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Der Welt-Detektiv Band 6

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Die Gespenster – Erster Teil – Einundvierzigste Erzählung – Teil 4

Die-GespensterDie Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Erster Teil

Einundvierzigste Erzählung – Teil 4

Von dem wilden Jäger oder dem wütenden Heer

Dritte Erklärungsart

Wenn wir die Natur in ihrer uns verborgenen Werkstätte – im Inneren der Erde – beobachten könnten: Gewiss, wir würden mancher Äußerung des wilden Jägers bald näher auf die Spur kommen. Vielleicht fänden wir eine der verschiedenen Ursachen des ihm zugeschriebenen spukenden Luftgeräusches in der Resonanz, welche die erhitzte Luft in den Felsenhöhlen unter der Erde und dem Meer macht, wenn sie aus einem Gewölbe entweder in ein anderes oder in die freie Luft übergeht. Wenigstens hat man bemerkt, dass die Bewohner der Meeresküsten dergleichen Luftgetöse vorzüglich oft hören, und dass es ihnen jedes Mal unter dem Meeresgrund zu entspringen scheint. Hier in den Grundfesten des Wassers also ist es, wo die gepresste Luft auf irgendeine Veranlassung hin und wieder fährt und so ein ganz eigentümliches Geheule macht, welches man in der feierlichen Stille der Nacht besonders deutlich vernimmt. Wer weiß nicht, dass die Winde des Unterleibes je zuweilen ein hörbares Wühlen, welches einem gedämpften Gemiaue der Katzen verglichen werden könnte, verursachen. Höchst wahrscheinlich ist der wilde Jäger zuweilen nichts anderes, als ein solcher Wind in den durchwühlten Eingeweiden des Erdballs. Hieraus werden die Erfahrungen Nr. 2 und 3 als etwas Natürliches begreiflich.

So erklärt auch Unzer die unter Nr. 9 angeführte Erfahrung; und er verdient darin um so mehr Glauben, da man weiß, dass im Delphinat, wo Menschen und Tiere durch das betäubende Gespenst des 5. Jahrhunderts so fürchterlich erschreckt wurden, vormals viele Erdbeben – bekanntlich die Wirkungen unterirdischer Entzündungen – verspürt worden sind; wie denn auch daselbst ein gewisser Berg bei Vienne einst sehr oft Feuer ausgeworfen hat.

Die nämliche Bewandtnis hat es unstreitig mit den unter Nr. 10 erwähnten Lufterscheinungen Italiens und der Tartarei. Was die Letztere betrifft, so werden in der tartarischen Wüste Lop viel salzige und bittere Wasserquellen gefunden. Man kann von ihnen den fast ganz sicheren Schluss auf unterirdische Gährungen und Entzündungen machen.

In Absicht Italiens erzählt Büsson unter anderen, dass die vielen Erdbeben, welche daselbst vom Oktober 1702 bis in den Juli 1703 beständig anhielten, und die an der Südseite der Apennin gelegenen Städte Norcia und Aquila gänzlich verwüsteten, oft von einem schrecklichen Geräusch in der Luft begleitet gewesen wären, dass man aber dergleichen Geräusch oft auch ohne Erdbeben und bei völlig heiterem Himmel gehört habe.

Unstreitig ist gegenwärtige dritte Erklärungsart auch auf die unter Nr. 13 erzählte Erscheinungsart des wilden Jägers im Odenwald anwendbar. Dies erhellt teils aus dem Umstand, dass man nach Aussage öffentlicher Zeitungen vor mehreren Jahren eine Art von Erdbeben in der dortigen Gebirgsgegend verspürte, teils aus dem Resultat der Entdeckungsreise eines Mannheimer Gelehrten. Dieser Mann von Kenntnissen und wahren Untersuchungstalenten bereiste, wie man mir im Jahre 1793 zu Mainz erzählte, ohne seinen Namen nennen zu können – den ganzen Odenwald recht eigentlich in der Absicht, um durch näheres Bekanntwerden mit der Natur dieses Gebirges, dem vorgeblichen prophetischen Gespenst womöglich auf die Spur zu kommen. Er entdeckte unweit Lindenschmids graulichen Schlosstrümmern, in den Felsenklüften etwas, welches höchst wahrscheinlich eine mitwirkende Ursache der geräuschvollen Aus- und Einzüge des spukenden Ritters ist, und diejenigen, in deren Köpfen der Wahnglaube und dieVorliebe für das Wunderbare noch nicht zu tiefe Wurzeln geschlagen haben und noch nicht herrschend geworden sind, einstweilen befriedigen wird, bis ein glücklicher Zufall die Sache in ein noch helleres Licht setzt.

Dieses etwas ist ein daselbst vorgefundener Quell, der in gewissen Jahreszeiten kaum bemerkbar ist oder ganz versiegt, dann aber oft plötzlich wieder mit Geräusch und Heftigkeit hervorsprudelt. Höchst wahrscheinlich stehen diese Ergießungen mit den unterirdischen Winden in Verbindung, welche hier die Eingeweide der Erde durchwühlen, von Zeit zu Zeit aus den Felsklüften bei den spukenden Burgruinen hervorsprudeln, und das Burgtor, wovon man sagt, dass man es nach dem jedesmaligen Aus- und Einzug des Ritters gewaltsam geöffnet finde, aufsprengen mögen.

Inwiefern man übrigens dem wilden Ritter des Odenwaldes ganz unverdienterweise die Talente eines weissagenden politischen Kannengießers zuschreibt, habe ich vorhin schon gezeigt. Man kann in der Tat bei der Deutung seiner Taten nicht willkürlicher zu Werke gehen, als wirklich geschehen ist. Will gerade dann ein Krieg über die Rheingegenden ausbrechen, wenn der Erdball gleichsam Bauchgrimmen hat, wenn unterirdische Winde – den Menschenkindern hörbar – sein Inneres durchwühlen, so bedeutet dies Krieg. Geschieht es zu einer Zeit, wo man wünscht und hofft, dass der wiederkehrende Friede nicht mehr fern sei, so sind sie eine Friedensahndung. Ist weder das eine noch das andere der Fall, so nennt man das Vernommene – den wilden Jäger, das wütende Heer! Welche willkürliche Deutungen! Welche Kunstkniffe!