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Die Gespenster – Erster Teil – Einundvierzigste Erzählung – Teil 5

Die-GespensterDie Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Erster Teil

Einundvierzigste Erzählung – Teil 5

Von dem wilden Jäger oder dem wütenden Heer

Vierte Erklärungsart

Nach dem Urteil glaubwürdiger Naturkundiger sind die allergewöhnlichsten Veranlassungen des dem wilden Jäger zugeschriebenen Geräusches – die nächtlichen Züge der Zug- und die Streifereien der Raubvögel. Vorzüglich verursachen unter diesen die Uhus, das heißt, die Ohreulen, ein ungemein rätselhaft klingendes Geräusch in der Luft, wenn sie sich begatten. Desgleichen in den Sommermonaten, wenn sie ihre Jungen zur nächtlichen Jagd anleiten.

Ich weiß zwar, dass einige die Richtigkeit dieser Behauptung bezweifeln, weil man Eulen als Raubtiere nicht für gesellig hält. Allein der Grund dieses Zweifels will mir aus einer doppelten Ursache nicht einleuchten. Denn wenn wir die nächtlichen Raubvögel als licht- und menschenscheue Tiere auch ungesellig nennen müssen, so fern wir sie zu ihrer Schlafenszeit am Tage vereinzelt antreffen, so folgt doch daraus noch nicht, dass sie nicht jezuweilen mit vereinten Kräften jagen, und dasjenige Wild verfolgen sollten, welches dem einzelnen Raubvogel nicht unterliegen würde.

Ferner können und müssen ja auch die Nachteulen nach der Analogie aller übrigen zerstreut lebenden Raubtiere zur Zeit ihrer Begattung das werden, was sie im ganzen Sinne des Wortes freilich nicht sind – gesellig. Wenigstens mögen mehrere Männchen unter den blutigen Zänkereien der Eifersucht und des Neides das fliehende und dennoch lüsterne Weibchen verfolgen.

Doch Erfahrungen sind überzeugender als Wahrscheinlichkeiten aus der Studierstube!

Herr von Eckartshausen sagt uns, dass adergläubige Jäger und Reisende, wenn sie in der Nähe von großen Waldungen des Nachts von dem sogenannten wütenden Heer überrascht würden, sich lang auf die Erde hinzulegen und so angstvoll den spukenden Jagdzug über sich wegziehen zu lassen pflegten. Das Nämliche habe einst auch ein beherzter und entschlossener Förster getan. Aber anstatt sich auf den Bauch zu legen, habe er sich auf den Rücken gelegt.

Da der Jagdzug glücklicherweise gerade über ihn weggegangen sei, habe er sein mit grobem Schrot geladenes Gewehr liegend auf denselben abgefeuert und eine sehr große Eule so getroffen, dass sie flügellahm neben ihn niedergestürzt wäre.

Herr M. zu Nördlingen hatte so oft und so ernsthaft von der höllischen Erscheinung der wilden Jagd reden gehört, dass er es endlich müde ward, eine so alberne Erzählung länger anzuhören, ohne sie widerlegen zu können. »Ich fasste daher den Entschluss«, schreibt er, »mich und andere, womöglich, von der wahren Beschaffenheit der Sache zu überzeugen. Mein alter Landsmann, ein guter ehrlicher Bauer, gab mir Nachricht von der Zeit, in welcher die wilde Jagd in seiner Gegend alljährlich anzufangen pflege, und von dem Ort, den ich zu meinen Beobachtungen wählen müsse. Abends nach zehn Uhr verfügte ich mich zu Pferde nach dem mir bezeichneten Berg, den ein Buchenwäldchen beschattete. Der Weg dahin führte mich durch ein niedriges Vorholz.

Nicht lange nach meiner Ankunft an Ort und Stelle hörte ich ein mir unbekanntes Geräusch, das mit dem Rufen der Jäger und mit dem Kläffen der Jagdhunde viel Ähnliches hat. Schon aufmerksam ward ich es noch weit mehr, da ich den Zug selbst wirklich ankommen sah. Je mehr er sich meinem Standort näherte, um so mehr Erschreckliches ging vorher. Meine Erwartungen waren auf das Höchste gespannt, als unglücklicherweise mein sonst folgsames Ross mir allen Gehorsam aufkündigte. Beunruhigt von dem, was um ihn her vorging, tummelte es sich so wild mit mir herum und ging endlich so wütend durch, dass ich nur auf meine Sicherheit und auf die Beruhigung des Tieres denken musste. Meine Beobachtungen waren unterbrochen, und ich kehrte gegen Mitternacht nach Hause zurück.

Mit Ungeduld erwartete ich den Abend des folgenden Tages. Er kam und fand mich auf meinem Posten. Diesmal hatte ich mein Pferd in einiger Entfernung angebunden zurückgelassen. Mich umgab eine feierliche Stille, die aber bald unterbrochen ward. Fürchterlich kündigten mir die Höllengeister ihre Ankunft an, und je näher sie kamen, desto deutlicher glaubte ich, das verschiedene Anschlagen der jagenden Hunde von dem Rufen der Menschen unterscheiden zu können.

Jetzt rauschte der Zug schon durch die Zweige daher. Ich erstaunte nicht wenig, als ich allerlei abscheuliche Gestalten, umgeben von Feuerflammen, teils oben in der Luft, teils unterwärts gerade auf mich einstürmen sah. In der Tat zog ich mich jetzt hinter eine ehrwürdige Eiche zurück. Das wütende Heer brauste vorbei, und ich war so glücklich, zu bemerken, dass diese wilde Jagd nichts anderes als ein Heer von zwanzig bis dreißig Raubvögeln war. Ich folgte dem Zug, so gut ich konnte. Am Rand eines ausgehauenen Fichtenwaldes kehrte er wieder zurück. Auch jetzt wieder begleitete ich ihn so geschwinde, wie es mir das nächtliche Dunkel, Berg, Tal und Büsche erlaubten. Der Zug dauerte eine gute Viertelstunde; dann schien alles ruhig zu werden. Nach einigen Minuten aber trennte sich die ganze Gesellschaft und ließ mich in einem schauervollen Tal zurück. Ich merkte mir diesen Ort und eilte mit meinem Pferd nach Hause.«

Ein anderes Mal glückte es diesem Erzähler, einen von den spukenden Uhus zu schießen. Er fand die Gestalt desselben mit der Büssonschen Zeichnung der großen Ohreule vollkommen übereinstimmend. Die Natur hat diesem Nachtvogel an und für sich schon eine furchterregende Bildung verliehen. Und wenn je eins ihrer Geschöpfe den Namen eines Gespenstes verdiente, so wäre es vielleicht diese Schreckensgestalt. Der dicke, aufgeblasene Umfang dieser Eule mit weiten Ohrmuscheln, ihr ungeheurer, fast möchte man sagen, unverhältnismäßiger Kopf mit seinen zwei über drittehalb Zoll in die Höhe ragenden Federbüschen – ihr schwarzer gekrümmter Habichtschnabel, der ihr mit Haarflocken übersätes Angesicht wie durch eine ungeheure Nase verunstaltet – ihr am Leib schwarz- und gelbfleckigtes sowie braun gestreiftes Gefieder – ihre bis an die Klauen stark mit rötlichen Federn bedeckten Füße – besonders aber ihre hervorstarrenden und im Finstern feurig glänzenden Augen, und deren breite, schwarze, mit einem gelben Ring eingefassten Augäpfel – kurz alles, selbst ihr fürchterliches Geschrei Huhu! Buhu!, womit sie nächtlich gleichsam die schlummernde Natur erschreckt. Alles ist schaudererregend und gespenstartig an diesem licht- und menschenscheuen Tiere. Kein Wunder daher, dass die Fantasie gemeiner Leute, in deren Köpfen es ohnehin schon spukt, beim nächtlichen Anblick eines mit feurigen Punkten daherrauschenden und ungewöhnlich schreienden Luftzuges, schreckliche und ungeheure Gestalten schafft, Dinge anschaulich und hörbar macht, die in der Tat nicht da sind!

Nehmen wir übrigens an, dass auch die im Herbst und Frühjahr aus- und einwandernden Vogelarten unter gewissen Umständen, zum Beispiel, wenn sie mit ihren Feinden, den Raubvögeln, in Streit geraten, ein für Gegenden, wo sie nicht einheimisch sind, ungewöhnliches Geschrei machen, so verbreitet diese vierte Erklärungsart über die Erfahrungen Nr. 6, 7 und 8 und über alle ähnliche in der Tat ein sehr befriedigendes Licht.