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Felsenherz der Trapper – Teil 14.1

Felsenherz der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 14
Tom Brack, der schwarze Häuptling
Erstes Kapitel

Menschenjäger

In einer stürmischen Gewitternacht und bei ununterbrochenen Regengüssen ritten am Rande eines Urwaldes zwei Männer auf triefenden Pferden, eingehüllt in ihren leichten wollenen Schlafdecken, im Schritt dahin und spähten nach Süden in die Prärie hinaus, wo der Lichtschein der Blitze hin und wieder einen Reitertrupp erkennen ließ, der langsam dem Ufer eines kleinen Präriebaches nach Westen hin folgte.

Dieser Reitertrupp, einige zwanzig Mann stark, war von den beiden am Waldrandes sich haltenden Leuten etwa hundert Meter entfernt.

Einer dieser beiden Männer, ein Indianer mit zum Schopf hochgebundenem langen schwarzen Haar, beugte sich jetzt zu seinem Begleiter hinüber und rief ihm mit kräftiger Stimme, um das Toben des Unwetters zu übertönen, in der Comanchensprache zu: »Mein Bruder Felsenherz mag jetzt allein zu den Bleichgesichtern sich begeben und zu erfahren suchen, was sie hier im Jagdgebiet der Comanchen vorhaben. Sie wollen dort im Schutz der Felsgruppe an dem Bache lagern. Mein Bruder Harry soll sie warnen. Die Apachen haben das Kriegsbeil ausgegraben, und die feigen Hunde der Pintos (Schimpfname für die Apachen) schwärmen in den Prärien wie die Bienen, die ein heißer Tag stechlustig gemacht hat. Chokariga, der Schwarze Panther der Conanchen, wird auch nicht dulden, dass die zwanzig Bleichgesichter im Gebiet seines Stammes den Büffel jagen. Der rote Mann braucht den Büttel zum Leben, und die Bleichgesichter schießen die Büffel nur, um ihnen die Zunge herauszuschneiden. Die Prärien im Norden sind bedeckt mit faulenden Kadavern, und die Zeit ist nicht fern, wo der rote Mann lange wird suchen müssen, bis er eine kleine Büffelherde findet. Chokariga und die Comanchen werden daher jeden dieser Büffeljäger töten.«

Der Trapper Felsenherz schaute jetzt, da gerade wieder ein neues Bündel von Blitzen den ganzen südlichen Himmel aufflammen ließ, nach jener von Steinblöcken umgebenen Baumgruppe hinüber, wo der Reitertrupp tatsächlich abgestiegen war und soeben zwischen den Büschen verschwand.

Fast in derselben Sekunde hörte auch der Regen ebenso plötzlich, wie er vor einer halben Stunde begonnen hatte, wieder auf. Selbst das Gewitter schien nun ausgetobt zu haben.

Felsenherz wartete noch ein paar Minuten, warf dem Häuptling dann die nasse Decke zu und sagte leise: »Mein Bruder Chokariga mag hier unter den Bäumen bleiben. Ich werde sehr bald wieder bei ihm sein.«

Dann ritt er ohne eine Antwort abzuwarten dem Bach zu, bog aber mehr nach rechts ab, sodass er nachher scheinbar von Westen und nicht von Norden sich dem dicht bewachsenen Steinhügel näherte.

Da die Dunkelheit nicht mehr so tief wie vorhin war und da das wolkenfreie Stück des Nachthimmels sich zusehends vergrößerte und das Sternenlicht die Finsternis rasch noch mehr milderte, wurde der blonde hünenhafte Trapper bereits aus den Büschen angerufen, als er noch dreißig Schritt vom Fuß des Hügels entfernt war.

»Hallo – stopp!« brüllte dort in den Sträuchern jemand auf Englisch. »Wer seid Ihr, Mann, und wohin des Wegs?«

»Ein Trapper bin ich«, rief Felsenherz zurück, indem er seinen hochbeinigen Braunen zügelte.

»Verdammt – das sehe ich, Mann! Aber Euren Namen will ich wissen! Nicht jeder, der sich Trapper nennt, ist ein ehrlicher Kerl!«

»John, was gibt’s?«, erklang da eine hellere Stimme. »Ah so – ein Reiter! Lasst ihn doch herankommen, John! Es ist ja weder eine Rothaut noch einer von den schwarzen Halunken, die wir suchen! Master – nur näher! Unsere Lagerfeuer brennen schon! Möchten Euch mal bei Licht betrachten!«

Diese letzten Sätze, die Felsenherz gegolten hatten, veranlasste den Trapper denn auch, abzusteigen und mit seinem Pferd am Zügel durch eine Lücke in den Sträuchern den Lagerplatz des Reitertrupps zu betreten.

Hier erkannte er sofort, dass er keineswegs Büffeljäger oder Westmänner vor sich hatte.

Nein – diese zwanzig Leute gehörten ihren halb städtischen Anzügen und ihren noch recht neuen Waffen nach in die Ansiedlungen, schienen wohlhabende Farmer mit ihren Rinderhirten zu sein.

Um den Trapper hatte sich schnell ein Kreis gebildet, und derselbe schlanke, blondbärtige Mann, der soeben Felsenherz zum Näherkommen aufgefordert hatte, fragte ihn nun ziemlich hochfahrenden Tones: »Ihr seht ja wahrhaftig wie ein waschechter Fallensteller aus! Vorwärts – wie heißt Ihr?«

»Harry Felsen«, erklärte der berühmte Jäger absichtlich ziemlich undeutlich. »Wer seid Ihr denn, Master? Und was tut Ihr hier im Jagdgebiet der Comanchen?«

»Mein Name ist Howard Glaynbourg«, entgegnete der andere stolz. »Ich bin Plantagenbesitzer drüben in West-Louisiana. Mir sind vor acht Wochen etwa dreißig Negersklaven entflohen. Nachdem wir – meine Nachbarn und ich – dann ermittelt hatten, dass die Flüchtlinge sich hier nach dem Westen gewandt haben, sind wir so ein wenig auf die Menschenjagd gegangen und haben vorgestern mithilfe unserer Bluthunde auch glücklich die Fährte der schwarzen Bande gefunden. Leider ist nun aber der Regen sehr zur Unzeit gekommen und hat die weitere Verfolgung der Sklaven vorläufig unmöglich gemacht. Wir müssen morgen früh ihre Spuren erst wieder …«

Er wurde hier unterbrochen.

In der Ferne ertönte plötzlich wütendes Hundegebell, dann ein Schuss, abermals Hundegeheul und nochmals der kurze, helle Ton von einer Büchse.

Felsenherz hatte beim Knall dieser beiden Schüsse überrascht aufgehorcht.

Er kannte ja so genau den besonderen Klang der Waffe seines roten Freundes! Kein anderer als Chokariga hatte diese Schüsse abgegeben, und offenbar auf die Hunde, die ihn gewittert und gestellt haben mochten. Master Glaynbourg rief jetzt: »Was geht da vor? Was bedeutet die Schießerei? John, schaut mal nach, was es dort gibt!«

Ein kleiner, krummbeiniger Kerl mit knallroter Säufernase erwiderte sofort: »Gut, gut, Master! Werde mal nach dem Rechten sehen!«

Sein heiserer Bass war derselbe, der Felsenherz vorhin zuerst angerufen hatte.

Bevor dieser John, fraglos ein Untergebener des Plantagenbesitzers, sich entfernte, fragte er den blonden Trapper noch: »He, Mann, seid Ihr etwa nicht allein? Habt Ihr noch Freunde da draußen?«

»Ich kam von Westen her allein«, erwiderte Felsenherz ausweichend.

Da – außerhalb der Baumgruppe schon eine vielleicht noch heiserere Stimme als die Johns: »Achtung! Vorsicht! Rothäute in der Nähe! Stellt sofort mehrere Wachen aus! Ein roter Halunke hat uns zwei Hunde erschossen und ist dann ausgekniffen.«

Der Plantagenbesitzer fuhr jetzt den Trapper zornig an.

»Kerl – war der Indianer etwa ein Bekannter von Euch? Eure Antwort auf Johns Frage hatte mich bereits argwöhnisch gemacht!«

Felsenherz hatte sich auf seine lange Doppelbüchse gelehnt und antwortete gelassen: »Master, ich bin es nicht gewohnt, dass man mich Kerl nennt – verstanden! Wenn Ihr Eure Frage in höflicher Form wiederholt, werde ich ebenso …«

Glaynbourg hatte spöttisch aufgelacht »Soll ich etwa jeden hergelaufenen Präriestrolch mit Herr anreden?«, unterbrach er den Westmann in herausfordernder Weise. »Das sollte mir passen! Wenn Ihr nicht bescheidener werdet, sollt Ihr bald merken, dass ich hier zu befehlen habe!«

Felsenherz erwiderte nichts. Nur seine großen blaugrauen Augen verkleinerten sich etwas.

Dann rauschte es schon in den Büschen, und drei Männer, die jeder einen großen gelben Hund an der Leine führten, betraten nun den Lagerplatz. Ihnen folgte ein vierter mit vier gesattelten Pferden.

Der Vorderste der Ankömmlinge trug einen ähnlichen hirschledernen Jagdanzug wie der Trapper Felsenherz und war der Einzige dieser Menschenjäger, der so etwas wie ein Westmann zu sein schien.

Aber auch sein Gesicht verriet dieselbe Leidenschaft für scharfe Getränke wie das des kleinen, krummbeinigen John. Und die Art, wie er nun Felsenherz anbrüllte, ließ den Verdacht entstehen, dass er halb betrunken war.

»Ah – ein Fremder«, grölte er heiser. »Ich will nicht der alte Ben sein, wenn der Mensch nicht zu dem verfluchten roten Halunken gehört, der …«

Felsenherz hatte längst gemerkt, dass er dieser Gesellschaft von Sklavenjägern nur entkommen würde, wenn er ganz überraschend davonjagte.

Mit jener Gewandtheit, die nur durch stete Übung erworben wird, war er plötzlich im Sattel, riss seinen Braunen herum und sprengte in die Büsche hinein.

Schüsse, Flüche, Hundegeheul tönten hinter ihm her.

Er war bereits jenseits des Baches, bevor die Leute des Plantagenbesitzers noch recht wussten, was geschehen war.

»Die Hunde los!«, brüllte Glaynbourg. »Vorwärts – fangt den Kerl. Die Pferde her!«

Die drei mächtigen Bluthunde setzten bereits über den Bach. Ihnen folgten Ben, John und acht andere Leute.

Inzwischen war der Himmel völlig klar geworden. Das bläuliche Mondlicht hüllte die Prärie in eine ungewisse Dämmerung ein.

Felsenherz galoppierte nach Süden. Die Hunde fürchtete er nicht. Sie konnten es ja an Schnelligkeit niemals mit seinem Braunen aufnehmen.

Ihm lag nur daran, die Verfolger irrezuführen und seine Fährte selbst für die Bluthunde so gründlich zu verwischen, dass er später unbelästigt wieder zum Waldrand zurückkehren konnte, wo Chokariga ihn erwarten wollte.

Nachdem er etwa zehn Minuten im Galopp dahingesprengt war, stieß er auf einen zweiten Präriebach, ritt hier in das Wasser hinein und ließ den Braunen etwa eine halbe Stunde lang nach Westen zu waten, bis das kleine Gewässer hier einen dichten Urwald durchströmte, der sich allmählich eine Berglehne hinaufzog.

Als Felsenherz einen durch den Wald nach Norden sich hinschlängelnden Wildpfad bemerkte, bog er in diesen ein und erreichte nach weiteren zehn Minuten den Nordrand des Waldes und die offene Prärie.

Er war vorhin abgestiegen, hatte den Zügel des Braunen über den linken Arm gehängt und die lange Jaguarbüchse schussbereit in die rechte Hand genommen.

Er wusste, dass der Schnelle Büffel, der Oberhäuptling der Apachen, vor zehn Tagen weiter nordwestlich in den Vorbergen des Felsengebirges mit fünfunddreißig Kriegern ihn und den Comanchen zu fangen versucht und dann durch eine andere Apachenabteilung Verstärkung erhalten hatte. Zwei Späher der Comanchen hatten dies beobachtet und waren dann sofort zu den Dörfern ihres Stammes am Colorado zurückgekehrt, worauf Felsenherz und der Schwarze Panther vor nunmehr drei Tagen sich aufgemacht hatten, um festzustellen, was der Schnelle Büffel weiter unternehmen würde.

Sie hatten zweihundert Comanchenkrieger mitgenommen, die jetzt einen Tagesritt weiter östlich an einem einzelnen Bergkegel, dem sogenannten Berg der Quellen, lagerten und auf die weiteren Befehle ihres Häuptlings warteten.

Mithin hatte der blonde Trapper allen Grund, recht vorsichtig zu sein. Bisher war es ihm und Chokariga nicht beglückt, den Verbleib der Apachen auszukundschaften, die ohne Zweifel ihrerseits durch Späher die Bewegungen der Comanchen ständig beobachten ließen.

Während er jetzt hier am nördlichen Waldrand eine Weile haltmachte und die mondhelle Prärie überblickte, wurde er plötzlich durch das leise Schnauben seines Braunen gewarnt, schaute sich argwöhnisch um und wollte sich gerade in den Sattel schwingen, als ein Lasso aus einem nahen Gebüsch durch die Luft schwirrte und die Schlinge ihm über den Kopf fiel.

Bevor er sie noch abstreifen konnte, wurde er zu Boden gerissen.

Fünf – sechs dunkle Gestalten sprangen zu, warfen sich über ihn, packten seine Arme.

Alles Ringen, alle Versuche, freizukommen, waren hier umsonst.

Felsenherz’ Gegner besaßen Riesenkräfte. Zu seinem Erstaunen erkannte er, dass es nicht etwa Apachen waren.

Nein – er hatte es hier mit Negern zu tun, fraglos also mit denselben entflohenen Negersklaven, die jetzt von jenem Glaynbourg und dessen Leuten wieder eingefangen werden sollten.

Er wehrte sich nicht mehr. Er hoffte, mit den Schwarzen sich im Guten auseinandersetzen zu können.