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Felsenherz der Trapper – Teil 13.4

Felsenherz der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 13
Das Vermächtnis des Buschkleppers
Viertes Kapitel

Die Flucht zu den Ansiedlungen

Die zwölf Wächter, die im Apachenlager um die Gefangenen herumsaßen, sollten nun bald abgelöst werden.

Es war jetzt gegen zwei Uhr morgens. Noch drei Stunden, dann wurde es hell.

Der Schnelle Büffel, der mit den drei alten Kriegern bisher vergeblich auf die Rückkehr der Verfolger gewartet hatte, die von ihm hinter Lydia Summer und Jobb Trumm geschickt worden waren, stand jetzt unwillig auf und schritt langsam auf die Gefangenen zu.

Außerhalb des Kreises der Wächter blieb er stehen und musterte insbesondere Felsenherz mit Blicken, aus denen der ganze Hass und die wilde Rachgier, die den Oberhäuptling beseelten, hervorleuchteten. Er machte gerade den blonden Jäger dafür verantwortlich, dass er hier am Big Salt Creek mit seinen Anordnungen zur mühelosen Gefangennahme der Bleichgesichter und des Comanchen einen so schlechten und für die seinen so verlustreichen Erfolg gehabt hatte.

Dann befahl er die Ablösung der Wachen und wollte zu seinem Zelt zurückkehren.

Er hatte jedoch kaum einige Schritte getan, als vom Bach her zwei Schüsse kurz hintereinander knallten, denen nach wenigen Sekunden zwei weitere folgten.

Die zwölf Wächter, die bereits mehr zur Seite getreten waren, hatten noch das Pfeifen der Kugeln und ihren Einschlag gehört, stoben jetzt auseinander und warfen sich zu Boden.

Auch der Schnelle Büffel hatte sich blitzschnell hinter das nächste Zelt in Sicherheit gebracht.

Das Lager wurde jetzt im Moment wieder lebendig. Die Apachen glaubten, dass sie überfallen werden würden und dass die vier Schüsse nur die Einleitung eines Kampfes gegen irgendwelche neu aufgetauchten Gegner waren.

Als alles ruhig blieb, als kein weiterer Schuss fiel, hielten die Rothäute diese Stille notwendig für irgendeine besondere List.

Erst nach fünf Minuten etwa befahl der Schnelle Büffel dann einigen Kriegern, die Umgebung des Lagers abzusuchen.

Jetzt fanden sich auch zwei der Pferdewächter ein und meldeten das Verschwinden der vier Reittiere, auf deren Verlust sie erst aufmerksam geworden waren, als die vier Schüsse sie zu größerer Achtsamkeit gemahnt hatten.

Sehr bald stellte sich heraus, dass die drei Wächter jenseits des Baches offenbar beseitigt worden waren. Man fand sie nirgends. Nur ihre Flinten lagen drüben im Gras. Einige Blutspuren, die der Schnelle Büffel bei Fackellicht näher prüfte, bewiesen zur Genüge, dass hier ein erfahrener Westmann nur zu schnell den Tod des alten Summer gerächt hatte.

Die Erregung der Apachen über diese neue Schlappe machte sich in wildem Geheul Luft. Im Lager herrschte jetzt ein wildes Durcheinander. Die Wächter der Gefangenen bildeten nicht wie vorhin einen Kreis um die drei Tannen, sondern standen in Gruppen ein Stück entfernt und spähten über den Bach hinweg, wo die meisten Apachen nun bei Fackelschein nach Jobbs Fährten suchten.

Niemand der Rothäute wusste recht, wem die vier Kugeln gegolten hatten und wo sie eingeschlagen waren. Die Apachen konnten sich nicht denken, dass Jobb – denn er musste der Schütze gewesen sein – absichtlich vorbeigeschossen haben könnte. Auch um Fehlschüsse konnte es sich nicht handeln. Ein Trapper wie Jobb – die beiden Trumms waren ja als Westmänner recht berühmt – gibt nicht vier Fehlschüsse ab.

Was also halten die vier Kugeln bezweckt? Irgendetwas war mit diesen Schüssen doch beabsichtigt gewesen.

All diese Fragen wurden jetzt von den Apachen nach jeder Richtung hin erörtert. Auch die Wächter beteiligten sich daran. Auf den richtigen Gedanken kam niemand – konnte auch niemand kommen.

Nur Felsenherz und Chokariga wussten Bescheid. Des Comanchenhäuptlings feines Ohr hatte ganz deutlich herausgehört, dass die Kugeln von der rechten Seite in die Tanne eingeschlagen waren, an der Felsenherz gefesselt stand. Der Schwarze Panther ahnte auch sofort, zu welchem Zweck einzig und allein die Schüsse gerade dieser Tanne gegolten hatten.

Der blonde Trapper wandte jetzt abermals den Kopf und schaute seinen roten Bruder vielsagend an.

Sie verstanden sich. Die vier Kugeln hatten die Lederriemen durchlöchert, die Felsenherz′ Brust und Beine umschnürten, und die an der Seite der Tanne nur zwei dicke Lederstricke bildeten.

Hierauf hatte Jobb tatsächlich gezielt, diese Lederstricke hatte er durch die Kugeln zertrennen wollen!

Felsenherz merkte, dass niemand ihn beobachtete. Er dehnte die Brust, ruckte zweimal zu.

Und war frei – hatte nur noch die unteren Riemen zu lockern, versuchte es sofort.

Wie gut doch der dicke Jobb getroffen hatte! Auch diese Riemen rissen jetzt, Felsenherz stand aufrecht da. Nur die Hände waren ihm noch kreuzweis über der Brust gefesselt.

Noch ein prüfender Blick ringsum.

Dann zwei Sprünge nach hinten, dann verschwand er in den Büschen, die am Fuß der Big Salt Mountain sich hinzogen.

Aber im gleichen Moment schrillte ihm auch schon der Alarmruf einiger Apachen in die Ohren. Kaum fünfzehn Sekunden nach ihm stürmten bereits einige dreißig Apachen in die Büsche.

Felsenherz hatte sich hier sofort niedergeworfen und war nach rechts am Rand des Buschwerks weitergekrochen, hatte so eines der Lagerzelte erreicht und sich rasch unter den Fellen in das Zelt hineingezwängt. Es war dies für ihn die einzige Möglichkeit, den Verfolgern zu entgehen.

Mit den Zähnen riss er jetzt an den Knoten der Riemen, die ihm die Arme über der Brust zusammenhielten. Endlich hatte er dann auch Arme und Hände frei, knetete die abgestorbenen Handgelenke und lauschte hier im Dunkeln des Zeltes auf den Lärm der vor Wut wie sinnlos umhereilenden Rothäute.

Die Verfolger entfernten sich offenbar immer mehr. Dass der blonde Trapper noch im Lager verborgen sein könnte, daran dachte selbst der Schnelle Büttel nicht, der jetzt mit Fackeln nach der Fährte des Flüchtlings suchen ließ.

Inzwischen hatten die Apachen jedoch das Gebüsch weithin so gründlich zerstampft, dass eine einzelne Spur nicht mehr herauszufinden war.

Nicht einer der Apachen kam auf den Gedanken, die Zelte zu durchsuchen. Außer den zwölf Wächtern, die wieder die beiden noch vorhandenen Gefangenen eng umkreist hatten, waren jetzt sämtliche Krieger außerhalb des Lagers zerstreut.

Felsenherz hatte sich nun bereits überlegt, wie er am sichersten diese gute Gelegenheit zur Befreiung des Comanchen und Robbs ausnutzen könne.

Gewiss – da draußen hielten nicht weniger als ein Dutzend Krieger die Gefangenen umzingelt. Nur List konnte hier helfen.

Der blonde Trapper beherrschte die Apachensprache so fließend, dass er es schon wagen durfte, einige der Wächter, die jetzt nur Augen für die beiden Gefangenen hatten, durch einen Zuruf wegzulocken.

Das Zelt, in dem er sich befand, stand nach Norden zu den Büschen am nächsten und war von den drei Tannen etwa fünfzig Meter entfernt.

Da die anderen Apachen mittlerweile ihre Suche recht weit ausgedehnt hatten, musste diese List, wenn nicht unvorhergesehene Zwischenfälle eintraten, Erfolg haben.

Felsenherz kroch also wieder aus dem Zelt in die Büsche und rief dann den Wächtern zu: »Ischli! Tama! Tama!«

Sofort liefen auch sechs auf die Stelle zu, woher die Stimme gekommen war.

Felsenherz war jedoch schon wieder in eines der Zelte geschlüpft, das weiter nach Osten zu stand.

Die sechs übrigen Wächter starrten natürlich angestrengt zu den Büschen hin. Der Trapper konnte so lautlos und schnell von hinten an sie heranschleichen, konnte zwei mit der Faust niederschlagen, dem Dritten die Flinte entreißen und den Vierten durch einen Kolbenhieb niederstrecken.

Die beiden anderen jedoch entflohen jetzt brüllend und lockten auch die Übrigen wieder herbei.

Hier handelte es sich um Sekunden, hier durfte kein Messerschnitt, der die Riemen der Gefangenen zerschneiden sollte, umsonst getan werden.

Felsenherz entriss einem der bewusstlosen Krieger das Messer.

Zuerst wurde Chokariga frei, hob schon eine Flinte auf, feuerte.

Auch Robb Trumms Riemen fielen herab.

Felsenherz griff nach dem Tomahawk eines Apachen, schleuderte die Streitaxt dem vordersten der Heranstürmenden gegen die Brust.

Dann rannten die drei Westmänner dem Bach zu, wateten hinüber.

Kugeln pfiffen um sie herum.

Hinter ihnen war die Hölle lebendig geworden.

Doch der dicke Jobb, der inzwischen zufällig auf Lydia Summer gestoßen war, die ebenfalls die felsigen Höhen im Südosten als Schlupfwinkel benutzt hatte, trieb jetzt durch Schüsse die noch übrig gebliebenen Wächter zurück.

Zwei von ihnen fielen. Die beiden Nächsten schoss das tapfere Mädchen nieder.

Dann ging es weiter – bald im Trab, bald im Schritt.

Bevor die Hauptmenge der Apachen, durch die Schüsse herbeigerufen, ihre Mustangs zur Stelle hatte, jagten die fünf Gefährten bereits nach Norden zu in die Prärie hinein.

Als der Morgen graute, erreichten sie den Wichita River, bogen hier nach Osten ab und ritten zwei Stunden lang im Flussbett des Wichita dahin, bis sie mitten in einem Urwald auf eine Treibholzbarriere stießen, aus deren Baumstämmen sie ein Floß herstellten, mit dem sie acht Tage später in den Red River gelangten, wo sich damals bereits einige Ansiedlungen und auch die ersten Anfänge der späteren Stadt Denison am Nordufer dieses rechten Nebenflusses des Mississippi befanden.

Hier in Denison, einem Ort von etwa sechzig Blockhütten, kehrten die glücklich Geretteten bei dem Farmer Halper ein, der mit den Trumms befreundet war und die Flüchtlinge herzlich willkommen hieß.

Die Kunde von dem Eintreffen zweier so berühmter Westmänner wie Felsenherz und Chokariga hatte sich in der Ansiedlung blitzschnell verbreitet und eine Menge Neugieriger nach Halpers Farm hinausgelockt, die am weitesten vom Fluss ab und ganz in der Nähe der endlosen Wälder lag, die sich vom Red River in ununterbrochenem Zug bis an die Jagdgebiete der Comanchen erstreckten.

Halper, ein knorriger Riese mit rötlichem Vollbart und dem bedächtigen, wortkargen Wesen der Hinterwäldler, wusste bald nicht mehr, wo er all die Gäste unterbringen sollte, die plötzlich das Bedürfnis fühlten, sich wie von ungefähr nach dem Befinden der Familie Halper zu erkundigen.

Neben Felsenherz und Chokariga erregte vielleicht die meiste Aufmerksamkeit die schlanke, hübsche Lydia Summer, die noch immer ihren ledernen Jagdanzug trug und der man mit allgemeiner Teilnahme begegnete, weil rasch bekannt geworden war, dass sie vor Kurzem ihren Vater drüben am Big Salt Creek verloren hatte.

Als der Abend nahte, zerstreuten sich die Gäste wieder und John Halper wollte nun für die Flüchtlinge die nötigen Lagerstätten für die Nacht herrichten.

Felsenherz und der Häuptling erklärten jedoch, dass es ihnen zu ungewohnt sei, unter einem Balkendach in einer Stube zu nächtigen, und dass sie im nahen Wald lagern würden.

Sie nahmen denn auch ihre Pferde und Waffen und schritten dem dunklen Forst zu, fanden auch nach zehn Minuten eine kleine Lichtung in einem Talkessel, sattelten ihre Tiere ab, zündeten ein Feuer an und streckten sich behaglich auf ihren Decken aus.

Der Comanche war merkwürdig schweigsam, sodass der blonde Trapper sehr bald fragte: »Womit beschäftigen sich die Gedanken meines Bruders Chokariga?«

Der Häuptling erwiderte bedächtig: Mein Bruder Harry hat vorhin im Haus des Farmers wohl das lange Bleichgesicht mit dem schwarzen Bart gesehen. Hat Felsenherz auch dessen Namen verstanden?«

»Nein. Darauf habe ich nicht geachtet. Was ist mit diesem Namen?«

»Die anderen Farmer nannten das Bleichgesicht Don Racosta«, erklärte der Schwarze Panther mit Nachdruck. »Und dieser Don Racosta hatte nur Augen für das weiße, tapfere Mädchen, deren Vater meinem Bruder Harry das Stück Leder mit der Zeichnung gab.«

»Ah – mein Bruder Chokariga meint, dass dieser Don Racosta vielleicht gar ein Verwandter jenes Hazienderos ist, dem der alte Summer einst den Schmuckkasten raubte?«

»Vielleicht ist es so. Chokariga glaubt auch, dass das Bleichgesicht nur deshalb Lydia Summer so aufdringlich musterte, weil ihm eben der Name Fred Summer nicht fremd ist und weil er womöglich weiß, dass ein Fred Summer damals an dem Überfall auf die Hazienda beteiligt war.«

»Des Schwarzen Panthers geist wandelt weite Wege in die Vergangenheit zurück«, sagte Felsenherz zweifelnd. »Es wäre doch ein zu merkwürdiger Zufall, wenn …«