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Der Welt-Detektiv Band 6

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Der Marone – Diebe! Räuber! Mörder!

der-marone-drittes-buchThomas Mayne Reid
Der Marone – Drittes Buch
Kapitel 39

Diebe! Räuber! Mörder!

Langsam mit feierlichem Schweigen bewegte sich der die Leiche des Custos Vaughan begleitende Zug auf der einsamen Landstraße. Bereits war der von den letzten Strahlen der sinkenden Sonne rötlich umflossenen Jumbéfelsen in Sicht und an der anderen Seite desselben lag Willkommenberg, wohin dieser Trauerzug unvermutet Betrübnis und Wehklagen bringen sollte, denn die Teilnehmer konnten nicht vermuten, dass dort bereits durch ein anderes Ereignis vorher Schrecken und Entsetzen verbreitet wurden.

O, hätte Herbert nur irgendeine Ahnung davon gehabt, dass in jenem Augenblick das jetzt von ihm mit der ganzen Kraft seines Herzens geliebte Wesen, dass sie, die ihn, wie er nun erfahren hatte, so glühend wieder liebte, ohnmächtig in den Armen …

Aber nein! Die schreckliche Wahrheit wird ihn nur zu früh erreichen! Weniger als eine Stunde noch, und die süßen Träume, in denen er sich den ganzen Tag während der langen Reise gewiegt hatte, werden urplötzlich zerstieben!

Bei einer Wendung des Weges standen verschiedene, ein dichtes Laubdach darbietende große Bäume. Unter diesen hielt der Zug auf Herberts und Cubinas Befehl an, während sie von den Pferden stiegen. Der Schatten des Baumdachs veranlasste sie nicht hierzu, denn die Sonne war bereits untergegangen, und ebenso wenig die Erwägung, dass die Träger vielleicht ausruhen müssten, denn diese waren kräftig und die Leiche war keineswegs eine sehr schwere Bürde. Deshalb wurde nicht angehalten, sondern weil so wohl Herbert als auch Cubina den schrecklichen Eindruck fürchteten, den die plötzlich und gänzlich unvermutete Ankunft der Leiche des Custos dort hervorbringen würde, vorzüglich bei der gewiss in keiner Weise den gewaltsamen Tod ihres geliebten Vaters erwartenden Tochter.

Deshalb wollten sie einen Augenblick ruhig überlegen, wie es am besten anzufangen sei, die Tochter auf das schreckliche Geschick des Vaters vorzubereiten. Bald war auch ein Plan entworfen. Ein Bote sollte auf einem der Pferde vorausgesandt werden, um die verhängnisvolle Nachricht an Trusty, den Oberaufseher, zu überbringen und dieser sollte dann der Tochter die traurige Neuigkeit nach und nach, wie er es fürs Beste hielt, mitteilen.

Herbert wäre wohl selbst sofort nach Willkommenberg geeilt, allein er wurde durch zarte Rücksichten auf den augenblicklichen Widerstreit der sein eigenes Inneres erfüllenden Gefühle hiervon abgehalten. Außerdem schien es auch ziemlich gleichgültig zu sein, wer die Trauerbotschaft an Trusty überbringe, und so wurde der Negerreitknecht des Custos dazu bestimmt, der sofort seine Verhaltungsbefehle empfing, sein eigenes Pferd bestieg und dann so schnell davonritt, wie es die bereits eingetretene Dunkelheit gestattete.

Fast eine Stunde verblieb der Zug auf dem Platz, wo er haltgemacht hatte, um dem Boten die nötige Zeit zur Ausführung seines Auftrages zu gewähren. Doch dann zogen sie sämtlich langsam auf dem Weg nach Willkommenberg weiter, Herbert und Cubina zu Fuß voran, während sie das ledige Pferd führten.

Quaco bewachte jetzt die Gefangenen allein, was er um so leichter vermochte, da er dem Nächsten derselben einen Strick um den Hals gelegt hatte, den er nun wie ein Halfter in der Hand hielt und durch den er die beiden verhindern konnte, in der Finsternis davonzulaufen. Hierzu machte aber keiner nur den geringsten Versuch, denn beide wussten sehr wohl, dass jede kleine hieraus abzweckende Bewegung ihnen sofort einen anständigen Hieb mit einem tüchtigen Prügel von der kräftigen Hand Quacos einbringen würde.

In dieser Weise mochte der Zug sich wohl etwa eine Viertelstunde vorwärts bewegt haben, als er abermals auf Befehl der ihn Führenden haltmachen musste. Dieses Mal jedoch wurde der Grund der Unterbrechung allen sogleich klar, denn alle hörten die Hufschläge eines eilig auf derselben Straße von Willkommenberg im vollen Galopp herkommenden Pferdes, und der Reiter musste gleich bei ihnen sein.

War es ein Fremder oder war es der eigene jetzt zurückkehrende Bote? Er war nicht angewiesen worden, zurückzukehren, denn es war für genügend gehalten, wenn er Herrn Trusty die ihm aufgetragene Botschaft ausrichtete. Deshalb waren sie alle etwas verwundert, als der Reiter dicht an den Zug hinsprengte und Herbert sowie Cubina den fortgesandten Reitknecht erkannten.

Dieser ließ ihnen aber keine Zeit, Vermutungen über seine Rückkehr anzustellen. Willkommenberg, berichtete er, wäre soeben von einer Bande Dieben, Räubern und Mördern angegriffen! Da wären Männer in Masken und Männer ohne dieselben, die alle schrecklich anzusehen wären. Sie plünderten die große Halle, hätten Herrn Smythje ermordet, misshandelten die junge Herrin und feuerten mit Flinten und Pistolen auf jeden, der ihnen in den Weg träte! Der Bote hätte sich nicht aufgehalten, um Herrn Trusty zu sprechen. Er habe all dies von den in größter Angst aus dem Haus fliehenden Dienern erfahren. Verwirrt und erschrocken durch das Geschrei und das Schießen, das er selbst gehört habe und mit dem Gedanken, dass die schnellste und wirksamste Hilfe von den Teilnehmern des Leichenzugs kommen möge, sei er sofort auf demselben Weg zurückgaloppiert.

Das waren die hauptsächlichen Tatsachen der von dem Reitknecht in der nicht zusammenhängenden und verwirrten Weise zugleich mit mannigfachen Ausrufungen des Schreckens und der Angst untermischten Erzählung.

Es war eine schauderhafte Geschichte, die einen entsetzlichen Eindruck, vorzüglich bei Herbert und Cubina hervorbrachte.

Diebe! Räuber! Mörder! Herr Smythje ermordet! Die junge Herrin von Willkommenberg aufs Schändlichste misshandelt! Und Yola? O, sie auch …

»Quaco!«, rief der Maronenhauptmann in der größten Aufregung seinem Leutnant zu. »Quaco, glaubst du, das unsere Leute von hier aus hören können? Blase sogleich dein Horn. Dein Ruf ist stärker als der meine. Zu Willkommenberg ist Gefahr und vielleicht haben wir alle Mann nötig. Schnell! Schnell!«

»Donnerwetter!«, rief Quaco, ließ die Halfter fahren und setzte sein Horn an den Mund. »Ich will sie hören machen, wenn sie auf Jamaika sind. Ihr bleibt da stehen, Ihr beiden Halunken!«, fügte er hinzu und setzte das Horn für einige Augenblicke ab. »Wenn einer von Euch nur einen Fuß vom Platz weicht, so schieße ich Euch ein paar Kugeln durch Euer stinkiges Gehirn, so gewiss, wie ich hier stehe!«

Mit dieser freundlichen Ermahnung blies der riesige Quaco einen langen Ton, der weit weg gehört werden musste. Sein Echo tönte von den Wänden des Jumbéfelsens als auch von manchen anderen Bergen zurück. Kaum hatte es aufgehört, so erschallten ringsherum aus den verschiedenen Gegenden, ein halbes Dutzend ähnlicher Töne als Antwort.

»Genug jetzt!«, rief Cubina, es werden hinreichend Leute kommen. Du Quaco, bleibst hier, bis sie angelangt sind, und folgst mir dann nach Willkommenberg. Aber gibt acht, dass diese beiden Mörder hier nicht entwischen!«

»Wäre es nicht das Beste, ich jagte beiden ein paar Kugeln durch den Kopf?«, fragte der Maronenleutnant unbefangen. Das spart uns die Mühe, die Schufte zu bewachen. Was meint Ihr dazu, Capitain Cubina?«

»Nein, nein, Quaco! Die Gerechtigkeit muss ihren Lauf nehmen. Führe sie mit dir und folge sogleich, wenn unsere Leute hier sind.«

Bevor Quaco noch weitere Fragen zu stellen vermochte, hatte der Maronenhauptmann schon das Pferd des Boten bestiegen, während Herbert sich bereits in den Sattel des anderen Pferdes geschwungen hatte. Ohne irgendein Wort zu verlieren, sprengten beide davon, so schnell, wie die Pferde zu laufen vermochten.