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Der Welt-Detektiv Band 6

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Jacob von Molay, der letzte Templer 13

Franz Theodor Wangenheim
Jacob von Molay, der letzte Templer
Erster Teil
St. Jean d’Angeli
Verlag von Joh. Fr. Hammerich, Altona, 1838

Dreizehntes Kapitel

Nicht mit großem Gezeuge hatte sich König Philipp auf die Reise begeben. Der Pracht liebende Fürst führte nur ein kleines Gefolge mit sich. Nur wenige in Paris wussten um diese Reise, welche mit der größten Heimlichkeit betrieben worden war. Längst vorbereitet durch Wilhelm von Paris, hatte der Kardinal von Ostia im Konklave zu Perugia mit seinen Anhängern mindestens so viel erwirkt, dass die Wahl eines neuen Oberpriesters zu Rom größtenteils vom König der Franzosen abhing, und Philipp wollte jetzt mit dem Erzbischof von Bordeaux in der Abtei nahe bei St.Jean d′Angeli zusammentreffen. Nicht einmal diese Stadt durfte sich der Gegenwart des königlichen Herrn erfreuen, sondern die altersgrauen Mauern der Abtei waren das Ziel. Alles Übrige hatte für Philipp jetzt keinen Wert.

Die Abtei, keineswegs ein kunstvolles Gebäude, bot jedoch Bequemlichkeiten dar, welche genau für die Absichten der Beteiligten taugten. Tief versteckt hinter hohen Linden, war sie dem fremden unberufenen Auge verborgen; der Abt ein verschwiegener Priester, dem Beichtvater des Königs blindlings ergeben. Vorbereitet, wie diese ganze rätselhafte Reise, war auch alles in der Abtei; die Gemächer für den König, soweit es möglich war, seinem hohen Stand angemessen eingerichtet. Und dennoch schien niemand ihn zu kennen. Er wurde mit der größten Ehrfurcht empfangen, doch man behandelte ihn, wie man jeden edlen Rittersmann behandelt haben würde.

Der Erzbischof von Bordeaux war schon tags zuvor eingetroffen. Der aber hatte ein Gefolge bei sich, in welchem sich der Reichtum eines Prälaten ganz entfaltete. Aber auch dieses Gefolge ahnte nichts von dem Zweck der Reise, denn es bestand größtenteils aus Männern, welche den König nicht persönlich kannten, und diejenigen, welche ihn etwa schon einmal gesehen hatten, unterlegten diesem Zusammentreffen in der Abtei einen ganz anderen als den wahren Grund. Langes Säumen in der Ausführung eines wichtigen Vorhabens lag nicht in Philipps Charakter. Der Erzbischof, dieser ehrgeizige Prälat, brannte vor Begierde, seinen Herrn und königlichen Gebieter von Angesicht zu Angesicht zu schauen. Er war des leisesten Winkes gewärtig, um sogleich vor Philipp zu erscheinen. Der Abt selbst führte ihn zu des Königs Gemach.

Den edlen Anstand des schönen Königs konnte das lange, faltige Hauskleid nicht verdecken, nicht mindern, und Philipp empfing den Prälaten mit derjenigen Herablassung, welche er, auf dem Thron sitzend, mit den Reichskleinodien angetan, so gut verstand. Der Erzbischof, welcher sich seit langer Zeit über den Grafen von Valois zu beklagen hatte, erfüllte in diesem Augenblick die Hoffnung, dass Philipp sich ihm so freundlich zeigte, um ihn mit dem Hof wieder auszusöhnen. In dieser Meinung bestärkten ihn des Königs Entschuldigungen ob dieses Gegenstandes, und der Prälat sprach seine Freude über des Königs gnädiges Benehmen in den gewähltesten Worten aus.

»Königlicher Herr«, fügte er salbungsvoll hinzu, »Ihr erfüllt in dieser Stunde das Höchste eines christlichen Herrschers, das segensreichste Werk des besten Sohnes der Kirche. Frankreichs Klerisei stand treu zu Euch, als Ihr mit dem Heiligen Vater zu Rom …«

»Ich weiß, ich weiß, Herr Erzbischof«, unterbrach ihn Philipp, »und als christlicher Herr und König will ich dahin trachten, dass niemals wieder solches Ärgernis der Christenheit gegeben werde … Der Zeitpunkt ist da«, setzte er nach einer Pause fort, indem er den Bischof scharf beobachtete. »Die Gelegenheit beut sich eben dar, welche einen Mann auf St. Peters Stuhl berufe, der nicht wie Bonifazius denkt und handelt; der, ein weiser Fürst der Kirche, die Könige der Christenheit väterlich leite und den Frieden wahre, welcher allein das Heil des Kreuzes bedingt.«

»Sehr wahr, mein König«, gab der Erzbischof zu, »und möge Euch der Heilige Geist erleuchten, damit Ihr so Heilsames für die Kirche stiftet!«

»Ich glaube, er hat mich erleuchtet, denn meine Wahl ist schon auf einen Mann gefallen.«

»Eure Majestät hat also schon beschlossen?«

»Freilich habe ich das! Wäre ich denn zu dieser Abtei gekommen?«

Philipp sah den Prälaten mit so vielversprechendem Blick an, dass dieser kaum der Sprache mächtig blieb. Des Königs Frage, dieser Blick – dem Erzbischof wurde gar wundersam zumute.

»Was ist Euch?«, unterbrach der König das Schweigen. »Eure Augen leuchten freudig und Eure Finger leben. Ja, ich will es Euch nicht länger verbergen, was mich hergeführt hat.«

»Mein König!«

»Still, Erzbischof, lasst mich sprechen. Man ist eben im Begriff, Stab und Ring zu vergeben. In Perugia erwartet man nur noch meine endliche Beschließung, denn die heilige Gottesmutter, welche mich am höchsten unter den Königen der Erde stellte, hat mir auch die himmlische Gnade erwiesen, über die Wahl eines Fürsten der Kirche entscheiden zu können. Meine Wahl ist gefallen, doch muss ich vorher versichert sein, dass nicht derjenige, welchen ich erhoben habe, sich von des Standes Höhe verleiten lasse, alles Regiment wieder an sich reißen zu wollen und ein zweiter Bonifaz meine Gnade mit Undank vergelte.«

»Das wird er nicht, mein König, das wird er nicht. Des Himmels Rute würde ihn ob dieses Undanks züchtigen müssen.«

»Ihr sagt das wohl, Erzbischof, doch Mensch bleibt Mensch, das Herz ist ein gar leicht bestechlich Ding, und von Ehren und Würden, von Macht und Glanz wird es am leichtesten bestochen. Nein, nein, ich muss Bürgschaft haben, dass die Früchte meiner Saat so heilsam seien, wie ich sie auszustreuen gedachte. Gesetzt, ich ließe den Erzbischof von Bordeaux wählen …«

Der Name führte den Prälaten zu des Königs Füßen.

Dieser trat erstaunt zurück. »Wie? Herr Erzbischof? Zu meinen Füßen? Ihr?«

»Demut, Herr und König, ziemt mir für so hohe Gnade! Lasst mich sie küssen, diese Hand, welche so gnädig der leuchtende Stern des christlichen Glaubens über mich auszustrecken …«

»Herr Erzbischof«, fiel der König ein, »das sind nur Worte und Bonifaz hat mich misstrauisch gemacht. Bürgschaft muss ich haben, Bürgschaft, welche selbst ein Priester nicht entkräften kann. Gebt Ihr diese, dann soll die dreifache Krone auf Eurem Haupt leuchten und Ihr zwischen Himmel und Erde das Regiment führen.«

»Was ein Statthalter Christi«, versicherte der Erzbischof, »für den König von Frankreich zu tun vermag, das gelobe, das schwöre ich zu tun, so wahr mir Gott helfe!«

»Erhebt Euch«, schüttelte Philipp verneinend den Kopf. »Das ist mir nicht genug. Euer Beichtiger könnte Euch gar leicht von solchem Eid entbinden. Hört an, Herr Erzbischof: Vier Bedingungen sind alles, was ich von Euch heische. Diese aber müsst Ihr erfüllen. Bürge sei mir der Eid »bei dem Leibe Jesu Christi, unseres Herrn und Heiland, des Sohnes der Jungfrau, des Heiligen Geistes Menschen beseeligender Frucht.«

Da stutzte der Erzbischof. Von diesem Eid konnte selbst ein Oberpriester zu Rom nicht lösen.

Aber der Ehrgeiz hatte des Prälaten Herz so ganz erfüllt. Die Aussicht, die höchste Macht in der christlichen Welt in seinen Händen zu wissen, ließ ihn von allen Zweifeln sich bald entkleiden und Bertrand de Got, Erzbischof von Bordeaux, schwor: »Bei dem Leibe Jesu Christi, unseres Herrn und Heiland, des Sohnes der Jungfrau, des Heiligen Geistes Menschen beseeligender Frucht schwöre ich, die vier Bedingungen, welche Philipp, der König von Frankreich, der beste Sohn der Kirche mir offenbart hat.«

»Haltet ein, Herr Erzbischof! Nichts habe ich Euch offenbart. Ihr schwört, zu erfüllen, was ich Euch offenbaren werde, wenn Ihr geschworen habt.«

»Majestät!«

»Blinden Gehorsam will ich jetzt – nichts weiter!«

»Wenn aber Eure Majestät irgendetwas heischte, was dem Heil der Kirche zuwider …«

»Schweig, Pfaffe!«, flammte der König auf. »Philipp von Frankreich und irgendetwas heischen, das dem Heil der Kirche zuwider!«

»O, zürnt nicht, Herr und König! Das Wort war unbedacht. Ich erkenne mein Fehl.«

»Wollt Ihr schwören, Erzbischof?«, fragte jener frostig. »Entschließt Euch kurz, denn nicht Ihr allein seid es, der mir zu Gebote steht.«

»Was Ihr wollt, ich schwöre!«

Und der Erzbischof leistete den Eid, wie ihn Philipp verlangt hatte. Kaum war die Formel ausgesprochen, da reckte sich des Königs Gestalt höher und höher. Triumphierenden Schrittes eilte er auf und nieder, bis er sich endlich wieder fand und zu dem Erzbischof folgendermaßen sprach: »Die erste Bedingung, welche ich Euch stelle, ist, dass Ihr meinem Kanzler, Guillaume de Nogaret, die Absolution erteilt. Auf meinen Befehl hatte er Bonifaz in Haft genommen. Drum ziemt es sich, dass ich ihn von dem Bann löse, den jener Papst über ihn verhängt hat.«

Der Erzbischof staunte nicht wenig, eine so leichte Bedingung erfüllen zu dürfen.

»Die zweite Bedingung«, fuhr der König fort, »ist, dass Ihr das Andenken eines Papstes verdammt, welcher mich, Euren Wohltäter, gekränkt hat. Bonifaz starb mir zu früh, er entrann durch den Tod der gerechten Strafe von meiner Hand. Ihr schweigt? Ihr wollt den nicht verdammen, welchem Ihr nicht ähnlich zu werden versprecht? Ein Schreckbild muss jener Papst Euch sein und Ihr wollt sein Andenken ehren? Verdammen sollt Ihr es! Der Eid bindet Euch! Ihr müsst ihn halten!«

Der Erzbischof sprach mit erbleichtem Angesicht. »Der Eid bindet mich – ich werde tun, wie Ihr verlangt.«

»Gut«, nahm der König die Versicherung hin. »Jetzt die dritte Bedingung: Meine Kassen sind erschöpft, ich muss sie wieder zu Kräften bringen. Den Zehnten von aller Geistlichkeit in Spanien bewilligt Ihr mir. Erschreckt nicht, ich will ihn nicht für immer. Auf fünf Jahre, von jetzt an, soll er mir gehören.«

Das war nun freilich ein Verlangen, dessen Gewährung um so schwieriger schien, da schon zu Bonifaz Pontifikat die päpstlichen Kassen so weit gebracht waren, dass der Tempelherrenorden mit seinen Reichtümern beispringen musste. Aber der Erzbischof musste ja – der Eid band ihn, der unverbrüchliche, welchen kein Mensch auf Erden lösen konnte. Dass sein Fürchten um die vierte, die letzte Bedingung um so höher gesteigert wurde, je nachdem der König die drei Ersten nach der Reihe immer schwerer gestellt hatte, ist leicht zu begreifen, und der Erzbischof sah mit Bangen der letzten Bedingung entgegen. Wie unerwartet kam ihm daher des Königs gleichgültige Anrede: »So wünsche ich Euch Glück, Herr Erzbischof. Ich wünsche der Christenheit Glück, dass ein Mann wie Ihr St. Petri Stuhl besteigen wird. Nun wird doch endlich der Friede heimisch werden zwischen Rom und – doch halt! Ich vergaß. Der beständige Aufruhr des römischen Volkes möchte Euch, zumal im Anfang des Pontifikats, beschwerlich sein. Nehmt, wenn Ihr meinen Rat beherzigen wollt, Eure Residenz zunächst in Frankreich. Avignon, zwar noch Lehen Carls des Zweiten von Neapel, scheint mir der beste Aufenthalt für Euch, denn Carl trägt es vom Päpstlichen Stuhl zu Lehen. Leicht wird es Euch alsdann, das Kardinalkollegium nach Lyon zu berufen, um Euch dort krönen zu lassen, und ich«, fügte er vertraulich hinzu, »ich bin dann nicht gar weit von Euch.«

Als König Philipp schon so zuversichtlich von dem nächsten Verfahren des neuen Papstes sprach, da war es dem Erzbischof nicht anders, als ob die höchste Würde ihn schon bekleidete, und er beschloss, im Betreff seiner Residenz in Avignon sowie der Zusammenberufung der Kardinale nach Lyon des Königs Rat schon darum zu beherzigen, weil dieser Fürst ihn gegen eine Welt beschützen konnte. Seine Furcht vor der vierten Bedingung verscheuchte des Königs zutraulicher Ton und gern hätte ihn Bertrand de Got jetzt das kaum Denkbare erfüllt. Er bat daher den König, ihm diese vierte Bedingung mitzuteilen, damit er seine Bereitwilligkeit, ihm zu dienen, sogleich an den Tag legen könnte.

Doch Philipp versetzte: »Nicht doch, Herr Erzbischof, nicht doch. Das will ich mir aufsparen, bis Ihr Papst geworden seid. Es könnte mich dieses oder jenes einmal in die Notwendigkeit versetzen, von dem Statthalter Christi etwas zu verlangen, und es ist so beruhigend, einen sicheren Rückhalt zu wissen. Unser Geschäft ist zu Ende. Ihr seid entlassen. Die nächste Stunde findet meinen Boten auf dem Weg nach Perugia.«

Der König gab dem Erzbischof das Geleit bis zur Tür. Als diese sich hinter dem Prälaten geschlossen hatte, schritt Philipp tief denkend im Gemach auf und nieder und murmelte vor sich hin: »Die vierte Bedingung ist für den Papst, nicht für den Erzbischof von Bordeaux!«

 

Ende des ersten Bandes