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Felsenherz der Trapper – Teil 13.5

Felsenherz der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 13
Das Vermächtnis des Buschkleppers
Fünftes Kapitel

Der Sheriff von Denison

Der Häuptling hatte plötzlich warnend die Hand erhoben und lauschte.

Auch Felsenherz vernahm jetzt das Knacken von Zweigen und bald eine Stimme.

»Sennores – hier gut Freund!«

Dann trat aus dem Waldesdunkel derselbe Mann hervor, über dem die beiden Savannenläufer soeben gesprochen hatten.

Dieser Don Racosta war besser gekleidet als die anderen Bewohner der Ansiedlung. Aber seine schwarzen, stechenden Augen und ein gewisser Zug um den brutalen Mund ließen ihn recht unsympathisch erscheinen.

Er hatte zwei Pistolen und ein Jagdmesser im Gürtel und im Arm eine noch recht neue Doppelbüchse. Mit einem kurzen »Ihr gestattet, Sennores« nahm er am Feuer Platz, ohne eine Aufforderung dazu abzuwarten. Dann begann er sogleich.

»Ich möchte Euch um eine Auskunft bitten. Ihr habt doch sicherlich jenen Fred Summer, den die Apachen jetzt niederknallten, recht gut gekannt. Wisst Ihr etwas über seine Vergangenheit?«

Der Comanche warf Felsenherz einen besonderen Blick zu, worauf der blonde Trapper erwiderte: »Weshalb fragt Ihr, Sennor?«

»Oh – das ist meine Sache!«, entgegnete der lange Mensch patzigen Tones.

»So – dann ist es auch unsere Sache, zu schweigen«, meinte Felsenherz gelassen.

Racosta schaute den Trapper jetzt fast drohend an. »Ich glaube, Ihr wollt da einen früheren Desperado in Schutz nehmen!«, rief er. »Ein gewisser Fred Summer war vor etwa 35 Jahren Anführer einer Bande von Buschkleppern, die meines Vaters Hazienda plünderten. Mein Vater ist nachher verarmt und hat mich an seinem Sterbebett schwören lassen, jenen Desperado zu suchen und den Gerichten auszuliefern.«

»Ist denn Euer Vater infolge jenes Überfalls in Armut geraten?«, fragte Felsenherz kurz.

Racosta wurde etwas verlegen. »Nein, das gerade nicht. Aber Summer raubte damals Kleinodien im Wert von vielen Tausenden, und …«

»Der Name Summer ist recht häufig, Sennor«, unterbrach der blonde Trapper ihn da. »Wir wissen nur, dass Miss Lydias Vater ein ehrlicher Farmer war.«

Racosta lachte spöttisch.

»Ihr macht Ausflüchte, Sennor Felsenherz. Ich habe soeben an Halpers Fenstern gelauscht und hörte, wie Jobb Trumm Halber erzählte, dass jener alte Summer seine Jugendverfehlungen bitter bereut und vor seinem Tod …«

Abermals fiel der Trapper ihm ins Wort. »Sennor, dann fragt doch Jobb Trumm über den Alten aus! Lasst uns in Frieden! Wir sind müde und wollen schlafen!«

Der lange Mensch blitzte den Jäger wütend an. »Ich merke, Ihr wollt mich belügen! Aber denkt ja nicht, dass Ihr hier so leichten Kaufes davonkommt! Lydia Summer hat drei Beutel Goldstaub mitgebracht. Sie ist die Tochter jenes Banditen, und als Ersatz für die Juwelen, die dieser einst stahl, werde ich Anspruch auf das Gold erheben! Ich bin hier in Denison Sheriff, Polizeimeister! Wir sind hier nicht in der Wildnis. Wenn Ihr Euch noch weiter …« Er hatte die eine Pistole gezogen und beide Hähne schnell gespannt. »… noch weiter weigert, mir Rede und Antwort zu stehen, verhafte ich Euch!« Felsenherz lachte ihm ins Gesicht.

»Sennor, ob Ihr Sheriff seid, ist uns sehr gleichgültig. Steckt jedenfalls Euer Schießeisen schleunigst wieder weg!«

»Oho – Ihr glaubt wohl, ich fürchte mich vor Euch! Ihr irrt Euch! Ob Ihr zwei sogenannte berühmte Westmänner seid – das imponiert mir nicht!« Er hob jetzt die Pistole und zielte auf Felsenherz.

»Los – raus mit der Antwort!«, befahl er. »Ist Fred Summer, den die Apachen erschossen haben, jener selbe Summer, der …«

Er kam nicht weiter.

Die Pistole flog ihm aus der Hand.

Felsenherz hatte ihm mit der linken Faust einen solchen Hieb gegen den Unterarm versetzt, dass dem Herrn Sheriff jetzt der Arm wie gelähmt im Schoß lag.

»Sennor«, meinte der Trapper dann, indem er nach seiner langen Jaguarbüchse griff, »wenn Ihr nicht in zwei Minuten verschwunden seid, dürftet Ihr morgen Euer Begräbnis als Leiche mitmachen! Mit Burschen Eures Schlages …«

Racosta hatte plötzlich einen gellenden Pfiff ausgestoßen.

In den Büschen raschelte es.

Acht Männer erschienen, jeder mit schussfertiger Flinte, alles raue, verwitterte Gestalten.

»Packt sie!«, brüllte der Sheriff schrill. »Packt sie, Boys! Ihr wisst, dass Ihr mir zu gehorchen habt! Ihr habt mich zum Sheriff gewählt, und …«

Da war der Comanche wie ein Blitz hochgeschnellt, hatte das Feuer durch einen Fußtritt auseinander geworfen und Racosta hochgerissen, setzte ihm das Jagdmesser ins Genick und rief: »Wer wagt es, sich Chokariga, dem Häuptling der großen Comanchennation, wie einem elenden Dieb zu nähern!«

Dann tat er einen Sprung rückwärts, zog Racosta mit sich und war unter den Bäumen verschwunden.

Die zerstreuten Feuerbrände beleuchteten matt die hohe Gestalt des blonden Trappers, der sich erhoben und auf seine Büchse gelehnt hatte.

»Ich weiß nicht, was Euer Sheriff Euch vorgelogen hat, Männer«, sagte er ernst zu den acht Ansiedlern. »Kehrt heim in Eure Blockhütten. Der Schwarze Panther und Felsenherz wünschen den Frieden. Sie haben nichts getan, was Euch ein Recht gäbe, uns wie Verbrecher zu behandeln. Geht! Felsenherz droht nie umsonst!«

Die Farmer standen unschlüssig da.

Dann trat einer vor und erklärte: »Master Felsenherz, wir sind hier in Denison achtzig Ansiedler. Wir wechseln uns alle zehn Tage im Polizeidienst ab. Heute sind wir acht dran und müssen dem Sheriff gehorchen. Er hat uns gesagt, dass Ihr beide ihm Auskunft geben könntet, ob die tapfere Miss, die mit Euch heute Morgen hier eintraf, die Tochter des einst so berüchtigten Fred Summer wäre. Das ist alles, Master. Mehr wissen wir nicht.«

Felsenherz entgegnete darauf weit freundlicher: »Gut denn – wir werden dem Sennor Racosta mitteilen, was wir über Miss Lydias Vater auszusagen haben. Vielleicht hat er ein Recht darauf, von uns eine Antwort zu verlangen. Gute Nacht, Männer von Denison! Wir wollen mit Racosta allein verhandeln.«

Die acht berieten sich leise und erklärten, sie würden in der Nähe im Wald das Weitere abwarten. Darauf zogen sie sich zurück.

Felsenherz brachte das Feuer wieder in Brand, warf trockene Äste in die Glut und setzte sich.

Dann erschien auch schon der Comanche, der den Sheriff noch immer bei der linken Schulter gepackt hielt und ihn nun durch einen leichten Stoß zwang, sich neben dem Trapper niederzulassen.

Auch Chokariga nahm wieder am Feuer Platz.

Der edle Don Racosta war jetzt recht kleinlaut geworden. Aber in seinen schwarzen Augen glühten gleichzeitig auch die Hinterlist und eine feige, versteckte Rach­sucht. Dass ein Indianer es gewagt hatte, ihn, den Abkömmling einer nach Südtexas ausgewanderten alten spanischen Familie mit dem Messer zu bedrohen, würde er nie – nie vergessen!

»Was habt Ihr mir zu sagen, Sennor Felsenherz?«, wandte er sich an den Trapper mit heuchlerischem Gleichmut.

»Ich habe Euch einen Vorschlag zu machen. Chokariga und ich wissen, dass ein Buschklepper einst einen eisernen Schmuckkasten in den Colorado Mountains unweit der Quellen des Arkansas in eine Schlucht geworfen hat …«

»Ah – ein eiserner Schmuckkasten!«, rief Racosta mit vor Habgier zitternder Stimme. »Das ist der Schmuckkasten meiner Mutter! So war es doch Miss Lydias Vater, der …«

»Nein«, unterbrach Felsenherz ihn rau. »Davon habe ich nichts getagt. Lasst das Mädchen hier aus dem Spiel! Sie trägt den Namen eines ehrlichen arbeitsamen Vaters!«

Racosta verzog höhnisch das Gesicht. »Gut, meinetwegen! Ihr wollt Miss Lydias Ruf schonen! Mir soll es recht sein! Wenn ich nur die Juwelen zurückerhalten!«

»Diese Euch zu verschaffen, werden wir versuchen, aber nur unter zwei Bedingungen. Erstens müsst Ihr hier auf der Stelle schwören, den Verdacht, Lydia könnte die Tochter jenes Banditen Summer sein, nie mehr laut werden zu lassen. Zweitens müsst Ihr uns hinauf in die Colorado Mountains begleiten.«

»Oh – wenn es weiter nichts ist!«, meinte Racosta hastig. »Gut, ich schwöre also! Wann wollen wir aufbrechen?«

»Morgen früh, gleich nach Sonnenaufgang.«

»Hm – so eilig? Na – auch das soll geschehen! Ich habe weder Frau noch Kind. Die wenigen Vorbereitungen zu dem Spazierritt sind bald erledigt!«

»Spazierritt?«, meinte Felsenherz kopfschüttelnd. »Sennor, wart Ihr schon einmal im Wilden Westen? Mit einem Spazierritt wird das, was wir vorhaden, sich kaum vergleichen lassen. Dort an den Quellen des Arkansas stoßen die Jagdgebiete von vier Indianerstämmen zusammen. Jene Gegend nennen wir Trapper die blutigen Gründe.«

»Ah bah – Indianer!«, rief Racosta verächtlich. »Im Wilden Westen war ich zwar noch nicht. Aber ich verstehe etwas vom Jägerleben. Noch eine Frage, Sennor Felsenherz. Wie wollt Ihr denn die Schlucht finden, in der der Schmuckkasten liegt?«

»Das ist vorläufig meine Sache! Nun lasst uns allein. Wir wollen noch ein paar Stunden schlafen.«

»Hm – eine merkwürdige Auffassung von Euch, fürwahr! Wie könnt Ihr sagen, es sei nur Eure Sache? Ich als der Letzte des Geschlechts der Racosta kann wohl Anspruch darauf erheben, dass Ihr mir alles mitteilt, was mit den Juwelen zusammenhängt!«

»Soll auch geschehen, Sennor, soll auch geschehen! Nur jetzt nicht!«

»Habt Ihr denn irgendwelche Aufzeichnungen von der Hand jenes Fred Summer, die den Ort näher bestimmen?«, fragte der Sheriff lauernd.

»So forscht man Dumme aus!«, erwiderte Felsenherz grob. Dann stand er auf, nahm seine Decke und streckte sich am Rande der Lichtung dicht neben den Pferden zum Schlafen aus.

Racosta musste sich wohl oder übel zurückziehen, erklärte noch, er würde sich kurz nach Sonnenaufgang wieder hier einfinden und verließ die Lichtung.

Dem Geräusch seiner Schritte nach entfernte er sich wirklich.

Der Häuptling jedoch traute ihm nicht, huschte gleichfalls in die Büsche und kehrte erst nach einer Stunde zurück.

Felsenherz’ feine Ohren vernahmen selbst des Comanchen lautlose Bewegungen. Er richtete sich auf.

»Mein Bruder hat das Bleichgesicht bis zu dessen Blockhaus verfolgt«, meinte er. »Chokariga ist allzu vorsichtig. Was soll dieser Mensch uns schaden?«

Der Häuptling breitete seine Wolldecke neben dem Trapper aus und setzte sich.

»Mein Bruder Harry hatte besser abstreiten sollen, dass Fred Summer Aufzeichnungen hinterlassen hat«, flüsterte er. »Dieser Racosta hat böse Augen. Chokariga wird das Misstrauen gegen ihn nie verlieren, obwohl Racosta jetzt sein Blockhaus aufsuchte und die acht Männer gleichfalls heimgingen. Mein Bruder Harry mag schlafen. Der Schwarze Panther wird bis nach Mitternacht wachen. Dann mag Felsenherz die Wache übernehmen.«

»Ich halte diese Vorsicht hier zwar für überflüssig. Aber gut, es sei!« Er rückte sich den als Kopfpolster benutzten Sattel zurecht und war sehr bald eingeschlafen.

Die Nacht verstrich ohne jeden Zwischenfall. Beim ersten Morgengrauen begaben Felsenherz und der Comanche sich zu Halpers Farm und sagten den beiden Trumms, die noch einige Tage in der Aussiedlung bleiben wollten, lebewohl, verabschiedeten sich auch von Halper und erwähnten nur, dass sie hinauf zu den Arkansasquellen wollten und dass Racosta sie begleiten würde. Lydia Summer schlief noch, und so trugen sie Robb und Jobb viele Grüße an das tapfere Mädchen auf.

»Auf Wiedersehen!«, riefen die Trumms den Scheidenden dann noch nach.

Und der dicke Jobb fügte hinzu: »Wir folgen Euch in drei bis vier Tagen! Solltet Ihr dem Schnellen Büffel begegnen, so bestellt ihm einen schönen Gruß von mir und sagt ihm, er soll sich in Dummer Büffel umtaufen lassen! Am Big Salt Creek hat er sich nicht gerade mit Ruhm bedeckt!«