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Felsenherz der Trapper – Teil 14.2

Felsenherz der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 14
Tom Brack, der schwarze Häuptling
Zweites Kapitel

Tom Brack

Als die sechs Neger ihm die Hände auf den Rücken gefesselt und ihn hochgerissen hatten, als nun aus dem Gebüsch noch ein Siebenter hinzutrat, ein wahrer Riese von Gestalt, der wie die Übrigen einen dunkelblauen Anzug aus derbem Leinen und einen breitrandigen Strohhut, als Waffe aber eine Doppelbüchse und zwei Pistolen sowie ein Messer im Gürtel trug, da sagte er zu diesem schwarzen Herkules, der seinen Strohhut durch einen hohen Federstutz verziert hatte: »Ihr solltet mich besser wieder freilassen! Vor kaum einer Stunde traf ich mit zwanzig Weißen zusammen, die nach Euch suchen. Ich bin Felsenherz, der Trapper, und mein Name bürgt Euch dafür, dass ich mich auf die Seite derer stelle, die einen Farbigen nicht höher achten als irgendein Stück Vieh!«

Der Neger mit dem Federstutz, dessen etwas hellere Hautfarbe den Mulatten verriet, schaute den Trapper prüfend an. Sein schwarzbraunes intelligentes Gesicht wirkte nur deshalb recht abschreckend, weil ihm sowohl beide Ohren als auch das rechte Auge fehlten.

Nachdem er den Trapper eine Weile misstrauisch betrachtet hatte, erwiderte er in gutem Englisch sehr höflich: »Massa, Tom zweifelt nicht länger daran, dass Ihr wirklich Felsenherz seid. Ihr habt zwei Büchsen, und eine davon ist sehr lang und zeigt beiderseits des Kolbens in Goldblättchen das Bild eines springenden Jaguars. Nur Felsenherz besitzt eine solche Büchse. Entschuldigt, dass wir Euch so rau anpackten.«

Er löste die Riemen von Felsenherz’ Handgelenken und fügte hinzu: »Massa, mein Name ist Tom – Tom Brack. Wenn ich Euch erzählt haben werde, weshalb wir unserem Herrn, dem Plantagenbesitzer Glaynbourg, entwichen sind, werdet Ihr alles begreifen – auch das, was wir danach aus Not getan haben, nämlich den Diebstahl von Pferden und Waffen. Wir wollen weiter nach Westen bis Kalifornien und San Francisco zu erreichen versuchen. Doch – vielleicht begleitet Ihr uns in unser Lager drüben im Wald. Wir sind hier zu fünfundzwanzig, alles entsprungene Sklaven, die mich zu ihrem Anführer, ihrem Häuptling, gewählt haben. Massa Glaynbourg denkt, wir wären noch unbewaffnet. Mag er nur kommen! Ich bin nicht der Einzige, dem dieses Scheusal mit der Peitsche ein Auge ausgeschlagen hat. O Massa, was wir auf Glaynbourgs Plantage gelitten haben, das ahnt niemand!«

Felsenherz war erstaunt, wie fließend dieser Tom Brack das Englische beherrschte und wie gewandt er sich ausdrückte. Er hätte gern Näheres über die Schicksale der Schwarzen erfahren, konnte aber Chokariga nicht zu lange warten lassen und erwiderte daher: »Tom, jener Glaynbourg lagert dort weiter nach Osten an einem Bach. Ich warne Euch vor den Apachen, die das Kriegsbeil gegen die Comanchen ausgegraben haben. Ihr befindet Euch hier im Jagdgebiet der Comanchen. Reitet schleunigst weiter. Auch die Comanchen würden Euch kaum schonen, wenn sie unerwartet mit Euch zusammenstoßen. Ich muss weiter. Der Comanchenhäuptling Chokariga erwartet mich. Lebt wohl!«

»Massa, wir danken Euch«, sagte Tom Brack warmen Tones. »Wir sind Unglückliche, sind vogelfrei! Wir tun niemand etwas zuleide. Massa, wenn Ihr …«

Felsenherz unterbrach ihn schnell. »Da … das ist das Gebell der Bluthunde! Die Bestien haben meine Fährte doch entdeckt! Macht, dass Ihr in Euer Lager kommt! Haltet Euch bereit, Ihr werdet um Eure Freiheit kämpfen müssen!«

Das Mondlicht beschien ganz hell das schwarzbraune, durch die leere Augenhöhle so sehr entstellte Gesicht des Mulatten. Der Trapper sah, wie ein Ausdruck wilden Hasses dieses Gesicht verdüsterte.

»Massa,« meinte der schwarze Häuptling leise, »unseretwegen braucht Ihr nicht in Sorge zu sein! In meinen Adern fließt das Blut berühmter Vorfahren. Meine Mutter war eine Delawarin, eine Indianerin. Bis zu meinem fünfzehnten Jahr lebte ich unter den Rothäuten an den großen Seen im Osten. Dann erst wurde ich gewaltsam nach Louisiana verschleppt und als Sklave verkauft. Jetzt bin ich dreißig Jahre alt. Aber ich weiß mit allen Schlichen der Indianer noch immer gut Bescheid. Nochmals – habt Dank! Vielleicht sehen wir uns wieder!«

Er gab seinen Leuten ein Zeichen, schwang sich gewandt auf eine mächtige Buche und kletterte mithilfe der breiten Krone in den Wipfel einer Eiche hinüber. Die anderen folgten ihm ebenso schnell und geschickt.

Felsenherz durchschaute Toms List. Der schwarze Häuptling wollte in das Lager zurückkehren, ohne eine Fährte auf dem Boden zu hinterlassen, wollte auf diese Weise den Bluthunden der Menschenjäger entgehen!

Auch der Trapper ritt nun im Galopp nach Norden zu in die Prärie hinaus.

Das Heulen und Bellen der großen Bestien war inzwischen auf dem schmalen Wildpfad immer deutlicher geworden. Felsenherz erkannte, dass er diesen Verfolgern gegenüber, die in dem alten Ben einen erfahrenen Fährtensucher besaßen, doppelt vorsichtig sein müsse. Nachdem er etwa eine Viertelstunde stets direkt nach Norden weitergejagt war, traf er auf denselben Bach, der an jenem baumbewachsenen, steinigen Hügel vorüberfloss, an dem die Leute Glaynbourgs lagerten.

Abermals ritt er nun im Wasser entlang, jedoch nicht etwa nach Westen, sondern nach Osten zu, dem Lager der Sklavenjäger entgegen. Er tat dies absichtlich. Er sagte sich, dass der alte Ben, sobald er mit den Bluthunden an diesen Bach gelangte, ihn in westlicher Richtung suchen würde, um die Stelle zu finden, wo der Trapper wieder an Land gegangen war.

Eine gute halbe Stunde blieb Felsenherz mit seinem Braunen in dem seichten Wasser. Nun konnte jener Hügel nicht mehr fern sein, nun wollte er nach Norden dem Waldrand entgegen reiten.

Da – kaum hatte der Braune die Vorderhufe auf die Uferböschung gesetzt, als der blonde Trapper ihn wieder zurückriss.

Im letzten Moment hatte er noch auf einer Anhöhe am Nordufer keine hundert Meter entfernt die gegen den ausgestirnten Nachthimmel scharf sich abhebende Gestalt eines Reiters bemerkt – eines Apachen, der regungslos dort hielt und scheinbar angestrengt nach Norden spähte.

Ein Apache! Also war der Schnelle Büffel mit seinen Kriegern doch in der Nähe!

Felsenherz hatte sich schon aus dem Sattel gleiten lassen, führte den Braunen im Wasser ein paar Schritte zurück. Hier reichten die Büsche einer kleinen Waldzunge bis dicht an den Bach heran, hier konnte der Trapper, ohne bemerkt zu werden, das Ufer erklimmen und sich unter den Bäumen vorläufig verbergen, um den Apachen zu beobachten.

Er band sein Pferd an eine junge Eiche, nachdem er die Waldzunge schnell abgesucht hatte. Er konnte sein wackeres Tier unbesorgt zurücklassen.

Dann watete er wieder durch den Bach ans Südufer und kroch hier im Gras nach Osten weiter. Der Apache hielt noch immer auf der Anhöhe. Felsenherz argwöhnte, dass dieser einzelne Reiter zum Nachtrab der Abteilung des Oberhäuptlings gehörte, denn ein vorausgesandter Späher hätte niemals so offen auf einem Hügel haltgemacht.

Deshalb eilte der Trapper auch am Bachufer im Schutz einzelner Büsche rascher dem Lager der Weißen zu, das seiner Überzeugung nach von den Apachen bereits umzingelt war und vielleicht sehr bald angegriffen werden sollte.

Sein vorzüglicher Ortssinn hatte ihn nicht getäuscht. Das Lager Glaynbourgs befand sich keine tausend Yards entfernt und war schon von Weitem durch den durch das Gesträuch leuchtenden Feuerschein zu erkennen.

Welcher Leichtsinn!, dachte Felsenherz. Wie kann man hier im Wilden Westen ein solches Feuer anzünden!

Er hatte auf einer Bodenwelle sich tief in das noch regenfeuchte Präriegras geduckt und spähte nach dem noch etwa hundertfünfzig Yards weiter östlich gelegenen Hügel hinüber,

Das helle Mondlicht und der klare Sternenschein spendeten so viel Licht, dass er nun zu seinem Erstaunen dort am Bachufer etwa 200 Apachenmustangs und zahlreiche Apachen bemerkte, die immer wieder aus den Büschen des Hügels auftauchten und wieder verschwanden. Felsenherz musste deshalb zunächst annehmen, die Rothäute hätten die Weißen bereits angegriffen und überwältigt. Aber sehr bald gelangte er zu einer anderen Ansicht, da er auch ein paar der Leute Glaynbourgs friedlich mit den Apachen vor dem Hügel hin und her gehen sah.

Hierfür gab es nur eine Erklärung: Der Schnelle Büffel hatte sich mit den Weißen verbündet!

Gewiss, es geschah sehr selten, dass gerade die mordgierigen Apachen, dieses wildeste Reitervolk der Prärien des Westens, sich mit den Blassgesichtern gegen irgendeinen Feind zusammentaten. Hier mussten also für den Oberhäuptling ganz besondere Gründe mitgesprochen haben, den alten Hass gegen die Weißen für einige Zeit zu vergessen.

Der Trapper kehrte um und war eine Viertelstunde später wieder bei seinem Braunen, der ruhig die Blätter von einem nahen Strauch abknabberte.

Doch der Braune hatte Gesellschaft erhalten! Neben ihm war Chokarigas Rappe angebunden!

Felsenherz schaute umsonst nach seinem roten Bruder aus. Dann entdeckte er in der Rinde der dünnen Eiche, um die der Pferdezügel geschlungen war, ein in etwa zwei und einen halben Meter Höhe drei grüne kleine Zweige, die dort in Einkerbungen hineingedrückt waren: links einen Eichenzweig, in der Mitte einen Buchenzweig und rechts den einer Erle.

Die drei auf diese Weise nebeneinander angebrachten Ästlein hatten eine ganz bestimmte Bedeutung, waren eine Art Zeichensprache, die Felsenherz durch den Comanchenhäuptling kennen gelernt hatte.

Sie besagten in diesem Fall, dass der Schwarze Panther hier von dieser Eiche durch einen Buchenwald zum Bach, also wohl zum Lager der nun vereinigten Weißen und Apachen, geschlichen sei, denn »Erle« war in dieser Zeichensprache gleichbedeutend mit Bach, Fluss oder See, da die Erle ja nur an feuchten Orten wächst.

Mithin hatte Chokariga auch andeuten wollen, dass Felsenherz ihn hier erwarten solle.

Dies war jedoch, wie der blonde Trapper sofort er­kannte, zu gefährlich, weil der alte Ben mit den Verfolgern und den Bluthunden ohne Zweifel sehr bald die Bachufer auch nach Osten absuchen würde.

Er überlegte nicht lange, stieg auf den Sattel seines Braunen und entfernte den Buchen- und den Erlenzweig, steckte an ihre Stelle vier andere dicht nebeneinander, sodass Chokariga aus der Art der Zweige entnehmen musste, dass sein weißer Bruder durch diese vier Zweige den Begriff »Wald« hatte darstellen wollen, sich also nach dem nördlich gelegenen Wald gewandt hatte.

Dann ritt Felsenherz mit des Häuptlings Rappen am Zügel über den Bach in südlicher Richtung in die Prärie hinein.

Der einzelne Apache, der vorhin auf der Anhöhe gestanden hatte, war verschwunden. Der Trapper behielt diese Richtung in flottem Trab etwa eine halbe Meile bei, schwenkte dann nach Osten ab und wollte jenseits des Lagers der Apachen und Weißen wieder jenen Waldrand erreichen. Als er nun jedoch an den Bach gelangte, und zwar gut eine drei viertel Meile oberhalb des Lagers, bemerkte er zum Glück noch rechtzeitig einige zwanzig Apachen, die von Osten herkommend am Bach entlangritten. Ohne Frage war dies eine Späherabteilung, die der Schnelle Büffel zur Sicherung des Marsches der Hauptabteilung vorausgeschickt und zurückholen lassen hatte.

Nachdem die Apachen verschwunden waren, blieb Felsenherz ziemlich dicht hinter ihnen, indem er genau ihrer Fährte folgte und so seine eigene verwischte.

Das Gelände war hier recht unübersichtlich. Der Bach war streckenweise sumpfig und schickte schmale, dicht bewaldete Seitenarme in die Prärie hinaus.

Abermals hatte Felsenherz einen dieser sumpfigen Seitenarme umrundet, als er in der Ferne mehrere Schüsse vernahm, die nur nahe am Apachenlager abgegeben sein konnten. Sofort vermutete er, dass Chokariga vielleicht entdeckt worden sei und dass ihm die Schüsse gegolten hätten.

Jetzt gab es für ihn keine Rücksicht auf die eigene Sicherheit mehr; jetzt vertraute er einzig und allein der Schnelligkeit und Ausdauer des Braunen und des Rappen, jagte in voller Karriere am anderen Bachufer wieder nach Westen und hatte auch in wenigen Minuten die Späherabteilung am Nordufer überholt, wurde bemerkt und unter gebenden Schreien verfolgt.

Nun war ihm jedoch die Unübersichtlichkeit des Geländes von Vorteil. Nach kurzer Zeit hatten die Apachen ihn aus den Augen verloren. Freilich – die Alarmschüsse, die sie abfeuerten, mussten wohl im Lager gehört werden. Felsenherz rechnete daher damit, dass man ihm den Weg versperren würde. Und doch blieb er stets in der Nähe des Baches. Bald wurde das Gelände ebener, bald tauchte rechts der hohe, steinige Hügel mit dem Baum- und Gebüschkranz auf.

Der blonde Trapper spähte nach Feinden aus.

Seltsam – weit und breit war kein lebendes Wesen zu bemerken. Kein Feuer schimmerte mehr durch die Büsche, kein Apachenmustang weidete mehr neben dem Hügel. Alles lag wie ausgestorben da, als hätten dort nie zweihundert Rothäute und zwei Dutzend Weiße gelagert.

Weiter sprengte der Trapper, von einer ungewissen Besorgnis erfüllt, die mit jeder Minute wuchs. Wo waren die Weißen und ihre indianischen Verbündeten geblieben? Wo mochten sich jetzt der alte Ben und die Bluthunde sowie die anderen Reiter befinden, die der Plantagenbesitzer Felsenherz nachgeschickt hatte?

Dann erschien am Nordufer des Baches dieselbe Waldzunge, in der vorhin die beiden Pferde angebunden waren. Auch hier weit und breit kein Mensch, kein Tier.

Felsenherz spannte die beiden Hähne der langen Jaguarbüchse, durchschritt den Bach, machte unter den ersten Bäumen halt und sprang aus dem Sattel.

Ein leiser Zuruf bewirkte, dass die beiden Pferde, die ja die beste indianische Dressur erhalten hatten, ihm langsam folgten.

Mit äußerster Vorsicht schlich er auf den Platz zu, wo die dünne Eiche stand.

Er wusste, wenn Chokariga inzwischen hier gewesen war, dann hatte er auch die Zweige aus der Baumrinde entfernt, damit sie nicht von fremden Augen später bemerkt würden.

Nun trat er in die kleine Lichtung hinaus, an deren Nordrand die Eiche sich erhob.

Nun genügte ihm ein einziger Blick bei dem hellen Mondschein. Die Zweige waren noch vorhanden.

Der Schwarze Panther konnte also inzwischen dieses Wäldchen nicht aufgesucht haben! War er etwa wirklich gefangen genommen oder gar getötet worden?

Felsenherz stand noch unschlüssig da, als hinter ihm beide Pferde gleichzeitig warnend und zwar so laut schnaubten, dass der Trapper es für richtig hielt, mit einem raschen Satz nach rückwärts aus dem klaren Mondlicht in den Baumschatten zurückzuspringen.

Doch – um den Bruchteil einer Sekunde nur tat er den Satz zu spät.

Schon sauste eine Lassoschlinge durch die Luft.

Sie fiel Felsenherz über die Brust. Ein Ruck – und er wurde seitwärts zu Boden gerissen. Eine Horde brüllender Teufel warf sich auf den Wehrlosen. Ein Tomahawkhieb, flach geführt, traf den Filzhut des Trappers und raubte dem blonden Westmann für kurze Zeit die Besinnung.