Heftroman der

Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Der Marone – Schlimme Vermutungen

der-marone-drittes-buchThomas Mayne Reid
Der Marone – Drittes Buch
Vierzigstes Kapitel

Schlimme Vermutungen

Schweigend ritten die beiden jungen Männer nebeneinander, ohne irgendeine Frage zu tun, denn jeder fürchtete die Antwort des anderen und dachte lediglich an die seiner eigenen Geliebten drohenden Gefahr. Mochten sie nicht zu spät zur Rettung kommen? Das war der einzige Gedanke, der sie beseelte und der sie trieb, ihre Pferde zur größten Eile anzuspornen.

Sie waren dem Jumbéfelsen ziemlich nahe gekommen und hatten den Bergrücken erreicht, der die Güter Willkommenberg und Schloss Montagu voneinander trennten. Hier verließ auch der Weg den dichten Wald und man hatte einen offenen Blick ins Tal von Willkommenberg. Da entfuhr Cubina plötzlich ein lauter Schrei und mit einem Ruck hielt er sein Pferd an.

Herbert schrie auch laut auf und blieb ebenfalls stehen. Deutlich sahen sie ein großes Feuer heftigen Flammen auflodern.

»Feuer!«, rief Cubina. »Zu Willkommenberg! Sancta madre! Das große Haus steht ganz in Flammen!«

»O Himmel!«, schrie Herbert. »Wir kommen zu spät!«

Weiter wurde kein Wort zwischen den beiden gewechselt. Instinktiv ritten sie schweigend in raschem Galopp den Hügel vollständig hinauf, von wo sie das Tal sowie Willkommenberg selbst noch deutlicher sehen konnten.

Richtig, es war kein Zweifel mehr, das große Haus von Willkommenberg stand wirklich in lichten Flammen. Eigentlich gab es gar kein großes Haus mehr zu Willkommenberg, sondern nur noch seinen Feuerhaufen, der in mächtigen aus Rauch und Funken gebildeten Säulen prasselnd zum Himmel emporstieg, während die Balken unaufhörlich knisterten und krachten, gleich, als ob Unholde hier zur Feier eines schrecklichen Verbrechens ein lustiges Freudenfeuer angezündet hätten.

»Zu spät! Zu spät!«, riefen beide Reiter zu gleicher Zeit, spornten mit Verzweiflung im Gesicht und grimmiger Furcht im Herzen ihre Pferde zur äußersten Anstrengung und eilten auf dem kürzesten Weg zur Feuersbrunst hin, sodass die erschrockenen Pferde sich bald dicht vor dem brennenden Gebäude befanden.

Beide sprangen vom Pferd und setzten vorsichtig ihre Gewehre in Ordnung, um sich gegen jeden Feind verteidigen zu können. Vor dem brennenden Haus war niemand zu sehen. Sie liefen um dasselbe herum, fanden aber niemand. Die nächste Umgebung sowie der Garten schienen vollständig verlassen zu sein. Nach mannigfachen vergeblichen Versuchen, irgendeinen Menschen aufzufinden, nach manchem unnützen Rufen und Schreien begannen sie, die ganze schreckliche Verwüstungsszene etwas genauer zu betrachten.

Offenbar hatte der Brand schon einige Zeit gedauert. Das obere Stockwerk, das gänzlich aus Holz bestand, war bereits ganz von den Flammen verzehrt und nur das untere Mauerwerk war stehen geblieben. Über dieses waren die stärkeren Balken hinabgefallen und lagen nun glühend, verkohlt und rauchend durcheinander.

Als Herbert und Cubina niemand bei dem brennenden Haus fanden, gingen sie zu den Wirtschaftsgebäuden, die alle unversehrt standen und die niederzubrennen durchaus kein Versuch gemacht worden zu sein schien. Hier fingen die beiden wieder an zu schreien, allein ohne wieder eine Antwort zu erhalten. Nirgends war jemand aufzufinden, weder in der Mühle noch im Maisch- oder Trockenhaus noch in den sämtlichen Ställen.

Jetzt eilten sie zu den Negerhütten. Da musste doch jemand zu finden sein? Alle konnten doch aus Furcht vor der Räuberbande nicht Reißaus genommen haben?

Während sie auf dem Weg dahin waren, trat eine gerade aus dem Gebüsch vorsichtig herauskriechende schwarze Gestalt in den Weg. Herbert erkannte bei dem Schein des nun hell brennenden Feuers in ihr sofort den echten Sprössling der Finsternis, seinen alten Bekannten Quashie.

Auch Quashie hatte den jungen Engländer sofort erkannt.

»O, junger Harr!«, schrie der schwarze Bube Herbert entgegen, »den graußen Buff in Feuer!«

»Carambo! Erzähl uns, was wir nicht wissen!«, forderte Cubina ungestüm. »Wer hat das Feuer gelegt? Weißt du das?«

»Sahst du die Brandstifter?«, fügte Herbert heftig hinzu.

»Gesehen? Wen, Massa?«

»Nun, die, welche das Haus angezündet haben«, setzte Herbert mit der größten Ungeduld hinzu.

»Ja, Massa, ich sie gesehen, als sie zuerst die große Treppe hinaufgesprungen.«

»Dann sag geschwind, wer und was sie waren, wem sie ähnlich sahen.«

»O, Massa, die ähnlich sahen so vielen Teufeln. Die alle Neger waren, einige mit Masken vor dem Gesicht. Alle sagten, es die Maronen seien von den Bergen. Die schwarze Bess sagte Nein; sie sagt, dass es seien Räuber von den Bergen und sie kommen, um wegzuführen …«

»Deine junge Herrin? Fräulein Vaughan? Wohin? – wohin?«, unterbrach Herbert ihn ungeduldig mit großer Heftigkeit. »Und Yola? Hast du sie gesehen, Bursche?«, fügte Cubina mit gleicher Leidenschaftlichkeit hinzu.

»Noin, Harren«, erwiderte Quashie, »ich gesehen weder jonges Frölen noch braunes Mädchen Yolaw. Die waren zusammen in der großen Halle. Da ging ich nicht hinauf, denn die Reiber konnten jongen Borschen töten wie mir. Ich unten stehen geblieben, bis Harr Mythje die Treppe heruntergesprungen. Ha, wie er da gelaufen und gerannt, bis er unter dem Schwibbogen. Da hat er sich versteckt, vermute ich. Nun ich auch Flucht ergriffen, und wir alle zusammen, in die Büsche. Massa Thom auch und all das Hausvolk weggelaufen, in die Büsche, und noch nicht wieder zurückgekommen.«

»O Himmel!«, rief Herbert in höchster Angst aus. »Ist es nur möglich? Bist du auch ganz gewiss, dass du nichts von der jungen Herrin gesehen hast?«

»Oder von Yola?«, fragte der Marone mit gleicher Verzweiflung.

»Noin, ganz gewiss nicht! Ich habe keine von beiden gesehen!«, erklärte Quashie mit einer gewissen Feierlichkeit »Aber sieh da – sieh da!«, fügte er in sichtlicher Angst hinzu. »Wahrhaftig, da ziehen sie jetzt ab, die Reiber!«

Herbert und Cubina, die während der Unterredung mit Quashie dem Feuer den Rücken zugekehrt hatten, sahen sich sofort um und gewahrten verschiedene dunkle Gestalten, die sich zwischen ihnen selbst und dem hellen Hintergrund der Flammen bewegten, während ihre Schatten sich in riesiger Größe fast bis zu dem Platz erstreckten, wo sie standen. Im Ganzen schienen es ein halbes Dutzend Männer zu sein, die von dem Mordbrand hinwegzogen.

Beide, Herbert wie Cubina, sprangen unbekümmert um die Folgen im wilden Mut auf die Leute, die den Schatten warfen, zu, um entweder sich zu rächen oder kämpfend zu fallen.