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Romantruhe-Western Band 17

Hal Warner
Romantruhe-Western Band 17
Mann ohne Recht

Western, Paperback, Romantruhe, Kerpen-Türnich, August 2017, 70 Seiten, 4,95 Euro, Titelbild: Romantruhe-Archiv
www.romantruhe.de
Kurzinhalt:
Drei Jahre hatte Jim Langtry in Yuma verbracht. Seine Hände waren rau von der Knochen brechenden Arbeit in den Stein­brüchen. Aber sie hatten ihn nicht kleingekriegt. Sein Wille, eines Tages nach Topock zurückzukehren und Rechenschaft für das erlittene Unrecht zu fordern, hatte ihn aufrecht gehalten. Und nun war es soweit. Er hatte seine Strafe verbüßt und war mit dem Flussschiff den Colorado hinauf nach Topock gefahren. Doch die alten Feinde warteten schon auf ihn, und Jim Langtry wusste, dass er diesmal um sein Leben kämpfen musste. Denn einem Sträfling aus Yuma gab man keine Chance – er war ein Mann ohne Recht …

Leseprobe

Jims erster Eindruck war, dass die Stadt noch genauso schäbig aussah, wie er sie in Erinnerung hatte. Eine Ansammlung hässlicher Gebäude rings um den Anlegeplatz, eine morastige Straße, die zum Hochufer führte, und oben ein paar Dutzend weitere Häuser aus Balken und Lehm – das war Topock, der kleine Ort am Ostufer des wild schäumenden Colorado.

Seine Hoffnung, unerkannt an Land gehen zu können, sich ein Pferd zu beschaffen und ohne Aufsehen aus der Stadt zu reiten, zerrann, als er am Ufer die Männer erblickte.

Es waren Männer in Weidekleidung, stoppelbärtig und bis an die Zähne bewaffnet. Sie lehnten an einem Schuppen und musterten alle Reisen­den, die über die Landebrücke den Flussdampfer verließen.

Sie mussten auch Jim sehen – und sie würden sofort wissen, wer er war.

Yeah, besonders der bullige Clayd Home würde ihn bestimmt auf Anhieb wiedererkennen.

»Gehen Sie doch weiter!«, schimpfte da hinter Jim Langtry eine ärgerliche Stimme. »Ich will auch an Land kom­men.«

Jim war unwillkürlich stehen geblieben und bekam nun einen Stoß in den Rücken. Ohne sich nach dem betreffenden Mann umzudrehen, ging er weiter und erreichte über die Lauf­planke die Gangway.

Und da sah ihn Clayd Home. Sein breitflächiges Gesicht wirkte zuerst nachdenklich, dann eine Sekunde lang verdutzt, um sich schließlich noch mehr in die Breite zu ziehen. Seinen weit auseinanderstehenden Zähnen entfuhr ein halblauter Pfiff.

»Seht mal, wer da kommt!«, rief er über den Platz. »Das ist doch Jim Langtry, unser spezieller Freund.«

»Du hast recht«, knurrte ein blatternarbiger Kerl an Homes Seite. »Ich wette, er kommt direkt aus Yuma.«

Jim spürte es bitter in sich aufstei­gen. Er begriff, worauf diese Männer hinauswollten. Sie wollten ihn demütigen und vor allen Leuten bloßstellen. Ihn, der nach drei Jahren Haft aus Yuma zurückkehrte.

Er ging weiter und wich den Blicken von Home und seinen Begleitern nicht aus. Jeder von ihnen verriet nur zu deutlich seine Gesinnung. Offenbar freute es sie diebisch, dass sie ausgerechnet jetzt bei Jims Ankunft auf dem Anlegeplatz waren.

»Er ist dünner geworden‚ ergriff da Home wieder das Wort. »He, Jim, wie war es im Knast?«

Jim blieb stehen und starrte den bulligen Mann düster an.

»Was willst du von mir, Clayd?«, fragte er freudlos.

»Dich begrüßen«, antwortete Home grinsend. Er stieß sich von der Schup­penwand ab und trat, dicht vor Jim. »Willst du mir nicht die Hand geben, Jim? Wir haben uns ziemlich lange nicht gesehen.«

Jim spürte die Falschheit von Home, und die Abneigung gegen ihn wurde stärker denn je. Doch er beherrschte sich.

»Lass mich in Frieden«, entgegnete er ruhig.

Clayd Home lachte, und die anderen fielen ein. Sie sahen, dass Jim Langtry keine Waffe trug, und wurden daher noch dreister.

»Ich verstehe«, sagte der Blatternarbige höhnisch. »Wenn man drei Jahre im Gefängnis war, will man seine Ruhe haben. So ist, es doch, wie?«

Jun antwortete nicht. Er hätte jetzt am liebsten in eines dieser herausfor­dernd grinsenden Gesichter geschla­gen, aber er wusste, das war genau das, auf was die vier Kerle warteten. Nein, er durfte nicht die Nerven verlieren, denn gegen diese Schläger hatte er nicht den Schimmer einer Chance.

Sein Bündel in der Linken, setzte er den Fußmarsch fort. Die Blicke der Leute brannten ihm auf der Haut. Die anderen Reisenden waren durch Home auf ihn aufmerksam geworden.

Aber Home reichte das noch nicht. Er lachte in auffälliger Weise, zeigte mit dem Daumen auf Jim und rief den Vorbeikommenden zu: »Seht ihn euch an, Leute! Das war früher ein ziemlich wilder Bursche! Aber im Gefängnis haben sie ihn kleingekriegt.«

Dann gab er seinen Begleitern einen Wink und setzte sich auf seinen säu­lenartigen Beinen in Bewegung.

Jim drehte sich nicht um, wusste aber, dass ihm die Kerle folgten. Als er den Mietstall erreichte, holten sie ihn ein. Der Blatternarbige stellte ihm ein Bein, während ihm Home einen Stoß in den Rücken versetzte.

Jim kam fast zu Fall. Als er sich gefangen hatte, wirbelte er herum und sah, dass die Weidereiter einen Halb­kreis gebildet hatten.

»Ihr wollt mich wohl unbedingt fertigmachen?«, fragte er bitter.

»Genauso ist es«, versetzte Home. »Du bist uns nämlich noch immer zu stolz. Vielleicht begreifst du hinterher, dass du in Topock nichts mehr verloren hast, mein Sohn!«

»Wir lassen dir den ersten Schlag«, sagte der Narbige, der Greg Matlock hieß. »Na?«

Jim schleuderte Matlock sein Bündel entgegen und fegte ihn damit fast von den Beinen. Gleichzeitig sah er Homes Faust kommen. Sie rammte seine Schläfe und zauberten einen Funken­reigen vor seine Augen. Im nächsten Moment bekam er eine andere Faust ins Genick.

Er stürzte, wurde hochgerissen und versuchte, sich zu wehren. Aber er kam nicht dazu. Die Kerle schlugen zu­gleich von allen Seiten auf ihn ein, trieben ihn sich gegenseitig vor die Fäuste und lachten roh.

Jim stöhnte, ohne dass er es wusste. Es gelang ihm nicht mehr, sein Gesicht zu decken.

Das Letzte, was Jim wahrnehmen konnte, war die zeternde Stimme eines alten Mannes, den er nur undeutlich sah, bevor die Ohnmacht ihn ins Reich der Träume führte.

 

***

 

Als Jim wieder zu sich kam, lag er in einer halbdunklen Kammer auf einem Bett. Über sich sah er ein faltiges Gesicht, das er trotz seines elenden Zustandes gleich erkannte. Es gehörte dem alten Stallmann Pete Dickens, der immer ein Freund der Langtrys gewe­sen war. Er musste vorhin auf Jims Peiniger eingeschrien haben.

»Erschlagen haben dich die Kerle also nicht«, stellte jetzt Pete Dickens fest. »Aber sie haben dir ganz schön zugesetzt. Du warst über eine Stunde bewusstlos.

Jim richtete sich auf und stöhnte dabei. Seine Finger ertasteten einen langen Riss über der linken Augen­braue, und sein Bauch fühlte sich an, als ob ein Pferd darauf herumgetram­pelt sei. Jetzt, da sich Jim bewegte, wurden die Schmerzen noch schlim­mer.

»Pete«, stieß er mühsam über die aufgeplatzten Lippen. »Ein Glück für mich, dass du mich aufgelesen hast. Wo sind die Kerle jetzt?«

»Nicht mehr in der Stadt«, antwor­tete der Stallmann. »Sie sind gleich weggeritten, nachdem sie dich verprügelt hatten.«

»Diese feigen Schufte! Aah, das bekommt mir jeder von ihnen dreifach zurück! Besonders mit Home werde ich abrechnen! Ich muss ihn nur allein erwischen, diesen Kojoten!

Pete Dickensʼ Besorgnis, Jim Lang­try könnte nachhaltige Schäden da­vongetragen haben, machte deutlicher Erleichterung Platz. Es konnte Jim nicht schlimm erwischt haben, sonst hätte er jetzt nicht so fluchen können.

»Steh auf und trink einen Schluck«, brummte der Alte. »Danach wird es dir gleich besser gehen.

Jim kam mit ziemlicher Anstren­gung auf die Beine. Schwäche jagte durch seinen Körper, doch er bezwang sie, hielt sich am Bettpfosten fest und griff mit der freien Rechten nach der Flasche, die ihm Dickens entgegen­hielt. Ohne zu zögern trank er.

Der scharfe Whisky spülte den Blut­geschmack aus dem Mund und rief seine Lebensgeister wieder wach. Seufzend setzte Jim die Flasche ab. Er fuhr sich vorsichtig über die geschwollenen Lippen und blickte seinen Helfer dankbar an.

»Es tut gut, einen Mann wie dich zum Freund zu haben«, sagte er kräch­zend. »Das werde ich dir nie ver­gessen.«

»Keine großen Worte«, brummte der Stallmann. »Es tut mir leid, dass ich dir nicht noch besser helfen konnte. Meine Pflicht wäre es gewesen, den Pelz dieser Schakale mit Hackblei zu fül­len. Aber sie haben höllisch auf mich aufgepasst. Außerdem bin ich ein alter Mann, Jim.

»Schon gut, Pete. Diese Lumpen hatten es sich nun mal in den Kopf gesetzt, mir eine Abreibung zu verpas­sen. Es war eine Sache, die unabänder­lich war. Nun habe ich sie hinter mir. Home und seine Freunde aber haben noch einiges vor sich!«

»Du willst dich revanchieren?«

»Würdest du es hinnehmen?«

»An deiner Stelle sicher nicht. Sei aber vorsichtig, Jim! Sonst machen sie dich noch richtig fertig.«

Jim antwortete nicht, sondern trat an die Wand und betrachtete in einer in einem Rahmen steckenden Spiegelscherbe sein Gesicht.

Es war übel zerschrammt. Überall waren Blutergüsse und Schwellungen zu sehen, und auch ein Zahn fehlte ihm.

»Besonders hübsch siehst du im Moment nicht aus«, meinte hinter ihm Dickens. »Aber ich habe eine gute Salbe für dich. Spätestens in drei Tagen bist du wieder okay. Sag mal, kannst du dir überhaupt erklären, warum dich diese Burschen zusam­mengeschlagen haben?«

»Ich denke, es war wegen Cloud.«

»Nein, das war bestimmt nicht der Grund. Home und Matlock reiten schon eine Weile nicht mehr für Cloud.

»Für wen dann?«

»Für Henry Riordan. Er und sein Bruder Hardy sind hier die kommen­den Leute. Steve Cloud dagegen steht vor dem Ruin. Er hat vor ein paar Monaten die letzten Reiter entlassen.«

Jim hatte, während Pete Dickens sprach, diesen im Spiegel angesehen. Nun drehte er sich zu ihm um.

»Das sind allerdings interessante Neuigkeiten«, sagte er ernst.

»Ich habe noch mehr Neuigkeiten für dich«, meinte der Alte. »Aber zuerst sage mir mal, wann sie dich entlassen haben.«

»Es war vor einer Woche! Hätte ich nicht den Wasserweg nehmen müssen, wäre ich wahrscheinlich gar nicht hierher gekommen. Ich wäre gleich zur Ranch geritten. Aber ich habe leider kein Pferd.«

»Ein Pferd kannst du von mir haben. Du solltest mit dem Aufbruch aber noch ein paar Tage warten, denke ich.«

»Lieber nicht«, erwiderte Jim. »Wenn ich bei dir bleibe, kann dir das nur schaden. Du weißt ja, wie die Leute in Topock sind. Nein, mich hält hier nichts.«

Der Alte nickte.

»Wahrscheinlich ist es wirklich bes­ser, wenn du nicht bleibst. Die Nach­richt von deiner Entlassung macht bestimmt schon die Runde. Ich werde dir Proviant zurechtmachen, damit du nachher gleich losreiten kannst.«

»Ich kann kaufen, was ich brauche. Aber vielleicht besorgst du mir den Einkauf.«

»Du hast Geld?«

»Nicht einmal in den Steinbrüchen von Yuma muss man umsonst schuften. Sieh dir meine Hände an.«

Pete Dickens sah zwei Hände, die voller Schwielen waren. Die Innenflä­chen wirkten rot. Das war Staub aus den Steinbrüchen, der sich hartnäckig in allen Rissen und Poren festgesetzt hatte.

»Du hast viel durchgemacht«, mein­te er ernst. »Dabei glaube ich bis heute nicht, dass du damals wirklich zu Recht verurteilt worden bist.«

Jim Langtry schwieg. Er hörte, wie die Pferde nebenan mit den Hufen leise stampften. Eine Verbindungstür führte direkt in den Stall. Der bärtige Pete Dickens lebte von der Vermietung der Pferde, seit er wegen eines steifen Beines seinen Beruf als Cowboy nicht mehr ausüben konnte.

»Wolltest du mir nicht noch etwas sagen?«, fragte schließlich Jim.

»Ja, Jim. Aber ich wollte, du wüsstest es schon. Es ist nicht angenehm.«

»Handelt es sich um meine Eltern?«, unterbrach Jim.

»Ja.« Pete nickte. »Deine Mutter ist tot.«

Jims Augen wurden dunkel.

»Das hatte ich fast befürchtet«, sag­te er schwer. »Mutter hat sehr elend ausgesehen, als ich sie das letzte Mal sah. Wann ist sie gestorben?«

»Vor zwei Jahren. Ich weiß, dass sie nie an dir gezweifelt hat. Du würdest schon wieder hochkommen, hat sie immer gesagt. Ihre Sorge galt deinem Vater.«

»Was ist mit ihm?«

»Er trinkt! Seit er allein ist, ist es besonders schlimm. Begonnen hat er damit, als du weg warst und es mit eurer Ranch immer mehr bergab ging. Ich sehe ihn dann und wann, aber man kann nie ein vernünftiges Wort mit ihm reden.«

»Mein Gott!«, entfuhr es Jim betrof­fen. »Und das alles ist meine Schuld.«

»Nicht deine, sondern die der Kerle, die die kranken Rinder auf eure Weide gebracht haben«, widersprach Pete Dickens. »Dass du damals die Nerven verloren hast, kann ich dir nicht verübeln.«

»Hat mein Vater jetzt noch Vieh?«

»Nicht ein Stück, glaube ich. Was die Krankheit überstand, hat er ver­kauft und in Schnaps umgesetzt. Jetzt ist er auf die Drinks angewiesen, die er in den Saloons erbetteln kann. Man sieht ihn manchmal hier in Topock, ja, dann wieder in Yucca oder Kingman. Nur noch ganz selten reitet er zu seiner Ranch, die seit Jahren brachliegt.«

»So ist das also«, murmelte um. Die Nachricht hatte ihn schwer getroffen.

»Ja, so liegen leider die Dinge«, entgegnete Pete. »Ich weiß nicht, ob es einen Sinn hat, wenn du in euer Tal reitest.

»Für einen neuen Anfang ist es nie zu spät«, meinte Jim überzeugt.

»Du willst also wirklich nochmals beginnen?«

»Ja, Pete. Und mein Vater wird mir dabei helfen.«

Veröffentlichung der Leseprobe mit freundlicher Genehmigung des Verlages