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Der Kommandant des Tower 38

Der Kommandant des Tower
Band 2
Historische Erzählung von W. Harrison Ainsworth
Verlag von Christian Ernst Kollmann, Leipzig, 1863
Drittes Buch
Der Lordgroßadmiral von England
Elftes Kapitel

Von dem Fest, das der Lordadmiral in Seymour House gab

Des Admirals Wohnung, Seymour House, war, wie wir bereits erwähnt haben, prächtig eingerichtet. Die Gemächer und Galerien waren nicht nur in verschwenderischer Weise mit reichen Tapeten und gestickten Zeugen behangen, sondern auch überfüllt mit Gemälden, Statuen und anderen Kunstwerken. Es war zu verwundern, wie der Admiral binnen so kurzer Zeit eine solche Menge von Raritäten hatte zusammenbringen können. Aber wir wissen, dass ihm mehr Mittel zu Gebote standen als anderen.

Zu jener Zeit, wo man überhaupt Schaugepränge liebte, suchte jeder reiche Edelmann sich durch ein zahlreiches Dienstpersonal, welches auf seine Kosten bekleidet und unterhalten wurde, auszuzeichnen. Der Lordadmiral aber tat es allen zuvor. Sein Haushalt war fast königlich und wetteiferte mit dem des Lordprotektors. Er hatte einen Großkämmerer und einen Vizekämmerer, beide prachtvoll gekleidet und mit weißen Stäben versehen, ein Dutzend Zeremonienmeister, drei Marschälle, einen Kaplan, einen Almosenier, einen Schatzmeister, einen Oberkoch nebst einigen Assistenten, dann eine Menge von Pförtnern, Stallknechten, Mundschenken und Tafeldienern. Daneben hielt er sich ein zahlreiches Gefolge von jungen Edelleuten aus guten Familien, die ihm als Pagen dienten und sämtlich seine Farben trugen. Ferner hielt er sich eine Art von Garde, in der Art wie die königliche Leibgarde. Sein Haushalt zählte nicht weniger als dreihundert Personen, und da alles auf das Großartigste und Verschwenderischste eingerichtet war, so waren die Kosten enorm. Aber der Admiral tat dies alles nicht ohne Absicht. Er wünschte, als der erste Edelmann an seines Neffen Hof angesehen zu werden, auf dass keine Stellung, die er späterhin erringen möchte, als zu hoch für ihn erscheine.

Bei einem so prächtig eingerichteten Haus und mit so hochfliegenden Plänen, wie der Admiral sie nährte, kann es nicht überraschen, dass das von ihm für den König und den Hof veranstaltete Fest ganz außerordentlich glanzvoll war.

Die Hauptgemächer waren alle aufs Prächtigste mit Wachskerzen erleuchtet. In der Vorhalle stand, in roten Samt gekleidet, mit goldenen Ketten um den Hals und weißen Stäben in der Hand, eine Reihe der obersten Hausbediensteten, um die hohen Gäste zu empfangen. Außer ihnen befanden sich da noch eine Menge von Dienern, Pagen, Marschällen und Stallknechten, alle in reicher Livree und mit vergoldeten Hellebarden versehen. Wohin der Gast seinen Fuß setzen mochte, die breite Treppe, mit ihren kunstvoll geschnitzten Pfeilern, hinauf, den großen Korridor entlang, durch die weiten Säle, allenthalben begegnete er Dienern, Pagen und Marschällen wie in Whitehall.

Nichts fehlte, was damals zur Erheiterung einer Gesellschaft erforderlich schien. In dem größten Saal befand sich ein Musikkorps, das zum Tanz aufspielen sollte.

Viel früher, als es heutzutage üblich ist, erschienen die Gäste des Admirals, die angesehensten Personen des Hofes, beiderlei Geschlechts, und es dauerte nicht lange, so schienen die Räume, so groß sie auch waren, gefüllt zu sein. Aber immer kamen noch mehr, es schien kein Ende nehmen zu wollen.

Alle Gäste wurden in der großen Vorhalle von den verschiedenen Hausbeamten auf die zeremoniöseste Weise empfangen und dann von Marschällen und Pagen in das Gemach geführt, wo der Admiral – in weißem, mit Perlen gestickten Atlas gekleidet – sie begrüßte. Manche der Damen trugen Halbmasken von schwarzem Samt, während andere in irgendeine Phantasietracht gekleidet waren.

Die Art und Weise des Admirals, mit seinen Gästen zu verkehren, war überaus freundlich und gewinnend. Er hatte ein Auge für jedermann und teilte seine Aufmerksamkeit so, dass alle zufrieden waren. Wir sagten bereits, dass er viel beliebter bei dem alten Adel war als der Lordprotektor, und es waren manche Repräsentanten der stolzesten Familien bei dieser Gelegenheit anwesend, die Somerset nicht mit ihrem Besuch würden beehrt haben. Jedoch müssen wir bemerken, dass die päpstliche Partei hier stark vertreten war, und dieser Umstand war sehr geeignet, die herrschende Meinung zu unterstützen, dass Seymour, aus Oppositionsgründen gegen seinen Bruder, sich mit den Römischen verbünden wolle.

Nie hatte der Admiral vorteilhafter ausgesehen. In der reichen Kleidung trat das Ebenmaß seiner Gestalt noch mehr hervor, und diejenigen, welche ihn etwa bei dieser Gelegenheit mit seinem Bruder, dem Lordprotektor, verglichen, mussten zugestehen, dass der ältere Seymour, was die äußere Erscheinung, Anmut und gewinnendes Wesen betraf, bei Weitem hinter dem jüngeren zurückstehe.

Unter den zuerst eintretenden Gästen befand sich der Marquis von Dorset, mit der Marquise und Lady Jane Grey, aber die Räume waren bereits voll, und die Festlichkeiten hatten begonnen, als der Herzog und die Herzogin von Somerset erschienen. Beide waren auf das Kostbarste gekleidet, der Kopfputz der Herzogin leuchtete von Diamanten und anderen Edelsteinen. Somerset begleiteten die Grafen von Warwick und Arundel; beide ebenfalls prächtig gekleidet. Der Herzog sah finster aus und erwiderte in keineswegs herzlicher Weise die Bewillkommnung des Admirals, sondern schritt mit der Herzogin weiter.

Wie sehr auch den Admiral seines Bruders Betragen verdrießen mochte, die Ankunft des Königs machte alles wieder gut; denn so kalt unfreundlich der Herzog gewesen war, so huldvoll war Edward. Er trug ein Wams von Silbertuch, das mit Golddamast besetzt war, einen Überwurf von purpurnem, reich mit Perlen und Edelsteinen besetzten Samt.

Nachdem der Admiral seinem königlichen Neffen seinen Dank für die ihm erwiesene Ehre ausgesprochen hatte, antwortete Edward freundlich: »Wir danken Euch herzlich für Euren Willkomm, bester Oheim. Aber Ihr werdet noch mehr Gäste haben, als Ihr erwartet habt, denn wir haben noch zwei schöne Damen mitgebracht, die bei Eurer Gesellschaft zugegen zu sein wünschten. Haben wir uns auch zu viel Freiheit genommen?«

»Oh, Sire! Mein Haus samt allem, was darin ist, steht zu Eurer Majestät Verfügung.«

»Hier sind sie!«, rief der König, indem er auf zwei dicht hinter ihm stehende Damen deutete, die beide in weite schwarze Mäntel gehüllt waren und schwarze Samtmasken trugen.

»Erratet Ihr, wer sie sind?«

»Ich will es versuchen, Sire«, sprach der Admiral, den Damen näher tretend. »Bei meiner Seligkeit!«, fuhr er fort, »mir widerfährt große Ehre! Ich müsste mich sehr täuschen, diese schöne Dame ist Ihre Hoheit, die Prinzessin Elisabeth, und diese, irre ich nicht, Mistress Ashley.«

»Richtig, lieber Oheim!«, rief der König lachend. »Nein, nun braucht Ihr Euch nicht ferner zu verhüllen. Der Admiral hat Euch beide erkannt, Ihr könnt die Masken abnehmen.«

»Wir gedachten nicht, uns sofort Eurer Lordschaft zu erkennen zu geben«, sagte Mistress Ashley, die Maske abnehmend, »aber Seine Majestät hat unseren Plan durchkreuzt.«

»Ich wusste, mein Oheim würde sehr erfreut sein, Euch beide zu sehen, darum wollte ich ihm das Vergnügen nicht länger vorenthalten«, entgegnete Edward.

»Eure Majestät hat recht«, sprach der Admiral.

»Will Eure Hoheit die Maske abnehmen?«, sprach er zu Elisabeth.

»Wenn Eure Majestät befiehlt, so muss ich gehorchen«, erwiderte sie, indem sie die Maske abnahm und ein tief errötendes Antlitz sehen ließ.

Elisabeth sah herrlich aus. Sie war ausnehmend geschmackvoll, in weißen, mit Perlen geschmückten Damast gekleidet, und ihre goldigen Flechten, ihr frappierend schönes Gesicht übten auf den Admiral ganz den alten Zauber.

»Ich wusste nicht, Prinzessin, dass Ihr an den Hof zurückgekehrt wart«, sagte er, »sonst würde ich darum gebeten haben, dass Ihr mein einfaches Fest mit Eurer Gegenwart beehren möchtet.«

»Ich bin hier auf Befehl des Königs«, entgegnete Elisabeth. »Ich kehrte eben erst von Hatfield zurück, und es scheint, Seine Maiestät wollte gerade, dass ich bei Eurem Fest zugegen wäre.«

»Ich bin ihm sehr dankbar«, erwiderte der Admiral. »Diese Gnade kommt mir ganz unerwartet. Wollt Ihr geruhen, Euch die übrigen Gemächer anzusehen?«

»Sehr gern«, sagte der König. »Ihr nennt Eure Gesellschaft ein einfaches Fest, bester Oheim. Mich dünkt, es ist ein sehr schönes Fest. Wir können es Euch kaum gleich tun. Was meint Ihr, Elisabeth?«

»Es ist prächtig«, antwortete sie. »Ihr habt fürstliche Neigungen, Mylord Admiral.«

»Ich hatte sie einst«, erwiderte er leise, »aber das ist vorbei.«

Während der König freundlich die Verbeugungen derer erwiderte, die ehrerbietig zur Seite traten, um ihm Platz zu machen, fiel sein Auge plötzlich auf die Marquise von Dorset und ihre Tochter, Lady Jane Grey, und seine Wangen röteten sich.

»Da ist Lady Jane Grey!«, rief er aus. »Ich erwartete nicht, sie hier zu sehen.«

»Ich will nicht behaupten, dass ich Eure Majestät zu überraschen gedachte«, entgegnete der Admiral lächelnd, »aber ich freue mich, dass Mylord von Dorset von Bradgate zurückgekommen ist und ich daher seine Tochter zu meinen Gästen zählen durfte!«

»Bei Unserer lieben Frau, ich freue mich auch!«, erwiderte der König.

Auf ein Zeichen des Admirals trat Dorset näher, und mit einer tiefen Verbeugung führte er dem König die Marquise und seine Tochter vor.

Als Letztere sich tief verneigte, nahm Edward ihre Hand, um sie aufzurichten und sprach: »Wir hatten Uns einen angenehmen Abend bei unserem Onkel versprochen, aber er wird bei Weitem angenehmer sein, als Wir dachten, da Ihr ihn mit Eurer Gegenwart beehrt.«

»Eure Majestät ist zu gütig«, erwiderte sie tief errötend.

»Nein, Ihr müsst bei Uns bleiben«, sagte Edward. »Wir lassen Euch nicht sobald. Aber vielleicht habt Ihr Lust zu tanzen?«

»Ich tanze nie, gnädiger Herr. Ich liebe dieses Vergnügen nicht.«

»Vielleicht tadelt Ihr es?«, sagte Edward, sie fragend anblickend.

»Das nicht gerade. Aber ich finde es eitel und frivol.«

»Ich glaube, ich werde auch nicht wieder tanzen.«

»Ein lobenswerter Vorsatz, Sire!«, rief der Admiral. »Aber ich hoffe, Ihr werdet Euren weniger ernst gesinnten Untertanen, die nichts Übles im Tanz sehen, eine solche Erholung nicht verwehren. Darf ich wagen, um Eure Hoheit Hand zu dem Couranto zu bitten, der eben begonnen hat?«, fügte er, zu Elisabeth gewendet, hinzu.

»Ich tanze gern den Couranto mit Euch«, erwiderte die Prinzessin, »ich liebe ihn leidenschaftlich.«

Sie reichte dem Admiral die Hand, und er führte sie in die Mitte des Saales. Die Hoboen spielten auf, und sie flogen in raschem Tanz dahin. Beide tanzten vortrefflich, und das Paar erregte allgemeine Bewunderung. Nach Beendigung des Tanzes führte Seymour, unfähig, dem Zauber zu widerstehen, den die Prinzessin immer noch auf ihn ausübte, dieselbe in ein Seitengemach, wo er ungestört mit ihr reden konnte.

»Habt Ihr mich ganz vergessen, Prinzessin?«, fragte er.

»O ja«, erwiderte sie mit gezwungenem Lachen, »ich habe vergessen, was zwischen uns vorgefallen war.«

»O, dass ich es auch vergessen könnte!«, rief Seymour. »Aber ich bin hart gestraft worden. Ich verdiente nicht das Glück, das vielleicht mein gewesen wäre.«

»Lasst den Gegenstand fallen, Mylord, Ihr habt mich nie geliebt!«

»Euch nie geliebt!«, rief er leidenschaftlich. Und dann, sich plötzlich mäßigend, fuhr er fort, »Ihr tut mir Unrecht, Prinzessin. Ich habe Euch nur zu sehr geliebt.«

»Wenn ich es glauben könnte, so verzieh ich Euch vielleicht. Aber Euer nachheriges Benehmen war unbegreiflich. Ihr versuchtet keine Erklärung – schicktet keinen Brief.«

»Ich dachte, alle Erklärung wäre unnütz – Ihr hättet mich für immer verworfen«, entgegnete Seymour mit unsicherer Stimme.

»Der Versuch hätte doch wenigstens gemacht werden sollen«, erwiderte sie in pikiertem Ton. »Wie konntet Ihr wissen, was geschehen wäre?«

»So gebt Ihr mir also Hoffnung?,« rief er entzückt. »Aber ich vergesse mich«, fügte er düster hinzu.

»Ihr denkt, ich zürne Euch noch«, sprach die Prinzessin. »Aber Ihr irrt Euch. Ich habe mir meine Eifersucht ausgeredet. Wie kommt es, dass die Königinwitwe heute Abend nicht hier ist?«

»Sie wird bald hier sein«, erwiderte Seymour niedergeschlagen.

»Oh, so wird sie erwartet?«, rief Elisabeth. »Nährt Ihr noch dieselben ehrgeizigen Projekte, Mylord Admiral?«

»Ich bin so ehrgeizig wie immer, Prinzessin«, entgegnete er mit Nachdruck und fast streng, »aber verloren habe ich, was meines Ringens höchster Preis gewesen wäre.«

»Wer sagt Euch das? Wenn Ihr keine Anstrengung macht, das Verlorene wieder zu gewinnen, so tragt Ihr selbst die Schuld.«

»Prinzessin!«, rief Seymour, und seine Stimme zitterte vor Bewegung; »Ihr treibt mich zur Verzweiflung. Ihr ruft all meine Leidenschaft wieder wach, und doch muss sie überwunden werden.«

»Aber ich sage Euch ja nicht, dass Ihr verzweifeln sollt«, sprach Elisabeth. »Ich bin halb und halb geneigt, Euch zu verzeihen, vorausgesetzt, dass Ihr versprecht, mich nie wieder zu hintergehen.«

»Nicht weiter, ich beschwöre Euch, Prinzessin!«, rief Seymour. »Ihr zerreißt mir das Herz. Ich liebe Euch mehr als mein Leben. Um Euretwillen wollte ich allen ehrgeizigen Plänen entsagen, um Euretwillen alles opfern! Und dennoch …«

»Was dennoch?«, rief Elisabeth. »Aber spielen wir nicht mit Worten. Eure Art und Weise überzeugt mich, dass Ihr mich wirklich liebt, und so bekenne ich, dass auch Ihr immer noch mein Herz beherrscht.«

Seymour konnte nicht widerstehen. Er fasste Elisabeths Hand und presste sie an seine glühenden Lippen. Aber er bereute im selben Augenblick, was er getan hatte, und ließ die Hand sinken.

»Diese Qual ist zu groß!«, rief er aus. »Ich ertrage sie nicht länger.«

»Was ist es!«

»Ich kann nicht reden! Ihr werdet alles sogleich erfahren. Habt Mitleid mit mir! Mitleid!«

»Um Himmels willen, beruhigt Euch, Mylord, oder Ihr lenkt die Aufmerksamkeit auf uns«, sprach Elisabeth. »Was bedeutet diese ungeheure Aufregung? Was ist geschehen?«

»Fragt mich nicht, Prinzessin. Ich kann nicht antworten. Denkt von mir, so gut Ihr könnt – denkt, dass ich Euch immer geliebt habe, Euch immer lieben werde.«

Mit diesen Worten nahm er ehrerbietig ihre Hand und führte sie in den gefüllten Saal.