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Ritter Ulfo von Edelfels – Kapitel vier

Höchst wunderbare Geschichte vom Ritter Ulfo von Edelfels mit dem geheimnisvollen Schlangenstein in dem schützenden Zauberschild
Eine Ritter- und Geistergeschichte aus grauer Vorzeit
Aufs Neue fürs Volk erzählt
Burghausen, etwa 1860

Kapitel vier

Ulfo hatte schon alles zu seiner Abreise geordnet, da erhielt er plötzlich vom Erzherzog Stephan eine Einladung, nach Wien zu kommen und einige Zeit an seinem Hof zu verweilen. Kam ihm gleichwohl diese Einladung nicht gelegen, da dadurch die Zeit seiner Verbindung mit seiner geliebten Adelinde verlängert wurde, so konnte er dieselbe auch gleichwohl nicht unberücksichtigt lassen.

Er wartete nur noch den Tag ab, bis Adelinde nach Kürnbach zurückkehrte, und dann trat auch er seine Reise an den Hof des Erzherzogs nach Wien an.

Ulfo machte durch seine schöne Gestalt und sein echt ritterliches Benehmen am Hof des Erzherzogs besonderes Aufsehen. Es wäre für ihn ein Leichtes gewesen, unter den schönen Edelfräulein daselbst Eroberungen zu machen. Allein seine Liebe zu Adelinde war so rein und wahrhaft, so sittlich und tugendhaft, dass nichts vermögend gewesen wäre, Ulfo dahin zu veranlassen, dass er dieselbe nur im Geringsten befleckt haben würde. Außerdem schlug er es aber nicht aus, zur Ehre der Damen eine Lanze zu brechen, und so mancher Ritter musste die Kraft seines mächtigen Stoßes empfinden. Bei einem Turnier, das der Erzherzog veranstaltet hatte, war Ulfo so glücklich, alle Ritter zu besiegen und somit den ersten Kampfpreis zu erringen, was wohl von jedermann mit großem Erstaunen bewundert und anerkannt wurde. Nur Ulfo war das Geheimnis bekannt, durch welches er so allseitigen Sieges sich zu erfreuen hatte. Die Kraft des Schlangensteins war es, die ihn so unüberwindlich machte. Nur durch ihn unterstützt durfte er es wagen, jedem im heißen Kampf die Stirn zu bieten und den Fehdehandschuh entgegen zu werfen.

Es währte nicht lange, so hätte sich auch der Neid der Ritterschaft gegen den Schlangensteiner gerichtet, und Ulfo wurde in manchen ernstlichen Streit verwickelt, da die Raufbolde es darauf abgesehen hatten, ihn mit Gewalt zu besiegen. Doch ihr Bestreben war vergebens, sein Talisman schützte ihn, und aus jedem Zweikampf, zu welchem Ulfo oft des unbedeutendsten Anlasses wegen aufgefordert wurde, ging er als Sieger hervor.

Diese fortwährenden Reibereien verleideten Ulfo um so mehr den Aufenthalt am Hof zu Wien. Einen ehrenvollen Antrag des Erzherzogs, in seine persönlichen Dienste zu treten, lehnte er dankend ab und erklärte, dass er vorziehe, auf seine Burg nach Schwaben zurückzukehren und dort als Burgherr zu leben.

Und somit verließ Ulfo Wien, machte noch eine weitere Reise durch Böhmen, bis er dann in sein liebes Schwabenland und auf seine väterliche Burg heimkehrte. Bald nach seiner Ankunft ritt er nach Kürnbach, um bei Adelindes Vater um diese zu werben. Wie selig war das liebende Paar, als es sich nach längerer Trennung zum ersten Mal wieder sah.

Conrad von Sternfels hatte bereits von Ulfo schon so viel Rühmliches erfahren, dass es ihm wahre Freude machte, dass dieser seine Tochter sich zur Frau erbat. Gerne sagte er ihm dieselbe zu. Da Adelinde nebst den Schätzen, welche sie aus dem Reich der Gnome empfangen hatte, auch vom Vater eine ansehnliche Mitgift erhielt, so war Ulfo von Schlangenstein als einer der vermögendsten Ritter bekannt, dem der Ruf seiner Tapferkeit noch überdies als besondere Empfehlung zur Seite stand. Nebst diesem übte er und seine junge Hausfrau die Sitte der Gastfreundschaft in hoch ehrenvoller Weise. So war das junge Ehepaar ein Muster ritterlicher Tugenden in einem weiten Umkreis.

Bei ausbrechenden Fehden säumte Ulfo nicht, denen beizustehen, wo er das Recht vermutete. Er war auch für einen jeden ein unübertrefflicher Bundesgenosse, denn jederzeit war der Sieg auf Seite derer, mit welchen Ulfo kämpfte. Wohl wenigen, wir glauben annehmen zu dürfen, keinem seiner Waffengefährten war das Geheimnis mit dem wirksamen Schlangenstein bekannt. Um so erstaunlicher und unerklärbarer war es daher immer den Besiegten, woher Ulfo die Kraft und Macht besitze, selbst gegen eine weit überlegene Zahl von Feinden den Sieg zu erringen.

Eines Zusammentreffens, das bei der Vermählung Ulfos stattgefunden hatte, müssen wir hier nachträglich Erwähnung tun. Es war schon gegen Abend, als an seinem Brauttag Ritter Ulfo in dem Schlosshof ging, um sich etwas zu erholen. Da kam keuchend die alte Jettel herbei, die wir bereits früher kennen lernten, als sie ihren Liebling mit dem bewussten feuerroten Hahn und dem beschützenden Schlangenstein beschenkte.

»Herr Ritter«, sprach sie, »die alte Jettel wünscht Euch Glück zum schönsten Tag Eures Lebens.«

»Ich danke dir, meine liebe Jettel!«, entgegnete Ulfo. »Komm mit mir, du sollst an meiner Tafel essen.«

Kichernd meinte die Alte: »Ihr wisst ja, Herr Ritter, dass ich keine Leckereien liebe und mein Leben nur mit Kräutern und Obst friste!«

»Nun, so wirst du von mir wenigstens einen Rock und Wams annehmen, dass ich dir zustellen lasse«, fuhr der Ritter freundlich fort. »Der Winter steht jetzt vor der Tür und da kannst du eine wärmende Kleidung wohl gebrauchen.«

»Das nehme ich mit vielem Dank an!«, entgegnete freudig die Alte. »Ihr seid, Herr Ritter, trotz Eures Reichtums noch immer der gute Ulfo, der Ihr früher wart. Und eben deshalb bin auch ich nur auf Euer Bestes bedacht, und möchte Euch zu Eurer Sicherheit Folgendes mitteilten: In der gestrigen Nacht kochte ich wieder meine Kräuter, um Euer Schicksal kennen zu lernen. Lange konnte ich nichts deutlich sehen, alles ging brausend und zischend untereinander, doch allmählich beruhigte sich die Masse und ich sah deutlich quere Gestalt, die zu meinem nicht geringen Schrecken unter einem Pferd lag. Kaum wollte ich meinen Augen trauen und strengte mich an, besser zu sehen, da vernahm ich eine klägliche Stimme, die da rief: ›Er ist von einem Schimmel erschlagen!‹ Hütet Euch also, mein lieber Ritter Ulfo, vor allen Schimmeln, und vergesst meine Warnung ja nicht, denn ich wäre namenlos unglücklich, wenn Ihr früher ins Grab steigen müsst als ich. Eben deshalb bewahrt auch den Schlangenstein wohl, denn solange Ihr im Besitz von diesem seid, wird Euch ein solches Unglück nicht treffen können. Gehabt Euch wohl. Morgen hole ich mir Rock und Wams. Vergnügte Brautnacht wünsche ich!« Kichernd eilte sie fort.

Ulfo und Adelinde hatten beschlossen, mit anbrechendem Frühling einen Besuch auf der Burg zu Gösting abzustatten, da die junge Frau zunächst den Wunsch äußerte, ihre Jugendfreundin wieder zu sehen und zu sprechen. Insbesondere war sie auch neugierig zu erfahren, wie es wohl ihrer lieben Klara bezüglich ihres Liebesverhältnisses mit dem Knappen Luithold, der, wie sie erfahren hatte, inzwischen zum Ritter geschlagen worden war, ergehen möge.

Noch lag wenig Schnee auf den Gebirgen, da unternahm Ulfo mit seiner jungen Gattin die Reise nach Schloss Gösting und trafen sowohl den Ritter Conrad und dessen Tochter Klara in bestem Wohlbefinden. Das Aussehen der Letzteren war wohl der Art, als nage ein geheimer Kummer an ihr und verkürze deren Lebensfaden.

Als die beiden Freundinnen allein waren, stürzte sich Klara mit heißer Sehnsucht in die Arme ihrer geliebten Adelinde und klagte ihr ganzes Herzeleid. Als nämlich ihr geliebter Luithold durch besondere Treue und Anhänglichkeit, mit welcher er sich im Dienst ihres Vaters erprobt hatte, von diesem den Ritterschlag erlangt, wagte er es, diesem sein Verhältnis mit Klara zu entdecken und um ihre Hand zu werben, mit dem Beisatz, dass er nun ausziehen und durch Mut und Tapferkeit sich derselben würdig beweisen wolle. Allein der Ritter von Gösting erklärte ihm unverhohlen, dass es ihm unter solchen Umständen das Wünschenswerte sei, wenn er seine Burg je eher je lieber verlasse. Doch einer Verbindung mit seiner Tochter Klara wegen brauche er sich nicht besondere Verdienste zu erwerben, denn diese erlange er mit seiner Einwilligung nun und nimmermehr.

Auf diese Erklärung hin verließ nun Luithold wohl ungesäumt die Burg Gösting. Klara dagegen hatte von ihrem Vater manche bittere und eindringliche Ermahnung deshalb zu erfahren, dass sie mit einem ihr nicht ebenbürtigen Knappen sich in Liebeshändel eingelassen und ihrem Vater damit eine höchst bittere Kränkung, sich selbst aber für die Zukunft manche Zurücksetzung bereitet habe.

Dieses wäre für Klara noch das weniger Schmerzliche gewesen. Was ihr aber den meisten Kummer veranlasste, war, dass ein Waffengefährte und intimer Freund ihres Vaters sich um ihre Hand bewarb. Er war in den Jahren schon ziemlich vorgerückt, dabei wohl noch rüstig. Um keinen Preis hätte Klara sich dahin überwinden können, ihrem Luithold zu entsagen und dem Ritter von Lindenfels, so hieß ihr neuer Verderber, Hand und Herz zum Lohn seiner Bewerbung hinzugeben.

Der Ritter von Lindenfels bot alles auf, die Liebe des spröden Fräuleins, zu gewinnen, doch vergebens. Zu derselben Zeit hatte der Ritter von Gösting zunächst auf Andrängen und Zureden seines alten Waffenbruders, des Lindenfelsers, ein Turnier auf seinem Schloss veranstaltet und alle Ritter in der Runde oder die gerade des Weges zogen, zur Teilnahme an demselben eingeladen. Als der festgesetzte Tag anbrach, zogen ihrer viele in die Burg, unter ihnen auch ein junger Rittermann, der vor allem den Ritter Ulfo von Schlangenstein und dessen Gemahlin zu sprechen begehrte. Nachdem er bei diesen vorgelassen wurde, gab er sich denselben als der Ritter Luithold von Hunnenstein zu erkennen und bat Adelinde bei ihrer innigen Freundschaft zu seiner geliebten Klara inständig, ihm doch das unnennbare Glück zu verschaffen, dieselbe, wenn auch nur auf ein paar Augenblicke sehen und sprechen zu können. Er würde sich dadurch für den bevorstehenden Zweikampf mit seinem Todfeind, dem Ritter Hanns von Lindenfels, doppelt gestärkt und gekräftigt fühlen.

Seinem Wunsch wurde willfahren, und wonnetrunken begrüßten sich die beiden Liebenden. Klara teilte ihrem geliebten Luithold mit, wie sehr ihr Vater sie dahin zu bereden suche, ihre Hand dem Lindenfelser zu reichen, doch sie habe dessen Anträge mit Entschiedenheit zurückgewiesen. Sie lege ihm hiermit das erneute Versprechen ab, dass sie nur für ihn leben und mit ihm sterben wolle.

Adelinde hatte von ihrem Gatten das Geheimnis mitgeteilt erhalten, welche Wunderkraft der Schlangenstein besitze, der sich auf dessen Schild befand. Aus Liebe zu ihrer Freundin Klara versuchte sie es nun, Ulfo dahin zu bereden, er möchte dem Ritter Luithold zu dem bevorstehenden Zweikampf mit dem Ritter von Lindenfels seinen Schild abtreten, da man dann mit Sicherheit hoffen könnte, der Erstere werde den Sieg erlangen.

Wohl hegte Ulfo gerechten Zweifel und fand es geradezu bedenklich, mit seinem Talisman solch gewagtes Spiel zu treiben. Doch was vermag nicht die eindringliche Zusprache eines schönen Frauenmundes. Mit der Gewissheit, dadurch ihrer geliebten Klara den treuen Luithold zu erhalten, denn der Ritter von Lindenfels war als ein gewagter Kämpfer bekannt und gefürchtet, ließ Adelinde nicht ab, zu bitten, bis sie von Ulfo die gewünschte Einwilligung erlangt hatte, Luithold möge bei dem bevorstehenden Zweikampf sich seines Schildes bedienen.

Das Turnier fand statt. Obwohl es nur als ein Ritterspiel galt und dabei ein Kampf auf Leben und Tod nicht beabsichtigt war, schlug es Ritter Hanns von Lindenfels keineswegs ab, als Luithold von Hunnenstein seinen Nebenbuhler zu einem solchen herausforderte. Der Ritter von Gösting war darüber höchst erbost, dass dieser Tag ein blutiges Ende nehmen sollte, denn ihm bangte um seinen Freund, den Lindenfelser. Dieser dagegen nahm den Aufruf des jungen Ritters mit Hohnlachen und spöttischen Reden entgegen.

Ängstlich und halb verwirrt begab sich Klara auf den Söller des Schlosses, von wo sie die Aussicht auf den Kampfplatz hatte. In ihrem Inneren war ein fürchterlicher Entschluss zur Reife gediehen. Wohl hatte sie von Adelinde erfahren, dass Ulfo ihrem Geliebten den Zauberschild abgetreten habe, ihr Herz war von einer solchen Beklommenheit und Angst erfüllt, die unaussprechlich war, und zwar wie uns der Verlauf des Ereignisses zeigt, mit Recht.

Der Kampf auf Leben und Tod begann. Luithold leistete dem gewandten Ritter von Lindenfels kräftigen Widerstand, und beinahe wäre es ihm gelungen, ihn beim dritten Anspringen mit der Lanze aus dem Sattel zu heben, da erspähte der Lindenfelser den Vorteil und stach ihn mit dem Speer durch eine sich bietende Öffnung der Rüstung so in den Hals, dass das Blut strömend hervorschoss und der Getroffene leblos vom Pferd stürzte.

Als Klara das Blut des Geliebten sah, ergriff sie namenlose Verzweiflung.

Mit dem Ausruf »Luitpold, mein Geliebter, ich folge dir!« stürzte sie sich vom Söller des Schlosses hinunter in eine grausige Tiefe, wo ihr schönes Haupt an den Felsen auf entsetzliche Weise zerschellte.

Mit stummen Entsetzen sah dieses ihr Vater und der von inniger Schadenfreude frohlockende Ritter von Lindenfels, der nun, nachdem er seinen Nebenbuhler besiegt, sich in dem ungestörten Besitz des schönen Mädchens wähnte.

Adelinde war trostlos über den Verlust ihrer geliebten Freundin. Ulfo befürchtete dadurch, dass er mit seinem Talisman, dem Schlangenstein, ein gewagtes Spiel getrieben hatte, könnte die Kraft desselben auch für ihn für alle Zukunft entschwunden sein. Doch war diese Besorgnis unbegründet, denn als er sein Schild zurücknahm, glänzte der Schlangenstein wieder in unbeschreiblicher Klarheit und Reinheit.

Allmählich verloren sich die auf Schloss Gösting anwesenden Gäste. Der verwaiste Ritter Conrad hatte niemanden mehr um sich, der ihm seine alten Tage verkürzt hätte. Freudenlos und armselig entschwanden dem stolzen Mann die wenigen Jahre, die er noch zu leben hatte, und nicht selten erfüllte ihn bittere Reue darüber, dass er die Bewerbung Luitpolds, der einem rühmlichen armen Geschlecht entsprossen war, so schlechterdings von sich gewiesen hatte.