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Atlantis Teil 17

Das donnernde Dröhnen aus dem Fernsehgerät war verklungen, der Bildschirm zeigte eine undurchdringliche Staubwolke, die sich nur ganz langsam verzog. Der gemarterte Apparat hatte hergegeben, was die überanstrengten Röhren herzugeben vermochten, und es war zweifellos eine menschenfreundliche Tat, dass ein Ingenieur der Kanalgesellschaft auf einen Wink von Guy Rouse abschaltete und Ruhe im Saale schuf.

Noch stand Austin Parker, der Präsident der Union, benommen von diesem Dröhnen und Tosen, das doch nur einen winzigen Teil jenes Donners darstellte, den die Sprengung am Isthmus selbst erzeugt haben musste.

Guy Rouse trat auf den Präsidenten zu und reichte ihm selbst ein Glas Sekt, hielt ein anderes in der Hand, erhob es und sprach zum Präsidenten, zu den Staatssekretären, zu den Herren der New Canal Company.

»Herr Präsident! Meine Herren! Ich erhebe mein Glas und bitte Sie, mit mir anzustoßen und zu trinken auf das glückliche Gelingen unseres Werkes … jenes großen, die Völker, Länder und Ozeane verbindenden Werkes, dessen erste Etappe nun glücklich vollendet ist. Wir haben den Donner der Explosion hier vernommen und die gewaltige Sprengwolke gesehen. Mit Lichtgeschwindigkeit sind Klang und Bild zu uns gekommen und haben uns erzählt, dass der Sprengstoff seine Arbeit begonnen, auf der ersten Etappe vollendet hat. Nach diesem ersten Schritt habe ich keinen Zweifel mehr, dass auch die Sprengung der weiteren Etappen glatt verlaufen wird. Auf das Wohl des neuen Kanals, meine Herren!«

Mr. Rouse brachte sein Glas an die Lippen und veranlasste durch sein Beispiel die anderen Herren, das gleiche zu tun. Guy Rouse sprach weiter: »Herr Präsident! Meine Herren! Die Sprengung der anderen Etappen nimmt, wie Sie alle wissen, geraume Zeit in Anspruch. Darf ich Sie bitten, auf einen kleinen Imbiss Gäste der New Canal Company zu sein.«

Noch während er sprach, öffneten sich geräuschlos die Flügeltüren zum nebenliegenden Raum. Eine weiß gedeckte Tafel im Schmuck von Kristall und Silber. Die auserlesensten Delikatessen der Jahreszeit. Nach den Aufregungen der letzten Viertelstunde kam seine Einladung nicht unangebracht.

Man setzte sich, man griff zu und suchte die durcheinandergewirbelten Nerven mit körperlicher Stärkung wieder in Ordnung zu bringen.

»Gott sei Dank«, sagte der durch seinen Sarkasmus bekannte Staatssekretär des Äußeren. »Gott sei Dank, dass der Fernseher schon beim ersten Mal in Stücke gegangen ist. Wir verzichten auf das Vergnügen, einen anderen hinzustellen und den Skandal noch einmal zu hören.«

Das kalte Lächeln um Guy Rouses Lippen verschärfte sich. »Ganz meine Meinung, Herr Staatspräsident, auf Ihr Wohl!«

Auch die Züge des Präsidenten Parker gewannen allmählich die alte Ruhe wieder.

Da schrillte das Telefon.

»Mitteilung aus dem Weißen Haus für den Herrn Staatspräsidenten. Nachricht von den Patrouillenflugzeugen … An die Regierung: Die ganze Kanaltrasse auf einmal gesprengt, von Colon bis Panama alles in die Luft geflogen!«

Starr wurden die Gesichter der Regierungsmitglieder. Totenblässe überzog die Züge Austin Parkers. Es dauerte Minuten, bis er sich sammelte und wieder sprechen konnte.

»Unmöglich … Wie konnte das geschehen! Undenkbar … unglaublich … Die Folgen werden … können entsetzlich sein … ich lehne jede Verantwortung ab. Wie konnte das geschehen, Mr. Rouse?«

Guy Rouse war aufgesprungen und trat auf den Präsidenten zu. Fest und laut klangen seine Worte durch den Raum: »Herr Präsident! Die Sprengung ist gemäß den Befehlen der Regierung angeordnet und ausgeführt worden. Zeugen dafür sind vorhanden. In erster Linie der Chefingenieur Smith, der den Befehl erhalten hat. Ich schlage vor, ihn hierher kommen zu lassen. Die einzige Erklärung, die ich für das sonst unerklärliche Vorkommnis habe, ist die, dass der Druck der explodierenden Minen auch die Nachbaretappen zur Explosion gebracht hat. Sie erinnern sich, meine Herren, dass einige Sachverständige auch derartige Befürchtungen ausgesprochen haben, die wir – ich möchte jetzt sagen leider – als zu abwegig unbeachtet ließen. Wie lautete die Nachricht? Die ganze Trasse auf einmal gesprengt! Ich sehe in diesen Worten keinen Grund zur Beunruhigung. Die Nachricht besagt nur, dass die Sprengung auf einmal erfolgt ist. Kein Wort davon, dass die schlimme Befürchtung, die man an die gleichzeitige Sprengung knüpfte, eingetreten ist.«

Er machte eine wegwerfende Bewegung.

»Jene lächerlichen Befürchtungen europäischer Gelehrter! Die nächsten Minuten werden uns Gelegenheit geben. Warten wir es ab!«

Ein gedrücktes Schweigen anstatt einer Antwort. Der Präsident stand in flüsternder Unterhaltung mit dem Staatssekretär des Äußeren. Niemand schien die Sorglosigkeit von Guy Rouse zu teilen.

Minuten vergingen. Der lastende Druck erreichte den Höhepunkt. Die Nerven aller zum Äußersten gespannt. Die nächste Nachricht?

Da! Ein neues Signal. Fernsprechnachricht, direkt vom Kanal an die Gesellschaft: Alles gut verlaufen! Kanal gefüllt! Befürchtetes nicht eingetreten!

Das alte Lächeln war wieder auf Guy Rouses Gesicht, gab seinem Antlitz das Gepräge zufriedener Heiterkeit. Er sprang auf, wollte sprechen.

Ein neues Signal! Telefonnachricht an die Regierung von den Patrouillenflugzeugen. Die gleiche Nachricht, die soeben von der Kanalverwaltung gekommen war.

Strahlendes Lächeln lag jetzt auf seinem Gesicht. Er ergriff sein Glas und erhob sich.

»Meine Herren! Da haben wir’s! Unnötig alle Angst und Sorgen! Im Gegenteil! Ich weiß nicht, ob ich den Zufall, der hier gewaltet hat, glücklich oder unglücklich nennen soll. Dem amerikanischen Volk, der amerikanischen Volkswirtschaft sind große Kosten – etwa fünf Milliarden Dollar – erspart worden. Diese europäischen Befürchtungen, dass der Mückenstich unserer Sprengung den ganzen Isthmus zerreißen könnte, sind durch die Ereignisse widerlegt, sind hinfällig. Glänzend gerechtfertigt stehen unsere amerikanischen Gutachter da. Meine Herren, ich trinke auf den glücklichen Zufall und seine glücklichen Folgen. Ein Werk von weltgeschichtlicher Bedeutung ist geschaffen!«

 

*

 

Uhlenkorts Hand tastete an die Mauer des alten Leuchtturms, klammerte sich an die verwitterten Quadern. Beruhigung schien von den kalten Steinen auszustrahlen, auf ihn überzugehen.

Kaum drei Stunden war es her, dass das Flugzeug, in dem er nach Spitzbergen kam, die Nachricht auffing: Die ganze Kanaltrasse auf einmal gesprengt. Von Colon bis Panama alles in die Luft geflogen.

Da war er aufgesprungen, von Schrecken, von Entsetzen gepackt, war in den Empfangsraum geeilt, hatte in höchster Erregung der weiteren Meldungen geharrt. Bis dann die zweite, die erlösende Nachricht kam: Alles gut verlaufen. Das Befürchtete nicht eingetreten.

Erlösend? War diese Nachricht wirklich erlösend? Einen Augenblick ja! Dann waren die Zweifel gekommen.

Was hatte er gesagt? Er, zu dem er jetzt eilte? Er, vor dessen Heim er jetzt stand? Die eine Hand an den Quadern, die andere an dem Eisengeländer, stieg er die Stufen zu der Eingangspforte empor, wie ein müder, kranker Mann.

»Der alte Invalide wies ihn den Turm hinauf zur Laterne. Ein langer Weg über zweihundert Stufen. Und dann stand er oben, stieß die Tür zurück. Sein Blick flog suchend durch das Gewirr der Apparate und Instrumente, die den Raum füllten.

Da saß der, den er suchte, ihm halb den Rücken kehrend.

»Du bist es? Ich erwarte dich. Eine kleine Weile, und ich bin fertig.«

Uhlenkort stand an der Tür. Seine Blicke hingen an der gebeugten, zusammengekrümmten Gestalt. Als wäre es ein Zauber, der von dieser ausging, fühlte er sein Herz leichter werden … leichter mit jedem Pulsschlag.

Und dann richtete der Mann sich auf, wandte sich ihm zu, sah ihn einen kurzen Moment an. Diese Augen … zwingend … bannend … befreiend … erlösend. Die schmale weiße Hand ausgestreckt, trat er auf ihn zu.

»Walter! Du kommst. Ich wusste es. Ich freue mich.«

Ihre Hände lagen ineinander, und unter dem leisen Druck dieser Hand fühlte Uhlenkort, wie der letzte Rest der quälenden Spannungen von ihm wich. Fest umklammerten seine Finger die des anderen.

»Johannes! Ja, ich komme zu dir, schwere Sorgen im Herzen. Und jetzt, da ich bei dir bin, dich sehe, deine Hand fühle, schwindet die Last … diese fürchterliche Last …«

Sie saßen sich an dem großen Fenster gegenüber, das freien Blick nach Süden gab.

»Der Kanal ist auf einmal gesprengt. Du hörtest es vor drei Stunden. Was du befürchtet hast, es ist geschehen …«

»… der Schurkenstreich Rouses!«, vollendete Uhlenkort. »Er wird nicht lange mit der Ausrede warten lassen, es wäre durch blinden Zufall geschehen. Die dunkle Ahnung, die ich immer hatte, sie wurde stärker, immer stärker, je näher wir der Sprengung kamen. Trieb mich hierher … zu dir, noch bevor es geschehen war.«

»Du …« Seine Hand fuhr dem anderen entgegen. »Du, sag es mir … Was wird nun kommen? Auch die andere Kunde vernahm ich, dass alles gut verlaufen sei, dass das Befürchtete nicht eingetreten ist. Wie mögen da Millionen von Menschen aufgejubelt haben, welche die erste Nachricht in Todesangst versetzte. Auch ich … ich, der ich an dich glaube … ich hörte die Nachricht, versuchte, mich an sie zu klammern, mich durch sie zu befreien … und vermochte es nicht.«

Und als ob die Sorgen und Qualen der letzten Stunden wieder auf ihn einstürmten, sank er zurück und deckte die Augen mit der Hand.

»Johannes! Ich verzweifle … Sag es mir! Was wird nun kommen?«

Jener saß und starrte durch die Scheiben über die weite, graue Fläche des Nordmeeres. Seine Blicke schienen, gelöst vom Körper, in weiter Ferne zu suchen … zu fragen. Die Strahlen des roten Sonnenballs brachen sich in den gewölbten Scheiben, warfen einen flackernden Schein auf das Gesicht des Mannes. Minuten verrannen. Zeitlos … wunschlos schien alles um Uhlenkort zu werden.

Da fühlte er, wie eine Hand sich auf seine Schulter legte, wie ein Kopf sich zu seinem Ohr neigte, wie ein Mund zu ihm sprach.

Er hörte die Worte, die so schrecklich waren und ihn doch nicht zu treffen schienen, die so Fürchterliches vor seinem Auge malten und doch sein Herz still ließen.

Und Uhlenkort stand neben ihm, an jenem blitzenden Instrument, an dem der Mann vorher gesessen hatte, als er eintrat. Der beugte sich darüber, bewegte Hebel, Schrauben und Schalter und warf einen Blick auf die große Uhr.

An der Nordwand blitzte es kurz über eine dunkle Fläche. Wieder beugte sich das Haupt des Mannes zu dem Tisch. Die Lippen murmelten leise Worte. Das Instrument drehte sich leicht zur Seite.

»Jetzt! Du wirst hier sehen, was dort geschieht, und doch an mich glauben!«

Dann war es, als ob das Dunkel des Raumes ihn verschlungen hätte. Uhlenkort stand allein und starrte auf die Wand, die Mattscheibe, auf die ihn J. H. gewiesen hatte. Ein bleicher Schimmer flog darüber, wurde heller und immer heller, zeigte Farben, zeigte Konturen. Blaue Flächen … grüne Wälder … fahrende Schiffe … dahinziehende Flugzeuge.

»Der Kanal!« Uhlenkort schrie es. »Der Kanal!«

In der Sekunde, in der das Bild erstand, hatte sein Auge es begriffen. Seine Blicke flogen über die Fläche hin.

Da war es. Das Bild, das er im Geiste trug, seitdem er jene erste Kunde vernahm. Die beide Ozeane links und rechts. Das breite, glitzernde Band, das von dem einen zum anderen ging. Die Felsen und Berge. Die Wälder und Hänge an den Seiten.

Wie Nussschalen groß die Schiffe, die aneinander vorbei von Ozean zu Ozean strebten. Das lachende Spiel der Flugzeuge, die zum Wasserspiegel hinuntergingen, schwammen und mit triefendem Kiel wieder emporflogen.

Und dann … das Bild verschob sich. Nur der nördliche Teil des Kanals mit der Küste bei Colon lag vor ihm. Größer, jetzt deutlich, fast greifbar sah er das Bild. Ein großes Schiff bog um die Küste, fuhr in den neuen Kanal. Die Passagiere jubelten, schwenkten Tücher. In der Maiensonne strahlten die Fluten, leuchteten die grünen Wälder zu beiden Seiten des Kanals.

Da! Bei Colon war es, dicht an der Mündung des Kanals. Ein Schwanken, ein Zittern ging durch das Land. Es bebte … es hob sich. Verschwunden war das Schiff. Ein dichter weißer Nebel … Wasserdampf verbarg es.

Zu bersten schien die Erde. Himmelhoch flogen gewaltige Felsmassen empor. Unendliche Mengen von Land und Gestein, gemischt mit siedend heißem Wasserdampf … und jetzt feurige Lohe aus den dichten Dampfnebeln. Ein Vulkan hatte sich aufgetan, spie und schleuderte unablässig Land, Dampf und Wasser zum Himmel.

In wilder Flucht retteten sich die Schiffe, die dem wahnwitzigen, unausdenkbaren Ausbruch der Naturkräfte entronnen waren. Sie flohen nach Süden den Kanal entlang. Sie flohen nach Norden in die Karibische See.

Das Bild verschob sich. Und dann …

Schrie er … oder war es sein Herz?

Ein neuer Ausbruch … ein neuer Vulkan. Da, wo die hohen Berge von Culebra an den Kanal herantraten. Und jetzt, nach dem Höllenschauspiel des zweiten ein dritter, ein noch gewaltigerer Ausbruch in dem Südende des Kanals. Ein Ausbruch, der die Stadt Panama in wenigen Sekunden hinwegfegte, in eine Masse fliegender Steintrümmer verwandelte.

Und dann schienen diese drei Ausbruchstellen zu einer einzigen zusammenzuschmelzen. Eine Feuer speiende, unendliche Dämpfe ausstoßende Spalte war dort, wo vor Kurzem die Fluten des neuen Kanals von Ozean zu Ozean gingen.

Wasser und Feuer waren zusammengetroffen, kämpften, schufen Dampf, höchst gespannten Wasserdampf in unendlichen Mengen und von unendlicher Sprengkraft.

Der Isthmus zerriss. Zerriss bis in die tiefsten Tiefen des Grundes.

Breit und immer breiter klaffte der ungeheure Spalt, aus dem Feuer und Dampf in wildem Durcheinander zum Himmel stiegen. Weiß wallender Wasserdampf, grauer Qualm dazwischen, dunkel und immer dunkler.

Verschwunden war der lachende Himmel. Die Finsternis der Nacht lag über dem reißenden und berstenden Isthmus. Finsternis, nur durchbrochen von dem zuckenden Feuerstreifen von Colon bis Panama.

Uhlenhorst stand starr, alle Kräfte des Körpers und Geistes zum Zerreißen gespannt. Seine Augen hingen an den Bildern des Schreckens. Vergessen war alles, was der andere ihm weiter gesagt hatte. Er fühlte, wie seine Kräfte schwanden, je weiter das Unglück vorschritt, wie seine Knie ins Wanken gerieten, wie er schwankte, wie eine unsichtbare Hand ihn auffing.

Er lag auf einem Ruhebett. Eine Hand strich über seine gequälten Augen. Die Lider schlossen sich. Doch sein Geist blieb wach, sah ohne Wand … ohne leuchtende Mattscheibe, was weiter geschah … in den nächsten Stunden und Tagen.

Der Isthmus riss, riss immer weiter auseinander. Wie schwingende Federn vibrierten die beiden auseinandergerissenen Enden, zitterten unter dem Kampf der unterirdischen Mächte. Riesengewalten zerrten und rüttelten an dem gemarterten Leibe des Isthmus. Er bebte und spie Feuer von Nicaragua bis Columbia. Und immer neue Massen schleuderte die unterirdische Gewalt zum Himmel empor.

Wie wilde See wellte das Land. Berge fielen um. Wälder stürzten wie Kornhalme unter der Sense des Schnitters.

Flusstäler verschwanden, ihr Wasser hierhin und dorthin ergießend. Riesenspalten rissen auf.

Menschen zu Tausenden verwundet, erschlagen … die Überlebenden in sinnloser Flucht umherirrend.

Immer breiter wurde die Feuer speiende Spalte. Schon längst kein Kanal mehr. Eine breite, mächtige Bahn jetzt, in der das Seewasser kochte und immer wieder mit Feuer vermischt zum Himmel emporgeworfen wurde.

Bis endlich die Nacht wich, bis die dunklen Wolken sich verteilten, bis es lichter wurde.

Und dann war es ihm, als ob sein Auge über Welten und Meere ging. Der Golfstrom! Da kam er her aus den Breiten des Südens. Er sah ihn an der brasilianischen Küste entlanggleiten, sah ihn hineinfließen in den Golf von Mexiko, den Golf, der ihm den Namen gab, sah ihn sich scharf nach Osten zurückwenden … nein, jetzt brach er sich, bog ab … nein, er folgte der alten Westrichtung, die jetzt kein Hindernis mehr sperrte.

Die Wasser des Stromes stockten, stauten sich, wie sich besinnend, und fuhren durch die offene Sperre in das ihnen bereitete neue Bett.

Er sah sie den Weg nach Westen nehmen, Wärme und Leben in das stille Weltmeer tragen.

Seine Sinne wollten schwinden. Sein Auge ging nach Norden. Hinauf zu den lachenden Fluren Schottlands, zu den grünen Wäldern Norwegens und nach Spitzbergen. Er sah sie erstarren, veröden in Frost und Eis. Zusammensinken in Trümmer … menschenleer. Stätten des Todes, des Grauens.

Hamburg, die Heimat! Ein Schrei … sein Herz stieß ihn aus.

Und dann waren es wieder die kühlen, linden Hände, die ihn umfingen, über seine heiße Stirn gingen, ihn befreiten von den Schreckensbildern. Er wachte auf. Seine Hände hielten die des anderen umklammert, zogen sich hoch an ihnen. Seine Augen sahen dessen Augen.

»Johannes! Du! Was war das? War es Traum, war es …«

Er fühlte, wie der sich neben ihn setzte, wie dessen Hand seine umfasste.

»Es war Wirklichkeit, was du gesehen hast. Es war das, was kommen wird, kommen muss. Die nächsten Stunden, Tage, sie werden es bringen, wenn … wenn …«

Als ob eine fremde Hand ihm den Mund verschlossen hatte, brach er jäh ab. Seine Hand suchte Uhlenkorts Hand. Langsam sprach er weiter.

»Du sahst es und glaubst doch an mich. An meine Mission, die ein Schicksal mir gab. Ein Schicksal, das es auch wollte, dass deine Augen mehr sahen. Das dir einen Teil der Last, einen kleinen Teil der Last auflud.«

»Johannes! Was wird geschehen? Was wird folgen? Wie wird sich das Schicksal der Millionen gestalten, die das Unheil trifft? Schrecken … Verzweiflung … Untergang für viele Tausende … Ist es unvermeidlich?«

»Das Schicksal will es. Das Schicksal, dasselbe Schicksal, das Rettung bringt für …«