdikt belegt sind.«

»Ich habe mit meinem Bruder, dem Lordprotektor, geredet«, fuhr der Lordadmiral fort, »aber meine Vorstellungen haben sich als fruchtlos erwiesen. Er will auf nichts hören, was ich sage. Aber beim Himmel! Er soll mich hören. Ich werde schon Mittel finden.«

»Was schlägt Eure Lordschaft denn vor?«, fragte Lord Russell.

»Ich möchte – mit einem Wort – meinen königlichen Neffen aus seiner jetzigen unwürdigen Knechtschaft befreien«, antwortete der Admiral. »Der Lordprotektor darf sein Hofmeister nicht länger sein. Er hat sich des Amtes unwürdig erwiesen.«

»Wen wollt Ihr an seine Stelle setzen, Mylord? Euch selbst?«, fragte Sir John Gage mürrisch.

»Ei, keiner eignet sich besser dazu!«, rief der Marquis von Dorset. »Der Lordadmiral ist Seiner Majestät Lieblingsonkel und passt in jeder Beziehung besser zum Hofmeister seiner Person als der strenge und grämliche Lordprotektor.«

»Ich habe alte Chroniken durchsucht«, fuhr der Admiral fort, »und gefunden, dass bis dahin die Ämter eines Lordprotektors und Hofmeisters des Königs niemals vereint gewesen sind. So gab es einst einen Lordprotektor von England und einen Regenten von Frankreich, während der Herzog von Exeter und der Bischof von Winchester zu Hofmeistern des Königs ernannt wurden, woraus klar hervorgeht, dass die Ämter nicht vereint sein sollen.«

»Vergesst nicht, Mylord, dass Ihr für die Ernennung Eures Bruders zu beiden Ämtern gestimmt habt«, bemerkte der Kommandant.

»Ich bedaure, dass ich es tat«, entgegnete der Admiral.

»Es war sehr unüberlegt. Aber, dass ich einen Fehler begangen habe, ist kein Grund, ihn nicht wieder gutzumachen. Ich habe Euch bewiesen, dass der Herzog von Somerset sein Amt nicht behalten darf. Mag sein, dass Ihr einen besseren Hofmeister als mich für Seine Majestät wählt, sicherlich keinen, der ihn mehr liebt oder der mehr auf sein Wohl bedacht wäre.«

»Das bezweifeln wir nicht«, sagte Sir John Gage. »Aber Ihr könnt Euch darauf verlassen, dass Euer Bruder nur der Gewalt weichen und am allerwenigsten Euch seinen Posten abtreten wird.«

»Des Lordprotektors grundlose und unbrüderliche Eifersucht darf nicht zum Nachteil Seiner Majestät berücksichtigt werden!«, rief Dorset. »Niemand eignet sich so sehr für das Amt wie der Lordadmiral.«

»Habe ich Eure Unterstützung, Mylords und Gentlemen?«, fragte Seymour.

»Die meine von Herzen!«, rief Dorset.

»Und meine! Und meine!«, riefen verschiedene Stimmen.

»Wenn der Wechsel friedlich vor sich gehen könnte, so würde ich ihm nicht entgegen sein«, sprach Sir John Gage, »aber ich fürchte, es gibt Streitigkeiten.«

»Ist es des Königs Wunsch, dass der Wechsel stattfindet?«, fragte Lord Russell.

»Sein ernster Wunsch«, erwiderte der Admiral. »Seine Majestät beabsichtigt, einen Brief deshalb an das Parlament zu schreiben.«

»Wirklich!«, rief Lord Russell aus.

»Ja, wirklich«, wiederholte der Admiral. »Und wenn Ihr alle zu mir haltet, so sind wir jedem Widerstand gewachsen. Auch habe ich zahlreiche Unterstützung in beiden Häusern, um die Sache durchzuführen.«

»Wie aber dann, wenn Euer Plan fehlschlägt, Mylord Admiral?«, fragte Lord Clinton.

»Ich denke nicht an Fehlschlagen«, entgegnete Seymour. »Aber bei meiner Seele!«, fuhr er stolzen Tones fort, »wenn das Parlament seinen König im Stich lässt, so ist es das miserabelste, welches je in England existierte!«

»Ihr scheint uns zu drohen, Mylord«, bemerkte Lord Clinton.

»Ich bitte um Verzeihung, Mylord«, entgegnete der Admiral, sich besinnend. »Ich bin erbittert über die üble Behandlung, die mein königlicher Neffe erduldet, und so ließ ich mich fortreißen.«

»Ich bin ein offener und gerader Mann, wie Ihr wisst, Mylord Admiral, und sage meine Meinung freimütig«, sprach der Kommandant. »Ich kann das Verfahren nicht billigen, das Ihr einzuschlagen beabsichtigt …«

»Warum nicht, guter Sir John?«, fragte Seymour.

»Besser wäre es, die Sache womöglich ruhig und friedlich zu ordnen. Wird sie öffentlich beraten, so erzeugt sie Skandal. Überdies zieht Ihr in einem Kampf mit Eurem Bruder leicht den Kürzeren, und wenn das ist, so wird er Euch nicht schonen.«

»Um mich habt keine Sorge, Sir John«, antwortete Seymour. »Der Lordprotektor hat mehr Ursache, mich zu fürchten, als ich ihn. Das wird sich zeigen. Ich will den König besser behandelt und nicht so eingeengt wissen, dass sich ihm kein Mensch mehr nähern kann.«

»So seid Ihr also zu offenem Kampf mit Eurem Bruder bereit?«, fragte der Kommandant.

»Das bin ich, Sir John. Seiner Majestät Brief soll beiden Häusern vorgelegt werden, und mich dünkt, alle loyal gesinnten Untertanen, die darin sitzen, werden ihn eifrigst befürworten.«

»Wer wird den Brief vorlegen?«, fragte Lord Russell.

»Ich selbst«, antwortete der Admiral. »Einige von Euch, wie ich sehe, schrecken zurück, sie haben Angst vor einem Konflikt mit dem Lordprotektor. Ihr überschätzt seine Macht. Er ist nicht so stark, als Ihr wähnt. Ihr werdet sehen, was das Resultat eines solchen Schrittes sein wird.«

»Ja, ja, wir wollen sehen und uns davon bestimmen lassen«, sagte Lord Russell.

»Ein weiser Entschluss!«, rief Dorset verächtlich. »Ich halte zum Lordadmiral, es gehe, wie es wolle.«

»Und wir auch!«, riefen mehrere Stimmen.

»Ich danke Euch von Herzen, meine guten Freunde«, entgegnete Seymour.

Nachdem noch eine Weile hin und her debattiert war, brachen die Versammelten auf.

Während die anderen gingen, näherte sich Sir John Gage dem Admiral und sagte zu ihm: »Es ist ein Freund, der Euch warnt. Ihr lauft große Gefahr. Wahrscheinlich ist es, dass der Lordprotektor Euch in den Tower sperrt.«

»Pah, Sir John, er wagt es nicht!«

»Ei, aber wenn er es täte, es möchte Euch nicht so leicht werden, herauszukommen.«

»Ich sage Euch, Sir John, mein Bruder wird es nicht wagen, so gegen mich zum Äußersten zu schreiten. In dieser Beziehung könnt Ihr vollkommen ruhig sein.«

»Nun, ich habe mein Bestes getan, eine friedliche Lösung herbeizuführen«, sagte der Kommandant. »Geschieht Böses, so ist es nicht meine Schuld.«

Damit nahmen sie Abschied.

Nur noch einer war zurückgeblieben, der Marquis von Dorset. Seymour dankte ihm warm für seine Unterstützung. »Wenn ich nicht in einem kritischen Moment wie in diesem, zu Eurer Lordschaft stände, so wäre meine Freundschaft wenig wert«, sprach Dorset. »Aber ich denke, da das Glück Euch bis heute begünstigt hat, so wird es Euch jetzt nicht im Stich lassen.«

»Ist der Erfolg mein, wie ich hoffe, so sollt auch Ihr gewinnen, Marquis. Kann ich indessen etwas für Euch tun? Ihr wisst, Ihr könnt über mich verfügen.«

»Ich bin Eurer Lordschaft bereits stark verpflichtet. Aber in Wahrheit, ich bin fast ebenso in Geldverlegenheit, wie unser junger König zu sein scheint. Ich schäme mich fast, davon zu reden. Ihr werdet denken, dass ich nur immer borgen will.«

»Ich denke nur an das Vergnügen, Euch zu dienen. Wollt Ihr weitere fünfhundert Pfund?«

»Ihr seid zu gütig. Die Hälfte reicht hin.«

»Pah! Warum die lumpige Summe noch teilen? He, Ugo!«, rief er, »zähle fünfhundert Pfund ab und besorge sie nach Dorset House. Adieu, Marquis!«

»Adieu, Mylord Admiral. Das Glück sei mit Euch!«

Kurz darauf wurde Ugo wieder zu seinem Herrn beschieden. »Ich habe diese Nacht ein gefährliches Unternehmen vor, Ugo«, sagte der Admiral. »Sollte irgendetwas schiefgehen, so übergib dies Paket augenblicklich der Königin – aber nur in dem Fall. Sie wird dann zu handeln wissen.«

»Es soll geschehen, Mylord.«

»Hebe es wohl auf«, wiederholte der Admiral. »Meine Sicherheit kann davon abhängen.«

Ugo wiederholte seine Versicherung und zog sich zurück.