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Schwäbische Sagen 52

Schwäbische-Sagen

Die Waldarichskapelle
Eine mündliche Überlieferung aus Murrhardt

Als der heilige Waldarich den Grundstein zu der Kapelle legte, die an die gotische Klosterkirche in Murrhardt angebaut worden war, so war der Stein am anderen Morgen fort und lag auf einem ganz anderen Platz. Da holte ihn der heilige Waldarich zwar wieder; allein am nächsten Morgen war er abermals fort, und das wiederholte sich noch einige Male. Darauf sprach der Einsiedler: »Willst du nicht hierbleiben in Gottes Namen, so bleib in des Teufels Namen!«

Da zersprang der Stein, und nun wurde die Kapelle an die Klosterkirche angebaut.

Später entstand außerhalb des Ortes an der Stelle, wo man den Grundstein jedes Mal wiederge­funden hatte, die berühmte Wallfahrtskirche des heiligen Waldarich, in der er auch begraben liegen soll.

Von den Protestanten wird noch immer am Karfreitag eine Wallfahrt nach dieser Waldarichskirche angestellt.


Der Herr von Schleitheim
Eine mündliche Überlieferung aus Nordstetten. Nach einer anderen Erzählung soll es der letzte Herr von Isenburg gewesen sein.

Bei Nordstetten sieht man noch die Ruine der Burg, die einem Herrn von Schleitheim gehörte. Derselbe forderte einst am Vor­abend des Andreastages seine Leute auf, doch nur fortzuarbeiten und zu spinnen. Er selbst wolle am morgenden Tag mit dem hei­ligen Andreas schon reden und es verantworten, worauf die Diener­schaft an ihrer Arbeit blieb. Als der Edelmann aber am folgenden Tag in die Kirche zu Nordstetten kam, stolperte er über einen Hund und fiel tot zur Erde. Zum Andenken an dieses Ereignis wurde er mitsamt dem Hund in Stein abgebildet, und dieses Bild ist noch jetzt in der Kirche zu Nordstetten zu sehen.


Das fromme Bäuerlein

Ein Bauer Namens Fridolin Luib von Fulgenstadt ging gemeiniglich, wenn er den Tag über hart gearbeitet hatte, des Nachts noch von Fulgenstadt aus in die Kirche zu Ennetach, um daselbst seine Andacht zu verrichten. Sobald er dort ankam, öffneten sich ihm die Türen immer von selbst, und oftmals erschien ihm auch die Mntter Gottes und Christus als Hirte, um ihn zu trösten.

Einmal fand er auf seinem Weg das Wasser angeschwollen und zog deswegen einen Zaunstecken aus, um mithilfe demselben hin­durchzukommen. Als er aber dieses Mal zu der Kirche kam, fand er die Türen verschlossen. Er ahnte die Ursache, stellte den Zaunstecken wieder an seinen Ort und fand nun bei seiner Rückkehr die Kirche geöffnet.

Luib hatte ferner zwei Öchslein im Stall und hatte sie sehr lieb  weil auch an der Krippe Jesu ein Öchslein gestanden hatte. Eines Abends fragte das eine Öchslein das andere: »Was werden wir morgen arbeiten?«

Da antwortete es: »Wir werden unseren Meister zu Grabe führen.«

Luib hörte dies, bereitete sich zum Tode und starb, und wurde in einem Sarg auf seinen Wagen geladen und den Öchslein überlassen, die ihn vor die Kirche nach Ennetach führten. Dort wurde er dann begraben und über seinem Grab nachher eine Kapelle erbaut, die dem frommen »Luibertus« oder dem »frommen Bäuerlein«, wie man ihn gewöhnlich nennt, geweiht ist.


Versunkene Klöster
Eine mündliche Überlieferung aus Oberschwaben

In dem »kleinen See« bei Hoskirch, zwischen Osterach und Altshausen gelegen, soll ein Kloster versunken fein. Man sagt, es hänge noch immer eine Glocke in dem See.

Ebenso soll in dem kleinen Mutelsee, nicht weit vom Degersee, eine Glocke hängen.

Ferner ist da, wo jetzt der Schleiensee liegt, ein Kloster unterge­gangen, von dem man noch zuweilen den Turm sehen kann.

Ähnliches erzählt man vom Bibersee; es sei nämlich daselbst ein Schloss versunken, dessen Turm man bei hellem Wetter in der Tiefe noch sehen könne.


Die heidnischen Bilder am Belsener Kirchlein

Am Fuße des Farrenbergs, mehrere Schuss weit außerhalb des Dorfes Belsen, liegt auf einem schönen, freien und erhobenen Platz das uralte Belsener Kirchlein. Hier sollen schon die Heiden in alten Zeiten ein Heiligtum gehabt und ihren Göttern daselbst geopfert haben. Auf dem freistehenden, oben ganz ebenen Farrenberg, dessen Hochfläche noch jetzt, indem sie rings umzännt wird, den ganzen Sommer als Viehweide dient, sollen die Opferfarren oder Stiere geweidet haben. Am östlichen Ende der Kirche, das jetzt mit einem neueren Chor umgeben ist, zeigt man auch noch einen hervorstehenden, durchlöcherten Stein, woselbst man die Farren beim Opfern festgebunden haben soll. An der Westseite, wo die Haupttür ist, mit einem vorgotischen (byzantinischen) Bogen, be­finden sich mehrere alte Bilder eingemauert.

Zunächst ist in dem Bogen über der Tür ein Kreuz zu sehen, rechts daneben sieben zackige Kreise oder Sonnen.

Unmittelbar auf dem Türbogen steht ein Stein mit einer zwergartigen, dicken, langarmigen Figur, vom Volk »der kleine Bel« (Beel) genannt.

Im Giebel des alten Baus, der durch ein neueres Dach entstellt worden war, befindet sich wiederum ein Kreuz, aber größer als das untere. Unter diesem Giebelkreuz sind auf einem einzigen Stein zwei Widderköpfe, und zwar wie alle diese Bilder, in erhabener Arbeit dargestellt.

Links daneben sind zwci Kreise oder Sonnen – eine größere und eine kleinere. Unmittelbar unter den Widderköpfen kommt eine zweite menschliche Figur, »der große Bel«, mit enganliegenden Armen und einwärts gekehrten Füßen. Das Bild ist wenigstens doppelt so groß als das des »kleinen Bel«. An der linken Seite des großen Bel ist ein Stierkopf eingemauert und unter demselben eine Sonne. An seiner rechten dagegen befinden sich auf einem gleichgroßen Stein zwei Tierköpfe, die man sonst wohl für Widder gehalten hat, die aber offenbar Schweinsköpfe sind.

Sehr merkwürdig ist noch eine runde Öffnung an der Ostseite des alten Baues. Sie öffnet sich trichterförmig sowohl nach außen als auch nach dem Inneren der Kirche zu. In der Mitte der Mauer, wo diese zwei zusammenstehendcn Trichter den engsten Raum bilden, ist die Rundung des Steins schraubenartig geringelt. Wenn nun die Sonne zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche (am 22. März und am 22. September) ihre ersten Strahlen grad durch diese Öffnung in die Kirche wirft, so bildet sie in dem inneren Halbkreis der Westtür ein schönes, großes Lichtkreuz, ganz entsprechend dem steinernen Kreuz an der äußeren Seite. Es müssen aber die Fenster, die man erst in neuerer Zeit eingesetzt hat, verhängt werden, denn ursprünglich hatte die Kirche nur die noch vorhandenen ganz kleinen Fensterchen, sodass es nie hell darin wurde.

Jenes Lichtkreuz hielt man sonst für eine bloße Sage. Neuere Versuche haben aber gezeigt, dass es seine volle Richtigkeit damit hat. Leider wird das Kreuz durch neugebaute Kirchstühle gestört und unterbrochen; aber sichtbar ist es an den beiden Jahrestagen immer noch, dauert aber ganz schön nur etwa eine Minute lang. Weit schwächer sieht man es auch schon die Tage vorher und nachher.

An der Südseite der Kirche befindet sich ebenfalls eine Tür, aber klein und schmal. Auch hier sind in dem Halbkreis des Tür­bogens einige Sonnen ausgehauen. Dieser flache Stein mit den Sonnen an der West- wie an der Südtür ist heller, als alle übri­gen Steine des Gebäudes, ohne deshalb irgendwie jüngeren Ursprung zu verraten. Es ist vielmehr ein von Natur gelblicher Stein.

Ganz in der Nähe der Kirche, hart an dem alten Weg, der auf den Farrenberg führt, hat man vor einigen Jahren auf einer Wiese einen schön ausgemauerten, mit Erde ausgefüllten Brunnen entdeckt, denselben aber leider nicht ausgegraben, sondern nur die Steine Schuh tief abgebrochen und in Belsen verbaut. Diese Steine sind von derselben Art wie die zur Kirche verwandten und finden sich in der Nähe nicht. Indes schon bei Rotenburg am Neckar sollen sie vorkommen.