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Der Welt-Detektiv Band 6

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Eulenspiegel auf der Dasburg

Vom frischen Quell
Sagen, Legenden und Geschichten aus der Eifel
Jung und Alt in neuer Fassung dargeboten von Rektor Jos. Schiffels
Verlag Georg Fischer. Wittlich. 1912
Erstes Bändchen

Eulenspiegel auf der Dasburg

Der Ritter von Dasburg war eines Tages auf der Jagd. Da begegnete ihm Eulenspiegel. Nachdem er gegrüßt hatte, fragte der Herr von Dasburg: »Wo warst du?«

»Zu Neuerburg«, entgegnete Eulenspiegel.

»Aha, da war heute Markt«, meinte der Ritter.

»Ja,« war die Antwort.

»War der Markt groß?«, fragte der Dasburger.

Eulenspiegel erwiderte: »Ich habe ihn nicht gemessen.«

Der Ritter darauf: »So habe ich es nicht gemeint. Ich wollte nur fragen, ob viele Leute darauf waren.«

Eulenspiegel antwortete: »Ich habe sie nicht gezählt.«

Die spitzen Antworten ärgerten den Ritter. Er verbiss jedoch seinen Ärger und sagte: »Nicht wahr, Bursche, du bist von Dahnen?«

»Ja«, war die Antwort.

»Ich habe schon viel von dir gehört. Komm einmal auf mein Schloss, dort sollst du satt Wein kriegen«, sagte der Burgherr. Diese Gelegenheit wollte er dazu benutzen, um sich an dem kecken Burschen zu rächen. Dieser aber merkte, dass der Ritter etwas gegen ihn im Schilde führe. Er verließ sich aber auf seine Schlauheit und List, die ihm gewiss auch diesmal, wie so oft schon, aus der Klemme helfen würden.

Deshalb entgegnete er auf die Einladung: »Danke, mein Herr, ich werde die Gelegenheit gerne benutzen.«

Schon am anderen Tag begab sich Eulenspiegel zur Dasburg.

»Schön, dass du kommst«, sagte der Schlossherr zu seinem Gast und wechselte einen vielsagenden Blick mit seinem Diener Franz.

Das war dem vorsichtigen Schalk nicht entgangen. Der Diener hatte Weisung, Eulenspiegel im Keller tüchtig Wein zu geben.

Unten blieb Franz vor einem mächtigen Fass stehen und zapfte einen großen Becher Wein.

Er reichte ihn Eulenspiegel mit den Worten: »Wohl bekommt’s!«

Über dem Trinken bemerkte er, wie sich der Diener hinter dem Fass etwas zu schaffen machte. Er brachte einen kräftigen Ochsenschwanz hervor und war eben im Begriff, auf Eulenspiegel loszuschlagen. Dieser sprang rasch zur Seite und riss den Kran aus dem Fass, sodass das edle Nass in einem dicken Strahl herausschoss. Um der Flut zu wehren, sprang Franz rasch herbei und hielt das Loch mit dem Daumen zu. Das war für Eulenspiegel eine erwünschte Gelegenheit, den Diener mit einem Seil, das er wie eine Schlinge um dessen Leib geschlungen hatte, an die Mauer festzubinden. Er ergriff den Prügel und hieb unaufhörlich auf Franz ein, sodass dieser aus Leibeskräften schrie: »Zu Hilfe, zu Hilfe!«

Dazwischen rief Eulenspiegel: »Warte, du Schalk, du Nichtsnutz, hier hast du dein Teil!«

Zuletzt trank er den Becher leer. Dann nahm er zwei Schinken aus einer Ecke, verbarg sie unter seinen Kleidern und eilte durch die offen gebliebene Kellertür ins Freie.

Draußen aber fing der Schalk an zu heulen und zu humpeln. Da rief ihm der Burgherr zu: »Aha, Schlingel, jetzt hast du mal eine Lehre bekommen, die dir die Luft nehmen wird, mit mir deinen Scherz zu treiben.«

»O ja«, sagte Eulenspiegel schadenfroh, »Ihr habt mir eine gute Lehre gegeben. Ich hab’s gekriegt, meine Mutter und ich haben vierzehn Tage genug daran.« Und er machte sich schleunigst aus dem Staube.

Der Ritter rieb sich vergnügt die Hände, bis ein abermaliger Hilferuf aus der Tiefe des Kellers heraufdrang. Er eilte hinab, und voller Entsetzen musste er sehen, wie sein Wein ausgelaufen und sein Diener gehörig durchgeprügelt worden war.

»Der Schurke hat auch noch zwei der schönsten Schinken mitgenommen«, bemerkte Franz.

Jetzt verstand der Ritter auch, was Eulenspiegel mit seiner letzten Bemerkung gemeint habe.