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Gold Band 2 – Kapitel 06.2

Friedrich Gerstäcker
Gold Band 2
Ein kalifornisches Lebensbild aus dem Jahre 1849
Kapitel 6
Des Justizrats Entdeckung
Teil 2

Bis zu des Justizrats Arbeitsplatz, an einem der kleinen Bergwasser oberhalb des Städtchens, hatten sie etwa eine gute Viertelstunde zu gehen. Als sie denselben erreichten, zeigte dieser seinem neuen Kompagnon die Stelle, wo er sein letztes – er hätte auch sagen können: sein erstes – Gold gefunden hatte. Dort bezeichnete er ihm auch den Platz, wo sie nun aufs Neue wieder graben wollten.

Diese etwas langweilige und ermüdende Beschäftigung überließ der würdige Mann aber noch vor der Hand seinem Kompagnon, um vorher noch einmal den Berg hinaufzusteigen, wo er sein letztes hohes Loch gegraben hatte. Er glaubte nämlich, dort sein ihm ganz unentbehrliches Feuerzeug vergessen zu haben. Da der Platz abseits von jedem Weg lag, ließ sich hoffen, dass es kein Vorübergehender schon aufgefunden hatte. Zugleich entging er damit für ein paar Stunden dem langweiligen Graben. Während sich der Assessor mit aller Leidenschaft eines jungen Goldwäschers über die harte und ungewohnte Erdarbeit hermachte, schlenderte unser Freund, seine lange Pfeife neu gestopft und immer beim fünften Schritt den blauen Qualm von sich blasend, gemächlich den eben nicht steilen Hang hinauf, der ihn zu der ziemlich gut gemerkten Stelle führte.

Da er sich vollkommen Zeit nahm, war er eine reichliche Dreiviertelstunde gegangen, ehe er das kleine Kieferndickicht erreichte, das ihm den Ort besonders kenntlich gemacht hatte. Er brauchte dort nicht lange zu suchen, die Spuren seiner, leider vergebens gewesenen Tätigkeit aufzufinden. Erstaunt blieb er aber doch an der Stelle stehen, als er eine merkwürdige Veränderung entdeckte, die der Platz, seit er ihn selber verlassen, erfahren hatte.

Das kleine, kaum vier Fuß lange und vielleicht ebenso tiefe Loch, das er dort, in dem vertrauensvollen Glauben, einen Hut voll Gold darin zu finden, ausgeworfen und mit völlig enttäuschter Erwartung wieder verlassen hatte, war von irgendjemandem zugeschüttet worden. Hatte ein anderer nach ihm dort noch einmal vielleicht gegraben und den Platz jetzt wieder zugeworfen, um ihn später desto sicherer bearbeiten zu können? War vielleicht also doch Gold darin?

»Hm – verfluchte Geschichte«, murmelte der Justizrat vor sich hin, indem er neben der Stelle stehen blieb. »Soll doch nie Platz verlassen, ohne durchgegraben zu haben – hm …« Er blies die Dampfwolken in dichten, rasch aufeinanderfolgenden Puffen von sich. »Nur meine Schaufel mitgenommen hätte …«

Trotz allem Betrachten kam er aber zu keinem bestimmten, Entschluss, bis ihm endlich die Ursache einfiel, weshalb er den Berg noch einmal erstiegen hatte: sein Feuerzeug.

Sich umsehend, fand er bald den Platz wieder, wo er an jenem Morgen sein mitgebrachtes Frühstück verzehrt und sich danach die Pfeife angezündet hatte. Ein kleiner runder Moosfleck war dort gewesen, prächtig geeignet zu einer kurzen Siesta im Schatten eines dichtzweigigen wilden Kaffeebusches. Den hatte er auch redlich benutzt, seine müden Glieder vollständig auszuruhen. Der Platz war auch noch da, der Kaffeebusch wenigstens, aber der Moosfleck war zerstampft, als ob Kühe darauf herumgelaufen wären. Er mochte sich nicht mehr darauf niedersetzen.

Wer aber auch hier gewesen war, sein Feuerzeug hatte er nicht gefunden, denn das lag richtig noch dicht neben der Wurzel des Busches, wohin er es gelegt hatte, um es immer zur Hand zu haben.

»Das ist gescheit«, sprach, nun vollkommen zufriedengestellt, der Justizrat vor sich hin, während er das wiedergefundene kleine Argentanbüchschen in die Tasche schob. »Fatal gewesen, ohne Feuerzeug hier im Wald. Nicht aushalten ohne Rauchen.«

Sein Pfeifenkopf war etwas locker geworden. Er drückte ihn wieder fest in den Suddersack. An den Fingern fühlte er aber dabei etwas Klebriges, und den weißen Kopf ansehend, bemerkte er einen Blutfleck daran.

»Auch nicht übel«, brummte er da vor sich hin, indem er seine Finger betrachtete, und den daran klebenden Blutfleck an der rauen Rinde des nächsten Baumes abrieb. »Finger gerissen – verwünschte Dornen – Malefizland doch eigentlich, und viel gescheiter, zu Hause geblieben!«

Der Justizrat hatte nun, was er wollte, und war im Begriff, den Hügel wieder hinabzusteigen. Aber er musste noch einmal an seiner mit so großer Mühe ausgeworfenen und nun wieder vollständig gefüllten Grube vorüber. Das ärgerte ihn besonders dabei, dass er jetzt gar nicht erfahren sollte, ob der, der nach ihm hier gewesen war, etwas gefunden habe oder nicht.

»Verfluchte Amerikaner«, murmelte er, während er an dem zugeworfenen Platz stehen blieb und mit dem Fuß ein paar Erdknollen beiseite warf. »Stochern überall herum – wo gar nichts zu tun haben – Lumpenpack – große Lust, Spaten zu holen – verdammt hoher Berg, zweimal in einem Tag – hm.«

Während er so, immer noch mit dem halben Verdacht, dass wirklich Gold in dieser Erde sein könne, mit dem Fuß daran herumstörte – denn er war zu bequem, die Hände dafür zu verwenden – kam es ihm plötzlich so vor, als ob er etwas in dem lehmigen Boden blitzen sähe. Rasch bückte er sich danach und fasste im nächsten Augenblick die untere Spitze einer dort mit Erde bedeckten eisernen Schaufel.

»Da haben wir’s!«, rief er aber, über die Entdeckung aufs Äußerste erstaun. »Richtig Gold drin – Amerikaner hat sein Werkzeug drin gelassen – wiederkommen. Esel ich, Grube aufzugeben – hm – Teufel holen!«

Die Voraussetzung hatte auch nicht das geringste Unwahrscheinliche für sich, wenn man überhaupt hätte glauben wollen, dass hier oben auf der Spitze eines Hügels Gold zu finden gewesen sei. Das Zurück­lassen eines Stücks Werkzeug in einer angefangenen oder auch nur bezeichneten Grube sicherte dem Eigentümer desselben das Recht zu, dieselbe für sich zu beanspruchen. Mit Erde war sie aber vielleicht deshalb nur leicht bedeckt worden, dass nicht ein Vorüberwandernder in die Versuchung kommen sollte, sie mitzunehmen. Wer hier dagegen graben wollte, musste sie augenblicklich finden.

Der Justizrat, jetzt in der festen Überzeugung, dass ein nach ihm Gekommener hier wirklich Gold gefunden habe, befand sich in einer höchst unangenehmen Situation, denn er wusste nicht, ob er jetzt noch das Recht habe, seine verlassene Arbeit – besonders gar mit dem Handwerkszeug des nach ihm Gekommenen – aufzunehmen, und ob er nicht in dem Fall die Minengesetze übertreten würde. Zugleich war es für ihn aber auch wieder gewissermaßen eine Art von Triumph, seine Bergarbeiten, wie sie Binderhof immer nannte und ihn deshalb verhöhnte, zu Ehren gebracht zu sehen. Einmal hatte er auch wirklich große Lust, es darauf ankommen zu lassen, und den Platz von Neuem trotz der darin gelassenen Schaufel in Angriff zu nehmen. Seine ihm, ich möchte fast sagen, angeborene Scheu vor jedem Gesetz aber gewann doch die Oberhand. Er hatte den Platz aufgegeben. Ein anderer hatte nach ihm da wieder gegraben und ein Werkzeug als Zeichen der Besitznahme darin zurückgelassen. Er selber durfte deshalb keine Hand daran legen. Eben nicht in besserer Laune verließ er den Ort und stieg zurück hinunter in das Tal, dem Assessor unten beizustehen.

Den Spaten legte er aber vorher wieder auf die Grube, wie er ihn gefunden hatte, und deckte ihn auch ebenso mit Erde zu.

Der Assessor, der zum ersten Mal in seinem Leben eine solche schwere Arbeit verrichtete, hatte sich indessen schon Blasen in die Hände gearbeitet und war, wie es schien, äußerst zufrieden, als seine Uhr endlich die Mittagsstunde zeigte. Die beiden liefen auch jetzt, rascher als sie an dem Morgen gekommen, zu ihrem Zelt zurück. Dem Justizrat gingen dabei schon wieder neue Pläne im Kopf herum, seine Bergarbeiten nächstens wieder aufzunehmen.

Seinem Begleiter erzählte er auch unterwegs die Geschichte mit dem begonnenen und jetzt wieder von jemand anderem in Besitz genommenen Loch, aber auf eine Weise, dass er bei diesem den Eindruck hinterließ, als ob er durch diese Vernachlässigung einer begonnenen Arbeit wenigstens ein paar Tausend Dollar eingebüßt habe.

Ihr Mittagsmahl war bald bereitet und verzehrt. Beide aber, von der Überzeugung durchdrungen, dass anstrengende Arbeit gleich nach Tisch höchst schädlich sei, blieben wie nach gemeinschaftlichem Übereinkommen wohl noch eine halbe Stunde nach dem Essen sitzen, um erst gehörig zu verdauen. Der Justizrat rauchte dabei, und der Assessor betrachtete und rieb sich das Innere seiner Hände, mit denen er keineswegs zufrieden war.

Wie sie noch, ohne ein Wort miteinander zu sprechen und jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend, am Feuer saßen, kam Graf Beckdorf, Spitzhacke und Schaufel auf der Schulter, die große Blechpfanne unter dem linken Arm, den Hügel heraufgestiegen und wollte eben an den beiden Deutschen vorübergehen, als er den Justizrat erkannte.

»Ah, sieh da, mein werter Herr«, rief er ihm grüßend zu. »Sie haben, wie es scheint, Ihren Wohnsitz verändert. Nun, wie sind Sie neulich noch mit dem alten Tomlins fertig geworden?«

»Ah, ‘ebener Diener, Herr Graf«, sagte der Justizrat, seine Mütze lüftend. »Danke – schlecht – Lumpenhund – sieben baumwollene Hemden und alle zerrissen.«

»Alle Wetter«, gab der junge Mann lachend von sich, »Sie haben sich Ihren Pfeifenkopf blutig gestoßen.«

»Pfeifenkopf? – hm, ja – apropos, Graf – möchte Sie um ‘was fragen.«

»Fragen Sie.«

»Wenn ich ein Loch gearbeitet habe und gehe fort – darf anderer hinkommen und es fortnehmen?«

»Nein – solange Sie noch nicht damit fertig sind, auf keinen Fall. Nur wenn Sie es beendet haben und Ihr Handwerkszeug herausnehmen, hat jeder andere das Recht, sein Glück darin zu versuchen. Ich habe selber schon ganz hübsches Gold in solchen aufgegebenen Plätzen gefunden.«

»Hm – verwünscht.«

»Ist Ihnen etwas Ähnliches begegnet?«

»Mir? Ja – habe oben auf dem Berg da kapitales Loch gegraben – fand nichts – fing woanders an – hatte mein Feuerzeug oben vergessen – ging hinauf suchen – das da.« Er nahm es dabei aus der Tasche und zeigte es dem jungen Mann.

»Das ist auch blutig«, sagte dieser.

»Schweinerei«, brummte der Justizrat und wischte das Feuerzeug an einem Stück Papier ab. »Weiß gar nicht – glaubte, ich hätte mich gerissen, ist aber nicht wahr …«

»Und Ihr Arbeitsplatz?«, sagte der junge Mann, der sich hier nicht so lange aufhalten wollte.

»Ja so – kam oben wieder an die Stelle, wo ich Loch gegraben – war anderer daran gewesen …«

»Und hatte das Loch dort oben auf dem Berg tiefer gemacht?«, fragte Graf Beckdorf ungläubig, denn er kannte des Justizrats schwache Seite und konnte sich nicht denken, dass noch ein anderer auf die tolle Idee eingehen würde, an solchen unmöglichen Plätzen nach Gold zu graben.

»Bewahre«, sagte der Justizrat ärgerlich, »zugeworfen bis oben hin – oben aber Schaufel drauf mit Erde zugedeckt.«

»Die Schaufel?«, fragte jener, plötzlich aufmerksam werdend.

»Versteht sich – verwünschte Amerikaner jedenfalls.«

»Und gruben Sie nach?«

»Nein – Stück Handwerkszeug drin – durfte nicht.«

»Und Ihr Feuerzeug …?«

»Lag nicht weit davon unter Busch, wo ich gesessen hatte.«

»Aber das Blut?«

»Weiß der Henker – jemand Nase geblutet haben.«

»Ich will Ihnen etwas sagen, Herr Justizrat«, rief da Graf Beckdorf. »Dort oben ist mehr geschehen, als dass jemandem nur die Nase geblutet hat, und wir müssen augenblicklich zum Sheriff, dem die Anzeige davon zu machen.«

»Sheriff? – Wieso? – Sie meinen doch nicht …?«

»Dass da oben ein Mord verübt ist? Allerdings meine ich das, und die Beweise werden wir in Ihrer eigenen Grube finden. Ist es weit von hier?«

»Kleine halbe Stunde.«

»Gut, dann wollen wir auch nicht länger säumen, und ich werde selber mit Ihnen gehen, die Sache zu untersuchen.«

»Unsinn«, brummte aber, noch immer ungläubig, der über diese Entdeckung etwas verblüffte Mann, denn es wollte ihm nicht in den Kopf, dass er als Justizrat nicht hätte etwas Derartiges merken sollen, wenn es wirklich dort vorgefallen wäre. Der Instinkt hätte ihn schon leiten müssen. Das Blut machte ihn aber doch selber stutzig. Es fiel ihm jetzt auch ein, dass er auf dem zertretenen Moos ein paar dunkle Flecken bemerkt hatte. Er weigerte sich wenigstens nicht mit zum Sheriff zu gehen, die Anzeige zu machen.

Hale war glücklicherweise zu Hause, und augenblicklich bereit auf den Verdacht hin, den Platz zu untersuchen. Wenige Minuten später schritten die vier Männer – der Assessor war vom Justizrat als Zeuge mitgewünscht worden – die Straße hinauf den Bergen zu.

Unterwegs begegnete ihnen Siftly, den Poncho nach mexikanischer Art über die linke Schulter geworfen, und nickte dem Sheriff freundlich zu. Dieser erwiderte aber kaum den Gruß, und der Spieler blieb, als sie vorüber waren, stehen und sah dem kleinen Trupp spöttisch lächelnd nach.

Graf Beckdorf bemerkte es und ärgerte sich darüber. Ein Blick aber auf seine beiden würdigen Begleiter, den Justizrat als auch den Assessor, rechtfertigte auch wieder den Spott des Amerikaners. Der junge Mann musste sich selber gestehen, dass diese beiden Persönlichkeiten dem an andere Charaktere gewöhnten Yankee wohl recht gut auffallen konnten.

In Deutschland läuft freilich diese Art von Kalkulatorgestalten zu häufig herum, als dass wir noch etwas Besonderes in ihnen fänden.

Unsere beiden Freunde hatten übrigens mehr zu tun, als sich um ihnen Begegnende zu bekümmern, denn der Sheriff schritt so entsetzlich aus, dass sie kaum imstande waren, folgen zu können. Auf der Ebene ging das indes noch an, am Fuß der Hügel angelangt, erklärte aber der an solche Eile nicht gewöhnte Justizrat auf das Bestimmteste, dass er nicht daran dächte, sich die Schwindsucht an den Hals zu laufen. Und da sie ohne ihn den Platz nicht finden konnten, mussten sie sich ihm natürlich fügen und langsamer gehen.

An Ort und Stelle angekommen, ließ sich der Sheriff vor allen Dingen die Stelle zeigen, auf der das Feuerzeug gelegen hatte. Es bedurfte für ihn nur eines Blickes, sich zu überzeugen, dass hier wirklich eine Gewalttat stattgefunden hatte. Rasch trat er dann zu der Grube, wühlte die dort versteckte Schaufel wieder auf und fing an, die Erde auszuwerfen.

Er brauchte nicht lange zu graben. Kaum einen Fuß tief kam er auf das unglückliche Opfer des Verbrechens. Er und Graf Beckdorf, der ihm schaudernd half, hoben kaum eine halbe Stunde später den Leichnam eines Amerikaners aus seinem engen Grab, in das ihn sein Mörder hineingeworfen und flüchtig mit Erde bedeckt hatte. Die Spitzhacke und Blechpfanne des Unglücklichen lag neben ihm. Leicht ließ sich jetzt erkennen, wie das Ganze hier geschehen war.

Am Kopf des Ermordeten fanden sie eine Schusswunde, an seinem Körper aber noch drei Stiche, die mit einem breiten Messer gegeben sein mussten. Freilich konnten sie auch von einem Säbel herrühren, wie ihn die Mexikaner gewöhnlich als Bewaffnung tragen. Überdies ließen sich die Spuren eines Pferdes in der Nähe erkennen. Der Mann hatte sich jedenfalls auf den schattigen Moosfleck zum Schlafen niedergelegt, als ihn der Mörder entdeckte und durch den Kopf schoss. Die Wunde schien aber nicht auf der Stelle tödlich gewesen zu sein, wenn er ihr auch später jedenfalls erlegen wäre, denn auf dem Moos waren die Zeichen eines Kampfes zu erkennen. Die späteren Stiche jedoch gaben ihm den Rest, und der Mörder hatte sein Opfer dann zu dem für ihn sehr bequem gegrabenen Loch geschleppt, es dort mit Spitzhacke und Pfanne hineingeworfen, und dann mit dem Spaten die Erde wieder aufgeschaufelt. Den Spaten selber legte er dann, um auch das letzte Zeichen zu verbergen, oben auf, deckte ihn mit Erde wieder zu, und durfte nun ziemlich sicher sein, dass der so eingescharrte Körper dort oben lange liegen könne, ehe sich jemand die Mühe nehmen würde, die Erde an solcher Stelle wieder aufzuwühlen.

Ein anderer als der Justizrat würde das auch wohl schwerlich je getan haben, und die Berechnung war deshalb nicht so leichtsinnig gemacht gewesen. Der Sheriff wollte nur jetzt gar nicht glauben, dass das Loch dort oben schon vorher gegraben worden sei, denn dass hier oben jemand eingehackt haben sollte, in der Hoffnung, Gold zu finden, kam ihm zu toll vor. Graf Beckdorf bestätigte aber des Justizrats Arbeiten, mit dem Anerbieten, Hale noch wenigstens zwölf ähnliche Stellen auf den verschiedenen Hügelrücken zu zeigen, die eben derselbe Mann stets mit dem nämlichen Erfolg ausgeworfen hätte.

»Dann ist er geradezu verrückt«, brummte der Sheriff, was glücklicherweise weder der Justizrat noch der Assessor verstanden.

Dem Sheriff lag jetzt vor allen Dingen daran, die Leiche in das Städtchen hinunterzuschaffen, um zu sehen, ob nicht irgendjemand im Paradies den Unglücklichen kenne. Er machte also den Vorschlag, da sie doch zu viert oben wären, den Leichnam abwechselnd zusammen hinunterzutragen, was aber sowohl der Justizrat als auch der Assessor mit Entrüstung von sich wiesen.

»Sagen Sie ihm«, rief der Erste, »soll sich zwei Polizeidiener oder Gensd’armen holen, – werde Teufel tun – sollen andere schleppen.«

»Wir dürfen ihn auch gar nicht fortnehmen«, wandte der Assessor ängstlich ein, »ehe nicht eine amerikanische Gerichtsperson da gewesen ist, den völligen Tatbestand zu notieren. Dieser Herr schreibt sich ja gar nichts auf. Was will er denn nachher zu den Akten geben, oder wo will er überhaupt Akten herbekommen?«

Der Sheriff lachte, als ihm Graf Beckdorf die Bedenken übersetzte, und meinte endlich: »Na, wir beide allein können ihn nicht zu Tal schleppen und überdies ist es vielleicht nicht einmal nötig. Die jungen Burschen mögen herauflaufen und sich den Mann ansehen, ob ihn jemand kennt. Hat er dann Bekannte, so werden sie ihn rasch genug selber hinunterholen, und hat er die nicht, dann bleibt uns auch nichts weiter zu tun übrig, als ihm hier oben ein anständiges, doch wenigstens sechs Fuß langes Grab, und nicht bloß ein kurzes Loch zu geben, wie das, in das ihn sein Mörder hineingeworfen hat. Jedenfalls muss ich noch vor Abend ein paar Burschen mit Äxten heraufschicken, die den armen Teufel auf eine Art von Gerüst legen, die Wölfe nachts von ihm abzuhalten. Ob er noch Gold bei sich hat?«

»Schwerlich«, sagte Beckdorf mit dem Kopf schüttelnd. »Seine rechte Tasche ist nach außen gedreht. Der Mörder hat ihn jedenfalls vorher geplündert.«

»Und wahrscheinlich auch nur wegen der paar Körner Gold den Mord begangen. Es ist doch ein verdammtes Gesindel, das sich hier in den Minen herumtreibt, und es wird wahrhaftig Zeit, dass einmal etwas Ernstliches mit ihnen geschehe.«

»Aber wie sie fassen?«

»Es ist schwer, aber doch nicht unmöglich. Freilich gehört ein anderer Mann dazu, als die Schlafmütze von Major, die wir hier oben hatten.«

»Man legt den Mexikanern fast alle diese Mordtaten zur Schuld«, sagte Graf Beckdorf. »Glauben Sie, Sheriff, dass auch diesen Unglücklichen ein Mexikaner erschlagen haben sollte?«

»Nein«, unterbrach ihn rasch der Sheriff, und wie unwillkürlich zuckte dabei sein Blick zum Justizrat hinüber. Aber es war auch wirklich nur ein Moment, wenn er ja einen Verdacht nach dieser Seite hin gefasst hatte. Wie über sich selber lächelnd schüttelte er mit dem Kopf. »Diesen nicht«, setzte er dann hinzu, »den hat ein Weißer auf seinem Gewissen – ob Engländer, ob Amerikaner, lehrt uns hoffentlich die Zukunft. Die Wunde ist zu breit für einen Säbel. Die Mexikaner führen auch, allerdings manchmal, aber doch nur sehr selten, Schießwaffen und wissen nicht ordentlich damit umzugehen.«

»Die schlechte Schusswunde am Kopf spräche vielleicht dafür.«

»Ja, aber ich glaube es doch nicht. Einer besonderen Art von Gesindel ist es bequem genug, alles den Mexikanern in die Schuhe zu schieben, und sie schlagen dadurch zwei Fliegen mit einer Klappe. Aber wir wollen machen, dass wir hinunterkommen, denn der Mord ist erst vor ganz kurzer Zeit geschehen, kaum länger als gestern. Je rascher wir also den Verbrecher aufzuspüren versuchen, desto besser.«