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Ritter Ulfo von Edelfels – Kapitel eins

Höchst wunderbare Geschichte vom Ritter Ulfo von Edelfels mit dem geheimnisvollen Schlangenstein in dem schützenden Zauberschild
Eine Ritter- und Geistergeschichte aus grauer Vorzeit
Aufs Neue fürs Volk erzählt
Burghausen, etwa 1860

Kapitel eins

In dem schönen Schwabenland stand vor mehreren Jahrhunderten eine Ritterburg, genannt Edelfels, von welcher die Aussicht eine wirklich köstliche und reizende zu nennen war. Von derselben westlich gelegen floss der Neckar durch grünende, lachende Auen und bot ein über alle Maßen herrliches Bild einer lieblich romantischen Landschaft, wenn der Beschauer seinen Blick nach dessen silbernen Wasserspiegel gerichtet hatte.

Dem Besitzer dieser Burg, der sich in Folge der ihm vom Schicksal gewordenen Bestimmung und der mannigfach erlebten eigentümlichen Vorkommnisse den Namen Ulfo mit dem Schlangenstein beigelegt hatte, später aber kurzweg der Schlangensteiner genannt wurde, waren wirklich Abenteuer zugestoßen, wie sie nicht leicht einem Ritter zu damaliger Zeit begegnet. Nicht weniger was aber auch seine Auserwählte, Adelinde von Sternfels von den schützenden und lohnenden unterirdischen Geistern, genannt Gnome mit zeitlichen Glücksgütern bedacht worden, worüber wir im Verlauf dieser Erzählung Näheres erfahren werden.

Eines Abends spät, eigentlich gegen Mitternacht ertönte die Trompete des Turmwarts aus der Burg Schlangenstein, und dieser rief mit gewaltiger Stimme: »Es ist Feuer auf Burg Wildenstein!«

Ritter Ulfo war durch diesen Lärm sogleich erwacht und eilte unverzüglich an das hohe Bogenfenster, um sich zu überzeugen, ob der Ruf des Turmwarts nicht ein irrtümlicher sei. Deutlich sah er nun hier, dass auf der Burg seines Freundes Caspar Feuer ausgebrochen war und er befahl daher: »Zwanzig Knappen sollen unverzüglich aufsitzen und sich mit den nötigen Gerätschaften zum Löschen versehen!«

Noch war kaum eine Viertelstunde vergangen, so sprengte der Ritter mit den seinen im eiligen Trab der brennenden Burg seines Freundes zu. Vom raschen Ritt ermatteten die Rosse gar sehr, doch da man, je näher man dem Schloss Wildenstein kam, auch das Feuer um so mehr gewahrte, so trieb Ulfo die seinen durch Wort und Beispiel zu neuem Eifer an.

Am Schloss angekommen, trafen sie das Burgtor geöffnet und die Zugbrücke niedergelassen. Wüstes Geschrei drang ihnen entgegen und ein furchtbares Krachen verkündete soeben den Einsturz eines Gemäuers, von welcher Stelle aus nun Rauch, Feuer und Funken bis in die Wolken aufzusteigen schienen. Es war die Abteilung der Stallgebäude, welche in Flammen geraten war. Doch durch das Zusammenstürzen derselben war auch das Feuer glücklicherweise hierher beschränkt, und für die übrigen Burggebäude keine Gefahr mehr vorhanden.

Zum hilfreichen Beistand waren auch noch ein paar andere Ritter aus der Nachbarschaft mit ihren Reisigen gleich dem Schlangensteiner erschienen. Nachdem die Gefahr beseitigt war, hieß Caspar von Wildenstein die Freunde herzlich willkommen, dankte ihnen für ihren bereitwilligen Beistand und lud sie ein, im Bankettsaal einen stärkenden Humpen zu Leibe zu nehmen und auf die erlittenen Strapazen sich wieder zu erquicken.

Das Gespräch war bereits in Gang und man kam auf dies und jenes. Unter anderem erzählte Ulfo auch von der vergangenen Zeit, wo er noch Page an des Kaisers Hof gewesen und von diesem dann selbst in Regensburg eigenhändig zum Ritter geschlagen wurde.

»Aber wie steht es denn mit deiner Gesponsin in Regensburg?«, fiel einer der Ritter mit fragender Neugierde ein.

Lächelnd entgegnete Ulfo: »Ihr meint wohl das liebliche Fräulein Adelinde von Sternfels?«

»Nun, welch andere könnte es denn wohl sein, für die Ihr ein fühlend Herz besitzen würdet und von der zu hören Euren Ohren wonnesam klingen möchte.«

»Ach, die wohnt nicht mehr bei ihrem Vater in Hohenburg, und zu meinem nicht geringen Schmerz weiß ich nicht einmal, wo die holde Maid sich zurzeit befindet!«

»Das weiß ich!«, sagte Caspar von Treuenburg, einer der anwesenden Ritter.

»Dann weißt du mehr als ich«, entgegnete Ulfo, »denn trotz aller Mühe konnte ich es bisher nicht erfahren, so sehr es mich verlangt, das edle Fräulein wieder einmal zu sehen und noch lieber zu sprechen. Seit ich im Gefolge des Kaisers mit ihr im Kloster zu Schöntal als Zeuge war, ist es bei mir im Herzen nicht mehr so ruhig wie früher. Der neckende Schelm, die Liebe, ist da eingekehrt und zieht meine Gedanken immer hin zu dem holden Engel.«

»Nun!«, fielen die anwesenden Ritter zusammen Ulfo in die Rede, »dir wollen wir sie gönnen. Du bist sie wirklich wert, diese Schönste der Perlen des weiblichen Geschlechtes.«

»Ja, wo weilt sie denn, diese Schönste der Schönen?«, fragte Ulfo neugierig.

»Ich will es Euch sagen«, entgegnete Caspar. »Sie ist auf Schloss Gösting bei einer ihrer lieben Freundinnen auf Besuch.«

Befremdet erwiderte Ulfo: »Auf Schloss Gösting? Das kenne ich wohl gar nicht. Wo liegt es denn?«

»Es liegt im Herzogtum Kärnten und zwar ziemlich nahe der Stadt Graz.«

»Ei! Da werde ich nicht säumen, alsbald einen Ausflug dahin zu unternehmen und mich um die Gunst des Fräuleins weiter zu bewerben, denn aufrichtig gestanden, hat selbst der Kaiser schon zu mir in deren Gegenwart ganz vertraulich gesagt: ›Das wäre eine Ehefrau für dich, Ulfo!‹ Da hättet ihr sehen sollen, wie das Fräulein errötete!«

»Und auch wir kommen mit zur Hochzeit«, versetzten die drei Ritter lebhaft untereinander.

Über den Reichtum und die Schönheit der liebenswürdigen Adelinde wurde noch mancherlei gesprochen. Des ausgebrochenen Feuers, das zunächst der Anlass zu dieser Zusammenkunft gegeben hatte, wurde beinahe gar nicht mehr gedacht, und der anbrechende Morgen erst mahnte die im traulichen Kreis erheiterten Ritter zur Heimkehr, die nun auch also bald ein jeder mit seinem Tross antrat.

Der Weg, welchen Ulfo zu verfolgen hatte, führte durch einen ziemlich dichten Wald, den der Ritter übrigens schon oft passiert hatte, sodass er jeden Pfad in demselben genau kannte. Er sandte deshalb seine Knappen voraus zu der Burg und ritt gemächlichen Schrittes diesen nach, dabei seinen Gedanken, die sich zunächst mit Fräulein Adelinde beschäftigten, freien Lauf lassend.

Noch waren die Knappen kaum eine ziemliche Strecke dem Ritter voraus, da tauchte vor Ulfo eine dunkle Gestalt auf. Der matte Schein des Mondes ließ ihn wenigstens so ein Schattengebilde erkennen.

Störrisch bäumte sich sein Ross und wollte nicht mehr vorwärts schreiten.

Da ließ plötzlich die unheimliche Gestalt die Worte vernehmen: »Fürchtet Euch nicht, Herr Ritter! Es ist die alte Jettel, die Euch Wichtiges mitteilen möchte.« Sie trat nun allmählich näher an ihn heran.

»Was hast du mir zu sagen?«, fragte der Ritter, während eine unheimliche innere Bewegung sich seiner bemächtigte, obwohl er die Alte aus früherer Zeit kannte.

Diese begann nun: »Treu habe ich Eurem Vater und selbst noch Eurem Großvater gedient und werde auch für Euch, den ich als Knaben auf den Armen trug und dem ich unter allen Eures Stammes am meisten zugetan bin, stets nur zu Eurem Besten handeln, solange ich noch zu leben habe. Was wohl nicht allzu lange mehr werden dürfte, denn viele Jahre krümmen schon meinen Rücken, mehr als hundert. Doch tragt nicht bange, Jettel sorgt für Euch, solange sie lebt. Als ich jüngst um Mitternacht meine Kräuter kochte, gewahrte ich die Menge Eurer Feinde und wurde mir auch ihr Vorhaben kund, dass sie jählings Eure Burg überfallen und Euch daraus vertreiben wollen. Darum nehmt diesen Hahn. Er wird Euch weisen, was Ihr zu tun habt, und Euch vor unvermuteten Überfall schützen!« Unter ihrem Mantel zog sie einen feuerroten Hahn hervor, der laut krähte und sich dann auf den Hals von des Ritters Ross setzte, wo er sich ruhig verhielt.

Ulfo wusste schon von seinem Vater, dass die Alte, wenn gleich ihr Äußeres nicht sehr einnehmend war, von jeher ein schützendes Wesen in der Familie war, das durch seine Wissenschaft und die Benutzung geheimer Kräfte so manches Ungemach derselben bereits verhütet hatte. Da sie jedes drohende Unglück im Voraus wusste, daher denn auch auf ihren Ausspruch gänzlich vertraut wurde.

Freundlich dankte ihr der Ritter für ihre Aufmerksamkeit und war im Begriff, weiterzureiten.

Da sprach die Alte: »Noch einen anderen Beweis von meiner Zuneigung will ich Euch geben. Es ist Euch vielleicht schon bekannt, dass ich aus Spanien stamme und von meinem Vater die Kunst erlernt habe, aus den Kräutern wahrzusagen. Ich wäre einmal beinahe als Hexe verbrannt worden, fand aber noch rechtzeitig Gelegenheit zur Flucht, wobei ich auch meine Schätze an Gold und sonstigen Kostbarkeiten noch zu retten vermochte. Diese habe ich nun in der bedeutungsvollen Mitternachtsstunde zusammengeschmolzen und daraus für Euch vier Schlangen gegossen, die an einem Felsen emporklettern und von mir der Schlangenstein genannt werden. Dieser Schlangenstein nun, der einen außerordentlichen Glanz von sich gibt, ist beim Schein des Vollmondes in wichtiger Mitternachtsstunde in dem Saft bedeutungsvoller Kräuter gekocht und besitzt Eigenschaften, die Ihr wissen müsst, wenn er Euch nützen soll.«

»Und dieses kostbare Geschenk willst du mir machen?«, fragte erstaunt der Ritter.

»Hier habt Ihr ihn«, fuhr die Alte fort, »denn wie ich Euch bereits gesagt habe, so ist er ja nur für Euch gegossen und mit geheimnisvoller Kraft begabt. Merkt Euch nun auch wohl dessen Eigenschaften: Wer im Besitz dieses Schlangensteins ist, er mag ihn nun zum Geschenk erhalten oder gefunden haben, dem wird es stets wohl gehen und ihm nichts Böses widerfahren. Geht aber derselbe verloren, dann kommt Unglück über die Familie. Derjenige, der ihn freiwillig abtritt, oder welcher ihn stiehlt oder sich durch Gewalt aneignet, wird auch vom Unglück verfolgt werden.«

»Trage keine Sorge, meine Freundin!«, entgegnete der Ritter, »ich werde ihn bestens aufbewahren und gewiss mit einer Sorgfalt, die es jedem unmöglich machen wird, ihn zu erlangen.«

»Befolgt dies ja, sonst ist es Euer Unglück. Aber wie so leicht kommt Hochmut vor den Fall. Hört es wohl, bewahrt den Schlangenstein als das beste Gut!«

Mit diesen Worten reichte sie ihm ihre dürre, knöcherne Hand und verschwand wieder im Gebüsch. Freundlich dankend rief ihr der Ritter noch nach und sprengte dann im Besitz des Hahnes und des Schlangensteins, welch Letzteren er an seiner Brust bewahrte, seinen Leuten nach, die inzwischen schon eine bedeutende Strecke voraus gekommen waren.

Der junge Tag dämmerte, und allmählich war es lichter geworden, als Ulfo auf seiner Burg anlangte. Seine Begleiter wunderten sich, was denn der rote Hahn, dessen Augen im Dunkeln wie Rubinen glänzten, und der stolz auf dem Hals des Pferdes stand, zu bedeuten habe. Der Ritter begab sich in sein Gemach, wohin er auch den Hahn trug, der sogleich vom Fenster aus die Umgebung sich besah. Ulfo ruhte etwas auf seinem Lager aus und besah sich nebenbei den Schlangenstein ganz genau, dessen eigentümliche Gestalt ihn besonders interessierte. Inzwischen krähte der Hahn zum wiederholten Mal und gebärdete sich höchst unruhig. Der Ritter öffnete das Fenster, um zu sehen, ob sich etwas Besonderes in der Gegend zeige. Kaum hatte er das Fenster offen, so flog der Hahn hinaus, und zu einer Stelle des Schlosses, die dem Ritter schon länger bekannt war als leicht überwindbar bei einem Angriff auf das Schloss. Als der Ritter dahin kam, sah er, dass der Hahn dort Posten gefasst hatte, und sich heiser krähend, kratzte er mit seinen Füßen den Boden.

Ulfo schien dieses nun doch eine sichere Mahnung zu sein, und er traf daher sogleich Anstalt, dass auch diese Stelle repariert und in Verteidigungsstand gesetzt wurde, damit er jedem andrängenden Feind auf allen Seiten Trotz bieten könne.

Kurze Zeit währte es, so bemerkte eines Morgens beim Dämmerschein der Turmwart, dass ein Zug Ritter und Reisige gegen die Burg angerückt kamen, und dass ihre Absicht auf nichts Gutes schließen ließ. Nachdem dieses Ulfo gemeldet wurde, versah sich dieser sogleich mit dem Schlangenstein und traf dann alle Anstalten zu einer männlichen Verteidigung.

Bald darauf kam ein Herold an das Burgtor geritten und meldete mit vernehmbarer Stimme: »Ritter Ulfo wird hiermit aufgefordert, den verweigerten Kirchensatz für seine Gründe und Besitztum zu entrichten oder der Truchsess werde diesen mit Gewalt der Waffen abholen und zur Strafe die Ringmauer seiner Burg und den östlichen Turm abbrechen!«

Ulfo entgegnete: »Sagt denen, die Euch gesandt haben, die Herren mit ihrem Gefolge mögen kommen, um sich die Gebühren selbst zu holen. Es soll ihnen ein recht freundlicher Empfang zuteilwerden.«

Nachdem der Herold diese Antwort den die Burg befehdenden Rittern überbracht hatte, wurden unverweilt die nötigen Anstalten zum Sturm getroffen und mit Mut und Tapferkeit ausgeführt. Doch Ulfo war mit den seinen zu gut auf denselben vorbereitet und so war es unmöglich, die Burg zu erstürmen. Ulfo benutzte den rechten Augenblick und machte mit seinen Leuten einen Ausfall auf die Feinde, wobei er wirklich so glücklich war, dieselben in die Flucht zu jagen und deren viele zu töten. Wohl hatte er eine leichte Verwundung im Gefecht erhalten, der Sieg war doch auf seiner Seite und die alte Jettel hatte sowohl die Burg als auch den Ritter gerettet, denn der feuerrote Hahn und der Schlangenstein hatten diesmal hinlängliche Beweise ihrer Wirksamkeit gegeben.